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Neue Szene Augsburg 2018-07

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ZOOM<br />

Trendy statt spießig<br />

Der Schrebergartenboom<br />

Kleingärten erleben auch in <strong>Augsburg</strong> ihren zweiten Frühling. Der gemeine Stadtbewohner sehnt sich mehr denn je nach der innerstädtischen<br />

Ruhe-Oase und sucht verzweifelt nach freien Schrebergärten. Denn hier ist die Welt noch in Ordnung. Meistens zumindest...<br />

Von Alexander Edin<br />

Anton gluckst vor Freude. Er lacht nicht, nein, er gluckst hocherfreut<br />

und schiebt sich eine Kirsche in den Mund. Hier<br />

gibt’s die roten Früchte nämlich direkt vom Baum und nicht<br />

aus einer schnöden Plastikschale aus dem Supermarkt. Hier<br />

heißt bio tatsächlich noch biologisch und ist nicht nur ein<br />

nicht-recyclebarer Aufkleber auf der Öko-Gurke. Anton ist zwei Jahre alt<br />

und stolzer Mitbesitzer eines Schrebergartens in der Hessenbachstraße im<br />

<strong>Augsburg</strong>er Stadtteil Pfersee. Na ja, eigentlich haben ihn seine Eltern mit<br />

Freunden zusammen gepachtet, aber in Antons noch junger Schrebergarten-Welt<br />

sind die korrekten Besitzverhältnisse nicht ausschlaggebend.<br />

Wichtig ist das Feeling. „Wir haben eine Wohnung ohne Garten. Hier ist<br />

ein Rückzugsort zum Runterkommen. Im Schrebergarten kommen wir<br />

und die Kinder zur Ruhe.“ Mama Maike sitzt relaxt am Brunnenrand, hat<br />

Antons zwei Monate alten Bruder Jona auf dem Schoß und schaut Papa<br />

Jakob beim Gießen zu. Die junge Familie teilt sich die grüne Parzelle seit<br />

sieben Jahren mit ihren Freunden. Jeder ist abwechselnd an der Reihe,<br />

um sich um die rund 120 m² zu kümmern. Gefeiert wird dann als Kleingarten-Familie.<br />

„Wir sind sicher nicht die super Gärtner, aber das ist auch<br />

nebensächlich. Wir treffen uns hier, wenn es warm ist, grillen zusammen<br />

und holen die Zutaten aus dem Beet. Eigentlich könntest du mit so einem<br />

Schrebergarten Selbstversorger sein“, erzählt Jakob. Könnte man, falls man<br />

wollte. Muss aber nicht sein. Warum auch. Zur Ruhe kommen, bedeutet<br />

eben auch, das Gemüse mal in Ruhe zu lassen. Jakob pflückt sich eine Kirsche,<br />

genug der Selbstversorgung für heute.<br />

Ja, seltsame Dinge gehen vor in deutschen Schrebergärten. Der Altersdurchschnitt<br />

in der unglaublich erscheinenden Anzahl von 15.200 Kleingartenvereinen<br />

in der Republik ist in wenigen Jahren um glatte 10 Jahre<br />

gesunken. Immer mehr junge Familien mit Kindern beackern die Gemüseund<br />

Blumenbeete und setzen einen neuen Trend. Weg vom Spießertum der<br />

geschniegelten Grünparzelle, hin zum hippen „Urban Gardening“. Hier darf<br />

auch mal das Unkraut zwischen den Rosen wuchern und die Hecke sieben<br />

Zentimeter zu lang sein. „Wir gelten da eher als Hippies“, lächelt Maike vor<br />

sich hin. Denn nicht jedem gefällt diese lockere Weltanschauung. Da gibt’s<br />

schon mal Beschwerden. In Kleingärten garteln eben auch die Kleingeister.<br />

Löwenzahn und Kindergeschrei, das ist so manchem Oldschool-Gartenfreund<br />

zu viel an Nachwuchs. Schließlich gibt es Regeln, festgehalten im<br />

Bundeskleingartengesetz (gibt’s) sowie im Abfall- und Biotoilettengesetz<br />

(gibt es tatsächlich auch). Das muss man dann eben weglächeln und sich<br />

fügen. Raus mit dem Löwenzahn, wenigstens die Kinder dürfen bleiben.<br />

Es wäre auch schade, wenn man wegen gärtnerischer Unzulänglichkeiten<br />

die Parzelle verlieren würde. Das passiert zwar selten, aber am Gartenzaun<br />

rütteln schon die Anwärter. In <strong>Augsburg</strong> warten mehr als 1.500 Bürger<br />

auf einen Schrebergarten und die Liste wird immer länger. Reiner Sick,<br />

Geschäftsführer vom Stadtverband der <strong>Augsburg</strong>er Kleingärtner mahnt<br />

Geduld an. „Die Wartezeiten betragen ungefähr 3 bis 7 Jahre. Gärtnern ist<br />

wieder in. Es gibt verschiedene Gründe, z.B. steigende Immobilienpreise<br />

oder Wohnraum ohne grün.“ In <strong>Augsburg</strong> gibt es rund 5.000 Schrebergärten<br />

und die reichen eben bei weitem nicht. Lange Jahre passierte in der<br />

Stadt in Sachen Kleingärten gar nichts. Es existiert zwar ein städtischer<br />

Kleingartenentwicklungsplan bis 2020, aber die Umsetzung ist bisher eher,<br />

tja, klein gehalten. Schuld ist dabei gar nicht der Wille, neue Gärten zu<br />

schaffen, sondern oft fehlt es einfach an Grundstücken. Der Wohnungsbau

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