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Status und Perspektiven - SNI-Portal

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Forschung mit Neutronen<br />

in Deutschland<br />

<strong>Status</strong> <strong>und</strong> <strong>Perspektiven</strong><br />

Komitee<br />

Forschung mit<br />

Neutronen


Impressum<br />

Erarbeitet vom sechsten<br />

Komitee Forschung mit Neutronen<br />

Mitglieder:<br />

Prof. Dr. Thomas Brückel<br />

(FZJ, Vorsitzender)<br />

Dr. Hans Anton Graf<br />

(HMI, Ressort Infrastruktur <strong>und</strong> Instrumentierung)<br />

Prof. Dr. Gernot Heger<br />

(RWTH Aachen)<br />

Prof. Dr. Michael Loewenhaupt<br />

(TU Dresden)<br />

Prof. Dr. Martin Müller<br />

(Universität Kiel,<br />

Ressort Nutzer- <strong>und</strong> Nachwuchsförderung)<br />

Prof. Dr. Winfried Petry<br />

(TU München, FRM-II)<br />

Prof. Dr. Werner Press<br />

(ILL)<br />

Prof. Dr. Walter Reimers<br />

(TU Berlin)<br />

Prof. Dr. Michael Ruck<br />

(TU Dresden)<br />

Prof. Dr. Helmut Schober<br />

(ILL, stellvertretender Vorsitzender)<br />

Prof. Dr. Andreas Schreyer<br />

(GKSS)<br />

PD Dr. Regine Willumeit<br />

(GKSS, Ressort Öffentlichkeitsarbeit)<br />

Prof. Dr. Oliver Zimmer<br />

(TU München)<br />

Gäste:<br />

Dr. Klaus Feldmann (PTJ)<br />

Dr. Lucia Incoccia-Hermes (DESY-HS)<br />

RD Dr. Rainer Koepke (BMBF)<br />

Prof. Dr. Jürgen Richter (BMBF)<br />

Redaktion:<br />

Th. Brückel, H. Graf, K. Griewatsch, G. Heger,<br />

M. Loewenhaupt, H. Schober<br />

Layout: Dr. Karin Griewatsch<br />

Bezug: Prof. Dr. Thomas Brückel<br />

Forschungszentrum Jülich GmbH<br />

Institut für Festkörperforschung<br />

D-52425 Jülich<br />

Redaktionsschluss: 19.10.2005<br />

Unter Mitwirkung von:<br />

H. Abele, D. Alber, D. Argyriou, J. Baumert,<br />

G. Bohrmann, H. Boysen, M. Braden, S.T. Bramwell,<br />

G. Büldt, M. Bull, N.A. Dencher, D. Dubbers,<br />

D. Dwyer, G. Eckold, G. Ehlers, H. Endo,<br />

R. Feyerherm, P. Fratzl, F. Frey, N. Froitzheim, H. Fueß,<br />

R. Gähler, S. Gardener, B. Gebauer, Th. Hauß,<br />

S. Hayden, H. Heumann, A. Hewat, A. Hiess,<br />

D. Hoffmann, A. Ioffe, K. Kakurai, N. Kardjilov,<br />

E. Kentzinger, B. Köppchen, M. Koza, W. Kuhs,<br />

H. Lauter, E. Lelièvre-Berna, H. von Löhneysen,<br />

A. Loidl, Th. Lonkai, H. Maletta, R. Manning,<br />

S. Mattauch, F. Mezei, R. Michaelsen, H.-J. Mikeska,<br />

I. Mirebeau, P. Müller-Buschbaum, E.G. Noya,<br />

C. Pappas, F. Parak, A. Paul, L. Pintschovius,<br />

P. Piwnicki, M. Prager, T. Rekveldt, D. Richter,<br />

M. Rössle, A. Schaumlöffel, T. Schneider, S. Schorr,<br />

B. Schröder-Smeibidl, W. Schweika, K. Siemensmeyer,<br />

P. Smeibidl, M. Steiner, M. Strobl, H. Stuhrmann,<br />

Y. Su, H. Tanaka, A. Tennant, P. Tindemans,<br />

W. Treimer, I. Ulrich, F. Vauquois, J. Vollbrandt,<br />

J. Walter, A. Wiedenmann, Th. Wilpert,<br />

A. Wischnewski, J. Wosnitza, H. Zabel, A. Zheludev<br />

Forschung mit Neutronen<br />

in Deutschland<br />

<strong>Status</strong> <strong>und</strong> <strong>Perspektiven</strong>


Vorbemerkung<br />

Das Komitee für die Forschung mit Neutronen, KFN,<br />

ist die demokratisch gewählte Vertretung einer engagierten<br />

<strong>und</strong> dynamischen Wissenschaftlergemeinschaft.<br />

Es hat bereits 1999 ein Strategiepapier verfasst [9] <strong>und</strong><br />

damit eine Vorreiterrolle gespielt, der die anderen Komitees<br />

inzwischen gefolgt sind. In dem Papier von 1999<br />

wurden die <strong>Perspektiven</strong> für die Entwicklung auf dem<br />

