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Quellen für Neutronenstrahlung: Forschungsreaktoren - SNI-Portal

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<strong>Quellen</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>Neutronenstrahlung</strong>:<br />

<strong>Forschungsreaktoren</strong><br />

70<br />

Einleitung und Überblick<br />

Den Neutronennutzern in Deutschland steht mit dem<br />

Institut Laue-Langevin in Grenoble die weltweit<br />

stärkste kontinuierliche Neutronenquelle zur Verfügung.<br />

Daneben existiert in Europa ein ganzes Netzwerk von<br />

Mittelflussquellen (s. Abb. 6.1), die in Zukunft von der<br />

modernsten kontinuierlichen Quelle, dem FRM-II, angeführt<br />

werden. Dieser wird an manchen Experimenten<br />

Flüsse vergleichbar mit denen des ILL aufweisen.<br />

Neutronenlandschaft<br />

Laut Nutzerumfrage des KFN vom Frühjahr 2004 werden<br />

von deutschen Nutzern die meisten Experimente<br />

am Hochflussreaktor des ILL durchgeführt. Darauf folgen<br />

die drei deutschen Mittelflussreaktoren des FZJ, des<br />

HMI und der GKSS, die zusammen die Hauptlast der<br />

Experimente tragen. Mit der beschlossenen Stilllegung<br />

des FRJ-2 und voraussichtlich des FRG-1 zu Beginn des<br />

nächsten Jahrzehnts muss in Zukunft der neue Reaktor<br />

in Garching, FRM-II, die Funktion als wichtigste nationale<br />

Neutronenquelle übernehmen und neben dem HMI<br />

die Hauptlast der Nutzerbetreuung tragen. Neben diesen<br />

nationalen <strong>Quellen</strong> konzentrieren sich die Experimente<br />

deutscher Nutzer auf die folgenden europäischen <strong>Quellen</strong>:<br />

LLB, SINQ, ISIS und Dubna. An diesen <strong>Quellen</strong><br />

existiert zum Teil komplementäre Instrumentierung<br />

ISIS<br />

Rutherford<br />

LLB<br />

Paris<br />

ILL<br />

Grenoble<br />

IRI<br />

Delft<br />

1200<br />

150<br />

600<br />

160<br />

SINQ<br />

PSI<br />

10<br />

30<br />

300<br />

800<br />

130<br />

70<br />

20<br />

bzw. Expertise der Instrumentverantwortlichen. Neutronennutzer<br />

arbeiten <strong>für</strong> gewöhnlich in größeren internationalen<br />

Kollaborationen und suchen sich die besten<br />

Bedingungen <strong>für</strong> die jeweilige Fragestellung.<br />

Arbeitsteilung<br />

Zwischen den Hochflussquellen und den Mittelflussquellen<br />

hat sich in Europa eine sehr gute Arbeitsteilung<br />

etabliert: da die Forschung mit Neutronen im allgemeinen<br />

flusslimitiert ist, lassen sich viele Experimente am<br />

besten an den Hochflussquellen durchführen. Allerdings<br />

gibt es an den Mittelflussquellen Instrumente<br />

und Probenumgebungen, die im weltweiten Vergleich<br />

<strong>für</strong> ganz bestimmte Anwendungen führend oder auch<br />

einmalig sind, etwa die neue fokussierende Kleinwinkelanlage<br />

KWS-3 in Jülich oder das kombinierte<br />

Flugzeit- und Spinecho-Instrument SPAN am HMI. Die<br />

Instrumente an Hochflussquellen sind besonders stark<br />

nachgefragt, was zu sehr kurzen und damit fehlerintoleranten<br />

Messzeiten führt. Daher sind an diesen<br />

<strong>Quellen</strong> sowohl die Möglichkeit der Ausbildung des<br />

Nachwuchses als auch die Möglichkeit zur Methodenentwicklung<br />

sehr stark eingeschränkt. Diese Aufgaben<br />

erfüllen in hervorragender Weise die Mittelflussquellen<br />

- zusätzlich zur Bereitstellung von <strong>Neutronenstrahlung</strong><br />

<strong>für</strong> ein breites Spektrum von Experimenten. Daneben<br />

80<br />

FRG-1<br />

GKSS<br />

BNC<br />

Budapest<br />

Neutronenquellen<br />

BENSC<br />

HMI<br />

FRJ-2<br />

FZJ<br />

FRM-II<br />

TUM<br />

FLNP<br />

Dubna<br />

NPL-NRI<br />

Rez/Prag<br />

Abb. 6.1. Anzahl der Neutronennutzer (vertikale Balken) gemäß der ENSA-Umfrage von 1998 und wichtigste Neutronenquellen<br />

