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Beschlüsse - Bergstadt Sayda

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Seite 18<br />

Historisches<br />

.<br />

<strong>Sayda</strong>er Amts- und Heimatblatt 05 - 2005<br />

Vor 60 Jahren endete der 2. Weltkrieg am 8. Mai 1945<br />

Erinnerungen an die letzten Kriegshandlungen und die Besetzung von <strong>Sayda</strong> nach<br />

dem 7. Mai 1945, von G. Krönert, Museumsleiter<br />

Fast 6 Jahre dauerte der 2. Weltkrieg, angezettelt von den Nazis kein russischer Soldat. Ab Schellerhau sind wir dann zu Fuß über<br />

am 1. September 1939 bis zum 8. Mai 1945. Das „Tausendjähri- Rehefeld, Hermsdorf (hier fuhren lange russische Kolonnen in<br />

ge Reich“ dauerte gerade mal 12 Jahre und davon 6 Jahre Krieg. Richtung Teplitz), Holzhau, Rebie., in die Sauecke nach<br />

Welches unsägliche Elend wurde über die Menschheit gebracht. Clausnitz zu meinem Großvater. Übernachten konnten wir hier<br />

Etwa 60 Millionen Tote waren zu verzeichnen und Millionen nicht, da Russen im Anmarsch waren. Vom 8. zum 9. Mai<br />

Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Das Leid kann übernachteten wir im so genannten „Butterbüschel“. In<br />

niemand nachvollziehen, der es nicht am eigenen Leib zu spüren Clausnitz hatten sich noch 3 Luftwaffenhelferinnen zu uns<br />

bekam. gesellt. Am nächsten Morgen ging es dann nach <strong>Sayda</strong>. Gegen 10<br />

Ich selbst wurde als Siebzehnjähriger im Februar 1944 zum Uhr kamen wir dann bei mir zu Hause an. Dazwischen liegen<br />

Arbeitsdienst eingezogen und gleich anschließend von der natürlich einige Vorfälle, die ich hier nicht näher ausführen<br />

Wehrmacht übernommen. Es waren 15 Monate, die ich in möchte.<br />

meinem Leben nie vergessen habe. In <strong>Sayda</strong> wimmelte es natürlich von Russen. Wir waren noch<br />

Im Ar be it sd ie ns t mu ss te n wi r Pa nz er gr äb en un d nicht richtig in der Küche, da kamen schon Russen, die uns<br />

Auffangstellungen bei Minsk errichten. Der Rückzug der kontrollierten. Meine Mutter holte dann schnell die Frau<br />

deutschen Armeen war noch einigermaßen geordnet. Nach drei Jakobson, sie stammte ja aus dem Baltikum, die dann beim<br />

Monaten übernahm uns dann die Deutsche Wehrmacht. Nur kurz Übersetzen half. Sie wohnte mit ihrem Mann auf dem Plan. Die<br />

ausgebildet ging es gleich an die Front. Viele von uns haben beim Kontrolle verlief für uns günstig. Meine sechs Begleiter zogen<br />

ersten Trommelfeuer der russischen Artillerie geheult. dann am Nachmittag gleich weiter in Richtung Westen.<br />

Monatelang ging es immer weiter zurück. Der Übermacht der Im Hause fand ich ein wüstes Chaos vor. Auf dem Flur hatten die<br />

Russen konnten wir gar nicht standhalten. Unsere Kompanie Russen ihre Geschäfte verrichtet mit Taschentüchern als<br />

verlor immer mehr Soldaten durch Tod oder Verwundung. Im Toilettenpapier. Die Schränke waren durchwühlt und alles<br />

Januar 1945 waren wir nur noch ein Drittel der Ursprungsstärke. durcheinander geworfen. Die Russen gingen ständig ein und aus.<br />

Unser Standort war Dresden, wir wurden zur Aufstockung dahin Trotzdem habe ich erst einmal ein wenig Ordnung gemacht.<br />

zurückgebracht. Während dieser Zeit erlebten wir die furchtba- Die Russen waren am 7. Mai 1945 über die Alte Voigtsdorfer<br />

ren Luftangriffe auf Dresden und verspürten, was an der so Straße nach <strong>Sayda</strong> gegen 19.00 Uhr eingerückt. Ob <strong>Sayda</strong> als<br />

genannten „Heimatfront“ los war. Wir wurden mit eingesetzt, offene Stadt übergeben wurde, weiß wahrscheinlich niemand.<br />

die Toten zu bergen und auf verschiedenen Plätzen wie dem Die beiden gesprengten Brücken in der Teichstadt und am<br />

Altmarkt mit Flammenwerfern zu verbrennen. Keiner kann sich Schwemmteich (sie wurden von den abziehenden deutschen<br />

vorstellen wie uns zumute war. Es musste aber sein, um der Soldaten gesprengt) bildeten absolut kein Hindernis. Die<br />

