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Bayerischer Wald

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Urlaub im Bayerischen <strong>Wald</strong><br />

26 Mittwoch, 9. Mai 2018<br />

WELLNESS · WANDERN UND ERHOLUNG<br />

Die Vermessung<br />

der Flora und Fauna<br />

im Bauwagen<br />

Totengräber, Naturbursche, Aktivist –<br />

auf der Spur der vielen Leben des<br />

Wolfgang Schreil, genannt Woid Woife<br />

Bodenständiges Original, gestandenes Mannsbild, naturverbundener Querdenker: der Woid Woife. <br />

Foto: Stegers<br />

Es mag ein Zufall sein und ist doch zugleich<br />

ein Indiz, dass just an jenem frühlingswarmen<br />

Samstag in der Osterwoche der „Bayerwald<br />

Bote“ einen Bericht über den Woid Woife bringt,<br />

wo doch der Reporter aus dem 180 Kilometer<br />

entfernten München angereist ist, um mit dem<br />

berühmten Naturfreund aus dem Arberwald zu<br />

sprechen. Natürlich in seinem legendär gewordenen<br />

Bauwagen.<br />

Schon auf dem gemeinsamen Weg dorthin wird<br />

der Woife allseits von den Einheimischen aus<br />

Bodenmais angesprochen, er stehe in der Zeitung.<br />

Er habe, so beteuert er treuherzig, davon<br />

überhaupt nichts gewusst und kenne auch noch<br />

nicht, was denn über ihn geschrieben wurde.<br />

Aber natürlich freue er sich über weitere Publizität.<br />

Denn ob Artikel, TV-Bericht, jede Anfrage und<br />

jedes verkaufte Exemplar seines autobiografisch<br />

eingefärbten Buchs „Zurück zur Natur“ ist ein<br />

weiterer Schritt auf seinem Erfolgsweg.<br />

Für den ehemaligen Totengräber aus Zwiesel erscheint<br />

es noch immer ein Mysterium, wie sich<br />

das alles entwickelt hat und wie urplötzlich er<br />

nun auf einer Welle von Sympathie, Anerkennung<br />

und Fortune gleitet, wo er doch dies gar nicht<br />

befördert habe und es „über ihn“ gekommen<br />

sei, er sich „gar nicht geändert“ habe, er „kein<br />

Studierter“ sei. „Ich war schon immer der Woife<br />

und werde es auch bleiben“, sagt er schon fast<br />

trotzig, so als ob er sich vergewissern müsste,<br />

dass sich auch nichts in seinem Leben ändern<br />

werde, trotz oder gerade wegen des anschwellenden<br />

Rummels um seine Person.<br />

Da sitzen wir nun in seinem Bauwagen, mehr<br />

ein Gruselkabinett als rollender Unterstand,<br />

vollgestopft mit totem, vielfach gebeuteltem,<br />

halb gerupftem Vieh: Greifvögel, Auerhahn und<br />

Marder; Fuchs und Beute schauen sich gegenseitig<br />

an, mit starren Glasaugen fixierend scheinen<br />

sie den Betrachter verhexen zu wollen.<br />

Eine Inszenierung, wie Bühnenausstatter einer<br />

Rocky-Horror-Picture-Show sie nicht treffender<br />

gestalten könnten. Alles wirkt unwirklich, verspukt<br />

und gruftig. Man möchte sagen, hier ist<br />

so gut wie alles zum Time Warp versammelt,<br />

was da kriecht und fleucht im Bayerwald.<br />

Woifes in die Jahre gekommener Bauwagen<br />

steht mit seinen vier Rädern unter den<br />

schattenspendenden Fichtenästen am Rande<br />

einer Lichtung. Draußen am Tisch wärmt die<br />

helle Sonne, es herrscht quirliges Leben. Immer<br />

wieder steuern die Meisen Woifes offene<br />

Hand an und picken Sonnenblumenkerne auf.<br />

Auch das Eichhörnchen holt sich ungeniert<br />

Erdnusskerne vom von Grünspan befallenen<br />

Holztisch.<br />

Die Vögel erkennen seine<br />

tarnfarbene Montur<br />

„Alljährlich verfüttere ich mehr als mein eigenes<br />

Gewicht, ohne dass ich abnehmen würde“,<br />

sagt der Dreizentnermann mit jugendlichem<br />

Schalk. Sackweise schaffe er das Kraftfutter<br />