in Europa.<br />

71


Andere europäische<br />

Zentren<br />

358<br />

Mittelfluss<br />

(FZJ, HMI, GKSS)<br />

919<br />

Außereuropäische Zentren<br />

57<br />

Abb. 6.2. Verteilung der Experimente an den<br />

verschiedenen Neutronenquellen.<br />

Hochfluss<br />

(ILL)<br />

554<br />

sind sie sehr wichtig <strong>für</strong> orientierende Messungen zur<br />

Optimierung der Messstrategie und Messungen mit<br />

aufwendigen Probenumgebungen, sowie in-situ Probenpräparation<br />

etc. In Europa wird ca. 60 % der Forschung<br />

mit Neutronen an Mittelflussquellen durchgeführt [6].<br />

Dort werden viele herausragende wissenschaftliche<br />

Ergebnisse erzielt.<br />

Mittelflussquellen<br />

Wissenschaftliche Arbeiten, wie Diplom- oder Doktorarbeiten,<br />

lassen sich nur durchführen, wenn eine<br />

gewisse kontinuierliche Versorgung an Messzeit gewährleistet<br />

wird. Die Spitzenquellen können aufgrund<br />

der hohen Anfrage diese Aufgabe nur sehr beschränkt<br />

erfüllen. Die Messzeiten an den Mittelflussquellen sind<br />

im Allgemeinen etwas länger und erlauben ein Nachmessen,<br />

ein sehr wichtiger Aspekt <strong>für</strong> die Nachwuchsausbildung.<br />

Sehr viele methodische Entwicklungen sind<br />

an den Mittelflussquellen gelaufen, bevor sie auf die<br />

Hochflussquellen übertragen wurden. Beispiele hier<strong>für</strong><br />

sind die Entwicklung der Kleinwinkelstreuung und<br />

der hochauflösenden Rückstreuspektroskopie in Jülich,<br />

der magnetischen Streuung bei extrem hohen Feldern<br />

am HMI oder von Geschwindigkeitsselektoren <strong>für</strong> die<br />

Kleinwinkelstreuung bei GKSS, die in der Folge dann<br />

vom ILL in Grenoble übernommen wurden.<br />

Während die Mittelflussquellen ursprünglich eher einen<br />

regionalen Einzugsbereich hatten, hat sich dieses Bild<br />

inzwischen drastisch gewandelt, insbesondere nachdem<br />

sehr wichtige ältere <strong>Quellen</strong>, wie der Reaktor in RISØ,<br />

in Studsvik und 2006 der Reaktor in Jülich, abgeschaltet<br />

wurden bzw. werden. Die Bedeutung der Forschung<br />

mit Neutronen wird inzwischen auch in den europäischen<br />

Ländern ohne eigene leistungsfähige Quelle<br />

erkannt, wie Portugal, Spanien, Italien, Polen, etc. Im<br />

Rahmen des EU Access Programms bewerben sich<br />

Nutzer aus diesen Ländern zunehmend um Messzeit<br />

an den Mittelflussquellen. Diese Internationalisierung<br />

führt zu einem Zufluss von neuen Ideen zu den deutschen<br />

<strong>Quellen</strong> und zum Aufbau von internationalen<br />

Kollaborationen, die von den jeweiligen Großgeräten<br />