Gebiet der Forschung mit Neutronen für die nächsten<br />

15 Jahre dargestellt, wie sie aus damaliger Sicht der<br />

Nutzergemeinde wünschenswert <strong>und</strong> erreichbar erschienen.<br />

Einige der damals gemachten Empfehlungen ließen<br />

sich im vorgegebenen politischen <strong>und</strong> gesellschaftlichen<br />

Rahmen nur mit einer zeitlichen Verzögerung, nicht<br />

oder noch nicht, realisieren. Das KFN bleibt jedoch<br />

seiner Gr<strong>und</strong>überzeugung treu, alles zu unternehmen,<br />

um die wissenschaftliche <strong>und</strong> technische Innovation<br />

voranzutreiben, die wesentlich für die Wettbewerbsfähigkeit<br />

<strong>und</strong> den hohen Lebensstandard in einem industrialisierten<br />

Land wie der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

ist. Das KFN sucht daher kontinuierlich den Dialog mit<br />

den politischen Entscheidungsträgern <strong>und</strong> bietet seine<br />

Beratung in allen Fragen, die die Forschung mit Neutronen<br />

betreffen, an.<br />

Konsequenterweise wurde daher das Strategiepapier<br />

von 1999 im September 2003 durch eine „Roadmap<br />

für den zeitlich gestaffelten Betrieb der Neutronenquellen<br />

in Deutschland“ den aktuellen Entwicklungen<br />

angepasst. Empfehlungen dieser Roadmap wurden von<br />

Entscheidungsträgern aufgegriffen. Dieser Prozess<br />

hat zu einer Neuordnung der Neutronenlandschaft in<br />

Deutschland geführt. Parallel hat sich das KFN bemüht,<br />

eine Analyse der Entwicklung der Nutzerschaft<br />

vorzunehmen <strong>und</strong> die Bedeutung der Forschung mit<br />

Neutronen in den verschiedenen Wissenschaftsfeldern<br />

sowie die Rolle der zum Teil neuen Messmöglichkeiten<br />

an nationalen <strong>und</strong> internationalen Quellen zu gewichten.<br />

Die Forschung mit Neutronen ist in höchstem Maße<br />

großgerätespezifi sch. Die Entwicklung der Quellen erfordert<br />

extrem lange Vorlaufzeiten <strong>und</strong> weist eine hohe<br />

internationale Verzahnung auf. Daher ist zu diesem<br />

Zeitpunkt der Konsolidierung der Neutronenlandschaft<br />

in Deutschland eine Projektion in die Zukunft auf Basis<br />

der neuerhobenen Daten <strong>und</strong> unter Berücksichtigung<br />

der aktuellen Entwicklungen angezeigt.<br />

Das vorliegende Strategiepapier entstand unter Mitwirkung<br />

vieler Kollegen, die Forschung mit Neutronen<br />

betreiben. Basierend auf einer Analyse der aktuellen<br />

Situation werden Empfehlungen sowohl für die Entwicklung<br />

des Wissenschaftsgebiets als auch für die<br />

wünschenswerte Entwicklung auf dem Gebiet von<br />

Quellen <strong>und</strong> neuen Messmöglichkeiten gemacht. Es ist<br />

gedacht als Information für Kollegen auch in anderen<br />

Forschungsbereichen, die wissenschaftlich gebildete<br />

<strong>und</strong> interessierte Öffentlichkeit, <strong>und</strong> insbesondere für<br />

die politischen Entscheidungsträger, die die Voraussetzungen<br />

schaffen, um den hochkomplexen nichtlinearen<br />

Prozess der Innovation zu ermöglichen.<br />

Zur besseren Lesbarkeit wird nur die männliche Form von Personengruppen<br />

verwendet. Hierfür bitten wir die LeserInnen um<br />

Verständnis.<br />

Inhalt<br />

<strong>Perspektiven</strong> <strong>und</strong> Empfehlungen des KFN 6<br />

KFN Recommendations 10<br />

Wissenschaftliches Potential der Forschung mit Neutronen 12<br />

Das freie Neutron - Ein Geschenk der Natur 14<br />

Das Neutron <strong>und</strong> die Herausforderungen des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts 18<br />

