Bayerischer Wald
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Urlaub im Bayerischen <strong>Wald</strong><br />
22 Mittwoch, 9. Mai 2018<br />
WELLNESS · WANDERN UND ERHOLUNG<br />
Gutes von Nase bis Schwanz<br />
Michael Simon Reis, Sternekoch im Restaurant Johanns<br />
in <strong>Wald</strong>kirchen, beschreibt die Aromen und Traditionen der Bayerwaldküche<br />
In der ersten Zeit hat man<br />
im Bayerischen <strong>Wald</strong> noch<br />
ein wenig gefremdelt mit<br />
den Kochkünsten von<br />
Michael Simon Reis, der<br />
bereits in seinem zweiten<br />
Jahr im Johanns, dem<br />
Restaurant mit herrlichem<br />
Ausblick auf den Bayerischen<br />
<strong>Wald</strong>, einen Michelin-Stern<br />
erkocht und ihn<br />
seither gehalten hat. Die<br />
Tatsache, dass er ein Einheimischer<br />
ist, hat aber<br />
seinen Weg geebnet im<br />
hübschen <strong>Wald</strong>kirchen, das<br />
inzwischen nicht nur für<br />
sein Modehaus Garhammer,<br />
sondern eben auch für<br />
das Sternerestaurant über<br />
dem Modehaus berühmt<br />
ist. Apropos, falls Sie den<br />
Garhammer nicht kennen:<br />
Es wird Zeit! Ein Shopping-Ausflug<br />
in die üppig<br />
bestückte Modewelt plus<br />
ein Sterne-Mittagessen im<br />
Johanns ist mit das Beste,<br />
was man sich zum Auftakt<br />
der Saison gönnen kann.<br />
Herr Reis, regional einkaufen und kochen – was bedeutet das für Sie?<br />
Michael Simon Reis: Wir ziehen nicht mit dem Zirkel einen Kreis um <strong>Wald</strong>kirchen,<br />
und jeder, der drin ist, darf uns beliefern. Das reicht uns und unseren Ansprüchen<br />
hier natürlich nicht. Wir fassen den Begriff Regionalität viel weiter – und<br />
nehmen auch immer den saisonalen Aspekt hinzu.<br />
Was bedeutet das fürs Einkaufen?<br />
Für den Spitzenkoch bedeutet regional einkaufen und kochen vor allem, dass<br />
ein Großteil der Wertschöpfung in der Region bleibt. Aber auch für den Gast<br />
hat der regionale Bezug eine weitergehende Bedeutung. Schauen Sie mal aus<br />
dem Fenster – dieser weite Blick über die Hügelketten des Bayerischen <strong>Wald</strong>s.<br />
Bei uns im Johanns soll man das schmecken, was man sieht! Nach diesen<br />
Maximen wählen wir die besten Produkte aus, den besten Fisch, das vorzüglichste<br />
Fleisch, vielfältiges Gemüse.<br />
Auf Ihrer Karte steht Wollschwein. Was ist das denn?<br />
Das Wollschwein ist eine alte Schweinerasse mit krausem Fell, die mit 60 Prozent<br />
relativ viel Fett enthält. Daher ist sie für den Handel unattraktiv. Aber das Fleisch ist<br />
besonders aromatisch und kommt bei uns auf den Tisch. Wir haben hier das Patronat<br />
für jeweils zwei Tiere. Grundsätzlich verwerten wir das ganze Tier, das gebietet<br />
schon der Respekt vor der Kreatur.<br />
Das heißt, Sie kochen „from nose to tail“?<br />
Ja, unsere Gäste sollen nicht nur Filetstücke kennenlernen, sondern den Geschmack<br />
des ganzen Tieres erfahren. Dafür braucht es allerdings besondere Kochkünste.<br />
Ein Filetsteak zubereiten kann fast jeder, aber es zart pochieren oder eine<br />
Schulter perfekt schmoren,<br />
die Zunge pökeln und<br />
optisch attraktiv herrichten<br />
– dazu braucht es professionelle<br />
Kochkunst.<br />
Was sind Ihre wichtigsten<br />
Produzenten<br />
vor Ort?<br />
Das sind viele. Zum Beispiel<br />
ein Metzger mit vorzüglicher<br />
Blutwurst. Oder<br />
unsere Gemüsebauern.<br />
Wir setzen auf alte Rübensorten,<br />
Pastinaken,<br />
aber auch auf Kartoffeln<br />
und Spitzkohl. Kartoffelknödel<br />
und Kohl gehören zur traditionellen Bayerwaldküche. Was, Kartoffeln und<br />
Kohl, sagen viele, kann man denn damit eine Sterneküche kreieren? Man kann.<br />
Bei Ihnen steht auch immer Fisch auf der Karte …<br />
Aber nie Salzwasserfisch, sondern immer nur die Fische, die hier gefangen werden.<br />
Karpfen, Stör, Waller, Hecht und Aal, je nach Jahreszeit. Neben den Süßwasserfischen<br />
sind auch Pilze zentraler Bestandteil des Bayerwaldgeschmacks.<br />
Wie würden Sie den charakteristischen Bayerwaldgeschmack beschreiben?<br />
Die erdigen, getreidigen Noten sind hier dominant, leicht süßlich mit dem Aroma<br />
von karamellisierter Zwiebel und Pilzen – unsere Küche greift die Tradition auf und<br />
entwickelt sie weiter. Auch was die alten Techniken des Konservierens angeht.<br />
Erdbeeren im März gibt es bei Ihnen also nicht?<br />
Nein. Aber wir versuchen unsere saisonalen Produkte immer etwas zu verlängern,<br />
indem wir sie zum Beispiel trocknen oder auch einmachen. Grundsätzlich schmecken<br />
Sie bei uns die Jahreszeiten – auch jetzt, wenn der erste Spargel kommt. Es gibt hervorragenden<br />
Spargel aus Niederbayern, wir nehmen den der Familie Guggenberger.<br />
Ihr Lieblingsrezept im Frühjahr?<br />
Wir bieten weißen Spargel mit Mohnknödeln und Egli (Flussbarsch) an. Für die<br />
Sauce rösten wir den Spargel überm Grill und entsaften ihn dann mit unserem<br />
amerikanischen Entsafter. Köstlich.<br />
Herr Reis, vielen Dank für das Gespräch. <br />
Zwischen Himmel und Erde:<br />
Michael Simon Reis ist<br />
ein Koch, der die traditionelle<br />
bayerische Regionalküche<br />
mit raffinierten<br />
kulinarischen Höhenflügen<br />
verbindet.<br />
Foto: Garhammer<br />
Interview: Bettina Rubow