ausgehen. Dieser Aspekt ist extrem wichtig <strong>für</strong> die<br />

Lebendigkeit der Erforschung kondensierter Materie in<br />

Deutschland.<br />

72 HMI<br />

73<br />

HMI<br />

Der Forschungsreaktor BER II des HMI, der 1973 in<br />

Betrieb gegangen war, wurde 1985 still gelegt und in<br />

den folgenden sechs Jahren vollständig erneuert. Seit<br />

1992 steht nun ein moderner Mittelflussreaktor (Neutronenflussdichte:<br />

1,2 ∙ 10 14 n cm -2 s -1 ) mit thermischen<br />

Strahlrohren, kalter Quelle und bis vor kurzem einer,<br />

jetzt zwei Neutronenleiterhallen der nationalen und<br />

internationalen Neutronenstreugemeinde zur Verfügung.<br />

Zur Instrumentierung am neuen Reaktor und zur<br />

Organisation des Nutzerbetriebes wurde das Berliner<br />

Neutronenstreuzentrum BENSC am HMI eingerichtet.<br />

BENSC verfügt über ein nahezu komplettes Spektrum<br />

an Neutronenstreuinstrumenten. 14 Geräte werden<br />

im regulären Gästebetrieb angeboten, wobei 70 % der<br />

Messzeit an externe Nutzer über ein international besetztes<br />

Auswahlgremium vergeben wird. Weitere sechs<br />

Geräte stehen externen Nutzern auf spezielle Anfrage<br />

zur Verfügung. Hinzu kommen Messplätze <strong>für</strong> die<br />

Neutronenaktivierungsanalyse und mehrere Bestrahlungsplätze.<br />

Eine Station <strong>für</strong> Neutronentomographie ist<br />

zurzeit im Aufbau. Mit dieser Ausstattung und seiner<br />

Spezialisierung auf Hochfeldprobenumgebung entwickelte<br />

sich BENSC zu einem international beachteten<br />

Neutronenstreuzentrum mit dominant hohem Anteil an<br />

ausländischen Messgästen.<br />

Methoden- und Geräteentwicklung<br />

Eine besondere Stärke von BENSC liegt in der Entwicklung<br />

und Bereitstellung von extremer Probenumgebung<br />

<strong>für</strong> höchste Magnetfelder (bis zu 17 T) und tiefste<br />

Temperaturen (routinemäßig bis herab zu 30 mK).<br />

Weitere Stärken liegen in der Entwicklung innovativer<br />

neutronenoptischer Systeme <strong>für</strong> Strahlextraktion,<br />

Strahlführung und Neutronenpolarisation sowie in<br />

der Entwicklung neuer Instrumentkonzepte <strong>für</strong> kontinuierliche<br />

und gepulste <strong>Quellen</strong>. Beispiele da<strong>für</strong> sind<br />

das neuartige Multispektral-Extraktionssystem <strong>für</strong> die<br />

zweite Neutronenleiterhalle, das gleichzeitig thermische<br />

und kalte Neutronen in einen Leiter einkoppelt, sowie<br />

die Weiterentwicklung der Spinecho-Methode (Weitwinkel-Spinechogerät<br />

SPAN) und der TOF-Technik<br />

<strong>für</strong> kontinuierliche <strong>Quellen</strong> („TOF-Monochromator“,<br />