Komplexität 20<br />

Korrelationen 34<br />

Eingeschränkte Dimensionalität 40<br />

Teilchen- <strong>und</strong> Hadronenphysik mit langsamen Neutronen 46<br />

Ausstrahlung der Forschung mit Neutronen in unser<br />

tägliches Leben 48<br />

Kommunikation <strong>und</strong> Informationstechnologie 50<br />

Mobilität 52<br />

Energie <strong>und</strong> Umwelt 54<br />

Ges<strong>und</strong>heit 56<br />

Kulturelles Erbe 58<br />

Stellung in der internationalen Forschungslandschaft 60<br />

Nutzergemeinde, Zugang zu den Neutronenquellen <strong>und</strong><br />

Forschungsförderung 64<br />

Quellen für Neutronenstrahlung: Forschungsreaktoren 70<br />

HMI 73<br />

GKSS 74<br />

FZJ 75<br />

FRM-II 76<br />

ILL 77<br />

Der Weg in die Zukunft 78<br />

Neue Instrumentierung <strong>und</strong> Methodik 79<br />

Detektoren 79<br />

Extreme Probenumgebung 80<br />

Polarisationsanalyse 82<br />

”Larmor-Markierung” 83<br />

Phasenraum: Volumen <strong>und</strong> Transformation 84<br />

MW-Spallationsquellen 86<br />

Anhang 90<br />

Referenzen 90<br />

Glossar 90<br />

Ergebnisse der Nutzerumfrage 92<br />

Bildnachweis 95


<strong>Perspektiven</strong> <strong>und</strong><br />

Empfehlungen des KFN<br />

<br />

6 7


Roadmap<br />

Das Komitee für die Forschung mit Neutronen, KFN,<br />

hat im September 2003 eine „Roadmap für den zeitlich<br />

gestaffelten Betrieb der Neutronenquellen in Deutschland“<br />

vorgelegt [1]. Dabei wurden - ausgehend von den<br />

nationalen <strong>und</strong> internationalen Gegebenheiten <strong>und</strong> absehbaren<br />

Entwicklungen - Vorstellungen entwickelt <strong>und</strong><br />

Prioritäten dargestellt, um der Forschung mit Neutronen<br />

in Deutschland mittel- <strong>und</strong> langfristig eine Perspektive<br />

aufzuzeigen. Dazu wurden konkrete Empfehlungen<br />

über Ausbau <strong>und</strong> Weiterbetrieb der für deutsche Nutzergruppen<br />

