SIEBEN: Dezember 2018/ Januar 2019
Marktstimmung im Advent - Alfelder Jahrmarkt Glück im Spiel - Verlosungen Leichtfüßige Handwerker - Ball in Delligsen
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36 Frühstücksgespräche<br />
„Alle Jahre wieder“ ist einer der Klassiker des deutschsprachigen Liedguts. „Alle Jahre wieder<br />
kommt das Christuskind“ und mit ihm die Frage aller Fragen: Was schenke ich wem? Jahr für Jahr<br />
steht uns der Horror gestresster Geschenkejäger, genervter Verkäufer und überfüllter Innenstädte<br />
bevor. Alle Jahre wieder – und natürlich auch in diesem Jahr.<br />
Als ich am 24. September den Opener der diesjährigen<br />
Weihnachtssaison „Last Christmas“ in einer Coverversion<br />
von The BossHoss hörte, war mir so unweihnachtlich<br />
wie nur irgend möglich zu Mute:<br />
Es war ein sonniger Tag wie die gefühlt 365 Tage zuvor.<br />
„Christmas“ schien eher ein Begriff von einem anderen<br />
Stern zu sein. Wer konnte sich noch an Regen, Schnee<br />
und Kälte erinnern?<br />
Zwei Monate später: Es ist zumindest schon mal herbstlich<br />
bis winterlich kalt geworden. Der erste Schnee hat<br />
sich bereits kurz in Form einiger Flocken blicken lassen<br />
und der Countdown bis zum Fest der Feste läuft unerbittlich.<br />
Leider ist meine Vorweihnachtsstimmung<br />
immer noch bei Null und selbst die ersten ausgesprochenen<br />
Einladungen zu Weihnachtsfeiern, Adventskaffees<br />
und Weihnachtsmarktbesuchen lassen mich völ-<br />
charmant oder mit brachialer Holzhammermethode<br />
Wehe dem, der der gestressten Herrin des Hauses<br />
lig kalt.<br />
erklärt, dass der Weihnachtsbraten zwar gut gewürzt,<br />
Weihnachtswahnsinn<br />
Vermutlich ist das zweifelhafte Talent Dinge bis zum bitteren<br />
Ende völlig ausblenden zu können, daran Schuld,<br />
dass ich mich ständig im Last-Minute-Modus befinde.<br />
Sei es im Job, bei der Einhaltung von Terminen, den Verabredungen<br />
mit Freunden oder eben der Besorgung<br />
von Weihnachtsgeschenken. Warum soll ich mir schon<br />
Wochen und Monate vorher Gedanken machen, über<br />
Dinge, die doch noch so unendlich weit entfernt scheinen?<br />
Der Krampf beginnt noch früh genug.<br />
Da beneide ich wirklich eine gute Bekannte, die sich<br />
schon während des laufenden Jahres reichlich Notizen<br />
macht, sollte einer der Lieben beiläufig einen Wunsch<br />
äußern und die spätestens am 24. September, also der<br />
offiziellen „Last-Christmas“-Spielerlaubnis, bereits alle<br />
schönen Geschenke zusammen hat. Mit den Geschenken<br />
ist es ja so: Hat man sie erst einmal im Haus, muss<br />
man sie vor neugierigen Blicken und großangelegten,<br />
kindlichen Suchaktionen schützen. Meinen Eltern<br />
ist es damals sogar passiert, dass sie ein Geschenk, das<br />
für mich bestimmt war (und ich war sehr neugierig und<br />
erfinderisch beim Suchen und Finden), erst Jahrzehnte<br />
später bei der Erneuerung des Hausdaches wieder fanden.<br />
Das nenne ich mal ein sicheres Versteck.<br />
Andrea Hausmann-Kunkel<br />
Das Leben ist zu kurz für irgendwann.<br />
Unsere Kolumnistin Andrea Hausmann-Kunkel liebt den Wechsel zwischen<br />
der Großstadt-Hektik und dem beschaulichen Landleben, könnte Tage und<br />
Nächte in Buchläden verbringen und wäre ohne Party, Musik und Festivals<br />
kein glücklicher Mensch. Die Mutter von zwei erwachsenen Kindern und<br />
Hundebesitzerin hat ein Faible für kuriose Alltagssituationen und Irrungen<br />
und Wirrungen der zwischenmenschlichen Kommunikation, die sich<br />
thematisch in ihren Texten wiederfinden, ironisch, bisweilen bissig, aber<br />
immer in charmanter Art und Weise.<br />
Wären es doch nur die Geschenke. Doch auch das Haus<br />
muss noch auf Hochglanz geputzt werden, die Dekoration<br />
innen wie außen unbedingt die Erwartungen des<br />
Vorjahres übertreffen. Die Rezepte für Kekse und alle<br />
anderen weihnachtlichen Leckereien sollen noch kreativer,<br />
raffinierter und leckerer sein.<br />
Die ach so besinnlichen Adventswochen arten in puren<br />
Stress aus und so manch ein Familienstreit, der noch<br />
am Nikolaustag seicht vor sich hin schwelte, wird spätestens<br />
am 24. <strong>Dezember</strong> zum lodernden Feuersturm.<br />
Die Anspannung und Aufregung steigt und gleichzeitig<br />
die Empfindsamkeit gegenüber kleinster und leisester<br />