Multiplexing-Choppersysteme). Insbesondere <strong>für</strong> die<br />

Instrumentoptimierung an gepulsten <strong>Quellen</strong> wurde die<br />

Simulationssoftware VITESSE entwickelt.<br />

Forschungsschwerpunkte<br />

Schwerpunkte der Forschung bei BENSC liegen auf<br />

dem Gebiet des Magnetismus und der Materialwissenschaften<br />

sowie in zunehmendem Maße auf dem Gebiet<br />

der weichen Materie, <strong>für</strong> das zur Zeit eine zusätzliche<br />

Abteilung eingerichtet wird. Durch komplementäre Nutzung<br />

der Synchrotronstrahlung an eigenen Beamlines<br />

bei der Berliner Synchrotronanlage BESSY werden diese<br />

Forschungsrichtungen weiter gestärkt. Zusätzlich beteiligt<br />

sich das HMI am FRM-II mit einem Instrument<br />

<strong>für</strong> industrienahe Eigenspannungs- und Texturanalyse<br />

(STRESSPEC). Nutzung der vorhandenen Anlagen<br />

durch die Industrie wird besonders unterstützt.<br />

Die Zukunft<br />

Für künftige Aufgaben als zweites nationales Zentrum<br />

neben dem FRM-II rüstete sich das HMI durch den<br />

Bau einer zweiten Leiterhalle. Damit kann die führende<br />

Stellung von BENSC auf dem Gebiet der Hochfeldexperimente<br />

weiter ausgebaut werden: Ein 25 T Kryomagnet<br />

in Kombination mit einem neuen Flugzeitdiffraktometer<br />

(EXED) ermöglicht Neutronenstreuung bei höchsten<br />

Magnetfeldern. EXED wird durch das neu entwickelte<br />

Multispektral-Extraktionssystem mit einem Neutronenstrahl<br />

hoher Intensität und besonders breitem Wellenlängenband<br />

versorgt. Es eröffnet bisher unerreichte<br />

Möglichkeiten in der hochauflösenden Neutronendiffraktion.<br />

Von der Strahlqualität eines ballistischen<br />

Leiters wird das weltweit einzigartige Weitwinkel-Spinechogerät<br />

(SPAN) profitieren. Die Instrumentierung in<br />

der neuen Halle wird komplettiert durch eine neuartige<br />

hochauflösende Kleinwinkelstreuanlage (VSANS).


GKSS<br />

Das GKSS Forschungszentrum betreibt seit 1958 den<br />

Forschungsreaktor FRG-1. Im Rahmen laufender Modernisierungen<br />

wurde eine kalte Quelle <strong>für</strong> langwellige<br />

Neutronen sowie eine Leiterhalle gebaut, der nukleare<br />

Brennstoff von hoch- auf niedrig angereichertes Uran<br />

umgestellt und der Neutronenfluss auf 1,4 ∙ 10 14 n/cm 2<br />

erhöht. Mit 250 Betriebstagen im langjährigen Jahresdurchschnitt<br />

bietet der FRG-1 eine besonders hohe<br />

Verfügbarkeit. Rund 60 % der Strahlzeit wird externen<br />

Nutzern zur Verfügung gestellt. Strahlzeit kann jederzeit<br />

beantragt werden, um nach externer Begutachtung<br />

einen möglichst schnellen Zugang zu gewährleisten.<br />

Instrumente<br />

Es werden 10 Instrumente betrieben, von denen etwa<br />

die Hälfte <strong>für</strong> die ingenieurwissenschaftliche Materialforschung<br />