wichtigen Forschungsneutronenquellen<br />

abgegeben. Die Einbindung in die internationale <strong>und</strong><br />

insbesondere die europäische Neutronenlandschaft ist<br />

von wesentlicher Bedeutung. Da Entscheidungen zum<br />

Betrieb der nationalen Neutronenquellen auch signifikante<br />

Auswirkungen im europäischen Umfeld haben, ist<br />

eine gesamteuropäische Strategie wünschenswert.<br />

Ausgangslage<br />

International wird anerkannt, dass die Forschung mit<br />

Neutronen als lebendige <strong>und</strong> sich ständig erneuernde<br />

Wissenschaftsdisziplin von großer Bedeutung <strong>und</strong> für<br />

ein sehr breites Spektrum von unterschiedlichen Forschungsgebieten<br />

unabdingbar ist [2, 3]. Zurzeit nimmt<br />

Europa auf dem Gebiet der Forschung mit Neutronen<br />

die Spitzenstellung ein. Das Institut Laue-Langevin,<br />

ILL, in Grenoble ist mit seinem Hochfl ussreaktor die<br />

derzeit weltweit beste Einrichtung. Die neue deutsche<br />

Forschungsneutronenquelle FRM-II weist vergleichbare<br />

Intensitäten der Neutronenstrahlen auf. Wesentliche<br />

politische Entscheidungen zur Entwicklung der<br />

Forschungsinfrastruktur wurden getroffen, die die<br />

Wettbewerbsfähigkeit mittelfristig sichern. Für deutsche<br />

Nutzer sind dabei von besonderer Bedeutung: das<br />

Millenniumprogramm des ILL, die volle Nutzung der<br />

Möglichkeiten des FRM-II, die Repräsentanz der Zentren<br />

der Helmholtz-Gemeinschaft, HGF, am FRM-II,<br />

der Ausbau des Berliner Neutronenstreuzentrums,<br />

BENSC, (zweite Neutronenleiterhalle) <strong>und</strong> die Beteiligung<br />

an der Instrumentierung der neuen amerikanischen<br />

Spallationsquelle, SNS.<br />

In den OECD-Studien von 1998 [4] <strong>und</strong> 2001 [3] wurde<br />

empfohlen, in den drei Weltregionen Asiatisch-Pazifischer<br />

Raum, Europa <strong>und</strong> Nordamerika je eine Spallationsquelle<br />

der nächsten Generation zu errichten. Diese<br />

Empfehlung wird mit der SNS in Oak Ridge, USA, <strong>und</strong><br />

der JSNS in Tokai, Japan, in zwei der Regionen in Form<br />

von Megawattquellen umgesetzt. Für die SNS existieren<br />

Ausbaupläne für eine zweite Targetstation <strong>und</strong> zur<br />

Leistungserhöhung.<br />

Empfehlungen zur<br />

Weiterentwicklung der Basis für<br />

die Forschung mit Neutronen in<br />

Deutschland<br />

Institut Laue-Langevin ILL<br />

Durch den gezielten Ausbau von Instrumentierung <strong>und</strong><br />

Infrastruktur ist es dem ILL gelungen, seine internationale<br />

Spitzenstellung weiter zu festigen. Das Millenniumprogramm<br />

hat das Potential, die Effi zienz der Instrumente<br />

am ILL im Mittel um einen Faktor 15 zu<br />

steigern. Ein Faktor 5 wurde bereits erreicht. Es ist von<br />

höchster Bedeutung, dass dieser Prozess konsequent<br />

weiterverfolgt wird, um auch in den kommenden Jahren<br />

die europäische Führung in der Welt zu halten. Der derzeit<br />

gültige Staatsvertrag des ILL muss 2013 um weitere<br />

10 Jahre verlängert werden. Das KFN ist der Meinung,<br />

dass das ILL als einzige wahrhaft europäische Quelle<br />

in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Projektierung<br />

der europäischen Multi-MW-Spallationsquelle spielen<br />

sollte.<br />

Forschungsneutronenquelle FRM-II<br />

Die neue Forschungsneutronenquelle FRM-II in<br />

Garching hat erfolgreich ihre nukleare Inbetriebnahme<br />

abgeschlossen. Der Aufbau der modern konzipierten<br />

<strong>und</strong> zum Teil einzigartigen Instrumente unter Beteiligung<br />

von zahlreichen Universitäten aus ganz Deutschland,<br />

Max-Planck-Instituten <strong>und</strong> den Helmholtz-Zentren<br />

FZJ, GKSS <strong>und</strong> HMI ist weit fortgeschritten. Es werden<br />

Neutronenfl üsse <strong>und</strong> Strahlqualitäten vergleichbar mit<br />

denen des ILL gemessen. Einige der Instrumente des<br />

FRM-II haben das Potential, weltweit führend zu sein.<br />

Die langfristige Sicherung eines effektiven <strong>und</strong> hochqualifizierten<br />

Experimentier- <strong>und</strong> Nutzerbetriebes sowie<br />

der kontinuierliche Ausbau von Infrastruktur <strong>und</strong> Instrumentierung<br />

sind unabdingbar. Das KFN geht davon<br />

aus, dass der FRM-II in naher Zukunft als die nationale<br />

Neutronenquelle eine führende Rolle für die deutschen<br />

Nutzergruppen einnehmen wird <strong>und</strong> wesentlich zur<br />

Stärkung Europas auf dem Gebiet der Forschung mit<br />

Neutronen beiträgt.<br />

Repräsentanz der HGF-Zentren<br />

am FRM-II<br />

Im Juni 2004 wurde ein Vertrag zwischen dem FZJ <strong>und</strong><br />

dem FRM-II/TUM geschlossen, der eine enge Kooperation<br />

<strong>und</strong> massive Beteiligung an Instrumentierung,<br />

Betrieb <strong>und</strong> Nutzung der Experimentiereinrichtungen<br />

am FRM-II vorsieht. Das FZJ plant, insgesamt sieben<br />

eigene Geräte am FRM-II zu betreiben <strong>und</strong> die Infrastruktur<br />

vor Ort zu verstärken. GKSS hat entschieden,<br />

sich über das bereits laufende Engagement hinaus kurzfristig<br />

zusätzlich an zwei Instrumenten am FRM-II zu<br />

beteiligen <strong>und</strong> plant mittelfristig eine weitere Verstärkung<br />