geäußerter Kritik.<br />
aber doch etwas zäh ist. Gefährlich leben auch diejenigen,<br />
die Kritik an Dekoration, dem knapp sitzenden<br />
Abendkleid oder gar des Weihnachtsbaums äußern.<br />
In der deutschen Literatur wurden schon Forstmänner<br />
in handliche Pakete verpackt und in die weite Welt verteilt,<br />
vermutlich weil sie sich vorsichtig über den grottig<br />
schlechten Sampler mit Cover-Versionen von „Last<br />
Christmas“ äußerten, der seit dem Grand Opening am<br />
24. September pausenlos lief.<br />
Vielleicht erinnern Sie sich noch an den grandios witzigen<br />
Film „Single Bells“, in dem sich die gesamte buckelige<br />
Verwandtschaft, samt einer jauligen, snobistischen<br />
und zudem frisch getrennten Schwester in der ländlichen<br />
österreichischen Idylle trifft und die gefrustete<br />
Hausherrin stockbesoffen die Gans aus dem Müll herauspult,<br />
wohin sie sie kurz zuvor verbannt hat, weil die<br />
Omama in diesem Jahr Weihnachten schmeißt.<br />
Der Haussegen hängt mächtig schief, der Ehemann<br />
wird aus dem gemeinsamen Schlafzimmer verbannt<br />
und die nervige überkandidelte Mutter, die ihre vorpupertäre<br />
Enkelin bis zum Erbrechen mit Eierlikör abfüllt,<br />
wird zur ultimativen Geduldsprobe.<br />
Mein bisher entspanntestes Weihnachten erlebte ich<br />
im Übrigen vor 23 Jahren. Mein Sohn hatte seinen<br />
geplanten Geburtstermin großzügig verpennt und<br />
pünktlich am 24. <strong>Dezember</strong> nach Essen, Bescherung<br />
und dem netten Zusammensein mit der Familie, setzen<br />
meine Wehen ein. Die heilige Nacht verbrachte ich<br />
dann leicht angeschrumpelt in der Badewanne eines<br />
Hildesheimer Kreißsaals. Neben mir ein schlafender<br />
Mann auf einer unbequemen Pritsche. Baby hatte es,<br />
wie auch im späteren Leben, nicht so wirklich eilig und<br />
gab sich zum zweiten Frühstück die Ehre. Doch ein besseres<br />
Timing hätten wir gar nicht wählen können:<br />
Sämtliche Familienmitglieder statteten dem kleinen<br />
Weihnachtsmann einen Besuch ab. Ein bisschen erinnerte<br />
der Pilgerzug an die Heiligen Drei Könige, lediglich<br />
die Geschenke fielen weitaus weltlicher aus.<br />
Wieder zu Hause angekommen, war der weihnachtliche<br />
Stress vorüber und die Dekoration konnte umgehend<br />
wieder dorthin verbannt werden, woher sie<br />
pünktlich zum ersten Advent hervor geholt wurde.<br />
Weitaus nerviger wurde es dafür in den kommenden<br />
Jahren: Die Weihnachts-Geburstagskombination ist<br />
nur etwas für Fortgeschrittene. Am 24. <strong>Dezember</strong> die<br />
Geschenke der gesamten Verwandtschaft in Empfang<br />
zu nehmen, um keine 24 Stunden später dann noch<br />
einmal die gesamte Bagage zum Kaffeetrinken und zur<br />
Übergabe der Geburtstagsgeschenke für Sohnemann<br />
im Wohnzimmer sitzen zu haben, ist nichts für schwache<br />
Nerven. Erst am späten Abend des Zweiten Weihnachtstages<br />
stellte sich so ganz langsam das ruhige,<br />
besinnliche Weihnachtsgefühl ein. So zu sagen, kurz<br />
vor Torschluss.<br />
Lieber Leser, lassen Sie sich durch das eben Gelesene<br />
nicht entmutigen. Auch Weihnachtskinder werden<br />
erwachsen, die Ruhe kehrt wieder ein und einem<br />
besinnlichen Weihnachtsfest steht nach knapp 25 Jahren<br />
nichts mehr im Wege. Wer sicher gehen will, überdenkt<br />
aber doch etwas genauer die Familienplanung.<br />
In diesem Sinne: Bleiben Sie entspannt. Überlassen<br />
Sie den Weihnachtswahnsinn den anderen. Nehmen<br />
Sie sich einen Tag Urlaub im Advent, vorzugsweise<br />
an einem Dienstag oder Mittwoch. Machen Sie sich<br />
eine Liste der zu besorgenden Geschenke und dann<br />
ziehen Sie los. Wichtig: Erkunden Sie vorher die Glühweinstände<br />
der Fußgängerzone und nach drei gekauften<br />
Geschenken belohnen Sie sich mit einem alkoholischen<br />
Heißgetränk. Leicht angeschickert kaufen<br />
Sie noch das Geschenk für die böse Schwiegermutter<br />
und amüsieren sich dann am Heiligen Abend über<br />
Ihre irrwitzige Idee der Dame eine Karte für das Rammstein-Konzert<br />
im kommenden Jahr zu schenken.<br />
Lassen Sie sich nicht stressen von den gestressten Menschen<br />
um sich herum. All das, was Sie in in diesem Jahr<br />
wieder nicht schaffen, das machen sie eben im kommenden,<br />
denn dann heißt es ganz gewiss: „Alle Jahre<br />
wieder“.