optimiert ist. Damit bietet GKSS externen<br />

Nutzern komplementär zur Schwerpunktbildung anderer<br />

Zentren ein besonders umfassendes und anwendungsnahes<br />

Angebot an:<br />

• Eigenspannungs- und Texturmessungen an Werkstoffen<br />

und Schweißnähten, z. B. <strong>für</strong> neue Fertigungsverfahren<br />

<strong>für</strong> den Airbus A 380 oder an leichteren<br />

Bauteilen aus Mg <strong>für</strong> den Fahrzeugbau.<br />

• Kleinwinkelstreuung, z. B. zur Untersuchung von<br />

festigkeitssteigernden Ausscheidungen in Hochleistungsstählen<br />

oder neuartigen Leichtbauwerkstoffen<br />

<strong>für</strong> Flugzeugturbinen<br />

• Neutronenradiographie und Tomographie, z. B. zur<br />

Qualitätssicherung von Teilen der Ariane-V Rakete<br />

im Rahmen von Industrieaufträgen.<br />

Darüber hinaus stehen Reflektometer zur Untersuchung<br />

von magnetischen und biologischen Nanostrukturen,<br />

z. B. von magnetischen Speichermedien mit höherer<br />

Speicherdichte oder von biologischen Membranen im<br />

Hinblick auf die Wirksamkeit neuartiger Antibiotika,<br />

zur Verfügung. Eine zweite Kleinwinkelstreuanlage<br />

wird vornehmlich <strong>für</strong> die Untersuchung weicher Materie,<br />

wie z. B. Kolloidgemischen oder Formgedächtnispolymeren<br />

<strong>für</strong> die regenerative Medizin, angeboten.<br />

Industrielle Nutzung<br />

Aufgrund der Anwendungsnähe seiner Instrumentierung<br />

sowie der Eigenforschung bei GKSS hat der<br />

FRG-1 einen besonders hohen Anteil industrieller Nutzung<br />

und Kollaborationen.<br />

Methodenentwicklung<br />

GKSS hat wesentliche Beiträge zur Weiterentwicklung<br />

von Methoden der Neutronenforschung geleistet. So<br />

wurde <strong>für</strong> die Untersuchung von biologischen Makromolekülen<br />

ein neues Verfahren zur Strukturaufklärung<br />

mittels Kernspinpolarisation entwickelt, Kleinwinkelstreuung<br />

mit polarisierten Neutronen erstmals<br />

eingeführt und die heute weltweit in den meisten<br />

Kleinwinkelstreuanlagen eingesetzten Geschwindig<br />

keitsselektoren zur Neutronenmonochromatisierung<br />

entwickelt.<br />

Die Zukunft<br />

Der Betrieb des FRG-1 ist bis Ende 2009 gesichert.<br />

In Vorbereitung auf eine mögliche Abschaltung nach<br />

Ende 2009 plant GKSS ein verstärktes Engagement am<br />

FRM-II und evtl. am ILL. GKSS wird daher auch im<br />

kommenden Jahrzehnt Neutroneninstrumentierung in<br />

seinen o. g. Kompetenzfeldern anbieten. Als Nukleus<br />

der GKSS-Außenstelle am FRM-II betreibt GKSS bereits<br />

das innovative Hochflussreflektometer REFSANS,<br />

das neue Möglichkeiten, u. a. bei der Untersuchung von<br />

Flüssigkeitsgrenzflächen, eröffnet.<br />

74 GKSS / FZJ<br />

75<br />

FZJ<br />

Seit 1962 betreibt das Forschungszentrum Jülich den<br />

Forschungsreaktor FRJ-2, der mit einer Flussdichte von<br />

2,9 ∙ 10 14 n/cm 2 s nach dem FRM-II die leistungsfähigste<br />

deutsche Neutronenquelle ist. In der Reaktorhalle und<br />

einer externen Leiterhalle <strong>für</strong> kalte Neutronen befinden<br />

sich insgesamt 17 Strahlexperimente, die das ganze<br />

Spektrum von Streuinstrumenten abdecken, von der<br />

Diffraktion über Kleinwinkelstreuung und Spektroskopie<br />

bis hin zu höchstauflösenden Spinecho- oder<br />

Rückstreuinstrumenten. Alle Instrumente stehen externen<br />

Nutzern über ein Antragsverfahren zur Verfügung.<br />

Etwa 60 % der Experimente werden durch externe<br />

Nutzergruppen durchgeführt, der Rest dient der Eigenforschung.<br />

Methodenentwicklung<br />

Traditionell liegt eine große Stärke des Jülicher Zentrums<br />

bei der Methodenentwicklung. Viele Instrumente,<br />

die heute zum Standardrepertoire an modernen <strong>Quellen</strong><br />

gehören, wurden erstmalig in Jülich realisiert, so<br />

etwa die erste Neutronenkleinwinkelstreuanlage, ein<br />

dediziertes Instrument zur Messung diffuser Neutronenstreuung<br />

oder – nachdem das Prinzip am FRM-I<br />

gezeigt wurde – ein Rückstreuspektrometer. Neuere<br />

Entwicklungen betreffen die erste Kleinwinkelanlage<br />

mit fokussierender Optik, Reflektometrie mit Polarisationsanalyse<br />

<strong>für</strong> offspekuläre Streuung, vektorielle<br />

Polarisationsanalyse <strong>für</strong> Flugzeitinstrumente, Phasenraumtransformation<br />