der Aktivitäten. Auch das HMI betreibt ein<br />

Instrument am FRM-II. Damit wird das Angebot der<br />

verschiedenen Experimentiereinrichtungen an der weltweit<br />

modernsten kontinuierlichen Neutronenquelle in<br />

herausragender Weise ergänzt <strong>und</strong> erweitert. Das KFN<br />

begrüßt diesen Prozess <strong>und</strong> empfi ehlt, ihn konsequent<br />

fortzusetzen, um die Kompetenz <strong>und</strong> Erfahrung der<br />

Helmholtz-Zentren im Bereich der Methodenentwicklung<br />

<strong>und</strong> des Nutzerbetriebs für den FRM-II nutzbar zu<br />

machen.<br />

BENSC im Netzwerk der<br />

Mittelflussquellen<br />

Das Netzwerk der europäischen Mittelfluss-Neutronenquellen<br />

erfüllt wichtige Aufgaben für<br />

• Bereitstellung von Messzeiten für Experimente, die<br />

nicht unbedingt auf den höchsten Neutronenfl uss<br />

angewiesen sind;<br />

• Bereitstellung spezialisierter Messmöglichkeiten, die<br />

an den Spitzenquellen nicht angeboten werden;<br />

• spezialisierte Betreuung der Nutzer <strong>und</strong> Ausbildung<br />

des wissenschaftlichen Nachwuchses;<br />

• Möglichkeiten zur Methodenentwicklung inklusive<br />

Erhalt <strong>und</strong> Ausbau des Know-hows für MW-<br />

Spallationsquellen;<br />

• Aufbau internationaler Kollaborationen; <strong>und</strong><br />

• Erschließung neuer Forschungsgebiete inklusive<br />

Knüpfung von Industriekontakten.<br />

Im Moment tragen alle Quellen der Helmholtz-Zentren<br />

zu dieser europäischen Infrastruktur wesentlich bei.<br />

Entscheidungen zur zeitlich gestaffelten Stilllegung der<br />

Reaktoren in Jülich <strong>und</strong> Geesthacht sind gefallen oder<br />

zu erwarten. Nach ihrer Umsetzung bleibt nur BENSC<br />

am HMI als zweites nationales Zentrum im Netzwerk<br />

der Mittelfl ussquellen bestehen. Die Spezialisierung<br />

auf extreme Probenumgebungen ist als Alleinstellungsmerkmal<br />

weiterzuentwickeln. Mindestens bis zum<br />

vollen Nutzerbetrieb an der zukünftigen europäischen<br />

Multi-MW-Spallationsquelle bleibt BENSC unverzichtbar.<br />

Die Vision<br />

Multi-MW-Spallationsquelle<br />

Langfristig ist der Bau einer Multi-MW-<br />

Spallationsquelle als zentrale europäische Quelle der<br />

nächsten Generation unerlässlich, wenn Europa in der<br />

Forschung mit Neutronen die Spitzenposition in der<br />

Welt ausbauen will. Gemäß der Analyse der Neutronenarbeitsgruppe<br />

des „European Strategy Forum for<br />

Research Infrastructures“ (ESFRI) vom Herbst 2002<br />

[2] sollte in einer ersten Ausbaustufe eine 5 MW-Langpulsquelle<br />

(ESFRI-Szenario 2) - komplementär zu den<br />

amerikanischen <strong>und</strong> japanischen Projekten - realisiert<br />

werden. Hierzu muss auf europäischer Ebene möglichst<br />

bald eine positive Entscheidung fallen, da Planung <strong>und</strong><br />

Bau ca. 10 Jahre beanspruchen. Langfristig ist eine solche<br />

Multi-MW-Spallationsquelle in Nachfolge des ILL<br />

als die europäische Spitzenquelle unabdingbar.<br />

Deutscher Beitrag zur<br />

Multi-MW-Spallationsquelle<br />

Deutschland sollte einen signifi kanten Beitrag zu einer<br />

Multi-MW-Spallationsquelle leisten, wo immer sie in<br />

Europa gebaut wird. Ein Standort in Deutschland böte<br />

große Vorteile, z. B. in der Ausbildung <strong>und</strong> Beschäftigung<br />

von Wissenschaftlern, Ingenieuren <strong>und</strong> Technikern,<br />

in einem Zuwachs an Attraktivität für die besten<br />

internationalen Forscher, sowie durch den Technologietransfer<br />

in die Standortregion. Nach Meinung des KFN<br />

sollten das FZJ <strong>und</strong> das HMI aufgr<strong>und</strong> ihrer methodischen<br />

