Neue Szene Augsburg 2018-07
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ZOOM<br />
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Fotos: Christian Menkel<br />
geht vor und treibt auch die Grundstückspreise nach oben. Trotzdem soll<br />
nun im Bärenkeller eine neue Anlage gebaut und andere, bereits bestehende<br />
erweitert werden. 250 zusätzliche Kleingärten könnten so entstehen. Reiner<br />
Sick kennt die Sehnsucht nach der innerstädtischen Ruhe. Als Geschäftsführer<br />
des Stadtverbands bewirtschaftet er selbstverständlich selbst einen<br />
Schrebergarten und weiß, was die Bürger an den grünen Oasen schätzen.<br />
„Der Kleingarten ist auch heute noch eine Idylle. Es gibt nicht mehr oder<br />
weniger Konflikte, als in der übrigen Gesellschaft auch. Integrationsprobleme<br />
zwischen den Kulturen gibt es aber nicht, im Kleingarten zählt nur<br />
der Mensch“.<br />
Menschen wie Thorsten. Er hat nur wenige Parzellen weiter von Meike<br />
und Jakob seinen Garten. Und gelten die beiden eher als Hippies, ist Thorsten,<br />
nennen wir es mal, akkurat. Hier hat jeder Buchsbaum Gardemaß.<br />
Thorsten spricht von seinem Klein-Versailles, Ludwig XIV. wäre stolz auf<br />
ihn. Legen also weiter vorne Maike und Jakob schon die Füße hoch, hat<br />
Thorsten noch nicht mal richtig angefangen. Bis zu acht Stunden kann ein<br />
arbeitsreicher Tag im Schrebergarten dauern, bis die Halme gestutzt und<br />
die Hecken getrimmt sind. Aber für Thorsten gehört das eben dazu. „Ich<br />
habe in Kriegshaber im 10. Stock eine Wohnung, da fällt einem die Decke<br />
auf den Kopf. Da ist es für mich doch großartig, hierher zukommen und<br />
mich austoben zu können.“ Die Mischung der Menschen macht es in den<br />
Schrebergartenanlagen. Hier trifft der Akademiker auf den Handwerker, der<br />
Türke auf den Russen. Und jeder definiert Idylle eben anders. An die Regeln<br />
muss man sich eben halten. Zumindest einigermaßen.<br />
Daniel Schreber würde sich über seine Erfindung heute wohl verwundert<br />
die Augen reiben. Der Pädagoge hatte um das Jahr 1850 die Idee,<br />
„Armen- und Specialgärten“ zu konzipieren, um vor allem Kindern eine<br />
„gesunde Triebabfuhr“ zu ermöglichen. Aber eher im erzieherischen Sinne.<br />
Denn Schreber dachte dabei an von Beeten umrahmte Spielplätze, die zur<br />
„Erhärtung“ der Kinder dienen sollten. 1864, drei Jahre nach seinem Tod,<br />
entstand dann zu seinen Ehren der erste Schrebergarten. Er war als sehr<br />
strenger Pädagoge und Vater bekannt, unter anderem entwickelte er ein<br />
mechanisches Gerät zur Verhinderung der Selbstbefriedigung. Drei seiner<br />
fünf Kinder wurden später verrückt. Anton gluckst und schiebt sich die<br />
letzte Kirsche in den Mund.<br />
„<br />
Integrationsprobleme<br />
zwischen den<br />
Kulturen gibt es in<br />
Schrebergärten nicht,<br />
im Kleingarten zählt<br />
nur der Mensch<br />
„