etc. In Jülich gebaute Komponenten,<br />

wie Szintillationsdetektoren oder schnell drehende<br />

magnetgelagerte Chopper, haben weltweite Verbreitung<br />

gefunden. Schließlich ebneten Jülicher Arbeiten den<br />

Weg zu den MW-Spallationsquellen, indem hier wesentliche<br />

Fortschritte, etwa beim Targetdesign, erzielt<br />

wurden.<br />

Wissenschaftliche Schwerpunkte<br />

Die wissenschaftliche Kompetenz der Neutronenstreugruppen<br />

in Jülich liegt einerseits auf dem Gebiet<br />

der weichen Materie, mit einem Schwerpunkt bei der<br />

Polymerphysik, andererseits im Bereich des Magnetismus<br />

mit Schwerpunkten im Nanomagnetismus und bei<br />

korrelierten Elektronensystemen. Die Neutronenstreuung<br />

ist eine tragende Säule im Methodenspektrum des<br />

Departments „Institut <strong>für</strong> Festkörperforschung“. Beide<br />

Forschungsschwerpunkte sind eingebettet in das HGF-<br />

Programm „Kondensierte Materie“.<br />

Die Zukunft<br />

Der Forschungsreaktor FRJ-2 soll im Mai 2006 stillgelegt<br />

und anschließend rückgebaut werden. Wegen<br />

der grundlegenden Bedeutung der Streumethoden in<br />

der Forschung kondensierter Materie beabsichtigt das<br />

Forschungszentrum Jülich, die Neutronenstreuung<br />

zu stärken und die in Jülich vorhandene methodische<br />

Kompetenz an anderen <strong>Quellen</strong> einfließen zu lassen. Zu<br />

diesem Zweck wird das „Jülich Centre for Neutron Science“<br />

gegründet, mit Außenstellen am FRM-II, am ILL<br />

und an der SNS. In Garching ist der Betrieb von sieben<br />

Streuinstrumenten mit entsprechender Infrastruktur<br />

geplant. Die Jülicher Instrumente ergänzen die Instrumentierung<br />

am FRM-II optimal, indem sie Lücken<br />

schließen im Bereich der Kleinwinkelstreuung, der<br />

höchstauflösenden Spektroskopie und der Polarisationsanalyse.<br />

Auch in Garching wird das FZJ sein bewährtes<br />

Konzept fortführen und über die Bereitstellung von<br />

Strahlzeit an den Neutroneninstrumenten hinaus Fachwissen<br />

und spezialisierte Laboreinrichtungen in den<br />

Kompetenzfeldern des Instituts <strong>für</strong> Festkörperforschung<br />

anbieten. An der SNS wird das FZJ ein Spinecho-Spektrometer<br />

der nächsten Generation mit bisher unerreichten<br />

Werten bzgl. Auflösung und dynamischem Bereich<br />

bauen. Durch diese Investition in die dortige Infrastruktur<br />

werden deutsche Nutzer zumindest in beschränktem<br />

Rahmen über das FZJ einen Zugang zu dieser Quelle<br />

der nächsten Generation erhalten.


