WeltBlick 3/2018
70 Jahre Menschenrechtserklärung
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LuftPost – Unsere Freiwilligen berichten<br />
Mauer, Elektrozaun,<br />
Metallgitter<br />
Annchristin (19) erlebt in Jerusalem,<br />
wie Menschen ihre Religion leben.<br />
Faszinierend<br />
»Anstrengender als gedacht«:<br />
Olivenernte auf dem Ölberg.<br />
Jerusalem ist eine super spannende Stadt. Es ist faszinierend zu<br />
sehen, wie viele Leute hier ihre Religion frei und offen ausleben. Ich<br />
erlebe hier die Ströme, die am Schabbat zur Klagemauer gehen und<br />
die muslimischen Ladenbesitzer, die zur Gebetszeit ihren Laden kurzzeitig<br />
schließen. Letztens hat sogar ein Mann mitten im Supermarkt<br />
seinen Gebetsteppich ausgebreitet und gebetet.<br />
Das Gelände der Auguste-Viktoria-Stiftung auf dem Ölberg in<br />
Ostjerusalem, wo ich lebe, umfasst das gleichnamige Krankenhaus,<br />
das sich auf Krebs- und Nierenerkrankungen von Menschen aus<br />
Palästina und Gaza spezialisiert hat, das Deutsche Evangelische Institut<br />
für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes, das Evangelische<br />
Pilger- und Begegnungszentrum der Himmelfahrtskirche sowie das<br />
Café Auguste. Zum Café gehört ein großer Garten mit einem Klettergerüst<br />
und einer Hängematte. Für viele Kinder ist der Garten ein<br />
Paradies: Da alles eingezäunt ist, können sie hier frei herumlaufen<br />
und miteinander spielen.<br />
Zurzeit findet die Olivenernte auf dem Ölberg statt; darauf hatte<br />
ich mich schon lange gefreut. Es war allerdings anstrengender als<br />
gedacht, und letztlich bin ich ganz froh, dass ich nur zwei Tage die<br />
Woche mitmachen konnte. Eigentlich pflückt man die Oliven nach<br />
dem ersten Regen, aber die Verantwortlichen in Talitha Kumi – die<br />
Schule hat das Pflückrecht – hatten Angst, dass jemand anderes die<br />
Oliven pflückt. Daher haben wir schon so früh angefangen. Aber weil<br />
es noch nicht geregnet hatte, waren die Blätter voller Straßenstaub.<br />
Da man in die Bäume klettern muss, um die Oliven pflücken zu können,<br />
war ich nach der Ernte super dreckig. Bei 35 Grad in der Sonne,<br />
es gibt kaum Schatten, ist man nach einem Tag komplett fertig. Aber<br />
irgendwie machte es trotzdem viel Spaß, weil wir bei der Ernte Musik<br />
hörten und alle immer echt cool drauf waren. Dadurch war´s auch nur<br />
halb so anstrengend.<br />
Philippi, hier liegt meine Einsatzstelle<br />
iThemba Labantu, war während der Apartheid<br />
eine rein schwarze Township. Verarmte<br />
Menschen aus der Region Eastern Cape, die<br />
in Kapstadt auf der Suche nach Arbeit<br />
waren, haben sich hier angesiedelt. Die<br />
Armut existiert – mit allen Folgen wie Hunger<br />
und Kriminalität – bis heute.<br />
Wir Freiwilligen leben im Haus der Evangelisch-Lutherischen<br />
Gemeinde Philippi.<br />
Pfarrer Michael Denner kommt aus<br />
Deutschland und ist mit seiner Frau und seinem<br />
Sohn vor sieben Jahren nach Kapstadt<br />
gezogen. Helga Denner ist unsere Mentorin<br />
und Ansprechpartnerin. Wir sitzen oft<br />
zusammen, reden und essen bei ihnen<br />
Abendbrot. Das Gelände befindet sich an<br />
der Grenze zwischen Philippi und Ottery,<br />
einem Vorort Kapstadts. Gegenüber liegt<br />
die Township Hannover Park. Nach<br />
der Ankunft in unserem neuen<br />
Heim war ich etwas verdutzt: Es<br />
ist von einer zwei bis drei Meter<br />
hohen Mauer umgeben und mit<br />
einem 9000 Volt-Elektrozaun versehen.<br />
Hinein gelangt man nur<br />
durch ein schweres Metalltor;<br />
Haustür und Fenster sind zusätzlich<br />
vergittert. Das Gefühl, in<br />
einer Festung zu leben, ist<br />
einerseits beruhigend, weil es<br />
nicht so leicht ist, hier einzudringen.<br />
Wenn wir abends in<br />
Über den Dächern<br />
Annchristin, Ostjerusalem<br />
34 <strong>WeltBlick</strong> 3/<strong>2018</strong><br />
OSTJERUSALEM