E_1939_Zeitung_Nr.034
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JJO 34 — DIENSTAG, 25. APRIL <strong>1939</strong><br />
tute Ütundfcaye dec<br />
Radfahrer und<br />
Automobilist<br />
Freund und Feind?<br />
A.~%<br />
Vorbemerkung der Red.: Wir sind uns dessen<br />
bewusst, dass es für ein Auto-Fachblatt<br />
ein etwas heikles Unterfangen ist, das Thema<br />
Radfahrerdisziplin aufzugreifen. Denn — darüber<br />
geben wir uns keinen Illusionen hin —<br />
auch unter den Automobilisten finden sich<br />
schwarze Schafe. Und wer im Glashaus sitzt,<br />
sollte besser nicht mit Steinen werfen. Wir<br />
wollen das auch gar nicht. Was uns leitet, ist<br />
vielmehr die Absicht, einen Beitrag an die<br />
Erhöhung der Verkehrssicherheit zu leisten<br />
dadurch, dass wir den Radfahrerverbänden<br />
wie übrigens auch den Behörden, mit<br />
Vorschlägen und Anregungen dafür an die<br />
Hand gehen, wie sich auf diesem Gebiete<br />
Remedur schaffen, wie sich die Unfallbekämpfung,<br />
woran die Radfahrer gleicherweise<br />
wie die Leute vom Volant interessiert sind,<br />
gerade in diesem Punkt wirksamer gestalten<br />
liesse. Lässt sich dabei — das liegt in der<br />
Natur der Sache — eine gewisse Kritik nicht<br />
unterdrücken, so darf und will sie niemals<br />
Selbstzweck sein, vielmehr soll sie die Wege<br />
weisen helfen, um der Unfallgefahr, die mit<br />
der gewaltigen Zunahme unseres Bestandes<br />
an Fahrrädern stetig wächst, entgegenzutreten.<br />
Nicht niederreissen, sondern aufbauen<br />
und uns mit konstruktiven Ideen in den Dienst<br />
der Unfallbekämpfung stellen, das möchten<br />
wir.<br />
•<br />
«D'Dienschtmaitli und d'Velofahrer!» ist<br />
eine stehende Redensart, die viele Chauffeure<br />
in ärgerlichen Situationen leise vor sich herbrummen<br />
und damit andeuten, dass diese beiden<br />
Gruppen von Strassenbenützern «an allem<br />
schuld» seien. ' Namentlich die Velofahrer<br />
kommen bei den meisten Automobilisten nicht<br />
eben gut weg. Immerhin: die Abneigung wird<br />
von Herzen erwidert!<br />
Dabei liegt die Ursache dieser Disharmonie<br />
gar nicht so tief und wäre mit ein bisschen<br />
Philosophie: und Humor leicht zu überbrücken.<br />
Aber die meisten -Menschen haben es eben<br />
schwer, sich in die Haut des andern hineinzudenken.<br />
Und in selbstgerechter, gut schweizerischer<br />
Schulmeisterlichkeit denkt keiner daran,<br />
zuerst bei sich anzufangen, zuerst die Hand zu<br />
strecken, auch ohne die Gewissheit der Gegenleistung.<br />
Warum aber sollten gerade wir Autofahrer<br />
nicht etwas generöser denken? Auch<br />
wenn wir einmal warten und zahmer fahren<br />
müssen, wie leicht haben wir das wieder ohne<br />
körperliche Anstrengung aufgeholt! Eigentlich<br />
sollten alle Autofahrer eine Zeitlang in belebten<br />
Strossen Velofahren müssen, und umgekehrt<br />
alle Velofahrer einmal im Mittagsgewühl<br />
vom Auto aus ihre Sünden «gemessen».<br />
Für uns ist es einfacher, die Radperspektive<br />
kennenzulernen und da repetieren wir einmal<br />
wieder die besondern Schwierigkeiten des<br />
Velos: Unsicherer Kurs, bedingt durch das<br />
Balancieren mittels des Vorderrads, unangenehmes<br />
