Stadtmagazin CLP Ausgabe 24
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eportage<br />
Hospiz – nicht nur Begleitung für Sterbende,<br />
sondern auch für die Lebenden.<br />
Das Leben kann von einer Minute auf die andere eine ganz neue Wendung nehmen.<br />
Das hören wir immer wieder und sehen es oft im Fernsehen. Dass dies auch vor<br />
unserer Haustür oder gar uns selber passieren kann, das verdrängen wir meist.<br />
Wie das geschehen kann<br />
und wie die Folgen<br />
sind, das zeigt ein Besuch<br />
bei Familie Stelzer. Familie<br />
Stelzer, das sind Katrin und Alexander<br />
Stelzer mit ihren Kindern Marvin (8),<br />
Fabian (7) und Johanna (5). Ihr Leben<br />
wurde vor fünf Jahren von Jetzt auf<br />
Gleich aus den Fugen gehoben. Fabian<br />
war damals kurz vor seinem zweiten<br />
Geburtstag und ein lebenslustiges aufgewecktes<br />
Kind. Als die Familie sich mit<br />
den Großeltern auf den Hof unterhielt,<br />
schlich der kleine Fabian sich auf das<br />
Nachbargrundstück. Nur wenige Augenblicke<br />
später suchte Alexander die<br />
Kinder, um sie ins Bett zu bringen. Doch<br />
als er Fabian fand, lag der bewusstlos<br />
im Pool. Während er von seinem Vater<br />
wiederbelebt wurde, ging gleichzeitig<br />
der Notruf raus. Aufgrund von Gaffern<br />
allerdings konnten die Rettungskräfte<br />
nicht zum Unfallort. Doch zum Glück ist<br />
hinter dem Haus eine große Wiese, auf<br />
die der Rettungshubschrauber landen<br />
konnte und Fabian sofort ins Krankenhaus<br />
brachte.<br />
Auf der Intensivstation machten die<br />
Ärzte der Familie Stelzer keine große<br />
Hoffnung. Nach den ersten Tagen hieß<br />
es, sie sollten sich von ihrem Sohn verabschieden.<br />
Doch die Familie, vor allem<br />
die Mutter Katrin, war bereit um<br />
ihren Sohn zu kämpfen. Es folgten Wochen<br />
und Monate von Aufenthalten<br />
im Krankenhaus und in der Reha, doch<br />
immer bleib die Ungewissheit über die<br />
tatsächliche Diagnose und wie es mit<br />
Fabian weitergehen soll. Als er nach<br />
Hause kam übernahm ein <strong>24</strong>-Stunden<br />
Pflegedienst die Betreuung des Jungen,<br />
der rund um die Uhr die Pflege brauchte.<br />
Der Pflegedienst ermöglichte der<br />
Familie wieder zusammen zu Hause zu<br />
sein, bedeutete aber auch, stets jemand<br />
Fremden im Haus zu haben. Die fehlende<br />
Privatsphäre war belastend für die<br />
Familie.<br />
Dank der „Lumia-Stiftung“ (s. Kasten)<br />
bekam die Familie erstmals einen Eindruck<br />
davon, was eigentlich mit Fabian<br />
los ist. Dass er sich im Wachkoma befindet,<br />
medizinisch spricht man vom<br />
apallischen Durchgangssyndrom. Ein<br />
Zustand der nicht ohne Hoffnung ist.<br />
Wachkomapatienten können phasenweise<br />
aus ihrem Zustand herausgeholt<br />
werden. Dies ist eine langwierige Aufgabe<br />
und gelingt leider auch nicht immer.<br />
Doch Familie Stelzer war bereit mit<br />
Fabian diesen Weg zu gehen.<br />
Unterdessen zogen sich Bekannte immer<br />
weiter zurück. Sie konnten mit der<br />
Familie Stelzer gemeinsam mit dem Hospizdienst:<br />
v. l. Fabian, Katrin, Angelika T., Alexander, Marvin, Hildegard und Johanna<br />
Situation nicht umgehen. Trotz tatkräftiger<br />
Aufnahme von Inklusion innerhalb<br />
der Gesellschaft, fällt es immer noch vielen<br />
Menschen schwer, mit Behinderten<br />
und ihren Familien ungezwungen umzugehen.<br />
So wurde besonders Katrin<br />
Stelzer immer mehr isoliert. Dabei war<br />
sie nicht nur für Fabian ausschließlich<br />
da, sondern auch für die beiden anderen<br />
Kinder Johanna und Marvin, die von<br />
ihr natürlich nicht in den Hintergrund<br />
gestellt werden sollten.<br />
Durch die Lumia-Stiftung wurde Katrin<br />
Stelzer dann auf das Hospiz-Programm<br />
„Harlekin“ in Cloppenburg aufmerksam.<br />
Lange rang sie mit sich, ob<br />
sie sich dort melden sollte, doch glücklicherweise<br />
ist sie dann doch über ihren<br />
sprichwörtlichen Schatten gesprungen.<br />
Bei beiden Institutionen nämlich hatte<br />
man gleich mehrere offene Ohren für<br />
ihre Probleme, Sorgen und Nöte. Sie<br />
bekam Unterstützung, nicht beim Pflegen<br />
und Therapieren, sondern in Gesprächen<br />
über sich, über die Kinder und<br />
über alles was sie beschäftigte.<br />
Ganz zwanglos, wie auch Angelika T.<br />
und Hildegard M. von „Harlekin“ eines<br />
Tages zu einem Gespräch kamen. Sie<br />
spielten mit Johanna und Marvin, die es<br />
genossen, auch mal jemanden allein für<br />
sich zu haben. Nach einiger Zeit baute<br />
sich immer mehr Vertrauen auf, so dass<br />
Katrin ihre Sorgen und Nöte preisgeben<br />
konnte. Bei Angelika konnte sie sich<br />
fallen lassen, traurig sein und sogar verzweifelt.<br />
Sie bekam von ihr auch Unterstützung<br />
bei schwierigen Gesprächen<br />
in verschiedenen Institutionen. Irgendwann<br />
war eine Vertrautheit entstanden,<br />
wie bei einer Freundschaft. So ist Angelika<br />
eine Freundin geworden und zwar<br />
für die ganze Familie. Fabian war, beziehungsweise<br />
ist bei allen Treffen Thema,<br />
aber eben nicht immer. Und so freut<br />
sich die komplette Familie Stelzer, wenn<br />
Angelika kommt, besonders die Kinder.<br />
Über diese Gemeinsamkeiten hinaus<br />
64 Das <strong>Stadtmagazin</strong> für Cloppenburg & umzu | Reportage