6 BRÜCKENDECKUNG KOLUMNE Wie war dein Tag, Schatz? DIE KOLUMNE VON UND MIT MARCUS ERTLE Gut, gut, danke, ich musste lachen heute. Also klar, ich lache öfter, aber wenn ich bei der Zeitungslektüre lache, ist es besonders schön, weil der Tag dann gut beginnt. Warum ich lachen musste? Wegen einer Rechnung, sozusagen. Es war ja kürzlich die Radlnacht, bei der 5.000 Radfahrer auf Straßen durch die Nacht fuhren konnten, die ihnen sonst nicht zugänglich sind. Tolle Sache eigentlich. Eigentlich, denn das ganze hat <strong>10</strong>0.000 Euro gekostet. Keine Ahnung wieso, ich dachte immer Radfahren wäre die billigste Art der Fortbewegung und ein paar Straßen zu sperren, kann doch nicht so teuer sein, aber egal. Jedenfalls hat ein Kommentator in der geschätzten lokalen Tageszeitung mahnend und ein bisschen kleinbürgerlich den Finger gehoben und in etwa gesagt: „Huuunderttausend Euurooooo! Für eine Radtour! Des isch ja Wahnsinn! Da hätt ma lieber einen Radweg dafür baut!“ Ja, so denkt man als schreibender Schwabe eben. Ich habe mir dann gedacht, dass <strong>10</strong>0.000 Euro für einen Radweg eigentlich ziemlich günstig wären, ich meine, es ist ja bekannt, dass öffentliche Bauvorhaben sehr ins Geld gehen und wie viel kriegt man schon für <strong>10</strong>0.000 Euro? Ich habe dann ein wenig gegoogelt und es kam raus: 400 Meter. Das ergibt sich daraus, dass ein Meter Radweg 250 Euro kostet. Gar nicht so wenig, man müsste eben eine Strecke finden, die 400 Meter lang ist und wo es einen gewissen Sinn ergibt, da einen Radweg zu haben. Aber wenn man sich das mal ausdenkt, dann könnte die Stadt eigentlich in den kommenden, na sagen wir zehn Jahren, ganz auf die Radlnächte verzichten und davon, hört, hört, 4 Kilometer Radweg bauen! Und wenn die Stadt das dann <strong>10</strong>0 Jahre durchhält, könnte <strong>Augsburg</strong> schon im Jahre 2118 ein tolles Radwegnetz von 40 Kilometern unterhalten. Man muss eben nur auf den Läpperfaktor achten. Ich bin da ja leider sehr unachtsam. Ich trinke jeden Tag meinen Espresso und gebe dafür 2,50 Euro aus, also 1 Prozent dessen, was ein Meter Radweg kostet. Wenn ich das jetzt aufs Jahr hochrechne, zahle ich ungefähr 750 Euro nur für Espresso. Das hat mich geschockt. Hätte ich die Kraft, darauf zu verzichten, könnte ich mir eine passable Espressomaschine kaufen. Aber dann dürfte ich das Zeug nur noch daheim trinken und hätte keinen Grund, die vorbeigehenden Menschen, von mir aus auch und gerade die vorbeigehenden Frauen zu beobachten, mir sinnvolle, schöne, tiefe Gedanken zu machen und die Leute am Nebentisch zu belauschen. So gesehen, würde mir die Einsparung mittels Läpperfaktor am Ende einiges an Inspiration rauben. Heute zum Beispiel saß ich neben zwei ziemlich smarten Studentinnen, die über ihre Leben redeten. Oder sagen wir, über ihr Kommunikationsverhalten. Ich bin immer fasziniert, wenn Menschen anderen Menschen in heiligem Ernst Details aus dem eigenen Alltag erzählen und glauben, dass der Zuhörer diese Details so faszinierend findet, wie man selbst. Die eine „Huuunderttausend Euurooooo! Für eine Radtour! Des isch ja Wahnsinn! Da hätt ma lieber einen Radweg dafür baut!“ Studentin schilderte jedenfalls, wie sie den Stress aus ihrem Alltag verbannt hat. O-Ton: „Also ich antworte aus Prinzip nicht mehr auf lange Texte.“ Genial. Wie viel Lebenszeit man wohl dadurch sparen kann, dass man nur noch auf kurze Texte antwortet. Wann haben uns denn jemals lange Texte etwas Gutes gebracht? Anwaltsschreiben sind oft lang. Beschwerdebriefe sind immer lang. Lob dagegen ist kurz. Tragisch eigentlich, dass das Negative sich mit soviel Worten auskotzt und das Schöne... wobei, es gibt ja auch Liebesbriefe, kurze und lange, ich würde da also vielleicht gar nicht so kategorisch ausschließen, lange Texte zu beantworten. Aber wann bekomme ich schon Liebesbriefe, wo es doch Whatsapp und Emojis gibt? Ja, stimmt, ich selber bin auch nicht besser. Aber vielleicht wäre das ja mal ein Vorsatz. Lass uns lange Briefe schreiben, lange Radwege bauen oder zumindest befahren und lass uns nicht kleinmütig und engherzig sein. Das ist doch ein toller Vorsatz, oder? Ist gut, Schatz.
WELTUNTERGANG 7 HochzEits Guide<strong>2018</strong> Sag auch Du: „JA!“ zum <strong>Neue</strong> <strong>Szene</strong>-Hochzeitsplaner. Jetzt NEU und ab Mitte Oktober kostenlos an allen <strong>Neue</strong> <strong>Szene</strong> Auslagestellen erhältlich!