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Fairer Handel - Umweltinstitut München e.V.

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DOSSIER<br />

Münchner Stadtgespräche Nr. 31 11/2003<br />

6<br />

Kinder von Schuldknechten werden oft<br />

selbst Schuldknechte. Gesellschaften<br />

mit einem überdurchschnittlich hohen<br />

Anteil schlecht ausgebildeter und damit<br />

für Marktgesellschaften unter den Bedingungen<br />

der Globalisierung unzureichend<br />

qualifizierter Menschen haben<br />

unterdurchschnittliche Möglichkeiten<br />

zur Bekämpfung von Armut. Solche komplexen<br />

Zusammenhänge von Kinderarbeit<br />

und Armut kommen nur dann in den<br />

Blick, wenn erstens die mit Kinderarbeit<br />

bezeichneten Wirklichkeiten ausreichend<br />

differenziert werden und nicht<br />

nur nach dem Ausmaß, sondern vor<br />

allem nach den Formen von und Bedingungen<br />

für Kinderarbeit gefragt wird.<br />

Zweitens ist es erforderlich, Armut als<br />

vielschichtige (multidimensionale) Realität<br />

zu begreifen, die sich nicht nur<br />

durch eine gänzlich unzureichende Ausstattung<br />

mit materiellen Ressourcen,<br />

sondern durch soziale Ausgrenzung<br />

auszeichnet. Wird diese Ausgrenzung<br />

als Verletzung der wirtschaftlichen,<br />

sozialen und kulturellen Menschenrechte<br />

bestimmt, wird sichtbar, dass die<br />

Verletzung eines Rechtes mit der Verletzung<br />

weiterer Rechte einhergeht: Wird<br />

arbeitenden Kindern das Recht auf Organisation<br />

und wirksame Interessenvertretung<br />

vorenthalten, ist eine Verletzung<br />

des Rechtes auf Schutz vor wirtschaftlicher<br />

Ausbeutung nahe liegende<br />

Folge. Werden arbeitende Kinder extrem<br />

wirtschaftlich ausgebeutet, wird<br />

ihre Selbstorganisation nahezu unmöglich.<br />

Angesichts dieser Wirklichkeiten ist es<br />

sicher richtig, dass die wirtschaftlichen,<br />

sozialen, kulturellen und bürgerlichen<br />

Rechte des Kindes nur dann nachhaltig<br />

verwirklicht werden können, wenn Armut<br />

bekämpft wird. Andererseits aber<br />

muss Arbeitsbekämpfung so gestaltet<br />

werden, dass sie der Verwirklichung der<br />

Rechte des Kindes dient.<br />

Produkte, die mit ausbeuterischer<br />

Kinderarbeit hergestellt werden<br />

Produkte Herkunft<br />

Orangensaft<br />

Kaffee und Tee<br />

Kakao/Schokolade<br />

Shrimps<br />

Teppiche<br />

Bälle<br />

Spielzeug<br />

Coltan (für Handys)<br />

Baumwollsaatgut<br />

Gold<br />

Diamanten<br />

Steine/Grabsteine<br />

Blumen<br />

Brasilien<br />

afrikanische und asiatische Länder<br />

afrikanische Länder<br />

asiat. und lateinamerikanische Länder<br />

Indien, Pakistan, Nepal<br />

Pakistan<br />

China<br />

Kongo<br />

Indien<br />

Kongo<br />

Indien, Thailand, Angola<br />

Indien<br />

Kolumbien, Ecuador, Guatemala, Kenia<br />

Dies ist eine Auswahl von Produkten, die mit ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt<br />

werden. Weitere Produkte sind: Tomaten, Leder, Feuerwerkskörper, Textilien.<br />

Auch das Problem des Sextourismus mit der brutalen Ausbeutung von Kindern ist<br />

hier nicht enthalten. Weitere ausführliche Informationen wie die Broschüre „Kinder<br />

sind keine Sklaven“(Schutzgebühr 3 Euro) gibt es bei: Agendakoordination Eine<br />

Welt, c/o RGU, Implerstr. 9, 81371 <strong>München</strong>, Tel: 233-39 658 oder mail:<br />

agendeeinewelt.rgu@muenchen.de<br />

»Die« Kinderarbeit gibt es nicht<br />

Bereits der erste Vergleich der Arbeit<br />

eines sechsjährigen Jungen, der im<br />

indischen Bundesstaat Uttar Pradesh in<br />

Schuldknechtschaft Teppiche knüpfen<br />

muss, mit der Arbeit eines dreizehnjährigen<br />

Mädchens, das in Managua bei<br />

den Eltern wohnt, (zeitweise) zur Schule<br />

geht und als Straßenhändlerin arbeitet,<br />

zeigt, wie unterschiedlich die Bedingungen<br />

sind, unter denen Kinder arbeiten.<br />

Dieser Sachverhalt ist so selbstverständlich,<br />

dass wenige Hinweise zur<br />

Verdeutlichung genügen mögen: Mädchen<br />

haben oft schlechtere Chancen als<br />

Jungen, ihre Rechte durchzusetzen.<br />

Dies gilt fast immer für Mädchen, die –<br />

oft verdeckt und fast immer sozial isoliert<br />

– in privaten Haushalten als<br />

Dienstmädchen und teilweise als Sklavinnen<br />

arbeiten müssen.<br />

Manche Kinder arbeiten zu Hause oder<br />

doch zumindest in ihrem Heimatdorf,<br />

andere als Wanderarbeiterinnen und<br />

-arbeiter in der informellen Wirtschaft<br />

städtischer Gebiete, wieder andere<br />

werden in ferne Länder verschleppt.<br />

Unterschiedlich ist das Alter der arbeitenden<br />

Kinder, bereits Fünfjährige arbeiten.<br />

Strittig ist, ob die Arbeit Jugendlicher<br />

im Alter von vierzehn oder<br />

fünfzehn bis achtzehn Jahren<br />

überhaupt noch mit dem Begriff »Kinderarbeit«<br />

umschrieben werden kann<br />

(wie dies die Übereinkommen der Internationalen<br />

Arbeitsorganisation und das<br />

Übereinkommen über die Rechte des<br />

Kindes tun).<br />

Unterschiedlich sind Dauer, Schwere<br />

und Gefährlichkeit der Arbeit – auch<br />

und gerade in der Landwirtschaft. Unterschiedlich<br />

ist der Rechtsstatus der<br />

arbeitenden Kinder und der faktische<br />

Grad ihrer Freiheit, der sich jenseits<br />

einer Rechtsordnung und damit in der<br />

Illegalität festgesetzt hat: Einige Kinder<br />

arbeiten in jeder Hinsicht freiwillig und<br />

können ihre Arbeitsbedingungen mit<br />

bestimmen. Andere Kinder werden<br />

durch sozioökonomische Verhältnisse<br />

zur Arbeit gezwungen – sie sind häufig<br />

faktisch in ihren Entscheidungen selbst<br />

dann nicht frei, wenn sie dies rechtlich<br />

wären.<br />

Versklavte Kinder sind jeder faktischen<br />

Freiheit beraubt, wobei im Falle der<br />

Schuldknechte diese rechtswidrige Freiheitsberaubung<br />

durch (in der Regel<br />

mündliche) Vereinbarungen quasi-vertraglich<br />

festgeschrieben ist.<br />

Unterschiedlich ist auch, ob Kinder für<br />

ihre Arbeit bezahlt werden oder nicht.<br />

Ein Teil der arbeitenden Kinder geht<br />

regelmäßig zur Schule, ein anderer Teil

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