KUNSTINVESTOR AUSGABE MAI 2018
Kunst als Kapitalanlage AUSGABE MAI 2018 Chefredakteur: Michael Minassian
Kunst als Kapitalanlage
AUSGABE MAI 2018
Chefredakteur: Michael Minassian
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PASSION<br />
79<br />
Porzellan-Tablett, Blumen-Stillleben<br />
signiert Joseph Nigg, 1807, Länge 41,5 cm<br />
erzielter Preis € 84.300<br />
Porzellan-Tablett, „Gemma Augustea“<br />
signiert Lorenz Herr, 1815<br />
erzielter Preis € 24.700<br />
nachfolgenden Porzellanmanufakturen<br />
im deutschsprachigen Raum ebenso wie<br />
der italienischen Produktionsstätten von<br />
Doccia und Ginori.<br />
Porzellan aus der Kaiserstadt Wien maß<br />
sich an den asiatischen Vorbildern: Maria<br />
Theresia sammelte Imari-Porzellan, dessen<br />
Dekore die Privatmanufaktur Du Paquiers<br />
für ihre Erzeugnisse aufnahm und mit<br />
jenen des österreichischen Hochbarock<br />
kombinierte. Porzellan ersetzte als Gedeck<br />
und Tafeldekoration bei Hofe Silber und<br />
Gold, und die Kaiserin ließ die verderblichen<br />
Tischzierden aus der Zuckermasse<br />
Tragant durch dauerhafte Figurengruppen<br />
in Wiener Porzellan nach dem Geschmack<br />
des Rokoko ersetzen. Für den österreichischen<br />
Hof und die Hocharistokratie wurde<br />
es selbstverständlich, Porzellanservice mit<br />
individuellem Dekor aus der Wiener Porzellanmanufaktur<br />
zu besitzen und auch<br />
zu nutzen. Die überschuldete Wiener Privatmanufaktur<br />
Du Paquiers übernahm<br />
1744 die Hof-Banco-Deputation, nun in<br />
den Besitz der kaiserlichen Familie. Maria<br />
Theresias Heiratspolitik brachte Wiener<br />
Porzellan und das diesbezügliche<br />
Knowhow von Sévres<br />
bis nach Florenz und Neapel.<br />
Nach dem Tod Maria There sias<br />
hielten die Stilmerkmale<br />
des Klassizismus Einzug in<br />
die Wiener Porzellanerzeugung.<br />
Die Fabrikdirektoren<br />
Conrad Sörgel von Sorgenthal<br />
und Matthias Niedermayer führten durch<br />
die Verbindung der neu gegründeten<br />
Manufakturschule mit der Wiener Akademie<br />
der bildenden Künste Formen und<br />
Dekore im Empire und Biedermeier zu<br />
einer Hochblüte, die künstlerisch und technisch<br />
europaweit ihresgleichen suchte: Die<br />
Modellmeister waren Schüler der großen<br />
Barockbildhauer, die Porzellanmaler ebenfalls<br />
akademisch geschult.<br />
Die Kaiserliche Porzellanmanufaktur Wien<br />
sollte alle Krisen überstehen – bis zur<br />
Entschließung vom 22. August 1864, die<br />
Porzellanfabrik aufzulassen. Die wichtigsten<br />
Teile des Nachlasses gelangten an das neu<br />
gegründete k. k. Österreichische Museum<br />
für Kunst und Industrie (heute MAK). 1923<br />
knüpfte die auf Betreiben von Proponenten<br />
wie Josef Hoffmann neu gegründete Porzellanmanufaktur<br />
Augarten erfolgreich an die<br />
große Tradition an.<br />
Ab dem zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts<br />
wurde Wiener Porzellan auch bürgerliches<br />
Besitztum, Sammelgut und Kunsthandelsware:<br />
Nicht nur für Mitglieder des Hauses<br />
Habsburg, sondern auch für wohlhabende<br />
Großbürger wie die Familien Rothberger,<br />
Bloch-Bauer und Wittgenstein wurde das<br />
Sammeln des kaiserlichen Porzellans zur Leidenschaft.<br />
Spitzenstücke der bedeutendsten<br />
Kollektionen führte die größte je veranstaltete<br />
„Ausstellung von Alt-Wiener Porzellan“ mit<br />
2.320 Katalognummern im Österreichischen<br />
Museum für Kunst und Industrie 1904<br />
zusammen. Die Gestaltung und das Interesse<br />
am Wiener Porzellan kann man<br />
auch als Seismographen der kulturellen<br />
und sozialen Entwicklung Wiens sowie<br />
der österreichischen Lande durch drei<br />
Jahrhunderte lesen. Die vom Dorotheum<br />
unterstützte Ausstellung „300 Jahre<br />
Wiener Porzellanmanufaktur“ wird internationale<br />
Leihgaben, die noch nie in Wien<br />
gezeigt wurden, mit einzigartigen Stücken<br />
aus den Beständen des MAK und aus<br />
weiteren österreichischen Sammlungen<br />
zusammenführen.<br />
Rainald Franz ist Kurator der Ausstellung<br />
und Kustode in der MAK-Sammlung<br />
Glas und Keramik.<br />
Du Paquier Deckelterrine<br />
mit Frosch, 1725–1730<br />
erzielter Preis € 44.220<br />
MAK – ÖSTERREICHISCHES MUSEUM FÜR<br />
ANGEWANDTE KUNST / GEGENWARTSKUNST<br />
„300 JAHRE WIENER<br />
PORZELLAN-<br />
MANUFAKTUR“<br />
16. Mai – 23. September <strong>2018</strong>