Rettl and friends 15 HW 2018/19

RETTL PORTRÄT
Die Magie des
Alltäglichen.
TEXT SABINE SALCHER
FOTOS GEORG PFLÜGL
W
enn einem vermeintlich
Unscheinbares plötzlich
nicht mehr aus dem
Kopf geht, hat man es
wohl durch die Augen oder besser gesagt
auf einem Bild von Richard Kaplenig
gesehen. Es sind Zündkerzen, Glühbirnen,
Schrauben oder Trinkgefäße. Diese
kleinen, in unserer Wahrnehmung oft
vernachlässigten Dinge, erhalten bei
Kaplenig ihren großen Auftritt. Er holt sie
aus ihrem und unserem Alltagstrott und
macht sie zu echten Kultobjekten. Und je
länger man sich in seinem Atelier am
Faaker See aufhält, desto mehr fasziniert
die Tatsache, dass sie sich je nach Lichteinfall
verändern. Trotz, oder gerade weil
die Farbpalette von Richard Kaplenig
reduziert ist. Metallisches Grau und
Indigo sind vorherrschend. Die Bilder
haben eine Größe und Präsenz, die einem
schon mal dazu verleiten, ein Zahnrad
mit der Architektur eines modernen
Fußballstadions zu vergleichen. Was uns
der Künstler damit sagen will? „Jeder
Gegenstand erzählt eine Geschichte. Jedes
Bild ist ein Sender. Doch die Assoziation
ist immer eine andere, je nachdem, wer
das Bild betrachtet. Ich selber sehe mich
als Maler. Meine Aufgabe ist es, Bilder mit
großer Virtuosität zu schaffen. Zu
schauen, dass sie gut gemalt sind und die
Komposition passt. Dann bekommen die
Dinge plötzlich eine Präsenz. Du musst
sie spüren können“, so Kaplenig.
geartig auf die Leinwand kaschiert, bevor
er die Gegenstände „daraufsetzt“. „Ich
habe immer schon versucht, möglichst
viel Information in ein Bild zu packen.
Die Landkarten sind so eine zusätzliche
Information, die man nicht sofort sieht.
Es hat damit zu tun, wo ich gerade bin.“
Daher finden sich auf seinen Bildern
häufig Landkartenfragmente aus Kärnten
und dem Dreiländereck. Sie sind eine
Einladung zum genaueren Hinsehen. In
Verbindung mit den Schrauben und
anderen Verbindungsstücken, zurzeit von
dem aus Kötschach-Mauthen stammenden
Künstler gerne verwendete Motive,
auch eine spannende Metapher.
Seine diesjährige „Sommerfrische“ in
Kärnten hat Richard Kaplenig hauptsächlich
zum Arbeiten genutzt, da er sich
intensiv auf eine große Ausstellung in
Berlin vorbereitet hat, die im November
eröffnet wird. Im Dezember stellt er in
Nürnberg aus, danach geht’s in Richtung....
(??). Kaplenig ist international
gefragt. Begleiterscheinung dieser
Bekanntheit ist ein Arbeitspensum, das
mit der romantischen Vorstellung, die
viele über ein Künstlerdasein haben,
wenig zu tun hat. „Ab und zu ein gutes
Bild zu malen, ist nicht schwer. Schwer ist
es, jeden Tag ein gutes Bild zu malen“, so
Kaplenig. Doch genau das treibt die
Entwicklung seiner Kunst weiter voran.
„Es ist wie Geige spielen. Die klingt nur
dann richtig gut, wenn man sie oft spielt.“
Angst vor dem Inspirationsverlust hat
Richard Kaplenig nicht. Im Gegenteil:
„Seit sieben Jahren arbeite ich intensiv an
dieser Serie und immer noch habe ich
weit mehr Ideen, als ich abarbeiten kann.“
+
In seinem selbsterbauten Atelier in Faak am See
verändern sich die Lichtstimmungen andauernd.
GENAUES HINSEHEN
Das ist die eine Ebene. Doch bei genauerem
Hinsehen eröffnet sich eine weitere
in seinen Bildern, die einen direkten,
ganz persönlichen Bezug haben. Es sind
Landkartenfragmente, die Kaplenig colla-
Atelier Faak am See
+43 664 42 331 82
rkaplenig@a1.net
www.kaplenig.com
RETTL + FRIENDS 95