LE-1-2016
LOGISTIK express Fachzeitschrift
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<strong>LE</strong>ITARTIKEL<br />
Schicksalsjahr <strong>2016</strong> -<br />
Wo sich Spreu vom Weizen trennt<br />
Wer die Nachrichten verfolgt, findet kaum positive Meldungen. Im Gegenteil, die<br />
Flüchtlingskrise stellt alles in den Schatten. Ganz heimlich wird TiSA im Hintergrund<br />
auf den Weg gebracht. Oh – und es gibt wieder Wahlen – auch wenn sie kaum<br />
jemanden interessieren. Ob sich das „Entlastungspaket für Unternehmen“ positiv<br />
auswirkt, wird sich weisen. Das Jahr wird herausfordernd! AUTORIN: ANGELIKA GABOR<br />
ANGELIKA GABOR<br />
Was ist übrig vom „wir schaffen<br />
das“? Nicht viel. Ehrenamtliche<br />
Helfer rackern sich nach wie vor<br />
ab bei dem (hoffnungslosen)<br />
Versuch, all den Flüchtenden ein menschenwürdiges<br />
Dasein in Sicherheit zu ermöglichen.<br />
Wem kommen bei diesem Unterfangen noch<br />
Vergleiche mit Sisyphos in den Sinn? Auch<br />
der arbeitete unermüdlich – und ohne Aussicht<br />
auf ein Ende. Dabei sind diese unentgeltlichen<br />
Hilfsleistungen ein Segen für alle,<br />
nicht zuletzt für den Steuerzahler. Im Jahr 2015<br />
wurden für die Versorgung 591 Millionen Euro<br />
aufgewendet. Dies beinhaltete neben der<br />
Grundversorgung unter anderem Transporte,<br />
Familienbeihilfen, Kosten für die Assistenz<br />
des Bundesheeres (wie gut, dass wir es noch<br />
haben!) und Deutschkurse. Nicht auszudenken,<br />
wie hoch dieser Betrag wäre, müssten<br />
die Freiwilligen mit einem fairen Stundenlohn<br />
vergütet werden. Laut Bundesamt für Fremdenwesen<br />
und Asyl (BFA) wurden 2015 rund<br />
90.000 Asylanträge in Österreich gestellt. Bleibt<br />
der Durchschnitt von 38 Prozent positiven Bescheiden,<br />
bedeutet das, dass 34.200 dieser<br />
Menschen – hauptsächlich aus Syrien – in<br />
Österreich Asyl erhalten. Für <strong>2016</strong> werden im<br />
Innenministerium sogar 120.000 Asylanträge<br />
erwartet. Obwohl das BFA bereits Personal<br />
aufstockt, gibt es jetzt schon einen gewaltigen<br />
Rückstau bei der Bearbeitung. Die Menschen<br />
hängen fest, während sie auf den Bescheid<br />
warten. Und sind großteils zur Untätigkeit verdammt.<br />
Wieviel ist zu viel?<br />
Die Stimmen werden lauter, dass das „Boot<br />
Österreich“ voll ist, Obergrenzen bzw. Richtwerte<br />
werden genannt. Wie viele Menschen<br />
lassen sich in einem so kleinen Land wie Österreich<br />
integrieren? Werfen wir einen kurzen Blick<br />
in die Vergangenheit: laut UNHCR hat Österreich<br />
seit 1945 mehr als zwei Millionen Flüchtlinge<br />
aufgenommen, von denen rund 700.000<br />
dauerhaft hier geblieben sind. Beispielsweise<br />
im Jahr 1992 nahm Österreich etwa 90.000<br />
Flüchtlinge aus Bosnien auf – ohne großen<br />
Aufschrei – von denen sich rund 60.000 hier<br />
niederließen. Auch aus Ungarn, Kroatien, dem<br />
Kosovo, Tschetschenien usw. kam es im Zuge<br />
der Kriege und Vertreibungen immer wieder<br />
zu Fluchtbewegungen zu uns, und jedes Mal<br />
wurde den Menschen geholfen. Warum ist<br />
der Widerstand diesmal so enorm? Liegt es<br />
wirklich nur an der Religion? Übrigens haben<br />
bislang etwa drei Vierteil der Vertriebenen in<br />
ihren Nachbarländern oder Entwicklungsländern<br />
Zuflucht gesucht. Von den 4,3 Millionen<br />
(!) auf der Flucht befindlichen Menschen aus<br />
Syrien sind 2,1 Millionen im Irak, in Jordanien,<br />
in Ägypten und im Libanon.<br />
Fakt ist, die Flüchtlingskrise hält Europa gefangen,<br />
die Politik ist teilweise in Schockstarre<br />
verfallen. Das kleine Österreich orientiert sich<br />
am „großen Bruder“ Deutschland. Wurden<br />
Länder wie Ungarn vor wenigen Wochen<br />
noch für ihre skandalös-menschenfeindliche<br />
Politik des Grenzen-Schließens verurteilt und<br />
ihre Regierung als rechtsradikal bezeichnet,<br />
stehen auch in Österreich schon „Türen mit<br />
Seitenteilen“ – wenn auch mit Lücken. Die<br />
einen sehen darin den einzigen Ausweg, die<br />
anderen die Rückkehr zum Nationalsozialismus.<br />
Eine aufgeheizte Debatte, in der vernünftige<br />
Positionen selten und praktikable Lösungen<br />
nicht vorhanden sind. Und warum? Weil<br />
es keine Lösung gibt, die alle zufrieden stellt.<br />
Natürlich könnte man sagen, jeder Flüchtling,<br />
der es in ein sicheres Land geschafft hat, kann<br />
bereits glücklich und zufrieden sein. Aber es<br />
liegt in der Natur des Menschen, das BESTE<br />
4<br />
LOGISTIK EXPRESS 1/<strong>2016</strong>