Kompetenz eine zentrale Rolle bei Auslegung,<br />

Konstruktion <strong>und</strong> Bau einer zukünftigen europäischen<br />

Multi-MW-Spallationsquelle <strong>und</strong> ihrer Instrumentierung<br />

spielen. Zwischenzeitlich wird die Beteiligung am<br />

Aufbau der Instrumentierung an der amerikanischen<br />

Spallationsquelle SNS empfohlen. Dadurch wird diese<br />

moderne Spitzenquelle den deutschen Nutzern zugänglich<br />

gemacht <strong>und</strong> Erfahrung in der Entwicklung<br />

<strong>und</strong> dem Betrieb von Instrumenten an einer MW-<br />

Spallationsquelle gesammelt.<br />

8 Empfehlungen<br />

9


Roadmap<br />

The German Committee for Research with Neutrons,<br />

KFN, presented a “Roadmap for the phased operation<br />

of neutron sources in Germany“ in September 2003<br />

[1]. Based on the national and international conditions<br />

and foreseeable developments, concepts were developed<br />

and priorities described to point out a medium- and<br />

long-term perspective for research with neutrons in<br />

Germany. Concrete recommendations for the extension<br />

and continued operation of the research neutron sources<br />

important for German user groups were made. The<br />

incorporation into the international and, in particular,<br />

the European neutron scene is of essential signifi cance.<br />

Since decisions on the operation of the national neutron<br />

sources also have signifi cant impacts in the European<br />

context, a pan-European strategy is desirable.<br />

Starting situation<br />

It is internationally recognized that research with neutron<br />

as a scientifi c discipline full of life and subject to<br />

constant renewal is of great signifi cance and indispensable<br />

for a very wide range of different research areas<br />

[2, 3]. At present, Europe holds the leading position in<br />

the field of research with neutrons. The Institute Laue-<br />

Langevin, ILL, in Grenoble with its high-flux reactor is<br />

currently the best facility worldwide. The new German<br />

FRM-II research neutron source exhibits comparable<br />

neutron beam intensities. Major political decisions on<br />

the development of the research infrastructure were<br />

made, which will secure competitiveness in the medium<br />

term. Of particular importance for German users are<br />

the Millennium Programme of ILL, the full exploitation<br />

of the possibilities of the FRM-II, the representation<br />

of the centres of the Helmholtz Association, HGF, at<br />

FRM-II, the extension of the Berlin Neutron Scattering<br />

Centre, BENSC, (second neutron guide hall) and participation<br />

in the instrumentation of the new American<br />

spallation source, SNS.<br />

In the OECD studies of 1998 [4] and 2001 [3] it was recommended<br />

that one next-generation spallation source<br />

each should be constructed in the three world regions<br />

of the Asiatic-Pacific Area, Europe and North America.<br />

With the SNS in Oak Ridge, USA, and the JSNS<br />

in Tokai, Japan, this recommendation is being implemented<br />

in two of these regions in the form of megawatt<br />

sources. For the SNS there are extension plans for a<br />

second target station and for power increase.<br />

Recommendations for further<br />

developing the basis for<br />

research with neutrons in<br />

Germany<br />

Institute Laue-Langevin ILL<br />

ILL has succeeded in further strengthening its international<br />

top position by selectively extending the<br />

instrumentation and infrastructure. The Millennium<br />

Programme has the potential for further increasing the<br />

efficiency of the instruments at ILL by a factor of 15 on<br />

average. A factor of 5 has already been achieved. It is<br />

of extreme significance that this process is consistently<br />

further pursued in order to also maintain the European<br />

leadership in the world in the years to come. The currently<br />

valid Intergovernmental Convention of ILL must<br />

be extended by another 10 years in 2013. KFN takes<br />

the view that as the only truly European source the ILL<br />

should in future play a major role in planning the European<br />

multi-MW spallation source.<br />

FRM-II research neutron source<br />

The new FRM-II research neutron source in Garching<br />

has successfully completed its nuclear commissioning.<br />

The setup of the in part unique instruments of modern<br />

and innovative design with the participation of numerous<br />

universities from all over Germany, Max Planck<br />

Institutes and the Helmholtz centres FZJ, GKSS and<br />

HMI is far advanced. Neutron fl uxes and beam qualities<br />

comparable to those of the ILL are measured. Some<br />

