23.10.2018 Aufrufe

Zwergerl Magazin November/Dezember 2018

Das regionale Familienmagazin für die Metropolregion München

Das regionale Familienmagazin für die Metropolregion München

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

s11-25_red_nov181_Layout-zm 23.10.<strong>2018</strong> 14:02 Seite 12<br />

Händigkeit unterstützen<br />

Führungshand (und umgekehrt). Deshalb kann man aus einem linkshändigen<br />

Kind niemals einen Rechtshänder machen. Versucht man es trotzdem, greift<br />

man in grundlegende Prozesse des Gehirns ein: die Hälfte mit dem Bewegungszentrum<br />

für die dominante Hand wird gehemmt, die andere permanent<br />

überfordert. Auch wenn man „nur das Beste“ für sein Kind wollte – eine Umerziehung<br />

kann schwerwiegende Folgen haben: Gedächtnisprobleme, Konzentrationsschwierigkeiten,<br />

Legasthenie, feinmotorische Störungen, Verwechseln von links und rechts,<br />

Sprachprobleme und dadurch bedingt Minderwertigkeitskomplexe, psychosomatische,<br />

neurotische und Verhaltensstörungen. Bei Kreisspielen zum Beispiel<br />

fällt die Orientierung schwer, in der Schule werden die 6 und 9, das b<br />

und d oder das p und q verwechselt. Am Ende hat man aus einem normalen<br />

Linkshänder einen ungeschickten, gehandikapten Rechtshänder gemacht,<br />

der mit rechts niemals die Fertigkeit erreichen wird, die mit seiner dominanten<br />

linken Hand möglich wäre.<br />

Die Händigkeit ist meistens bis zum dritten, spätestens jedoch bis zum 6. Lebensjahr<br />

entwickelt. Bis dahin sei Eltern und Erziehern empfohlen, eine Wertung<br />

der Benutzung einer bestimmten Hand zu unterlassen und das Kind bei der<br />

Ausführung von Tätigkeiten die Hand stets selbst wählen zu lassen. Das gilt umso<br />

mehr für besonders ehrgeizige Kinder, die sich schon früh auf die Wünsche der<br />

Umwelt einstellen, nicht auffallen oder nicht anders als die Freunde sein wollen.<br />

Für diese Kinder ist die Entwicklung und Stärkung ihres Selbstbewusstseins, auch<br />

in Bezug auf ihre Händigkeit, besonders wichtig. Spielzeug also lieber in die Mitte<br />

legen oder reichen, den Löffel für das Essen mittig mit dem Griff zum Kind hin<br />

decken. Bei der Auswahl von Spielzeug und Gebrauchsgegenständen sollte auf<br />

beiderseitige Verwendbarkeit geachtet werden. Die so beliebten Baby-Schräglöffel<br />

zum Essenlernen, die ausschließlich den rechtshändigen Gebrauch gestatten,<br />

sind deshalb für Linkshänderberater ein rotes Tuch. Ganz gleich, ob links oder<br />

rechts, die jeweilige Händigkeit sollte nach Kräften unterstützt und damit eine<br />

gesunde Entwicklung gefördert werden. Linkshänder haben es nicht zwangsläufig<br />

schwieriger im Leben, sie schreiben nicht langsamer oder schlechter und sind<br />

auch nicht ungeschickter. Oft haben sie einfach nur gar keine, schlechte oder<br />

falsche Förderung erfahren. Kinder, die noch nach dem 4. Lebensjahr einen<br />

häufig wechselnden Handgebrauch aufweisen oder deren Händigkeit vor<br />

Schuleintritt nicht klar ersichtlich ist, sollten einem Experten, etwa einem Ergotherapeuten<br />

oder Heilpädagogen, zur Testung vorgestellt werden.<br />

Wird dagegen bis zur Einschulung keine Hand ausreichend geschult, drohen<br />

ernsthafte Lernprobleme. Defizite in Fein- und Grobmotorik bleiben unentdeckt<br />

und damit unbehandelt. Schlimmstenfalls wird ein beidhändig hantierendes,<br />

aber eigentlich linkshändiges Kind in die Rechtshändigkeit gedrängt,<br />

wobei Ablaufprozesse im Gehirn empfindlich gestört und die schon oben genannten<br />

negativen Folgen ausgelöst werden können.<br />

Kinder sollten über Führungshand selbst entscheiden<br />

Wer sein Kind aufmerksam beobachtet, wird schnell (manchmal schon ab dem 6.<br />

Monat) erkennen, welche seine Führungshand ist. Beim Würfeln, Perlen zählen,<br />

Zähne putzen, Blumen gießen, Kämmen, Radieren oder Licht ein- und ausschalten<br />

ist die dominante Hand meist leicht auszumachen. Ist es die linke, gestatten<br />

Sie das linkshändige Agieren unbedingt und erleichtern dieses durch<br />

linkshandgerechte Gebrauchs- gegenstände wie Schere, Spitzer, weiche, dreieckige<br />

Stifte, Füller, Kartoffelschäler, Dosenöffner, Messer, Computerzubehör<br />

und Spielzeug, bei dem die linke Hand nicht benachteiligt wird. Wollen rechtshändige<br />

Eltern ihrem linkshändigen Kind zeigen, wie man einen Knoten macht,<br />

Schuhe bindet oder häkelt, setzt man sich dem Kind einfach gegenüber, so dass<br />

die Bewegungen spiegelbildlich nachzuvollziehen sind. Besonderes Augenmerk<br />

sollte man bei Linkshändern dem Schreibenlernen schenken, denn bei falscher<br />

Schreibhaltung können Linkshänder das eben Geschriebene nicht sehen und<br />

beim Schreiben mit Tinte die Buchstaben verwischen. Überdies gilt es, eine verkrampfte<br />

und ermüdende Mal- und Schreibhaltung zu vermeiden. Typisch und<br />

in der Kindergartenzeit noch völlig normal für linkshändige Kinder ist das Schreiben<br />

in Spiegelschrift. Eine Erklärung, dass unsere Buchstaben von links nach<br />

rechts weisen und gegebenenfalls ein Punkt am linken Zeilenrand als Markierung<br />

des Schreibbeginns helfen vielen Kindern. So können falsche, später<br />

schwer zu korrigierende Automatisierungen vermieden werden. In speziellen<br />

Kindergruppen zum Malen, Basteln und zur Schreibvorbereitung können Linkshänder<br />

eine lockere und entspannte Schreibhaltung erlernen und üben. Hier<br />

wird zudem das Selbstverständnis des Kindes als Linkshänder gefördert, ohne<br />

die Händigkeit ausdrücklich zu thematisieren. Denn auch ein Zuviel an Aufmerksamkeit<br />

für die Linkshändigkeit ist nicht förderlich und verunsichert<br />

Kinder eher. Damit der linkshändige Alltag gelingt, sollten Eltern versuchen,<br />

auch Erzieher und Lehrer möglichst früh mit einzubeziehen. Viele<br />

sind mittlerweile offen für die Belange von Linkshändern. Seit 2001 verfügt<br />

das Land Bayern übrigens über einen Lehrplan für Vor- und Grundschüler,<br />

der auch die Belange der Linkshänder detailliert berücksichtigt.<br />

Wichtige Literatur zum Thema:<br />

Sattler, Johanna Barbara, Schreibvorübungen für Linkshänder mit<br />

Jobasa, Teil 1 und 2, Auer Verlag<br />

Sattler, Johanna Barbara, DESK-PAD Lefty , Schreibunterlage für<br />

Linkshänder, Auer Verlag, KUM<br />

12

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!