E_1939_Zeitung_Nr.024
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N° 24 -» Automobil-Revue<br />
Mi<br />
Draussen<br />
und driniien<br />
Hübsche, praktische und wetterfeste Gartenmöbel.<br />
(Embru-Werke, Rüti-Zürich.)<br />
aue lä<br />
Mein Heber Bernhard!<br />
Die ganze Nacht träumte ich — nicht etwa<br />
von Dir, wie Du Dir einbildest — sondern von<br />
dem grossen antiken Kasten, den Du von Tante<br />
Amalie geerbt und den Du unbedingt in unsere<br />
neue Wohnung hineinstellen möchtest. Und<br />
nicht nur das, Du beharrst sogar darauf,<br />
unsere ganze Einrichtung diesem Kasten anzupassen<br />
und unsere Aussteuer, statt in bewährten<br />
Aussteuergeschäften einzukaufen, in Antiquitätengeschäften<br />
zusammenzustöbern. Kein<br />
Wunder also, dass der Traum zu einem wirklichen<br />
Alpdruck wurde, denn zum Schluss begrub<br />
er mich, Dein Kasten, und ich starb voll<br />
oder: „Wie werden wir wohnen?"<br />
Gram über Deine Halsstarrigkeit, um allerdings<br />
heute Morgen wieder aufzuerstehen.<br />
Ich habe mir die Sache nochmals überlegt,<br />
aber es will mir nun einmal nicht einleuchten,<br />
dass wegen dem alten Kasten unsere neue<br />
Wohnung in ein Museum umgewandelt werden<br />
soll! Und es will mir nicht in den Kopf, dass<br />
wir Jungen uns in einem alten Nest niederlassen<br />
sollen! Diese Idee scheint mir auch<br />
ganz im Widerspruch zu stehen mit Deinem<br />
Steckenpferd, der Hygiene! Diese alten Möbel<br />
mit ihren Holzwurmunterständen und ihrem<br />
muffigen Geschmack, im Gegensatz zu den<br />
neuen Möbeln, die so herrlich nach Holz und<br />
Ct<br />
Salon Im Regence-Stil in Nussbaum. Bezüge Brokatstoff. Echter antiker Wand-Gobelin.<br />
Entwurf und Ausführung: Fritz Gysi, Kramgasse 44. Bern.<br />
Wald duften, sind doch unhygienisch. Es tut<br />
mir weh, dass Du unsere schöne, moderne<br />
Wohnung mit so altem Plunder ausstaffieren<br />
willst. Ich finde es auch stilwidrig. Wenn wir<br />
ein feudales altes Herrenhaus besässen oder<br />
Du mir wie der Märchenprinz ein Schloss<br />
schenken würdest, dann würde ich mich Deinen<br />
Plänen nicht widersetzen, weil dann die antike<br />
Einrichtung einen Sinn hätte. Ich würde dann<br />
das süssliche Biedermeier und die ewigen<br />
Louismöbel mit Dir in Kauf nehmen. Da Du<br />
aber kein Prinz bist und wir uns bloss Luftschlösser<br />
leisten können, so werde ich alles<br />
aufbieten, um Dich zu bekehren und Dich für<br />
die herrlichen neuen Möbel zu begeistern, die<br />
für eine moderne Wohnung das einzig richtige<br />
sind. Moderne Möbel brauchen nicht notgedrungen<br />
Serienmöbel zu sein, wie sie Dir vorschweben,<br />
sondern es werden auch heute so<br />
gut als früher-Stücke geschaffen, die den Stempel<br />
der Einmaligkeit tragen. Und wenn Du \*on<br />
Linie schwärmst, so wirst Du doch zugeben<br />
müssen, dass es gerade bei den modernen<br />
Möbeln auf die Linie ankommt. Bei Deinen<br />
Antiquitäten gibt es Bogen, Schnörkel, Schnitzereien<br />
und Intarsien, bei den neuen Möbeln<br />
ist alles einfach,- die Linie allein muss es schaffen.<br />
Stelle Dir doch vor, wie wunderbar sich<br />
