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Juli 2018 – coolibri Bochum

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THEMA<br />

B O C H U M<br />

Mehr Obdachlose inder<br />

Stadt<br />

Diesteigende Anzahl vonMenschen, die unterhalbder Armutsgrenzeleben, ist die<br />

Schattenseitedes neuen Glanzes der MetropoleRuhr.Drogensucht, Alkoholismusund<br />

Wohnungslosigkeitsinddie wenigererfreulichenAusläufer des Strukturwandels.Ein<br />

Blick aufObdachlosigkeit in <strong>Bochum</strong>.<br />

6<br />

Wenn diesen Winter dieletzteZeche schließt,<br />

bleibt aus,wovor mansichsolange gefürchtet<br />

hat. DasRuhrgebiet wirdwider Erwartennicht<br />

untergehen,für Ersatzist längst gesorgt. Einst<br />

Schwerindustrieregion, heute Kulturhotspot<br />

mitten im größtenBallungsgebietDeutschlands.Statt<br />

fürKohle undStahl stehtdie Metropole<br />

Ruhr längstfür dasNeue,das Schöneund<br />

für Glanz. Dieser Strukturwandelzeigt Wirkung,<br />

dieStädteund GemeindensindseitJahren beliebtwie<br />

noch nie, doch wenn ausIndustrieruinenMuseenwerdenund<br />

Arbeitersiedlungensaniertund<br />

gewinnbringend vermietet werden,ist<br />

viel Schein im Spiel. Hinter denFassadensind<br />

vieleder mehr als fünfMillionen Einwohner<br />

längstabgehängt,die Arbeitslosenquoteliegt<br />

konstant beiüber10Prozent undjüngstbestätigtedie<br />

Stadt<strong>Bochum</strong>einen Anstiegder Obdachlosenzahlen.ZuGrunde<br />

gelegt wurdendafür<br />

vonSeitender Stadtpressestelledie Anzahl<br />

vonPersonen, diezwischenNovember2016<br />

und2017die Notunterkünfte derStadt in Anspruch<br />

genommen hatten.Warenes2016noch<br />

68 Personen,die in Unterkünften untergebracht<br />

waren, stiegihreAnzahlEnde2017auf 216an.<br />

Dies entspreche lautder Stadt<strong>Bochum</strong>einem<br />

Anstiegumdas Dreifache.Während dieVerwaltung<br />

solche Zahlen herausgibt,verbessertsich<br />

diesozialeLagederBetroffenen kaum.<br />

Im <strong>Bochum</strong>er Jobcenter kennt mansichmit Armutaus.<br />

Hier kümmertsichUlrikeRumpf um<br />

dieBeschwerden derKunden. „Die Menschen<br />

„Menschen,die hier anrufen,<br />

haben ihreArbeitverloren, da<br />

herrschtpsychischerDruck.“<br />

rufenuns an,wennesums<br />

Geld geht.WennLeistungen<br />

nichtgezahlt wurden“, erläutertRumpf<br />

ihre Aufgabe.<br />

Ob auch Beschwerdenüber<br />

Mitarbeitende in diesen Bereichfallen?„Natürlich,oft<br />

herrschtkeinrespektvolles Verhalten<strong>–</strong><br />

vonbeiden Seiten“, weiß siezuberichten,„aber<br />

dasist in gewisserWeise verständlich.Menschen,<br />

diehieranrufen,haben ihre Arbeitverloren,<br />

da herrschtpsychischer Druck.“<br />

Manmüsse denMenschenauf Augenhöhebegegnen;<br />

dass dasnicht immerleichtfällt,weiß<br />

Rumpf. Vorihrer ArbeitindieserAbteilung war<br />

sieimFallmanagementeingesetzt. „Daginges<br />

um schwerwiegende Probleme.Drogensucht,Alkoholoderder<br />

Verlust derWohnung.Das istnatürlich<br />

existenzbedrohend.“ <strong>Bochum</strong> fühlesich<br />

dieLageimmer etwasschlimmer an,die Wundender<br />

Werkschließungenvon Opel undNokia<br />

sind längstnicht verheilt. EinenAuswegaus der<br />

Situationkennt Rumpfnicht:„DieScherezwischenArm<br />

undReich geht ja<br />

überall auseinander, nicht<br />

nurin<strong>Bochum</strong>.“<br />

Ortswechsel. Direkt am Rathaus<br />

entstand derPlatzdes<br />

europäischen Versprechens.Heute istdie Flächevor<br />

derChristuskircheein Treffpunkt der<br />

örtlichen Trinkerszene. Wassie sich vonEuropa<br />

versprechen? Darüber will hier niemandreden.<br />

Stattdessen wirdvielgeschimpft, gestritten<br />

aber auch gemeinsamgelacht.Das macht das<br />

Ruhrgebietaus,man hält zusammen.Wenigstens<br />

etwas, dasbleibt.<br />

„Ach,woandersisauch scheiße“,lässt der<strong>Bochum</strong>er<br />

AutorFrank Goosen eine Romanfiguren<br />

über seineHeimatstadtresümieren. Zwar sagt<br />

es keiner laut,dochdieserGedankebewegt hier<br />

vieleMenschen<strong>–</strong>oder lässt sieverweilen.<br />

Wasesbedeutet, obdachloszusein, weiß Markus.<br />

Der56-jährige verlor vorüberzwanzig Jahrenseine<br />

Wohnung, fast einJahrlanglebte er<br />

beiFreundenoderschlugsichirgendwie durch.<br />

„Zuder Zeit binich dann zu Bodo gekommen“,<br />

erzählter. Bodo, dasist einVerein, dersichum<br />

dieReintegration vonMenscheninschwierigen<br />

Lebenslagenkümmert.Den Meisten istdas<br />

gleichnamige Straßenmagazin einBegriff.DessenVerkäufer<br />

sind oftnicht zu übersehen. Mal<br />

lauter,mal leiser bieten siedie Heftefeil. Die<br />

Hälftedes Verkaufspreisesgehtdirekt an sie.<br />

Markus istfastvon Beginn an einerder Verkäufer.<br />

In denRäumlichkeiten desVereins erzählt

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