E_1940_Zeitung_Nr.007
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•U AUTOMOBIL-REVUE DIENSTAG, 13. FEBRUAR <strong>1940</strong> N°7<br />
schaftliche Institute wie das Institut für menschliche<br />
Beziehungen der Yale University haben sich<br />
mit Fragen der Sicherheit und Unfallsverhütung<br />
beschäftigt<br />
Die ersten Resultate sind ausgezeichnet. Im<br />
Staate Illinois haben 32000 Kinder im Alter von<br />
16—18 Jahren Autofahren gelernt, und 604 Schulen<br />
haben Autofahren als Pflichtgegenstand eingeführt.<br />
Da man der Ausbildung mehr Zeit widmet<br />
als in Fällen des Privatunterrichts, wenn man beim<br />
Vater, Onkel, Bruder oder einem Freund fahren<br />
lernt, so sind auch die Prüfungen sehr gut ausgefallen,<br />
und nur wenige Kandidaten fielen durch.<br />
Hilfreiche Polizisten.<br />
Europäische Autofahrer kennen Polizisten nur<br />
«ls gefürchtete Mitmenschen, welche Strafmandate<br />
wegen Schnellfahrens und verbotenen Parkens ausgeben,<br />
an Strassenkreuzungen stehen und die<br />
Fahrrichtung angeben, und im allgemeinen den<br />
Autofahrern ihr an sich schweres Leben noch<br />
schwerer machen.<br />
In Amerika haben die Verkehrspolizisten aber<br />
auch bessere Seiten. In Kalifornien zum Beispiel<br />
fahren sie Tag und Nacht in unauffälligen schwarzen<br />
Personenwagen durch die-Stadt, und sind mit<br />
zauberhafter Schnelligkeit an der Stelle, wenn<br />
irgendwo ein Unfall passiert. Vielen Fahrern ist<br />
es schon vorgekommen, dass auf einer Strasse in<br />
der Umgebung der Stadt das Auto plötzlich stehen<br />
bleibt. Es spuckt und röchelt noch dreimal und<br />
steht dann still, und alle Versuche, den Motor zu<br />
neuem Leben zu bringen, sind nutzlos.<br />
In Europa muss in diesem Fall ein Lastauto geholt<br />
werden, oder ein anderes Fahrzeug, das die<br />
Abschiebung durchführt. Das ganze dauert lange<br />
Zeit und kostet Geld. Nicht so in Amerika. Das<br />
Polizeiauto schiebt sich hinter den Wagen, der<br />
nicht fahren will und schiebt ihn jetzt (meist mit<br />
polizeiwidriger Geschwindigkeit) bis zur nächsten<br />
Garage oder Benzinstation; und wenn man sich<br />
umdrehen will, um den braven Polizisten zu danken<br />
— man kann doch nicht sagen: «Was bin ich schuldig?»,<br />
so sind sie schon auf und davon, vielleicht<br />
bereits mit einem anderen Fall beschäftigt. Natürlich<br />
stellt man dann fest, dass es sich nur um eine<br />
kleine Reparatur handelt, welche in wenigen Minuten<br />
durchgeführt ist.<br />
Beschädigte Kotflügel und ähnliche kleine<br />
Schönheitsfehler bilden niemals den Grund zu<br />
einer Auseinandersetzung zwischen Fahrern. Ist<br />
der eine von beiden unvorsichtig gewesen und hat<br />
er etwas angestellt, so wird der zweite es wahrscheinlich<br />
bei einer Entschuldigung bleiben lassen,<br />
fährt in seine Garage, wo der Schaden ausgeklopft<br />
wird — wenn er nicht zu bedeutend ist, meist<br />
auch kostenlos. Nicht nur die Ingenieure in Detroit<br />
haben Amerika zum Autoland gemacht, sondern<br />
auch die Ueberzeugung der Autofahrer, dass<br />
man sich das Auto-Leben nicht noch schwerer machen<br />
müsse als es schon ist.<br />
J.W.<br />
Für die Frau<br />
STX<br />
Psychologie des „enfant terrible<br />
Das «enfant terrible» ist das echte Kind. Es sagt<br />
alles, wie es denkt und fühlt, ist aber auch meistens<br />
in seinen Spielen, beim Zeichnen, Malen,<br />
Formen und Bauen ein «enfant terrible», das sich<br />
hemmungsloser seinen Vorstellungen und deren<br />
Darstellungen hingibt,, also «begabter» im Sinne<br />