FRM-II<br />

Der FRM-II hat ein einziges zylinderförmiges Brennelement<br />

mit ca. 8 kg hochangereichertem Uran und<br />

gestaffelter Urandichte von 1,5 – 3 g/cm 3 . Mit 20 MW<br />

thermischer Leistung und einem ungestörten Fluss<br />

thermischer Neutronen von 8 ∙ 10 14 n/cm 2 s bietet er das<br />

weltweit beste Verhältnis von thermischer Leistung zu<br />

Neutronenfluss. Die Kühlung des Brennelements erfolgt<br />

durch H 2 O, die Moderation durch einen D 2 O Moderator.<br />

Ein Brennelementzyklus beträgt 52 Tage, max. fünf<br />

Zyklen pro Jahr = 260 Tage können betrieben werden.<br />

Die untermoderierte Kalte D 2 O-Quelle, die 2000 °C<br />

warme Heiße Quelle und eine Konverteranlage <strong>für</strong><br />

unmoderierte schnelle Neutronen verschieben das<br />

thermische Wellenlängenspektrum ins Optimum der<br />

gewünschten Nutzung. 10 horizontale und 2 schräge<br />

Strahlrohre ermöglichen den Austritt der Neutronen<br />

zu den Experimentiereinrichtungen. Aus einem der<br />

schrägen Strahlrohre wird mittels intensiver Gammastrahlung<br />

und spontaner Paarbildung ein intensiver<br />

thermischer Positronenstrahl mit einem Fluss von<br />

10 8 - 10 9 p/cm 2 s extrahiert. Die Instrumente sind in der<br />

Experimentierhalle rund um den Reaktorkern und in<br />

einer Halle mit Neutronenleitern <strong>für</strong> kalte Neutronen<br />

untergebracht.<br />

Breites Spektrum<br />

Die Strahlrohrinstrumente des FRM-II werden von<br />

externen Expertengruppen betrieben, wobei 2/3 der<br />

Strahlzeit durch ein unabhängiges Gutachtergremium<br />

an allgemeine Nutzer vergeben werden. Für die Probenumgebung<br />

stehen Kryostaten und Öfen <strong>für</strong> Temperaturen<br />

zwischen 50 mK und 2000 °C und Magnetfelder bis<br />

zu 14,5 Tesla zur Verfügung. Druckapparaturen sind<br />

im Aufbau. Die Nutzung polarisierter Neutronen wird<br />

durch HELIOS, einer leistungsfähigen Anlage zur Polarisation<br />

von 3 He <strong>für</strong> annähernd alle Instrumente ermöglicht.<br />

Ein industrielles Anwenderzentrum innerhalb des<br />

FRM-II-Geländes fördert die industrielle Nutzung des<br />

FRM-II, es werden sowohl Büro- als auch Laborflächen<br />

zum Umgang mit Radioaktiva zur Verfügung gestellt.<br />

Zukunft<br />

Das Forschungszentrum Jülich wird zum Mai 2006<br />

seine Neutronenquelle schließen, seine leistungsfähigsten<br />

Neutronenstreuinstrumente zum FRM-II transferieren<br />

und sich mit einer Außenstelle am Nutzerbetrieb<br />

des FRM-II beteiligen. Mit der später vorgesehenen<br />

Schließung der Geesthachter Neutronenquelle wird<br />

ebenfalls die GKSS den Nutzerbetrieb durch weitere<br />

Instrumente zur Materialforschung unterstützen. Bis<br />

Ende 2006 wird hierzu an der Ostseite des FRM-II eine<br />

weitere Neutronenleiterhalle in Kombination mit Büro-<br />

und Laborräumen errichtet.<br />

76 FRM-II / ILL<br />

77<br />

ILL<br />

Das Institut Laue-Langevin wurde 1967 gegründet; sein<br />

57 MW-Reaktor, der 1971 kritisch wurde, liefert mit ca.<br />

1,5 ∙ 10 15 n/cm -2 s -1 den weltweit höchsten Fluss thermischer<br />

Neutronen. Eine heiße Quelle, zwei kalte <strong>Quellen</strong><br />

mit 12 Neutronenleitern sowie ultrakalte Neutronen<br />

erweitern das Spektrum zu hohen und niedrigen Energien<br />

hin deutlich. Die Erneuerung des Reaktortanks in<br />

den 90er Jahren und die gegenwärtigen umfassenden<br />

Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit (REFIT-Programm<br />

bis 2006), insbesondere der Erdbebensicherheit,<br />

