Das Vermessungs- und Kartenwesen
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Kapitel 1 Einleitung / Aufgabenstellung<br />
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lichen auch die technischen Aspekte (z.B. Verfahren <strong>und</strong> Methoden) darstellen, den damaligen Bedarf<br />
an Karten skizzieren sowie die politischen, personellen, materiellen <strong>und</strong> finanziellen Rahmenbedingungen<br />
der Bedarfsdeckung aufzeigen. Auch die natur- <strong>und</strong> kulturgeographische Eigenart der<br />
tropischen <strong>und</strong> subtropischen Gebiete, die vermessen, aufgenommen <strong>und</strong> kartiert worden sind, muss<br />
betrachtet werden, wenn die Leistung der an der Kolonialkartenherstellung Beteiligten zutreffend<br />
gewürdigt werden soll.<br />
„Denn es kann bei einer Geschichte der Kartographie mit wissenschaftlichem Anspruch nicht allein<br />
darum gehen, Karten <strong>und</strong> Atlanten zu beschreiben oder zu analysieren, die Lebensgeschichte von<br />
´Kartenmachern´ zu schildern, oder nachzuweisen, dass <strong>und</strong> wie das Kartenbild einer Region sich verändert<br />
oder verbessert hat“ (SCHARFE, 1981; S. 173).<br />
Es kommt also darauf an, in einem interdisziplinären Ansatz die Leistungen der beteiligten Fachwissenschaften<br />
unter geschichtswissenschaftlichen Aspekten zu bewerten <strong>und</strong> die Erkenntnisse der Politik-,<br />
Gesellschafts-, Technik-, Wirtschafts- <strong>und</strong> Bildungsgeschichte heranzuziehen. Selbstverständlich<br />
sind auch die Forschungsergebnisse der modernen Militärgeschichte zu integrieren, die sich seit dem<br />
20. Jahrh<strong>und</strong>ert nicht mehr auf das Beschreiben von Schlachten beschränkt, sondern vor allem die<br />
Wechselwirkung zwischen Militär <strong>und</strong> Gesellschaft betrachtet (siehe HAFENEDER, 2002; Kap. E).<br />
Die Kartographie der deutschen Kolonien ist angesichts der privaten, staatlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />
Kräfte, die von 1884 bis 1919 in der Heimat <strong>und</strong> in Übersee tätig gewesen sind, differenziert zu<br />
charakterisieren, nämlich in der Ausprägung als<br />
− Expeditionskartographie, d.h. Herstellung von Karten, die vor allem die Forschungs- <strong>und</strong> Erk<strong>und</strong>ungsergebnisse<br />
einer Expedition ergänzen <strong>und</strong> den Reisebericht veranschaulichen sollten; im<br />
Kapitel 5 werden die herausragenden Produkte einzelner Forschungsreisender beschrieben, die von<br />
1788 bis 1876 das hydrographische System Afrikas aus wissenschaftlicher Neugier aufzudecken<br />
suchten <strong>und</strong> die ab 1877 den Übergang zur staatlich geförderten Kolonialkartographie hergestellt<br />
haben;<br />
− Amtliche Kolonialkartographie vorrangig staatlicher Stellen, die auf flächendeckende Kartenwerke<br />
der Schutzgebiete (einschl. Küsten <strong>und</strong> Schifffahrtslinien) ausgerichtet war <strong>und</strong> geodätische/<br />
kartographische Gr<strong>und</strong>lagen für Staat, Gesellschaft <strong>und</strong> Wirtschaft schaffen sollte; die Arbeitsergebnisse<br />
der Trigonometer <strong>und</strong> Topographen in den Kolonien, aber auch der Kartographen in der<br />
Heimat, die wegen der regionalen Rahmenbedingungen nicht gleichzeitig begannen <strong>und</strong> sich unterschiedlich<br />
schnell entwickelten, sind im Kapitel 6 den einzelnen Aufgabenträgern (Kolonialverwaltung,<br />
Preußische Landesaufnahme, Reichsmarine, Gesellschaften/Einzelpersonen) zugeordnet;<br />
− Privatkartographie einzelner Verlage, die den Bedarf der Bürger (aber auch der Schulen) an Atlanten<br />
<strong>und</strong> Wandkarten mit aktueller Darstellung der deutschen Kolonien decken wollten (siehe<br />
Kapitel 7).<br />
Die „Traditionelle Expeditionskartographie“ (ab ca. 1850 bis zum Ersten Weltkrieg) mit kleinmaßstäbigen<br />
Übersichtskarten <strong>und</strong> die „Klassische Expeditionskartographie“ (ab etwa 1900) mit topographischen<br />
Karten 1:50.000 bis 1:250.000, die Kurt Brunner nach Aufnahmemethode <strong>und</strong> Maßstabsbereich<br />
gruppiert (BRUNNER, 2004a; S. 26), reichen in die deutsche Kolonialzeit hinein <strong>und</strong> sind<br />
getrennt von der durch Kolonialbehörden gesteuerten amtlichen Kolonialkartographie zu betrachten.<br />
Der Begriff „deutsche Übersee-Kartographie“ 1 im „Lexikon zur Geschichte der Kartographie“<br />
(KRETSCHMER, 1986; S. 166) ist für die Kolonialzeit nicht nutzbar, da er weder einen Bezug zur<br />
Arbeitsweise der weltweit tätigen Forschungsreisenden (vor, während <strong>und</strong> nach der Kolonialzeit) noch<br />
zu den zeitlich <strong>und</strong> regional begrenzten Aktivitäten in dieser Zeitperiode erkennen lässt.<br />
Ein Beitrag zur Geschichte der Kartographie kann nicht geschrieben <strong>und</strong> veröffentlicht werden, ohne<br />
das Werk der Kartographen anschaulich zu präsentieren. Der Anhang enthält neben Dokumenten/<br />
Texten/Tabellen (Anhang A) vor allem die gescannten Ausschnitte der wichtigsten Karten dieser Periode<br />
(Anhang K), aber auch die Lebensbilder herausragender Persönlichkeiten (Anhang P) <strong>und</strong> die Liste<br />
der ausgewerteten Kolonial-Zeitschriften (Anhang Z).<br />
1 „Zwischen 1890 <strong>und</strong> 1920 entwickelte sich die deutsche Übersee-Kartographie“ (KRETSCHMER, 1986; S.<br />
166). Deutsche Land-, See- <strong>und</strong> Atlaskarten überseeischer Gebiete gab es aber schon vor 1890.<br />
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