Anhalten und Wiederabfahren, das<br />
man durch allerlei «Kunstfahren» zu vermeiden<br />
oder hinauszuschieben sucht, Wetterbelästigungen<br />
durch Regen, Staub, Seiten- und<br />
Gegenwind, usf. Das ergibt für uns einige<br />
«Anstandsregeln», die zum Beispiel so formu-<br />
liert werden könnten: Nimm als Profilbreite<br />
des Velofahrers etwa das Dreifache seiner<br />
wirklichen Breite an, damit er genügend<br />
«schlängeln» -kann. Zwinge nicht ohne guten<br />
Grund einen Velofahrer zum Anhalten; denn<br />
wenn er wieder aufsteigt, so stört sein Wackeln<br />
nur wieder ein anderes Auto. Vergrössere den<br />
Abstand beim Kreuzen und Ueberholen bei<br />
schlechtem Wetter, bei Staub gib erst in reichlicher<br />
Distanz Vollgas.<br />
Sintemalen aber der Verfasser seit den<br />
Jünglingsjahren kaum mehr Velo gefahren ist,<br />
geht es ihm punkto «Perspektive» wie oben<br />
beschrieben: sein Wunschzettel an die Velofahrer<br />
ist bedeutend grösser! Folgende Unarten<br />
und andere vermeidbaren Unzukömmlichkeiten<br />
sollten erwähnt werden:<br />
Das Gruppenfahren! In Deutschland ging<br />
man radikal vor, da ist der Gänsemarsch Vorschrift.<br />
Bei uns musste der Gesetzgeber volkstümlicher<br />
sein und Hess das Fahren zu zweit<br />
noch zu. Nun, das Velofahren ist auf grosser<br />
Strecke oft langweilig und ein Gespräch vermindert<br />
die Mühsal. Eine Zweiergruppe von<br />
Velofahrern braucht gleichviel Strassenprofil<br />
wie ein Auto, hat aber nur einen Bruchteil seines<br />
Tempos. Mit andern Worten: neben einem<br />
Velofahrer haben zwei kreuzende Autos meistens<br />
noch Platz, nicht aber neben zwei Radlern.<br />
Velopaare bringen also viel Unruhe, aber<br />
auch Gefahren in den Verkehr. Energisch<br />
sollte aber auch gegen das noch häufige Fahren<br />
zu dritt eingeschritten werden, das noch<br />
gefährlicher ist als die Zweiergruppen. Denn<br />
das Abbrechen solcher «Mahden» braucht zu<br />
viel Zeit im Verhältnis zum Tempo des nahenden<br />
Autos.<br />
Besonders ärgerlich wirkt für uns ein Radfahrer,<br />
der neben einer Strasseribahn herfährt,<br />
die man doch so rasch als möglich hinter sich<br />
bringen möchte. Ein einziger Velofahrer kann<br />
so ganze Autoschlangen hinter sich erzeugen,<br />
und wenn er dann sich noch den Spass macht,<br />
mit dem Tram um die Wette zu fahren, schön<br />
nebenher, so sammelt er ahnungslos ganze<br />
Wagenladungen glühender Kohlen auf sein<br />
Haupt! Drum möchten wir den Wunsch popularisieren:<br />
wenn du Radfahrer, neben einem<br />
Tram fährst, lass es vorbei, oder fahr ihm sofort<br />
davon, damit die Fahrbahn für die Wagen<br />
frei wird)<br />
In den letzten Jahren wurden prächtige<br />
Radfahrwege gebaut. Da kann man denn<br />
ehrlich «in die Wolle geraten», wenn die Velofahrer<br />
auf der Fahrbahn bleiben und ihren eigenen<br />
Weg verschmähen. Allerdings sollten die<br />
Radfahrwege, genauer. ,markiert sein, ob .sie für,<br />
beide Fahrrichtungen gelten. Bis jetzt ist'mir<br />
nicht klar geworden, ob man bei einseitig angelegten<br />
Radwegen auch in der Gegenrichtung,<br />
also eventuell am linken Rand der Fahrbahn<br />
fahren soll oder darf.<br />
