Neue Szene Augsburg 2018-11
Stadtmagazin für Augsburg
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52<br />
GERILLTES<br />
CARPET<br />
ABOUT ROOMS AND<br />
ELEPHANTS<br />
(Elektrohasch)<br />
Was soll man sagen? Carpet sind eine<br />
Klasse für sich. Wie ein Ufo aus einer<br />
anderen Welt ziehen sie ihre Kreise<br />
und veröffentlichen immer wieder<br />
Alben, die mich überraschen und in<br />
andere Dimensionen beamen. An<br />
diesen Nerds scheinen alle Trends<br />
oder Aktualitäten abzuprallen, sie<br />
sind auf ihre Art zeitlos, glänzen aber<br />
im Hier und Jetzt! Inzwischen haben<br />
sie die Grenzen des Psychedelic-Rock<br />
gesprengt. Erlaubt ist alles, was flirrt!<br />
Und so wandeln sie erhaben zwischen<br />
bewusstseinerweiternden Klängen,<br />
Bombast, Jazz, Postrock und Blues. Wären<br />
die Herren Barrett, Waters, Wright<br />
und Mason heute Anfang 20, dann<br />
würden sie wahrscheinlich genau so<br />
klingen. Ich verneige mich! (ws)<br />
<br />
DEAD CAN DANCE<br />
DIONYSUS<br />
(Pias Recording)<br />
Sechs Jahre ist es her, dass Dead Can<br />
Dance mit „Anastasis“ ihr Comeback<br />
feierten. Nun melden sich die Weltmusik-Pioniere<br />
wieder mit neuem Material<br />
aus dem Studio zurück. Diesmal<br />
widmen sie sich dem griechischen Gott<br />
Dionysus, dem Gott des Weines, der<br />
Freude, der Trauben, des Wahnsinns<br />
und der Ekstase. Unser Chefredakteur<br />
Walter müsste eigentlich sein griechisches<br />
Blut kaum noch zügeln können.<br />
Aber kurz innegehalten, denn teilweise<br />
muss man die Euphorie auch ein wenig<br />
bremsen. Zu oft gibt es dafür langatmige<br />
Passagen, zu oft ist es schlichtweg<br />
zu verspielt. Aber insgesamt ist es ein<br />
absolut atmosphärisch dichtes Album<br />
geworden. Ein harziger Rotwein passt<br />
dazu zweifelsohne perfekt. (etz)<br />
<br />
KURT VILE<br />
BOTTLE IT IN<br />
(Matador)<br />
Bis 2009 war Kurt Vile Member der<br />
Indierocker „War on Drugs“, bevor er<br />
dann erfolgreich solo über die Lande<br />
zog und mit Songs wie „Pretty Pimpin“<br />
oder „Loading Zones“ echte Perlen<br />
ausspuckte. Letztes Jahr hat der Musiker<br />
aus Philadelphia im Duett mit<br />
Courtney Barnett dann das großartige<br />
Album „Lotta Sea Lice“ veröffentlicht.<br />
Auf seinem inzwischen siebten<br />
Solo-Album kaut Vile unbeirrt seine<br />
Westcoast-Indie-Folk-Rock-Häppchen<br />
und lässt sich auf keine nennenswerten<br />
Experimente ein. Das hat bisher<br />
super geklappt. Auch wenn sich auf<br />
„Bottle It In“ durchaus ein paar gute<br />
Nummern tummeln, zum Ende hin<br />
wird mir die Geschichte dann etwas<br />
zu langatmig und damit doch auch<br />
langweilig. (ws)<br />
<br />
MUSE<br />
SIMULATION THEORY<br />
(Warner Bros.)<br />
Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Mir<br />
gefallen Muse eigentlich schon immer<br />
und die Band hat in den letzten Jahren<br />
wahrlich große Songs veröffentlicht, die<br />
mich noch heute mitreißen. Aber ich<br />
werde mit dem neuen Material nicht<br />
richtig warm. Das ist alles nicht übel,<br />
aber es haut mich einfach nicht vom<br />
Hocker. Matt Bellamy nölt gewohnt<br />
dominant seine Gesangsparts herunter<br />
und auch das gesamte Rhythmuspaket<br />