versprechen eine hohe Zuverlässigkeit des Reaktors <strong>für</strong><br />

die kommenden Jahre.<br />

Breites Spektrum<br />

Für die Versorgung mit Neutronen ist ein ausgeklügeltes<br />

System von Neutronenleitern, die Instrumente<br />

in zwei großen Neutronenleiterhallen bedienen, von<br />

zentraler Bedeutung. Derzeit stehen insgesamt 25 vom<br />

ILL betriebene „öffentliche“ Instrumente zur Verfügung,<br />

demnächst möglicherweise 30. Die Nutzung ist<br />

über ein Proposalsystem geregelt. Zirka 750 Nutzerexperimente<br />

werden in den 4½ 50-tägigen Reaktorzyklen<br />

pro Jahr durchgeführt (bis Ende 2006 ausnahmsweise<br />

nur 3 Zyklen). Zusätzlich zu den 25 öffentlichen<br />

Instrumenten stehen 11 von externen Forschergruppen<br />

betriebene Instrumente zur Verfügung.<br />

Eine breit angelegte Modernisierung von Instrumenten<br />

und Neutronenleitern - das im Jahr 2000 gestartete<br />

Millenniumprogramm - führt bereits heute zu einem<br />

mittleren Intensitätsgewinn von einem Faktor 5; ein<br />

Faktor 15 wird angestrebt. Dabei sind auch andere<br />

Qualitäten wie Auflösung, dynamischer Bereich, Polarisation<br />

und Zuverlässigkeit Gegenstand der Verbesserungen.<br />

Über 10 Millenniumsprojekte sind bereits zum<br />

Vorteil der Nutzer erfolgreich abgeschlossen. Damit<br />

dürfte sich die Attraktivität der Einrichtungen des ILL<br />

auch in Zukunft weiter steigern. Wesentliche Basis<br />

<strong>für</strong> diese moderne Instrumentierung sind ILL-eigene<br />

Entwicklungen auf dem Gebiet der Detektoren, Monochromatoren,<br />

Neutronenpolarisation, Probenumgebung<br />

und Instrumentesteuerung. Auf vielen dieser Gebiete<br />

hat das ILL eine führende Rolle erworben. Die Wissenschaftsdisziplinen<br />

am ILL umfassen die Festkörper-<br />

und Materialforschung, Biologie und weiche Materie,<br />

Chemie und Ingenieurswesen, Kern- und Teilchenphysik.<br />

Auf allen Gebieten liefert das ILL Beiträge von<br />

Weltklasse, die auch <strong>für</strong> die Forschung mit Neutronen<br />

in Deutschland nicht wegzudenken sind.<br />

Das ILL wird getragen von drei Gesellschafterländern<br />

- von Frankreich, dem Vereinigten Königreich und<br />

Deutschland - von denen der Hauptanteil der Finanzierung<br />

erbracht wird. Sieben sogenannte „wissenschaftliche<br />

Partner“ ergänzen das internationale Spektrum der<br />

Partnerländer, dessen Erweiterung derzeit aktiv betrieben<br />

wird.<br />

Zukunft<br />

Gegenwärtig läuft der ILL-Vertrag bis zum Jahr<br />

2014. Der internationale Erfolg des ILL, die steigende<br />

Nachfrage nach Neutronen am ILL und die vielen<br />

Erneuerungsmaßnahmen sollten der Garant einer<br />

Verlängerung um weitere 10 Jahre sein. Gemeinsam<br />

mit ESRF und EMBL ist der Ausbau des gemeinsamen<br />

Geländes zu einem großen multidisziplinären Campus<br />

geplant. Den Nutzern wird mit der „Partnership for<br />

Structural Biology“ und der „Facility for Materials<br />

Engineering“ neuartige Unterstützung gegeben. Von<br />

einem Flugzeitinstrument mit viel größerem Detektor<br />

bis hin zur zeitaufgelösten Neutronentomographie sind<br />

neue Instrumente im Bau. Kürzlich wurde eine neue<br />

Dreidimensionale Polarisationsanalyse <strong>für</strong> inelastische<br />

thermische Instrumente erfolgreich getestet. Diskutiert<br />

wird eine generelle Verstärkung der Aktivitäten<br />

des ILL auf dem Gebiet der kalten und ultrakalten<br />

Neutronen.

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