der Erwachsenen. Seine Ausdrucksweise wehrt sich<br />
am längsten gegen alles Angelernte, gegen jede<br />
Routine, jede Virtuosität, dafür zeigt sie am ehesten<br />
ein' eigenes Empfinden für gewisse künstlerische<br />
Grundbegriffe. Man sollte sich hüten, solch<br />
einem Kinde zu zeigen: Das musst du so machen.<br />
Redet man dem «enfant terrible» in seine Spiele<br />
hinein, so empfindet es die Korrektur als etwas<br />
Unberechtigtes und wird zum «Besserwissen» gereizt.<br />
Es will wohl Vorschläge hören und wählt<br />
sogar scheinbar einen davon für sich aus, formt<br />
ii<br />
ihn dann aber persönlich um und macht daraus<br />
etwas Neues, zu seiner besonderen Kinderart<br />
Passendes.<br />
Ein «enfant terrible» steckt in jedem Kinde. Bei<br />
Erwachsenen pflegt man es «Charakter» zu nennen.<br />
H.<br />
Mutterliebe wird eingespritzt.<br />
Zwei Forscher am Carnegie-Institut, die Doktoren<br />
R. W. Bates und O. Riddle, haben vor kurzem ganz<br />
eigenartige Wirkungen des Prolactins, eines Hormonsekrets<br />
der Zirbeldrüse, festgestellt. Bei weiblichen<br />
Tieren, die Prolactin-Injektionen erhielten,<br />
entwickelte sich nämlich, obgleich die betreffenden<br />
Tiere niemals Junge geworfen hatten, ein plötzlicher<br />
unbezwinglicher «Mutter-Instinkt». Die Tiere wurden<br />
unruhig, hörten auf zu fressen und waren sichtlich<br />
nach irgend etwas auf der Suche. Sobald man<br />
ihnen fremde Junge zu betreuen gab, beruhigten<br />
sie sich, gewannen ihr gewöhnliches Benehmen<br />
wieder und begannen, die Zöglinge mit einer geradezu<br />
rührenden Liebe zu bemuttern. cpr.<br />
* • *<br />
«Dämmerschlaf» bei der Entbindung ist<br />
unschädlich.<br />
Nach einem Bericht, der dieser Tage von der<br />
Amerikanischen Medizinischen Gesellschaft erstattet<br />
wurde, ruft der viel umstrittene «Dämmerschlaf»<br />
während der Entbindung weder bei der Mutter<br />
noch beim Kind irgendwelche nachteiligen Folgen<br />
hervor. Mehrere Aerzte hatten zum Zwecke dieser<br />
Feststellung je 800 Geburten mit und ohne Verabreichung<br />
schmerzstillender Mittel genau beobachtet<br />
und den Gesundheitszustand der Mütter ebenso wie<br />
das Gedeihen der Kinder während längerer Zeit<br />
verfolgt. Dabei stellte es sich heraus, dass weder<br />
die Sterblichkeitsquote noch die Anfälligkeit gegen<br />
Krankheiten bei den beiden Kategorien irgendwelche<br />
Verschiedenheiten aufwies.<br />
cpr.<br />
WFITC III III \<br />
HELGOLAND<br />
Es gibt in Europa, so paradox es klingen<br />
mag, mehr als einen maritimen Stützpunkt,<br />
der, wie es in der Bibel heisst, auf sandigen<br />
Grund gebaut ist. Gibraltar, das dank seiner<br />
trutzigen Silhouette allgemein als Sinnbild des<br />
«ruhenden Pols in der Erscheinungen Flucht»<br />
gilt, ist eigentlich nicht anderes als ein riesiger<br />
Klotz brüchigen Kalks, der wohl den sechspfündigen<br />
Kugeln des achtzehnten Jahrhunderts<br />
gewachsen war, den zwölf- und fünfzehnzölligen<br />
Hochbrisanzgranaten unserer Zeit<br />
aber keinen grossen Widerstand entgegenzusetzen<br />
hat. Helgoland, das «Gibraltar des Nordens»<br />
und der Wächter am Eingang der Deutschen<br />
Bucht ist nur der schäbige Rest eines<br />
früher um ein Vielfaches grösseren Sandsteinfelsens,<br />
dessen Flanken die Nordsee durch ihr<br />
ewiges Wellenspiel ausgespült hat. Heute<br />
bleibt inmitten des Wattemeers lediglich ein<br />
zernagter Kern von einem halben Quadratkilometer<br />
Flächeninhalt und etwa fünfzig Meter<br />
Höhe übrig, der in Friedenszeiten dank der<br />