Als eine der gefährlichsten Unsitten betrachte<br />
ich vor allem die Tempi an Kurven und<br />
Kreuzungen, welche namentlich gewisse Ausläufer<br />
einschlagen. Manchmal ist der Meister<br />
schuld, der zu wenig Zeit gibt, oft aber lesen<br />
die jungen Leute Sportnachrichten und verplaudern<br />
sich an einer Ecke, und die Verspätung<br />
muss mit Rasen eingeholt werden.<br />
Weil an die Einführung einer Radfahrerprüfung<br />
nicht zu denken ist, bleiben für die<br />
Abhilfe meines Erachtens nur zwei bewährte<br />
Wege: Aufklärung und Strafe.'Der erste Weg<br />
kann nie ganz genügen, sollte aber noch viel<br />
stärker benützt werden. Nach vermehrten Polizeistrafen<br />
zu rufen, widerstrebt uns Autofahrern.<br />
Möglicherweise könnte noch eine gewisse<br />
Selbsthilfe der Autofahrer etwas abtragen,<br />
zum Beispiel durch Abgabe von Flugblättern,<br />
durch Anhalten und vernünftiges Reden<br />
mit den Sündern. Viel Arbeit bliebe daneben<br />
auch den Radfahrerverbänden, die wir<br />
darin gerne unterstützen würden. Dr. E. P.<br />
AUTOMOBIL-REVUE<br />
Sünden im Strassenverkehr<br />
Die « Automobil-Revue » hat in ihrer Ausgabe<br />
vom 31. März <strong>1939</strong> neuerdings das<br />
Thema: «Verkehrserziehung in der Schule zur<br />
Verbesserung der Verkehrsdisziplin» aufgegriffen<br />
und ist dabei mit Vorschlägen an die<br />
Oeffentlichkeit getreten, die nähere Prüfung<br />
verdienen. Wenn ein jeder an seinem Platz<br />
ernsthaft und ehrlich mithilft, dann sollte es<br />
gelingen, die beängstigende Zahl von Unfällen<br />
herabzusetzen.<br />
Ich bin nun seit 30 Jahren ausschliesslich<br />
im Autofach tätig und, jahraus, jahrein mit<br />
meinem Wagen auf der Strasse. Meine täglichen<br />
Beobachtungen haben mich zu der Ueberzeugung<br />
geführt, dass die jungen radfahrenden<br />
Bäcker- und Metzgerausläufer eines<br />
der grössten Gefahrenmomente im Strassenverkehr<br />
darstellen. Wenn man Gelegenheit<br />
hat, diese rücksichtslos sich überall durchzwängenden<br />
Jünglinge zu beobachten, muss<br />
man sich wundern, dass die Zahl der tödlich<br />
verunglückten Radfahrer nicht noch grösser<br />
ist. Zu dreien und vieren nebeneinander nehmen<br />
diese jungen Leute oft die Fahrbahn in<br />
Anspruch, sie hängen sich an jeden Lastwagen<br />
an, lassen sich vom fahrenden Tram ziehen<br />
und schenken überhaupt keiner Verkehrsregel<br />
Beachtung.<br />
Nach meiner Auffassung muss hier der Hebel<br />
angesetzt werden. Der Autofahrer hat sich<br />
einer umfassenden theoretischen wie praktischen<br />
Prüfung zu unterziehen, was jedermann<br />
durchaus in Ordnung findet. Darf er aber nicht<br />
auch vom Radfahrer erwarten, dass dieser zum<br />
mindesten die wichtigsten Verkehrsregeln<br />
Als wir, von einer grösseren. Reise zurückkehrend,<br />
unserm Autofachmann und Berater erzählten,<br />
in der Regel weniger als 50 Stundenkilometer gefahren<br />
zu sein, wusste der Mann nicht, sollte er<br />
lachen oder weinen. Schliesslich aber verdichtete<br />
sich der Zwiespalt seiner Seele in ein deutlicher<br />
nicht ausgesprochenes Bedauern, seinen guten<br />
Wagen an den Unrichtigen verkauft zu haben.<br />
