Look4 Juni 2018
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health<br />
Doktor Wald<br />
Wenn ich an Kopfweh<br />
leide und Neurosen,<br />
wenn ich mich<br />
unverstanden fühle oder alt,<br />
wenn mich die Musen<br />
nicht liebkosen,<br />
dann konsultiere ich<br />
den Wald.<br />
Er ist mein Augenarzt<br />
und mein Psychiater,<br />
mein Orthopäde und<br />
mein Internist.<br />
Wenn Annette Bernjus, eine<br />
von bisher noch wenigen<br />
Kursleiterinnen fürs „Waldbaden“,<br />
Menschen in den Wald führt,<br />
dann kommen die in der Regel nicht mit<br />
Wasser in Kontakt. Es ist stattdessen<br />
ein Bad in dem, was der Wald freisetzt:<br />
Licht, Ruhe, Farben, Geräusche, Gerüche<br />
und viel Sauerstoff. Die 57-Jährige<br />
aus dem hessischen Hofheim praktiziert<br />
das japanische Waldbaden, das „Shinrin<br />
yoku“ in Verbindung mit Tai-Chi-Übungen.<br />
„Ich lade meine Teilnehmer zum<br />
Schlendern ein, wir schnuppern an Moos,<br />
Pilzen oder Totholz oder ich knabbere an<br />
einem jungen Buchenblatt.“ Auch seien<br />
Achtsamkeitsübungen und Sinnesreisen<br />
zwischendurch ganz wichtig. „Ich will das<br />
Erleben vertiefen und das Bewusstsein<br />
öffnen für das, was uns im Wald umgibt.“<br />
Es ist eine neue Art, dem Lebensraum<br />
Wald zu begegnen.<br />
Die meisten Menschen suchen die Nähe<br />
zum Wald für vielerlei Freizeitaktivitäten.<br />
Knapp ein Drittel der Gesamtfläche<br />
Deutschlands ist bewaldet – und das<br />
konstant seit über 60 Jahren. Jeden Tag<br />
bewandern junge und alte Naturfreunde<br />
jede Ecke Forst dieses Landes. Mountainbiker<br />
eilen über holprige Wege,<br />
Jogger, Walker, Gassigeher, Spaziergänger<br />
Er hilft mir sicher<br />
über jeden Kater,<br />
ob er aus Kummer<br />
oder Kognak ist.<br />
Er hält nicht viel von<br />
Pülverchen und Pillen,<br />
doch umso mehr von Luft<br />
und Sonnenschein;<br />
und kaum umfängt mich<br />
seine Stille,<br />
rauscht er mir zu:<br />
„Nun atmen Sie mal feste ein.“<br />
Ist seine Praxis auch<br />
oft überlaufen,<br />
seine Rezepte machen<br />
rasch gesund;<br />
und Kreislaufschwache,<br />
die heut noch heftig<br />
schnaufen,<br />
sind morgen schon fast<br />
ohne klinischen Befund.<br />
Er hilft mir immer wieder<br />
auf die Beine,<br />
bringt meine Seele stets<br />
ins Gleichgewicht;<br />
verhindert Fettansatz<br />
und Gallensteine,<br />
Nur: „Hausbesuche,<br />
macht er nicht“!<br />
Helmut Dagenbach, 2002<br />
durchlaufen in ihren ganz eigenen Geschwindigkeiten<br />
die Wälder. Und mittendrin<br />
gibt es nun diese neue Spezies: die<br />
Waldbader. Sie schlendern, halten inne,<br />
beobachten und stärken ganz nebenbei<br />
ihr Immunsystem. Dass die Waldluft<br />
gut für die Lungen ist, weiß jeder. Denn<br />
Bäume filtern und reinigen die Luft von<br />
Staub und gasförmigen Verbindungen<br />
und erzeugen gleichzeitig wertvollen Sauerstoff.<br />
Davon braucht ein Mensch zum<br />
Atmen im Jahr rund 300 Kilogramm.<br />
Die Gesamtwaldfläche Deutschlands von<br />
circa 11,1 Mio. Hektar erzeugt jährlich in<br />
etwa das Eineinhalbfache dessen, was alle<br />
Einwohner des Landes in einem Jahr zum<br />
Atmen brauchen. Dass die Waldluft die<br />
Stresshormone Cortisol und Adrenalin<br />
senkt, ist ebenfalls schon lange bekannt.<br />
Viele Waldtherapeuten nutzen diese<br />
Wirkung bei Burnout-Patienten. Doch<br />
seit einigen Jahren kommt der Waldluft<br />
eine weitere, ebenso wichtige Eigenschaft<br />
zu: Denn japanische Wissenschaftler<br />
erforschten in jahrelangen Studien die<br />
gesundheitsfördernde Wirkung genauer<br />
und fanden heraus, dass Waldluft die körpereigenen<br />
Abwehrmechanismen gegen<br />
Tumorzellen unterstützt. Genauer gesagt:<br />
Bioaktive Substanzen in der Waldluft<br />
erhöhen die Anzahl und Aktivität der<br />
natürlichen Killerzellen sowie den Gehalt<br />
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