VorhangAuf_114_ET
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THOMAS WILHELM<br />
Tierkinder<br />
Katzenkinder mit den großen fragenden<br />
Augen, mit leicht zur Seite geneigtem<br />
Kopf sind so anmutig, so ans Herz rührend,<br />
dass man sich fragt, welche Aufgabe,<br />
welche Botschaft sie außer dem späteren<br />
Mäusefangen noch für uns haben.<br />
Sollen sie uns an einen Urzustand der<br />
Anmut und der kindlichen Unschuld erinnern?<br />
(Wenn ihr nicht werdet, wie...)<br />
Sollen sie unser Herz erweichen, auf<br />
dass wir immer wieder die hellere Seite<br />
unseres Wesens aktivieren? Sie bringen<br />
uns zum Lachen, sie wecken Zärtlichkeit<br />
in uns. Für Kinder sind Katzenkinder ein<br />
ideales Übungsfeld für die Liebe; und<br />
zwar nicht jene die begehrt, sondern jene,<br />
die zur Hingabe bereit ist. Außer als<br />
Unterhalter dienten unsere Kätzchen<br />
aber auch als Erzieher. Wer nicht behutsam<br />
mit ihnen umging, wer sich nicht<br />
tiergemäß verhielt, erhielt nicht selten<br />
einen schmerzhaften Katzenhieb, der<br />
noch längere Zeit spürbar blieb.<br />
Wenn ich als Lehrer meinen Schulkindern<br />
von unseren Tieren, vor allem aber<br />
von unseren Tierkindern erzähle, dann<br />
beginnen die Kinderaugen zu leuchten,<br />
und um so manchen Kindermund spielt<br />
ein wehmütiger Zug.<br />
Es ist eindeutig: Fast alle Kinder lieben<br />
Tiere. Tierkinder jedoch können sogar<br />
harte Mundpartien aufweichen und ein<br />
Lächeln darauf zaubern und... kalte<br />
Menschenaugen erwärmen. Eine seltsame<br />
Magie geht von Tierkindern aus. Ist<br />
es ihre rührende Unbeholfenheit? Sind<br />
es die fragenden Augen? Ist es das oft unbegrenzte<br />
Vertrauen in ihnen? Sind es<br />
die drolligen Bewegungen? Natürlich ist<br />
es von allem etwas. Dazu kommt noch<br />
ein besonderes, nicht in Worte zu fassendes<br />
Flair, das sie umschwebt: Unschuld,<br />
ungetrübte Lebensfreude...<br />
Es gibt nun natürlich eine Menge vernünftige<br />
Gründe, keine Tiere zu halten<br />
und somit auch auf Tierkinder zu verzichten,<br />
und eigentlich nur wenige, oft<br />
auch noch unvernünftig klingende<br />
Gründe, sich dennoch mit einem Tier,<br />
oder gar mehreren zu umgeben.<br />
denen sie zusammen leben. Sie unterhalten<br />
sich regelrecht mit diesen und<br />
tauschen mit ihnen Zärtlichkeiten aus.<br />
Lange bevor ihr Frauchen oder Herrchen<br />
nachhause kommt, spüren sie deren Nahen<br />
und geben dies durch sehr auffälliges<br />
Verhalten kund. Manchmal erscheinen<br />
uns unsere Katzen wie Schutzgeister,<br />
die von uns Unheil abwenden, sich<br />
um uns kümmern, wenn wir krank sind<br />
und die sich, wie absichtlich auf die<br />
Knotenpunkte von Strahlungen legen,<br />
als könnten sie diesen damit ihre schädlichen<br />
Wirkungen nehmen. Besonders<br />
zugetan waren unsere Katzen immer unseren<br />
Kindern. Wenn diese krank dalagen,<br />
kringelten sich immer zwei, drei<br />
Katzen auf oder unter der Decke, wärmten-<br />
, trösteten- , und unterhielten sie.<br />
Jedes Jahr gab es Katzenkinder und diese<br />
waren und blieben mehr als nur Ersatz<br />
für das bei uns fehlende Fernsehen.<br />
Stundenlang konnten wir dem Treiben<br />
der munter spielenden Kätzchen zusehen.<br />
Noch heute ergötzen sich unsere<br />
inzwischen erwachsenen Kinder an dem<br />
Tollen der Katzenkinderschar. KK nannten<br />
wir das – Katzenkino.<br />
Viele Menschen neigen dazu, sich fast<br />
zudringlich in die Angelegenheit anderer<br />
zu mischen. Hier sind Katzen große<br />
Lehrmeister. Mit großer Deutlichkeit weisen<br />
sie jede unerwünschte Zudringlichkeit<br />
zurück. Wir können noch viel anderes<br />
von Katzen lernen: Geduld, Ausdauer,<br />
Mut. Überdeutlich vermag eine Katze<br />
zu zeigen, wenn ihr etwas gefällt, wenn<br />
sie sich wohlfühlt. Diese Hingabe an die<br />
schönen Augenblicke des Lebens mit Räkeln<br />
und Schnurren – sie fehlt uns oft, da<br />
wir uns auch in schönen Augenblicken<br />
viel zu schnell wieder von den Sorgen<br />
des Alltags hinwegspülen lassen.<br />
Nach den Katzen kamen wir auf den<br />
Hund. Diesmal trat der Mensch als Erzieher<br />
auf. Mit viel Ausdauer und Geduld<br />
erzogen wir (einschließlich der Kinder)<br />
jeden neuen Welpen, damit er nicht zum<br />
Ärgernis für uns und unsere Umwelt<br />
wurde. Die Besonderheit beim Hund ist,<br />
dass schon der Welpe sich fast bedingungslos<br />
dem Menschen unterordnet. Er<br />
kommt auf das geringste Zeichen freudig<br />
herbei, genießt schwanzwedelnd jede<br />
Aufmerksamkeit und versucht unter allen<br />
Umständen, es seinen „Herrchen“ recht<br />
zu machen. Mit wahrer Begeisterung<br />
nimmt er an allen Spaziergängen teil und<br />
bringt so die Familie in Bewegung.<br />
Begonnen haben wir mit Katzen. Diese<br />
geheimnisvollen Wesen stehen oft in innigem<br />
Kontakt mit den Menschen, mit<br />
Unsere Tierliebe verleitete uns, einen<br />
Bauernhof zu erwerben. Hier halten wir<br />
noch heute außer den genannten Tieren<br />
VORHANG AUF • ELTERNTEIL • Heft <strong>114</strong> • Tierkinder<br />
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