Nun sind ja einige PS über den Bedarf, allein<br />
schon ihre Besteuerung, eine gediegene Sache.<br />
Man kann ihnen die Strasse unbesehen zu fressen<br />
geben, sich heute in Paris amüsieren und morgen<br />
in die Nordsee spucken. Oder mit den technischen<br />
Gewalten eine seelische Verbindung eingehen<br />
und in feinem Einfühlungsvermögen, in verständnisvollem<br />
Zusammenspiel ihre Möglichkeiten,<br />
auskosten. Man kann mit einem guten Wagen<br />
kennt und sie befolgt? Es sollte nicht vorkommen,<br />
dass Velofahrer Einbahnstrassen in<br />
verbotener Richtung benützen, jeder unter<br />
ihnen sollte wissen, dass in einer Ortschaft<br />
immer der von rechts kommende das Vortrittsrecht<br />
hat, dass vor dem Abbiegen nach links<br />
einem gleichzeitig entgegenkommenden Fahrzeug<br />
der Vortritt zu lassen ist, dass auf einer<br />
Strasse mit allgemeinem Fahrverbot eben nicht<br />
gefahren werden darf, dass vor dem Fussgängerstreifen<br />
anzuhalten ist, um den Fussgängern,<br />
die sich auf der Strasse befinden, den<br />
Vortritt zu lassen, dass ferner die Signallampen<br />
zu beachten sind, dass das Fahrrad des<br />
nachts beleuchtet und mit einer Reflexlinse<br />
versehen sein muss, die natürlich ihren Zweck<br />
nur dann erfüllt, wenn sie sauber gehalten<br />
wird, dass das Loslassen der Lenkstange wie<br />
auch der Pedale verboten ist, usw.<br />
Gelingt es, hier Ordnung zu schaffen, dann<br />
haben wir damit für die Sicherheit der Strasse<br />
viel, sehr viel gewonnen. Nicht nur von uns<br />
Automobilisten würde damit ein Alpdruck<br />
weichen, weit stärker noch müssten die Radfahrer<br />
selbst daran interessiert sein. Und damit<br />
komme ich wieder auf die Anregung der<br />
«A.-R.» zurück, die Verkehrserziehung der<br />
radfahrenden Schuljugend, der Generation von<br />
morgen, durch Ausrichtung von Prämien zu<br />
fördern. Ich bin überzeugt, dass die Versicherungsgesellschaften<br />
ein sehr grosses Interesse<br />
daran haben und eventuell breit wären, zusammen<br />
mit den grossen Verkehrsverbänden<br />
wie A. C. S., T. C. S. usw. denjenigen Schulhäusern,<br />
die während eines Schuljahres von<br />
Unfällen frei bleiben, irgendeine Anerkennung<br />
zur Aufmunterung der anderen zukommen zu<br />
lassen.<br />
F. K., Fahrlehrer.<br />
Lob des Antowanderni<br />
aber auch weniger eilig fahren. Wir tun es. Nicht<br />
ganz so vornehm, aber fast so schön, wie das<br />
Büblein auf dem Heuwagen. Und — lachen auf<br />
das Lächeln aller Prominenten.<br />
Es ist jedoch allerdings nicht gesagt, dass man<br />
nun gerade zur cweekendlichen» Aus- oder Heimfahrt<br />
im Bummeltempo einherpilgern öder die<br />
Autokolonne beim Seenachtfest oder bei einem<br />
Rennen behindern oder ein ständiges Ueberholen<br />
provozieren soll. Selbst der Frömmste aber wird<br />
in Marseille, wie es dort Recht und Sitte will,<br />
die Fussgänger vor sich am Randstein hochspringen<br />
lassen, um nicht selbst von hinten lieblos überfahren<br />
zu werden. Ist nur Zweck und Ziel wichtig,<br />
I kann er seinen Wagen ausnützen wie jeder an-<br />
I dere. Die Eile und Hast aber, werden sie nicht zu<br />
HERM. GRABER, ; CAR1OSSIER, WICHTRACH i