Fischerei und dem Badebetrieb zweieinhalbtausend<br />
Menschen das Auskommen, bietet.<br />
Doch, wie in der gesamten Kriegsführung bat<br />
die Technik auch hier auf jede neue Angriffswaffe<br />
ein entsprechendes Verteidigungsmittel<br />
gefunden. Eisen und Beton bieten als Bunker,<br />
Kasematten und Panzertürme der Besatzung<br />
Schutz und Aktionsfreiheit und halten in der<br />
Form von Molen, Stützmauern und anderen<br />
Verbauungen die Erosion der Ebbe- und Flutbewegung<br />
auf. Schlüsselstellungen wie Gibraltar<br />
und Helgoland sind für den Krieg zu wertvoll,<br />
als dass nicht alle Mittel versucht würden,<br />
um die durch die Natur gebotenen Vorteile<br />
zu wahren.<br />
Helgoland hat nicht jene wechselvolle Geschichte<br />
wie Gibraltar. Seine Lage war nie ein<br />
Sprungbrett für Völker, die ihr Heil in fernen,<br />
verheissungsvollen Ländern suchten. In der<br />
vorchristlichen Zeit beherbergte es statt Bastionen<br />
einen Tempel, der der Göttin Hertha geweiht<br />
war und bildete darum für die Friesen<br />
und Angelsachsen einen viel aufgesuchten<br />
Wallfahrtsort. Im 7. Jahrhundert kam es unter<br />
die Herrschaft der Herzöge von Schleswig,<br />
im 14. unter diejenige der Dänen.<br />
Der Eintritt in die Weltpolitik erfolgt erst<br />
1807, als die Engländer darauf Fuss fassen,<br />
um mit seiner Hilfe die napoleonische Kontinentalsperre<br />
zu brechen. Die Briten bleiben<br />
dessen Herren bis zum Jahre 1890, in welchem<br />
es an Deutschland abgetauscht wird, wogegen<br />
London die afrikanischen Besitzungen Sansibar,<br />
Wituland und Uganda erhält. Helgoland<br />
bildet für das britische Reich keinen Stützpunkt<br />
für seine Seerouten und wäre nur für<br />
den Fall eines Krieges von einer — dabei noch<br />
sekundären — Bedeutung. Deutschland dagegen<br />
kann die Insel zu einer Marinestation ausbauen,<br />
welche die Ems-, Weser- und Elbemündung<br />
und dadurch auch den Nordostseekanal,<br />
die Verbindung zwischen Brunsbüttel und Kiel,<br />
beherrscht.<br />
Nun beginnt der strategische Ausbau. Helgoland<br />
wird zum eigentlichen Zentralpunkt der<br />
Ostseestrategie. In der südöstlichen Niederung<br />
entsteht ein bedeutender Kriegshafen; der Inselrand<br />
wird gespickt mit Geschützen und Befestigungen,<br />
das Innere dient als Arsenal und<br />
Vorratsmagazin. Im Weltkrieg bildet es den<br />
Ausgangspunkt zu den Aktionen gegen England;<br />
es ist der Schlupfwinkel für die Unterseeboote,<br />
welche die Blockade brechen soll und<br />
das Ziel, um das die Seeschlachten ausgefochten<br />
werden. — Der Vertrag von Versailles gibt<br />
ihm seinen Charakter als Fischerei- und Badeplatz<br />
wieder zurück, indem er die Schleifung<br />
sämtlicher militärischer Anlagen vorschreibt.<br />
Wie Deutschland an die Wiederaufrüstung<br />
herangeht, gewinnt Helgoland seine Bedeutung<br />
zurück. Allerdings mit einem Unterschied. Es<br />
ist nicht mehr der einzige Punkt, der das Verteidigungssystem<br />
der Deutschen Bucht souverän<br />
beherrscht. Die Kampfmittel, besonders die<br />
Flugwaffe hat ungeheure Fortschritte gemacht<br />
und eine Aenderung der Strategie nach sich<br />
gezogen. Es genügt nicht mehr, einzelne wichtige<br />
Punkte stark auszubauen, sowenig sich<br />
die Landverteidigung mit gewissen, stark befestigten<br />
Plätzen begnügen kann. An Stelle der<br />
«Punktverteidigung» tritt die Linie, die rück-<br />
Helgoland.<br />
Die Insel besteht aus einem Felsen aus rotem<br />
Sandstein, dem sogenannten Oberland, das eine<br />
Höhe von über 50 Meter ü. M. erreicht Die Erosion<br />