Seuchengefahr vorzubeugen. Auf dem Heidefriedhof wurden bestehenden Panzersperren an der Apotheke und beim Gasthof<br />

die Überreste der Menschen dann in Massengräbern beerdigt. „Schwarzen Roß“ waren nicht geschlossen worden. Die Russen<br />

Anfang März 1945 ging es wieder an die Front, Richtung sind noch am gleichen Abend bis Neuhausen an die Flöha<br />

Schlesien. Aber auch dort ging es immer weiter rückwärts nach vorgerückt und am nächsten Tag weiter nach Brüx und Prag. In<br />

Deutschland herein. Das Kriegsende war abzusehen, aber <strong>Sayda</strong> fragten die ersten Russen überall nach deutschen<br />

niemand beendete das sinnlose Morden. In den letzten Soldaten. Die hatten sich aber schon am Nachmittag in Richtung<br />

Apriltagen mussten wir sogar mit SS Einheiten zusammen zum Westen abgesetzt. Nach den ersten Einheiten, die weiterzogen,<br />

Gegenangriff um den Raum Bautzen mit antreten. Was sich hier kamen die Nachschubverbände. Die darauf folgenden Tage und<br />

abspielte, ist kaum zu schildern. Wir standen russischen und Wochen waren für die Einwohner ganz schlimme Zeiten. Es<br />

polnischen Einheiten gegenüber. Viele Orte wurden, nachdem wurde geplündert, was nicht niet- und nagelfest war. Besonders<br />

sie von der Roten Armee besetzt waren, wieder befreit. Diese hatten es die Russen auf Uhren, Radios und andere wertvolle<br />

Befr eiun g dau erte aber nich t lan ge. Stark e rus sisc he Gegenstände abgesehen. Bei diesen Plünderungen suchten sie<br />

Panzereinheiten stoppten die Offensive und dann ging es in aber auch Frauen. Hatte man welche entdeckt, wurden sie auf<br />

großem Tempo wieder rückwärts bis in den Dresdner Raum. Am bestialische Art und Weise vergewaltigt. Manche Frauen sind<br />

5. Mai sind wir schon über die Elbe. Danach wurde die dabei so übel zugerichtet worden, dass sie in ärztliche<br />

Autobahnbrücke gesprengt. Über Grumbach ging es nach Behandlung gehen mussten und auch Dauerschäden davon<br />

Tharandt, Hainsberg, Borlas (auf dem Friedhof wurden noch getragen haben. Die Russen waren noch mehr aufgeputscht,<br />

einige Kameraden von uns beigesetzt), Dippoldiswalde nach wenn sie Schnaps getrunken hatten. In der <strong>Sayda</strong>er Brauerei<br />

Johnsbach. Hier übernachteten wir in Scheunen vom 7. zum 8. lagerten viele ausgelagerte Spirituosen vom Reginapalast<br />

Mai 1945. Am frühen Morgen erreichten wir die Gegend von Dresden. Das war natürlich ein gefundenes Geschenk. Drei Tage<br />

Hirschsprung und fuhren mit unseren Fahrrädern (wir 4 Soldaten feierten die Russen ausgiebig das Kriegsende. Die russische<br />

waren Melder im Bataillonsstab und hatten Wehrmachts- Führung ließ tagelang dieses Chaos gewähren . Viele Einwohner<br />

fahrräder) direkt in die Arme der Russen. Der Vormarsch der sind zeitweilig in die Wälder oder zu Angehörigen in die<br />

Russen stockte, da in und um Altenberg noch gekämpft wurde. Nachbardörfer geflüchtet. Ein Teil junger Frauen ist mit den<br />

Altenberg wurde vom 7. bis zum 8. Mai zu fast 60 % zerstört. abziehenden deutschen Soldaten westwärts gezogen. Sie<br />

Wer hier den Krieg noch wenden wollte, kann wahrscheinlich kehrten erst spät wieder zurück.<br />

nicht geklärt werden. Es sollen Einheiten der Schörner-Armee Noch in der ersten Woche wurde im Amtsgericht die sowjetische<br />

(dieser Armee gehörten auch wir an) zusammen mit Kommandantur eingerichtet. Sie erließen nach etwa drei Tagen<br />

Hitlerjungen gewesen sein. die ersten Befehle. So u. a. ab 20 Uhr bis 6 Uhr Ausgangssperre,<br />

Nun waren wir plötzlich in russischer Gefangenschaft. Nicht sie setzten einen Bürgermeister (Herrn Matschewsky, Gastwirt<br />

unsere Waffen wollten die Russen haben, sondern unsere „Uhri“. im Schützenhaus) ein. Einige Hilfspolizisten aus der<br />

Eine Zeit später nahmen wir wieder unsere Fahrräder, es Bevölkerung wurden eingesetzt, Veranstaltungen waren<br />

kümmerte sich doch niemand um uns und fuhren ab nach<br />

Schellerhau. Keiner hinderte uns daran. In Schellerhau war noch (Fortsetzung auf Seite 19)

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