28.11.2018 Aufrufe

SIEBEN: Dezember 2018/ Januar 2019

Marktstimmung im Advent - Alfelder Jahrmarkt Glück im Spiel - Verlosungen Leichtfüßige Handwerker - Ball in Delligsen

Marktstimmung im Advent - Alfelder Jahrmarkt
Glück im Spiel - Verlosungen
Leichtfüßige Handwerker - Ball in Delligsen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

36 Frühstücksgespräche<br />

„Alle Jahre wieder“ ist einer der Klassiker des deutschsprachigen Liedguts. „Alle Jahre wieder<br />

kommt das Christuskind“ und mit ihm die Frage aller Fragen: Was schenke ich wem? Jahr für Jahr<br />

steht uns der Horror gestresster Geschenkejäger, genervter Verkäufer und überfüllter Innenstädte<br />

bevor. Alle Jahre wieder – und natürlich auch in diesem Jahr.<br />

Als ich am 24. September den Opener der diesjährigen<br />

Weihnachtssaison „Last Christmas“ in einer Coverversion<br />

von The BossHoss hörte, war mir so unweihnachtlich<br />

wie nur irgend möglich zu Mute:<br />

Es war ein sonniger Tag wie die gefühlt 365 Tage zuvor.<br />

„Christmas“ schien eher ein Begriff von einem anderen<br />

Stern zu sein. Wer konnte sich noch an Regen, Schnee<br />

und Kälte erinnern?<br />

Zwei Monate später: Es ist zumindest schon mal herbstlich<br />

bis winterlich kalt geworden. Der erste Schnee hat<br />

sich bereits kurz in Form einiger Flocken blicken lassen<br />

und der Countdown bis zum Fest der Feste läuft unerbittlich.<br />

Leider ist meine Vorweihnachtsstimmung<br />

immer noch bei Null und selbst die ersten ausgesprochenen<br />

Einladungen zu Weihnachtsfeiern, Adventskaffees<br />

und Weihnachtsmarktbesuchen lassen mich völ-<br />

charmant oder mit brachialer Holzhammermethode<br />

Wehe dem, der der gestressten Herrin des Hauses<br />

lig kalt.<br />

erklärt, dass der Weihnachtsbraten zwar gut gewürzt,<br />

Weihnachtswahnsinn<br />

Vermutlich ist das zweifelhafte Talent Dinge bis zum bitteren<br />

Ende völlig ausblenden zu können, daran Schuld,<br />

dass ich mich ständig im Last-Minute-Modus befinde.<br />

Sei es im Job, bei der Einhaltung von Terminen, den Verabredungen<br />

mit Freunden oder eben der Besorgung<br />

von Weihnachtsgeschenken. Warum soll ich mir schon<br />

Wochen und Monate vorher Gedanken machen, über<br />

Dinge, die doch noch so unendlich weit entfernt scheinen?<br />

Der Krampf beginnt noch früh genug.<br />

Da beneide ich wirklich eine gute Bekannte, die sich<br />

schon während des laufenden Jahres reichlich Notizen<br />

macht, sollte einer der Lieben beiläufig einen Wunsch<br />

äußern und die spätestens am 24. September, also der<br />

offiziellen „Last-Christmas“-Spielerlaubnis, bereits alle<br />

schönen Geschenke zusammen hat. Mit den Geschenken<br />

ist es ja so: Hat man sie erst einmal im Haus, muss<br />

man sie vor neugierigen Blicken und großangelegten,<br />

kindlichen Suchaktionen schützen. Meinen Eltern<br />

ist es damals sogar passiert, dass sie ein Geschenk, das<br />

für mich bestimmt war (und ich war sehr neugierig und<br />

erfinderisch beim Suchen und Finden), erst Jahrzehnte<br />

später bei der Erneuerung des Hausdaches wieder fanden.<br />

Das nenne ich mal ein sicheres Versteck.<br />

Andrea Hausmann-Kunkel<br />

Das Leben ist zu kurz für irgendwann.<br />

Unsere Kolumnistin Andrea Hausmann-Kunkel liebt den Wechsel zwischen<br />

der Großstadt-Hektik und dem beschaulichen Landleben, könnte Tage und<br />

Nächte in Buchläden verbringen und wäre ohne Party, Musik und Festivals<br />

kein glücklicher Mensch. Die Mutter von zwei erwachsenen Kindern und<br />

Hundebesitzerin hat ein Faible für kuriose Alltagssituationen und Irrungen<br />

und Wirrungen der zwischenmenschlichen Kommunikation, die sich<br />

thematisch in ihren Texten wiederfinden, ironisch, bisweilen bissig, aber<br />

immer in charmanter Art und Weise.<br />

Wären es doch nur die Geschenke. Doch auch das Haus<br />

muss noch auf Hochglanz geputzt werden, die Dekoration<br />

innen wie außen unbedingt die Erwartungen des<br />

Vorjahres übertreffen. Die Rezepte für Kekse und alle<br />

anderen weihnachtlichen Leckereien sollen noch kreativer,<br />

raffinierter und leckerer sein.<br />

Die ach so besinnlichen Adventswochen arten in puren<br />

Stress aus und so manch ein Familienstreit, der noch<br />

am Nikolaustag seicht vor sich hin schwelte, wird spätestens<br />

am 24. <strong>Dezember</strong> zum lodernden Feuersturm.<br />

Die Anspannung und Aufregung steigt und gleichzeitig<br />