ist typisch Muse. Vielleicht ist es das:<br />
es ist alles so typisch und daher einfach<br />
oft fad. Dazu kommen seltsame<br />
Dance-Floor-Experimente. Nein, diese<br />
elektronischen Wanderwege hätten<br />
die Jungs besser nicht betreten. Der<br />
Rucksack passt ihnen nicht besonders<br />
gut. (etz)<br />
<br />
ALBUM DES MONATS<br />
LIEBLINGS MUSIK<br />
THE PRODIGY<br />
NO TOURISTS<br />
(BMG)<br />
Als mir vor über 20 Jahren dieser Typ das erste Mal „I’m a Firestarter“ aus dem TV heraus direkt ins Gesicht brüllte,<br />
wusste ich plötzlich, wie sich ADHS in seiner extremen Form auswirken kann: man tanzt mit beschissener Frisur wie<br />
ein Irrer durch den Londoner Untergrund und wird trotzdem zum Superstar. Dieser Wahnsinnige war Keith Flint und<br />
trat damals zum ersten Mal bei „The Prodigy“ als Sänger in Erscheinung, Das war der Durchbruch für die drei Jungs<br />
aus Essex. Als das Video in der Musiksendung „Top of the Pops“ gezeigt wurde, musste der Sender BBC einen Ansturm<br />
von Beschwerdebriefen entrüsteter Eltern aushalten, die sich über die „schändliche“ Verhaltensweise Flints beschwerten<br />
und sich fragten, warum das Video überhaupt am frühen Abend gezeigt werden dürfe. Tja, seitdem sind wahrlich<br />
schändlichere Dinge veröffentlicht worden und Album Nummer Sieben der Band ist genau das Gegenteil davon. Was<br />
Mastermind Liam Howlett hier aus seinen Computern und Synthies rausgehauen hat, bläst einem mit voller Wucht<br />
ins Gesicht und lässt einen nackt im Elektrogewitter stehen, mit einem Lächeln auf den erstarrten Lippen. Dazu eben<br />
die bewährten Gesangseinlagen von Flint und Kollege Maxim. „Evil Rave“ nennt Howlett diesen Stil und das Ding ist<br />
wahrlich böse. Aggressiv, temporeich, kompromisslos. Eine Alles-oder-Nichts-Produktion, die sich auch im Albumtitel<br />
„No Tourists“ widerspiegelt. „Für uns bedeutet dieser Titel die ultimative Realitätsflucht und den ständigen Drang auszubrechen.<br />
„Sei kein Tourist – wirkliche Gefahr und Nervenkitzel erlebt man nur, wenn man die ausgetretenen Pfade<br />
verlässt.“, so Howlett. Kinder, der Nervenkitzel ist hier zu 100 Prozent garantiert. Wer diese Jungs mal live erleben kann,<br />
sollte dies auch tun. Danach ist der Kopf durchgepustet. Versprochen! (etz)<br />
<br />
KHEMMIS<br />
DESOLATION<br />
(NUCLEAR BLAST)<br />
„Wohl eine der größten<br />
Glücksgriffe, die Nuclear<br />
Blast gesignt haben. Toller<br />
Progressive-Metal.“ (etz)<br />
ERRDEKA<br />
LIEBE<br />
(SONY)<br />
„Wenn ich als Hip Hop-<br />
Verweigerer ein Rap-Album<br />
durchhöre (!) und dann auch<br />
noch auf Repeat drücke (!!),<br />
dann muss wirklich etwas<br />
passiert sein(!!!)“ (ws)<br />
DAVID CROSBY<br />
HERE IF YOU LISTEN<br />
(BMG/WARNER)<br />
„David hat ziemlich wild<br />
gelebt, tut dies mit 77 immer<br />
noch und hat mit ‚Here If<br />
You Listen‘ ein wunderbares<br />
Album ver++++öffentlicht.<br />
David bleibt David und das<br />
ist nur positiv gemeint.“ (cs)<br />
DER NINO AUS WIEN<br />
DER NINO AUS WIEN<br />
(PROBLEMBÄR<br />
RECORDS)<br />
„Der Bob Dylan vom<br />
Praterstern überzeugt mich<br />
auf ganzer Linie. Besonders<br />
sein Titel ‚Unentschieden<br />
gegen Ried’ des völlig<br />
enttäuschten Rapid-Fans.“<br />
(max)