of the instruments of the FRM-II have the potential<br />

for worldwide leadership. The long-term assurance of<br />

effective high-quality experimental and user operation<br />

as well as the continuous extension of infrastructure<br />

and instrumentation are indispensable. KFN assumes<br />

that the FRM-II will play a leading role as the national<br />

neutron source for the German user groups in the near<br />

future and will essentially contribute towards strengthning<br />

Europe in the fi eld of research with neutrons.<br />

Representation of the HGF centres at<br />

FRM-II<br />

In June 2004, a contract was concluded between FZJ<br />

and FRM-II/TUM, which provides for close cooperation<br />

and a massive participation in the instrumentation,<br />

operation and use of the experimental facilities at<br />

FRM-II. FZJ plans to build up and operate a total of<br />

seven instruments at the FRM-II and to strengthen the<br />

infrastructure on site. Going beyond the commitment<br />

already <strong>und</strong>ertaken, GKSS has decided in favour of a<br />

participation in two instruments at FRM-II in the short<br />

term and plans to further intensify its activities in the<br />

medium term. HMI also operates an instrument at the<br />

FRM-II. The services offered by the different experimental<br />

facilities at the most up-to-date continuous neutron<br />

source worldwide are thus being supplemented and<br />

extended in an outstanding manner. KFN appreciates<br />

this process and recommends that it should be consistently<br />

continued, in order to utilize the expertise and<br />

experience of the Helmholtz centres in the fi eld of methods<br />

development and user operation for the FRM-II.<br />

BENSC in the network of medium-flux<br />

sources<br />

The network of European medium-flux neutron sources<br />

fulfi ls important tasks for<br />

• the provision of measuring time for experiments that<br />

do not really need the highest neutron flux;<br />

• the provision of specialized measuring possibilities<br />

that are not available at the top sources;<br />

• specialized support for users and training of young<br />

scientists;<br />

• possibilities for the development of methods including<br />

maintenance and extension of the know-how for MW<br />

spallation sources;<br />

• building up international collaborations; and<br />

• opening up new fi elds of research including contacts<br />

with industry.<br />

At the moment, all sources of the Helmholtz centres<br />

essentially contribute to this European infrastructure.<br />

Decisions on the phased decommissioning of the<br />

reactors in Jülich and Geesthacht have been made or<br />

are expected. After their implementation, only BENSC<br />

at HMI will be left as the second national centre in the<br />

network of medium-flux reactors. Its specialization in<br />

extreme sample environments must be further developed<br />

as a unique feature. At least until full user operation<br />

at a future European multi-MW spallation source<br />

BENSC will remain indispensable.<br />

The vision<br />

Multi-MW spallation source<br />

In the long term, the construction of a multi-MW<br />

spallation source as the central European next-generation<br />

source is indispensable, if Europe wants to consolidate<br />

its leading position in research with neutrons in the<br />

world. According to the analysis of the working group<br />

on neutrons „European Strategy Forum for Research<br />

Infrastructures“ (ESFRI) of autumn 2002 [2], a 5-MW<br />

long-pulse source (ESFRI Scenario 2) is to be realized<br />

in a fi rst extension stage, complementing the American<br />

and Japanese projects. A positive decision on this must<br />

be made at the European level as soon as possible, since<br />

planning and construction will take approximately 10<br />

years. In the long term, such a multi-MW spallation<br />

source is indispensable as the European top source in<br />

succession of the ILL.<br />

German contribution to the multi-MW<br />

spallation source<br />

Germany should make a significant contribution to<br />

a multi-MW spallation source, wherever it is built in<br />

Europe. A site in Germany would provide great advantages,<br />

e. g. with respect to the training and employment<br />

of scientists, engineers and technicians, an increase in<br />

attractiveness for the best international researchers, and<br />

technology transfer to the site region. In the opinion<br />

of KFN, due to their methodological expertise, FZJ<br />

and HMI should play a central role in the design and<br />

construction of a future European multi-MW spallation<br />

source and its instrumentation. In the meantime, participation<br />