die Empfindsamkeit gegenüber kleinster und leisester<br />

geäußerter Kritik.<br />

aber doch etwas zäh ist. Gefährlich leben auch diejenigen,<br />

die Kritik an Dekoration, dem knapp sitzenden<br />

Abendkleid oder gar des Weihnachtsbaums äußern.<br />

In der deutschen Literatur wurden schon Forstmänner<br />

in handliche Pakete verpackt und in die weite Welt verteilt,<br />

vermutlich weil sie sich vorsichtig über den grottig<br />

schlechten Sampler mit Cover-Versionen von „Last<br />

Christmas“ äußerten, der seit dem Grand Opening am<br />

24. September pausenlos lief.<br />

Vielleicht erinnern Sie sich noch an den grandios witzigen<br />

Film „Single Bells“, in dem sich die gesamte buckelige<br />

Verwandtschaft, samt einer jauligen, snobistischen<br />

und zudem frisch getrennten Schwester in der ländlichen<br />

österreichischen Idylle trifft und die gefrustete<br />

Hausherrin stockbesoffen die Gans aus dem Müll herauspult,<br />

wohin sie sie kurz zuvor verbannt hat, weil die<br />

Omama in diesem Jahr Weihnachten schmeißt.<br />

Der Haussegen hängt mächtig schief, der Ehemann<br />

wird aus dem gemeinsamen Schlafzimmer verbannt<br />

und die nervige überkandidelte Mutter, die ihre vorpupertäre<br />

Enkelin bis zum Erbrechen mit Eierlikör abfüllt,<br />

wird zur ultimativen Geduldsprobe.<br />

Mein bisher entspanntestes Weihnachten erlebte ich<br />

im Übrigen vor 23 Jahren. Mein Sohn hatte seinen<br />

geplanten Geburtstermin großzügig verpennt und<br />

pünktlich am 24. <strong>Dezember</strong> nach Essen, Bescherung<br />

und dem netten Zusammensein mit der Familie, setzen<br />

meine Wehen ein. Die heilige Nacht verbrachte ich<br />

dann leicht angeschrumpelt in der Badewanne eines<br />

Hildesheimer Kreißsaals. Neben mir ein schlafender<br />

Mann auf einer unbequemen Pritsche. Baby hatte es,<br />

wie auch im späteren Leben, nicht so wirklich eilig und<br />

gab sich zum zweiten Frühstück die Ehre. Doch ein besseres<br />

Timing hätten wir gar nicht wählen können:<br />

Sämtliche Familienmitglieder statteten dem kleinen<br />

Weihnachtsmann einen Besuch ab. Ein bisschen erinnerte<br />

der Pilgerzug an die Heiligen Drei Könige, lediglich<br />

die Geschenke fielen weitaus weltlicher aus.<br />

Wieder zu Hause angekommen, war der weihnachtliche<br />

Stress vorüber und die Dekoration konnte umgehend<br />

wieder dorthin verbannt werden, woher sie<br />

pünktlich zum ersten Advent hervor geholt wurde.<br />

Weitaus nerviger wurde es dafür in den kommenden<br />

Jahren: Die Weihnachts-Geburstagskombination ist<br />

nur etwas für Fortgeschrittene. Am 24. <strong>Dezember</strong> die<br />

Geschenke der gesamten Verwandtschaft in Empfang<br />

zu nehmen, um keine 24 Stunden später dann noch<br />

einmal die gesamte Bagage zum Kaffeetrinken und zur<br />

Übergabe der Geburtstagsgeschenke für Sohnemann<br />

im Wohnzimmer sitzen zu haben, ist nichts für schwache<br />

Nerven. Erst am späten Abend des Zweiten Weihnachtstages<br />

stellte sich so ganz langsam das ruhige,<br />

besinnliche Weihnachtsgefühl ein. So zu sagen, kurz<br />

vor Torschluss.<br />

Lieber Leser, lassen Sie sich durch das eben Gelesene<br />

nicht entmutigen. Auch Weihnachtskinder werden<br />

erwachsen, die Ruhe kehrt wieder ein und einem<br />

besinnlichen Weihnachtsfest steht nach knapp 25 Jahren<br />

nichts mehr im Wege. Wer sicher gehen will, überdenkt<br />

aber doch etwas genauer die Familienplanung.<br />

In diesem Sinne: Bleiben Sie entspannt. Überlassen<br />

Sie den Weihnachtswahnsinn den anderen. Nehmen<br />

Sie sich einen Tag Urlaub im Advent, vorzugsweise<br />

an einem Dienstag oder Mittwoch. Machen Sie sich<br />

eine Liste der zu besorgenden Geschenke und dann<br />

ziehen Sie los. Wichtig: Erkunden Sie vorher die Glühweinstände<br />

der Fußgängerzone und nach drei gekauften<br />

Geschenken belohnen Sie sich mit einem alkoholischen<br />

Heißgetränk. Leicht angeschickert kaufen<br />

Sie noch das Geschenk für die böse Schwiegermutter<br />

und amüsieren sich dann am Heiligen Abend über<br />

Ihre irrwitzige Idee der Dame eine Karte für das Rammstein-Konzert<br />

im kommenden Jahr zu schenken.<br />

Lassen Sie sich nicht stressen von den gestressten Menschen<br />

um sich herum. All das, was Sie in in diesem Jahr<br />

wieder nicht schaffen, das machen sie eben im kommenden,<br />

denn dann heißt es ganz gewiss: „Alle Jahre<br />

wieder“.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!