zum Bauwagen. Während seiner Erzählungen<br />

unterbricht er sich immer wieder, um den Besucher<br />

auf den einen oder anderen Piepmatz<br />

hinzuweisen, der noch im Geäst die Lage peilt.<br />

Schließlich seien seine Schützlinge auf den<br />

Besuch nicht vorbereitet. Die tarnfarbene Montur<br />

hingegen, mit grüner Fleecejacke, umbrabrauner<br />

Rangerhose und <strong>Wald</strong>ler-Filzhut samt<br />

lockendem Pfeifen erkennen sie sofort.<br />

Rostiger Corsa,<br />

baufälliger Bauwagen<br />

Auch seinen alten Opel, ein brombeerfarbener<br />

Corsa, der schneller rostet als er fährt und<br />

dem verwitterter Klarlack großflächig von der<br />

Haube blättert, sind die Bewohner des <strong>Wald</strong>es<br />

gewohnt. Die ausgeschlagene Federung kutschiert<br />

den nicht unbedingt Leichtgewichtigen<br />

auch gemächlich schaukelnd wie in einer Sänfte<br />

über glatt asphaltierte Straßen.<br />

„Was will ich mehr?“, redet er mit der Ruhe<br />

eines Stoikers wie zu sich selbst und meint<br />

dies mehr als Statement denn als Frage. Dann<br />

schnaubt er eine gehörige Prise Schnupftabak<br />

in die Nasenlöcher, zieht ihn kräftig hoch, damit<br />

dieser auch ganz gewiss von den Schleimhäuten<br />

aufgenommen wird und seine Wirkung erzeugt.<br />

Ruhe kehrt ein.<br />

Während er mit wachen Augen unablässig<br />

Äste und Zweige der Bäume mit geübtem Blick<br />

„scannt“, benennt er routiniert seinen „Beutefang“.<br />

Wenn er dann über Verhalten und Lebensweise<br />

referiert, könnte man meinen, eine<br />

exklusive Lehrstunde seiner beliebten <strong>Wald</strong>spaziergänge<br />

zu genießen.<br />

Während der laufenden Tourismussaison<br />

bietet Woife Gruppen von gut einem Dutzend<br />

Naturliebhabern an, mit ihm durch den tiefen<br />

<strong>Wald</strong> zu gehen. Offene Augen, aufnahmebereite<br />

Sinne und eine gehörige Portion Neugier<br />

sind nötig, um dem <strong>Wald</strong> seine Geheimnisse<br />

zu entlocken. Immer wieder heißt es bei diesen<br />

naturkundlichen Exkursionen Halt, um an<br />

Gesang und Melodie den Vogel zu erkennen.<br />

Keine noch so gute Smartphone-App kann<br />

solche Erlebnisse in freier Natur mit den Erläuterungen<br />

und Geschichten des Woid Woife<br />

bieten. Dieses mit der frischen Neugier des<br />

naiven Autodidakten angeeignete Wissen<br />

möchte er weitergeben.<br />

Es muss eine große Sehnsucht, ein Verlangen<br />

bei den heutigen Menschen vorhanden sein,<br />

Natur authentisch zu erleben. Oder sind es<br />

vielleicht auch die Wanderungen in die eigene<br />

Vergangenheit, werden Kindheitserinnerungen<br />

wach? Keine TV-Dokumentation, keine virtuelle<br />

3D-Landschaft kann so einen Spaziergang mit<br />

dem Einheimischen bieten. Alle aufnahmebereiten<br />

Sinne sind geschärft und hellwach taucht<br />

man leibhaftig in die Natur ein. Der Woid Woife<br />

ist dafür das Medium. Der Schamane, der im<br />

<strong>Wald</strong> lebt, aus dem <strong>Wald</strong> kommt und einen in<br />

den <strong>Wald</strong> führt.<br />

So sind es nicht allein die Touristen, die seine<br />

Spaziergänge buchen. Auch die Einheimischen,<br />

wollen sich vom Woid Woife den <strong>Wald</strong> und „seine<br />

Wunder“ erklären lassen. Angeregt von der<br />

Lektüre seines Buches sei eine Dame aus Köln<br />

eigens für ein Wochenende angereist, um seinen<br />

<strong>Wald</strong>spaziergang zu erleben, berichtet er.<br />

Fortsetzung auf Seite 28

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