Psychologie des Aristoteles
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dem Organe, das empfindet, zugieich Farbenwahrnelimung und Wärmeempfindung,<br />
km'zimi eine Mehrheit von Sinnesthätigkeiten zu bestehen<br />
vermöge. Ist nun dieses richtig, so scheint auch ohne die Annahme<br />
einer neuen empfindenden Kraft unsere Unterscheidung heterogener<br />
Sinnesobjecte erklärhch zu werden. Die Sinne sind nicht getrennt, sie<br />
sind in ein imd demselben Subjecte, und dieses Subject, indem es<br />
durch verschiedene Vermögen zwei Objecte gleichzeitig aufnimmt, wird<br />
eben hiedurch — so sollte man wenigstens glauben — das eine von<br />
dem anderen zu unterscheiden im Stande sein-^^).<br />
Ja es scheint das Problem auf diese Weise sich leichter und vollkommener<br />
als durch die Annahme einer unterscheidenden Kraft, die beide<br />
empfinde, zu lösen. Denn ein und dasselbe empfindende Vermögen kann<br />
zu ein und derselben Zeit nur eine einzige Empfindimg haben ; der Möglichkeit<br />
nach schliessen sich zwar [in ihm verschiedene Empfindungen<br />
nicht aus, da, wie das Warme zugieich der Möglichkeit nach kalt ist,<br />
so auch der Sinn, der Wärme empfindet, zugieich der Möglichkeit nach<br />
die Empfindung der Kälte in sich hat, allein in Wii'klichkeit findet<br />
sich immer nur die eine von beiden|Empfindungen in dem Sinne, wie<br />
auch etwas niemals gleichzeitig warm und kalt sein kann ''). Keine<br />
und darum geschielit es , dass , wie wir oben schon erwähnt haben , wenn Thiere<br />
zerschnitten werden, oft beide Theilstticke empfinden. (Vgl. auch de Part. Animal.<br />
lY, o. p. 682, a, 4. und ebend. 6. b, 29. ) Fragen wir nach den Gründen, auf<br />
welche sich che Meinung ues <strong>Aristoteles</strong> von der Einheit <strong>des</strong> empfindenden Theiles<br />
stützte, so waren sie wohl theils teleologisch, wie die erste der beiden eben<br />
citirten Stellen andeutet, theils Erfahrungsthatsachen. Dass die nächsten Sinneswerkzeuge,<br />
wie z. B. das Auge, nicht empfinden, bewiesen ihm Fälle, wie der,<br />
den er De Sens. et Sens. 2. (p. 438, b, 12.) erzähh, worin ein Krieger durch eine<br />
Verletzung an den Schläfen das Sehvermögen einbüsste. Ferner Hess ihn die Beobachtung,<br />
dass wir nicht gleichzeitig zwei Farben- oder Tonvorstellungen haben<br />
können — denn , wenn die Augenaxen verdreht sind , stört ein Bild das andere,<br />
und wenn Zwei uns etwas gleichzeitig in's Ohr sagen, der Eine in das eine, der<br />
Andere in das andere, so können wir keinen von beiden recht verstehen — auf<br />
die Einheit <strong>des</strong> Gesichtssinnes und ebenso <strong>des</strong> Gehöres schliessen, womit selbstverständlich<br />
zugleich die Einheit <strong>des</strong> sehenden und <strong>des</strong> hörenden Theiles erwiesen und<br />
die Annahme einer Einheit <strong>des</strong> empfindenden Theiles überhaupt nahegelegt war.<br />
(De Sens. et. Sens. 7. p. 448, b, 22. — p. 449, a, 2. und ebend. p. 447, a, 17.)<br />
Endlich musste ihn in seiner Meinung die Thatsache bestärken, dass, wenn Jemand<br />
schläft, nie ein Theil allein schläft. Es kommt nicht vor, dass Einer, der<br />
dem Gesichtssinne nach einschläft, dem Gehöre nach wach bhebe, oder umgekehrt.<br />
Warum aber dieses? Darum, weil der Schlaf eine Afiection <strong>des</strong> ersten, den Sinnen<br />
gemeinsamen Organes ist. Wäre ihr Subject nicht gemeinsam, so wüi'de ihnen<br />
auch jener Zustand der Unbeweglichkeit und Gebundenheit, die der Schlaf ist<br />
(p. 454, b, 20.) , nicht nothwendig gemeinsam sein. De Somn. et Vigil. 2. p. 455,<br />
a, 25.<br />
36) De Anim. III, 2. §. 13. p. 427, a, 2.<br />
37) De Anim. III, 2. §. 14. p. 427, a, 5.