jenes lange dreiteilige Büfett im Esszimmer ausnehmen<br />
würde, dessen ganzer Schmuck in der<br />
eigenartigen Holzmaserung besteht. Und wie<br />
würden sich jene molligen, niedrigen Polstermöbel<br />
im kleinen Salon gut ausnehmen. Darin<br />
sitzt es sich viel weicher als in sämtlichen<br />
Empire- oder Rokoko-Fauteuils, die Du auftreiben<br />
könntest, mit ihren steifen harten<br />
Lehnen!<br />
Liebste Marise!<br />
Es steht mir als Mann nicht zu, auf meinem<br />
Standpunkt zu beharren, denn das Heim ist<br />
schliesslich Dein Reich, in dem Du Dich mehr<br />
aufhalten wirst als ich. Ich bin daher bereit,<br />
Konzessionen zu machen, wäre Dir aber sehr<br />
dankbar, wenn Du Dich entschliessen könntest,<br />
doch wenigstens ein Zimmer antik einzurichten.<br />
Was immer Du sagen magst, es ist doch<br />
etwas Schönes um ein antikes Stück, das vom<br />
Kunstsinn und dem handwerklichen Können<br />
früherer Zeitepochen Zeugnis ablegt, und<br />
wenn das betreffende Möbelstück, wie Tante<br />
Amalies Kasten, gar ein Familienerbstück ist,<br />
das seine eigene Geschichte hat und mit der<br />
Familienchronik so eng verbunden ist, so wäre<br />
es pietätlos, ein solches Erbstück zu veräussern,-<br />
abgesehen davon, dass solche Möbel<br />
wertbeständig sind und nie verleiden, was man<br />
von den modernen Möbeln nicht immer behaupten<br />
könnte! Wenn man auf Stilechtheit verzichtet<br />
und sich für irgendeine momentan<br />
moderne Phantasieform entschliesst, so riskiert<br />
man, dass sich dieselbe bald Oberlebt wie ein<br />
aus der Mode gekommenes Kleid, von dem<br />
man nicht begreifen kann, dass es uns jemals<br />
begeistert hat.<br />
Habe ich Dir übrigens gesagt, dass ich mein<br />
Empfangs- und Berufszimmer mit Stahlmöbeln<br />
auszustaffieren gedenke? Vielleicht überrascht<br />
Dich das, aber das wird Dir beweisen, dass ich<br />
das Moderne nicht im Bausch und Bogen verurteile,<br />
sondern durchaus geneigt bin, davon<br />
zu profitieren, wie im vorliegenden Fall, wo<br />
Sachlichkeit und Hygiene am Platz sind.<br />
Marise an Bernhard:<br />
Ich war gestern in einer Raumkunstausstellung,<br />
und sie hat mir den Weg zu einer möglichen<br />
Verständigung gewiesen und mir gezeigt,<br />
wie sich antike Stücke, mit Geschmack<br />
gewählt, auch als Einzelmöbel dem übrigen<br />
modernen Mobiliar einfügen lassen und vor<br />
den ruhigen hellen Wänden der neuzeitlichen<br />
Räume in ungeahnter Weise zur Geltung<br />
kommen. Nun freue ich mich direkt auf den<br />
antiken Kasten, den wir in Dein Studierzimmer<br />
stellen werden. Du kannst ihn als Bücherschrank<br />
benutzen. Mag sein, dass er als Aristokrat<br />
etwas geringschätzig auf die modernen<br />
Polstermöbel herabsieht, die ihn umgeben werden,<br />
aber die Hauptsache ist, dass damit jedes<br />
von uns beiden seinen Willen hat: Du Deinen<br />
antiken Kasten und ich die moderne Einrichtung,<br />
und gerade durch diesen Kompromiss<br />
ein Zimmer besitzen werden, um dessen Eigenart<br />
uns viele unserer Freunde beneiden werden<br />
und das — dank Tante AmeÜas Kasten — gar<br />
nicht kopiert werden kann! Sissy.<br />
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