BStuF SoSe 2018
Hier können Sie den Beck'schen Studienführer Jura (SoSe 2018) lesen - mit vielen hilfreichen Tipps zum Jurastudium.
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Berufsbild | Jurist in der Politik<br />
Jurist in der Politik | Berufsbild<br />
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Jurist in der Politik<br />
„Die Rechtswissenschaften<br />
waren<br />
für mich<br />
nie unpolitisch.“<br />
Von Konstantin von Notz<br />
Das Bedürfnis, mich politisch zu engagieren, entstand<br />
bereits während meines Jurastudiums in Heidelberg.<br />
Ich hatte das ewige theoretische Diskutieren<br />
über die allgemeinen Verhältnisse und über spezielle poli-<br />
tische Lösungen in meinem Freundeskreis satt. Auf<br />
dem Sofa haben alle Recht – was zählt, liegt<br />
auf dem Platz!<br />
Die Entscheidung, mich um ein<br />
politisches Mandat zu bewerben, erfolgte<br />
jedoch erst deutlich später.<br />
Nach meinem ersten Staatsexamen<br />
promovierte ich zunächst im Evangelischen<br />
Kirchenrecht und arbeitete<br />
nach Referendariat und zweitem<br />
Staatsexamen in Schleswig-Holstein<br />
mehrere Jahre als Rechtsanwalt.<br />
Konstantin von Notz ist<br />
stellv. Fraktionsvorsitzender<br />
und netzpolitischer Sprecher<br />
der Grünen Bundestagsfraktion.<br />
Er studierte Jura<br />
in Heidelberg und ist seit<br />
2009 Abgeordneter für<br />
Bündnis 90/Die Grünen<br />
im Deutschen Bundestag.<br />
Bild: © von-notz.de<br />
Schon zu dieser Zeit gab es aber eine Verbindung<br />
zwischen meiner juristischen Ausbildung und meinem<br />
politischem Interesse. Die Rechtswissenschaften waren<br />
für mich nie unpolitisch. So war ich von 2001 bis 2005<br />
Vorsitzender des grünen Landesschiedsgerichts Schleswig-Holstein<br />
und von 2002 bis 2009 Co-Sprecher der<br />
Landesarbeitsgemeinschaft Demokratie und Recht. Als<br />
Rechtsanwalt habe ich mich auch als Mitglied des Anwaltsnotdienstes<br />
bei den Protesten in Heiligendamm und<br />
auf anderen Demonstrationen engagiert.<br />
Seit der Bundestagswahl 2009 bin ich Mitglied des<br />
Deutschen Bundestages. Dort liegen meine politischen<br />
Schwerpunkte in der Innen-, Rechts- und Gesellschaftspolitik.<br />
In einer Rede über den „Beruf des Politikers“ sagte der<br />
Soziologe (und Jurist) Max Weber einmal: „Die Bedeutung<br />
der Advokaten in der okzidentalen Politik seit dem<br />
Aufkommen der Parteien ist nichts Zufälliges. Der politische<br />
Betrieb durch Parteien bedeutet eben: Interessentenbetrieb.<br />
(…) Und eine Sache für Interessenten wirkungsvoll<br />
zu führen, ist das Handwerk des geschulten<br />
Advokaten.“<br />
An diesem Satz ist viel Wahres dran, aber auch vieles<br />
falsch. Denn der politische Betrieb durch Parteien ist nicht<br />
lediglich ein Interessenbetrieb. Er ist – parteiübergreifend<br />
– auch von rechtsstaatlichen Werten, Idealismus und<br />
Überzeugung geprägt. Vor allem aber ist die wirksame<br />
Interessenvertretung nicht der einzige Grund, warum es<br />
Vorteile hat, als Politiker Jura studiert zu haben.<br />
Als Abgeordneter im Deutschen Bundestag<br />
ist man maßgeblich an der Erarbeitung<br />
der Gesetze unseres Landes beteiligt.<br />
Ich empfinde es als großen Vorteil,<br />
die Systematik des Rechts, das<br />
Zusammenspiel unserer staatlichen<br />
Institutionen sowie den Sinn und<br />
Zweck der verfassungsrechtlich garan-<br />
tierten Rechte in meiner juristischen<br />
Ausbildung vermittelt bekommen und er-<br />
lernt zu haben. Um zu begreifen, wie essen-<br />
tiell die Bürgerrechte in einer freiheitlichen Demokratie<br />
sind, hilft nicht nur ein Blick ins Geschichtsbuch,<br />
sondern eben auch eine langjährige Auseinandersetzung<br />
mit dem Staats- und Verfassungsrecht.<br />
Ein besonderer Schwerpunkt meiner politischen Arbeit<br />
ist die Netzpolitik: Gerade hier sehe ich ein wichtiges<br />
Aufgabenfeld für den Gesetzgeber – in so gut wie allen<br />
Politikfeldern und über den tagespolitischen Horizont<br />
Bild unten: © roadrunner – fotolia.com<br />
Bild: © dstaerk – thinkstockphotos.de<br />
hinaus. Denn ich bin mir sicher, dass unsere Grundwerte<br />
Freiheit, Gerechtigkeit und Bürgerrechte auch und<br />
gerade in der digitalen Welt verteidigt und gestärkt werden<br />
müssen. Eine lediglich punktuelle Betrachtung und<br />
politische Auseinandersetzung wird dem Ausmaß der<br />
Veränderungen durch die digitale Revolution nicht mehr<br />
gerecht. Aus diesem Grund bedarf es umfassender<br />
Konzepte für das digitale Zeitalter.<br />
Der Schutz unserer individuellen Freiheits- und Grundrechte<br />
sowie der Einsatz für eine moderne und weltoffene<br />
Gesellschaft ist heute wichtiger denn je. Der Daten-<br />
schutz – und damit der Schutz der Menschenwürde –<br />
ist im digitalen Zeitalter das zentrale Bürgerrecht. Die<br />
Gewährleistung der Sicherheit der Bevölkerung vor<br />
Gefahren für Leib, Leben und Freiheit und der Sicherheit<br />
des Staates als verfasste Friedens- und Ordnungsmacht<br />
ist eine der vornehmsten Aufgaben eines Mandatsträgers<br />
und Mitglied eines Verfassungsorgans. Gerade in Zeiten<br />
der Destruktion durch terroristische Salafisten, Rechtsextreme<br />
und Demokratieverächter muss unsere Antwort<br />
ein unmissverständliches Bekenntnis zu Freiheit und<br />
Rechtsstaatlichkeit sei. Darin sehe ich meine Aufgabe –<br />
als Jurist und als Abgeordneter.<br />
n<br />
Als Abgeordneter im Deutschen Bundestag ist man maßgeblich an der Erarbeitung der Gesetze unseres Landes beteiligt.<br />
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