der Nordsee hat die Oberfläche innert drei<br />
Jahrhunderten um vier Fünftel reduziert. Ausserhalb<br />
der durch eine fette schwarze Linie gekennzeichneten<br />
eigentlichen Insel befindet sich ein seichter<br />
Rand, der bis an die Wasseroberfläche hinaufreicht.<br />
Die Hauptbefestigungen befinden sich an der<br />
Nordwest- sowie an der Südspitze. Die schwarze<br />
Fläche zeigt die Lage der zivilen Wohnhäuser an,<br />
die selbstverständlich evakuiert wurden. Im Innern<br />
der Insel scheint sich, analog der Siegfried- und<br />
Maginotlinie, eine eigentliche unterirdische Stadt<br />
zu befinden. Der alte Kriegshafen wurde gemäss<br />
den Bestimmungen des Versailler Vertrages in den<br />
Jahren 1919 bis 1922 geschleift. Der Leuchtturm,<br />
der in Friedenszeiten als Orientierung für die<br />
Schiffahrt nach Hamburg und Bremen dient, ist auf<br />
40 km sichtbar und damit einer der stärksten Europas.<br />
wärts mehrfach gestaffelt ist. Die sogenannte<br />
maritime «Dreieckstrategie» entsteht, die sich<br />
auf eine Reihe von Küstenverteidigungen<br />
stützt, unter welchen die wichtigsten ein Dreieck<br />
bilden, das durch die gegenseitige Ergänzung<br />
der Eckpunkte die Verteidigungsmöglichkeiten<br />
bedeutend verbessert. Wie im Mittelmeer<br />
Frankreich das System Toulon - Villefrache<br />
- Bastia und Toulon - Biserte - Tunis,<br />
Italien Palermo - Pantellaria - Augusta und<br />
England Cypern - Haiffa - Port Said entwickelt,<br />
so entsteht in der Deutschen Bucht die<br />
Trilogie Helgoland - Sylt - Wilhelmshaven. Das<br />
erstere wird vor allem zur Operationsbasis für<br />
Flugzeuge entwickelt und dient als solche sowohl<br />
für Angriffe wie für Abwehr. Sylt hingegen<br />
erhält nicht nur Flughäfen, sondern auch<br />
noch einen Seehafen, der Wasserfahrzeugen<br />
bis ungefähr 15 000 Tonnen Verdrängung Aufnahme<br />
gewährt. Der Hindenburgdamm, der die<br />
Insel mit dem Festland verbindet, hat gegen<br />
Norden eine Bucht geschaffen, welche sich in<br />
hervorragender Weise für das Verankern aller<br />
Arten von Schiffen eignet. Wilhelmshaven und<br />
in grösserem oder geringerem Masse auch andere<br />
Küstenplätze sind kontinentale Stützpunkte.<br />
Es unterliegt keinem Zweifel, dass Helgoland<br />
in den Vordergrund der mit den Ereignissen<br />
verknüpften Namen tritt, sobald dieser<br />
Krieg richtig und mit vollem Einsatz ausbricht.<br />
0<br />
Die Deutsche Bucht.<br />
Das strategische Dreieck Sylt • Helgoland - Wilhelmshaven, unterstützt durch weitere Befestigungsanlagen,<br />
schützt die Eins-, Weser- und Elbemündung. Im Mittelpunkt der Bucht ist Helgoland<br />
vom Festland 45 bis 70 Kilometer entfernt; die modernen Jagdflugzeuge legen diese Distanzen in<br />
etwa 7 bis 10 Minuten zurück. Die Insel Sylt ist im Laufe der letzten Jahre zu einem Flugzeug- und<br />
Marine-Stützpunkt ausgebaut worden; sie ist mit dem nördlichsten Teil von Deutschland durch den<br />
Hindenburgdamm verbunden. Eine besondere Bedeutung besitzt der Nordostsee- (früher Kaiser Wilhelm-)<br />
Kanal, der Schiffen mit einem Tiefgang von etwa 9 Meter ermöglicht, aus der Nord- in die<br />
Ostsee zu gelangen, ohne den Skagerrak zwischen Norwegen und Dänemark passieren zu müssen.<br />
Die Ostfriesische Inselgruppe, welche die Kette von Juist bis Wangeroog umfasst, ist selbstverständlich<br />
ebenfalls befestigt. Nordwestlich von Helgoland erstrecken sich die Minenfelder, welche<br />
die deutsche wie die englische Marine gelegt haben.<br />
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