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SCHWERPUNKT: EFFEKTIVER ALTRUISMUS<br />

DIE PROBLEME DES EFFEKTIVEN ALTRUISMUS:<br />

WOHLTÄTIGKEITSSÖLDNER<br />

Alturistisches zu Handeln klingt auf den ersten Blick gut. Wer es sich leisten kann, gönnt auch weniger begüterten Menschen ein<br />

wenig Teilhabe. Kommt es dabei aber allein auf Effektivität und Effizienz an?<br />

Meiner Meinung nach ist effektiver Altruismus eine neoliberale Moral, mit<br />

der man vorsichtig sein sollte. Besonders, wenn man zu Kiwanis gehört und<br />

sich selbst als eine Person sieht, die nach dem Guten strebt. Klar gesagt:<br />

Wenn ich wie Peter Singer denken würde, würde ich bei der Erziehung und<br />

Ausbildung meiner Kinder darauf hinwirken, dass die von ihnen ausgeübten<br />

Berufe maximal viel bewegen können. Sie sollten entweder Mediziner<br />

werden, die Menschen direkt helfen oder Spitzenverdiener in der Wirtschaft<br />

(zum Beispiel bei einem Hedgefonds oder in der Waffenindustrie),<br />

die mit ihren hohen Gehältern viel spenden können. Wer diese Berechnung<br />

ebenfalls verstörend findet, wird die folgende Erklärung verstehen.<br />

Der Begriff der Universalität ist eine wesentliche Idee für die Ethik und<br />

gleichzeitig auch ein Problem. Es ist schön zu behaupten, dass alle Menschen<br />

gleich sind, aber es bedeutet auch, dass alle Menschen auf die gleiche<br />

Weise begriffen werden können. Universalismus war die Begründung des<br />

Kolonialismus und hat ermöglicht, Menschen im Allgemeinen zu betrachten<br />

und nicht als Einzelperson. Effektiver Altruismus stellt keinen<br />

Neokolonialismus dar, aber eine Optimierung der Spende. So vergessen<br />

wir die Individualität der Person, der wir helfen wollen. Altruist bedeutet<br />

daher nicht mehr das Engagement für den Anderen, sondern nur Geld zu<br />

spenden.<br />

Der effektive Altruismus hat den<br />

Wohltätigkeitssöldner erfunden<br />

Die zweite Gefahr liegt in der Berechnung. Das Kalkül bietet seit der<br />

Aufklärung das Model der Rationalität. Es ist neutral und nachprüfbar.<br />

Wie überprüft man eine Berechnung? Ich habe ein Beispiel von Singer genommen<br />

und mit einer Augenärztin geprüft. Der Philosoph des effektiven<br />

Altruismus behauptet: Es ist besser 2.000 Sehbehinderten in Afrika zu helfen,<br />

als einem blinden US-Amerikaner einen Blindenhund zu kaufen. Das<br />

klingt nachvollziehbar: 2.000 Afrikaner sind mehr als ein Amerikaner.<br />

Zwei Sachen werden dabei nicht berücksichtigt. Erstens: ein Blinder mit<br />

einem Hund kann wieder arbeiten und aktives Mitglied der Gesellschaft<br />

werden. Von daher ist es ein Vorteil für seine Gemeinschaft und für den<br />

Kampf um die Integration der Sehbehinderten. Das wird aber nicht als<br />

effektiv genug wahrgenommen. Zweitens: Wieso sind die 2.000 Personen<br />

sehbehindert? Haben sie den Grauen Star? Dann brauchen sie wahrscheinlich<br />

keine große Spende, da sehr viele Schamanen in Afrika wissen, wie<br />

man die Linseneintrübung mit einfachen Mitteln behandelt. Haben Sie<br />

ein Glaukom oder eine Makula-Degeneration, dann ist die Behandlung (je<br />

nach Land, was Singer aber egal ist) so teuer, dass das Ergebnis von 2.000<br />

Personen unmöglich stimmen kann. Es ist klar, dass effektive Altruisten<br />

abstrakt berechnen, um einen Grund zum Spenden zu haben (egal, ob es<br />

real ist oder nicht).<br />

Das dritte Problem ist das Geld. Es verflüssigt alles. Man kann Menschen<br />

retten oder Waffen kaufen. Die »altruistischen« Philosophen denken,<br />

dass der finanzielle Erfolg verlangt, anderen Menschen zu helfen. Jedoch<br />

gibt es hier ein Missverständnis: Solidarität gründet sich nicht auf dem<br />

Geld, das man verdient hat, sondern auf der Zugehörigkeit erfolgreicher<br />

Mitglieder zu einer Gemeinschaft. Das Geld ist weder gut oder böse, es<br />

ist amoralisch, nur ein Mittel, um die Wirtschaft zu optimieren. Und da<br />

erreichen wir der Kern des effektiven Altruismus: Danach sollte die Sozialhilfe<br />

einen (inter-)nationalen Markt bilden, in dem Organisationen um<br />

die beste Finanzierung konkurrieren. Anders gesagt: Staaten geben keinen<br />

Cent mehr für die Armen aus, sondern überzeugen ihre Bürger zu spenden<br />

oder sich ehrenamtlich zu engagieren. Denn für gut bezahlte Sozialberufe<br />

fehlt das Geld.<br />

Effektiver Altruismus ist eine Philosophie des Geldes. Schlimmer: Er ist<br />

eine Vermarktung der Ethik und ihre Berechnung nur ein Werbeargument.<br />

Er ist nichts Neues, da schon US-Präsident Herbert Hoover 1929 diese<br />

Strategie durchgesetzt hast, um gegen die massive Armut zu kämpfen. Eine<br />

Politik, die sich aber als Katastrophe herausstellte. Sie wurde erst durch den<br />

„New Deal“ beendet, der Wohltätigkeit wieder durch Solidarität ersetzte.<br />

Autor: Dr. phil. Yves Mayzaud<br />

https://de.kiwanis.news/400656<br />

Kiwanis-Magazin | Winter 2018<br />

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