obacht Familienmagazin Juni/Juli 2019
Das regionale Familienmagazin fürs Allgäu.
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NOCH SO KLEIN ODER<br />
SCHON SO GROSS<br />
Was darf mein Kind schon alleine?<br />
Thema<br />
Die ersten Tage der Eingewöhnung im<br />
Kindergarten scheinen noch nicht lange<br />
her zu sein, und die Eltern erinnern<br />
sich als wäre es gestern gewesen an das<br />
herzzerreißende Weinen beim ersten<br />
sogenannten Trennungsversuch. Doch<br />
urplötzlich, so kommt es den Eltern<br />
vor, verkündet eine selbstbewusste Drittklässlerin<br />
Aber spätestens beim selbständigen<br />
Fahrradausflug in den Einkaufsladen, um<br />
das Taschengeld auf den Kopf zu hauen,<br />
wird es schwieriger. Die Eltern überlegen<br />
sich, ob sie das erlauben dürfen, ob sie die<br />
Aufsichtspflicht verletzen, wenn sie nicht<br />
mitfahren, welchen Geldbetrag das Kind<br />
alleine ausgeben darf.<br />
von sieben Jahren sind Kinder grundsätzlich<br />
nicht für Schäden verantwortlich zu machen,<br />
von sieben bis zehn Jahren lediglich im<br />
Straßenverkehr. Darüber hinaus muss<br />
geprüft werden, ob die nötige Einsicht<br />
vorliegt, dass das eigene Handeln einem<br />
anderen schadet.<br />
Oft wird Kindern die Gelegenheit genommen,<br />
aus der Bewältigung von Aufgaben<br />
und Gefahren nachhaltig zu lernen.<br />
Wer seinem Kind schon früh angemessene<br />
Aufgaben überträgt, es Besorgungen<br />
erledigen lässt und den Wunsch nach<br />
Selbständigkeit erkennt, wenn das Kind<br />
diesen äußert, stärkt mit seinem entgegen-<br />
„Ich möchte mit <strong>Juli</strong>ane heute<br />
Eltern haften für ihre Kinder? Nein, sagt gebrachten Vertrauen das Selbstvertrauen<br />
10 und die Fähigkeiten des Kindes.<br />
11<br />
Bild: M. Subba<br />
noch in die Stadt radeln und von meinem<br />
Taschengeld neue Sammelkarten kaufen“.<br />
Oder nach jahrelangem Kindergarten-<br />
Bring- und Holdienst sagt Erstklässler<br />
Tim am dritten Schultag „Warum holst<br />
du mich eigentlich ab? Ich kenn doch<br />
den Weg.“<br />
Die Eltern müssen dann entscheiden, ob<br />
sie ihrem Kind in der von ihm gewünschten<br />
Art und Weise die Freiheit geben, etwas<br />
selbst und alleine zu tun. Sie werden<br />
abwägen, wo die Gefahren liegen, was sie<br />
ihrem Kind zutrauen, wie weit sie ihm<br />
vertrauen. Den Weg zur Schule alleine<br />
zurückzulegen wird ja bereits von Lehrern<br />
gefordert – zum einen, weil es die Selbständigkeit<br />
fördert, weil die Kinder sich<br />
unterwegs genug bewegen und Zeit haben<br />
um mit Freunden zu quatschen und dann<br />
in der Schule hoffentlich stillsitzen<br />
können. Zum anderen, um Autoschlagen<br />
vor der Schule und gar Schultaschen<br />
tragende Elternteile in der Schule zu<br />
vermeiden, die nicht selten eine morgendliche<br />
Unruhe verbreiten und den Lehrern<br />
in die Quere kommen.<br />
Der Gesetzgeber hat hier einen Rahmen<br />
festgelegt, der bestimmte Altersgrenzen<br />
vorgibt, erklärt Petra Hiller, Fachanwältin für<br />
Miet- und Wohnungsrecht sowie Deliktund<br />
Haftungsrecht in Memmingen. So<br />
sind Kinder, die das siebte Lebensjahr noch<br />
nicht vollendet haben, nicht geschäftsfähig.<br />
Wird ein jüngeres Kind also in ein Geschäft<br />
geschickt, um eben eine Kleinigkeit zu holen,<br />
kann es sein, dass es ohne Begleitung eines<br />
Erwachsenen nichts verkauft bekommt,<br />
oder aber die Eltern können einen ohne ihr<br />
Wissen getätigten Kauf wieder rückgängig<br />
machen. Vom siebten bis zur Vollendung<br />
des achtzehnten Lebensjahrs sind sie<br />
eingeschränkt geschäftsfähig. In dieser Zeit<br />
gilt der sogenannte Taschengeldparagraf.<br />
Das bedeutet, dass die Kinder und<br />
Jugendlichen mit dem ihnen überlassenen<br />
Taschengeld gültige Käufe tätigen können.<br />
Für Beträge darüber hinaus bedarf es der<br />
Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters.<br />
Die Deliktfähigkeit von Kindern bezeichnet<br />
die Verantwortlichkeit für angerichteten<br />
Schaden, und auch hier wird grundsätzlich<br />
nach dem Alter eingeteilt. Bis zum Alter<br />
Anwältin Hiller, das ist nicht grundsätzlich<br />
so. Eltern können nur zur Rechenschaft<br />
gezogen werden, wenn sie die Aufsichtspflicht<br />
verletzt haben, und das ist eine<br />
ganz individuelle Sache. Wenn ein Kind<br />
noch nie die Tür selbst geöffnet hat um<br />
auf die Straße zu rennen, kann beim ersten<br />
mal nicht die Mutter für den dadurch<br />
verursachten Auffahrunfall von zwei Autos<br />
belangt werden, da sie nicht damit rechnen<br />
musste.<br />
Bei all den festgelegten Altersgrenzen ist<br />
aber immer noch am wichtigsten, wie reif<br />
und verantwortungsbewusst das einzelne<br />
Kind ist. Und das, so Dr. Monika Grimaldi,<br />
Leiterin der KJF Erziehungs-, Jugend- und<br />
Familienberatung Memmingen/Unterallgäu,<br />
wissen immer noch die Eltern am besten.<br />
Hier hilft das Bauchgefühl oft weiter.<br />
Selbständigkeit wird grundsätzlich als<br />
wichtig angesehen und von Kindern und<br />
später Erwachsenen verlangt. Und doch, so<br />
Diplom-Psychologin Grimaldi, liegt bei<br />
den Eltern oft der Focus zu sehr auf den<br />
Gefahren statt darauf, Vorsicht zu lernen.<br />
Wer sich dabei unsicher fühlt und sich als<br />
Eltern Orientierung einholen möchte,<br />
kann dies zum Beispiel bei den Beratungsstellen<br />
der KJF Erziehungs-, Jugend- und<br />
Familienberatung tun. Die Beratungsstellen<br />
gibt es in jeder Region, die Beratung ist<br />
kostenlos.<br />
KJF Kempten-Oberallgäu Telefon 0831 52232 0<br />
KJF Memmingen-Unterallgäu Telefon 08331<br />
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