in the construction of the instrumentation at the<br />

American SNS spallation source is recommended, so<br />

that this modern top source is made accessible to German<br />

users and experience is gathered in the development<br />

and operation of instruments at a MW spallation<br />

source.<br />

10 Recommendations<br />

11


Wissenschaftliches Potential<br />

der Forschung mit Neutronen<br />

Galaxie<br />

1 Motor Textur<br />

10 -2 Zelle<br />

Zelle<br />

10 -4 Domänen<br />

10 -6<br />

Teilchen-Hadronenphysik<br />

Radiographie / Tomographie<br />

Texturdiffraktometrie<br />

Reflektometrie <strong>und</strong><br />

Kleinwinkelstreuung<br />

zeitaufgelöste<br />

- Radiographie<br />

- Beugung<br />

- Reflektometrie<br />

Spinechospektroskopie<br />

Rückstreuspektroskopie<br />

Teilchen-Hadronenphysik<br />

Geologie<br />

M<br />

H<br />

laufender<br />

Motor<br />

Rotationstunneln<br />

Domänenwanddynamik<br />

Dynamik von<br />

Makromolekülen<br />

Roter<br />

Riese<br />

Gesteinsfaltung<br />

1<br />

10 -6<br />

10 -9<br />

10 -11<br />

10 -8 Polymer<br />

magnetische<br />

10 -14<br />

Struktur<br />

Diffraktometrie<br />

Kern- <strong>und</strong> Teilchenphysik<br />

Flugzeit- <strong>und</strong> Dreiachsspektroskopie<br />

hochenergetische<br />

Streuung<br />

<br />

Ladungs-<br />

10 -10 -<br />

dichte<br />

Atomkern<br />

Stoneranregungen<br />

Spinwellen<br />

Gitterschwingungen<br />

10 -12<br />

10 -13<br />

10 -14<br />

10 -15<br />

Nukleon<br />

10 -14 Länge [m] Zeit [s]<br />

Kern-Compton-<br />

Streuung<br />

10 -15<br />

12<br />

13


Das freie Neutron -<br />

Ein Geschenk der Natur<br />

Neutronen als Bausteine der Atomkerne machen etwa<br />

die halbe Masse unserer bekannten materiellen Welt<br />

aus. Sie sind der „Klebstoff“, der die positiv geladenen<br />

Protonen im Kern zusammenhält, die sonst durch<br />

elektrostatische Abstoßung explosionsartig auseinander<br />

fl iegen würden. Für die Forschung sind Neutronen<br />

besonders nützlich als freie, nicht im Kern geb<strong>und</strong>ene,<br />

Elementarteilchen. Effi ziente Prozesse zur Freisetzung<br />

von Neutronen aus Kernmaterie sind Kernspaltung<br />

<strong>und</strong> Spallation. Bei der in den Forschungsreaktoren<br />

ablaufenden Kettenreaktion wird pro Spaltung eines<br />

235<br />

U Kerns etwa ein für die Forschung verwendbares<br />

Neutron freigesetzt. Die Spallation ist ein wesentlich<br />

effizienterer Prozess, bei dem Kernmaterie mit hochenergetischen<br />

Protonen beschossen <strong>und</strong> dadurch in<br />

einen angeregten Zustand aufgeheizt wird. Je nach<br />

Targetmaterial (Uran, Blei, Quecksilber,…) <strong>und</strong> Protonenenergie<br />

(typisch etwa 1 GeV) dampfen dabei 20 bis<br />

über 30 Neutronen pro Kern ab.<br />

Labor auf Femtometerskala<br />

Als freie Teilchen sind Neutronen aufgr<strong>und</strong> der schwachen<br />

Wechselwirkung gegen den -Zerfall nicht stabil<br />

<strong>und</strong> zerfallen in ein Proton, ein Elektron <strong>und</strong> ein<br />

Antineutrino. Die Halbwertszeit von ca. 890 s lässt<br />

genügend Zeit für Untersuchungen an freien Neutronen.<br />

Gemäß der Standardtheorie der Elementarteilchenphysik<br />

bestehen Neutronen aus drei Quarks - ein „up“- <strong>und</strong><br />

zwei „down“-Quarks, die durch Gluonen zusammengehalten<br />

werden. Sie stellen ein hochempfi ndliches Labor<br />

auf der Femtometerskala dar, welches Präzisionstests<br />

der Standardtheorie erlaubt. Die experimentell bestimmten<br />

Werte für Ladung, magnetisches Monopolmoment<br />

<strong>und</strong> elektrisches Dipolmoment des Neutrons<br />

sind alle mit 0 verträglich, <strong>und</strong> sie wurden mit der<br />

unglaublichen Genauigkeit von 10 -21 e, 10 -20 e/2 bzw.<br />

10 -25 e·cm gemessen (e = Elementarladung, = Feinstrukturkonstante).<br />

Außergewöhnliche Sonde<br />

Freie Neutronen sind noch in einem ganz anderen Sinn<br />

ein „Geschenk der Natur“, nämlich als Sonde mit ganz<br />

außergewöhnlichen Eigenschaften für Untersuchungen<br />

kondensierter Materie. Sie ermöglichen uns einen tiefen<br />

Einblick ins Innere kondensierter Materie <strong>und</strong> machen<br />

in der Neutronenstreuung Strukturen von Pikometern<br />

bis Mikrometern <strong>und</strong> Bewegungen auf Zeitskalen von<br />

Pikosek<strong>und</strong>en bis Mikrosek<strong>und</strong>en der Untersuchung<br />

zugänglich. Mit abbildenden <strong>und</strong> kinematischen Verfahren<br />

werden noch größere Strukturen <strong>und</strong> langsamere<br />

Bewegungen sichtbar. Als solche ausgezeichnete<br />

Sonden sind Neutronen unerlässlich für so unterschiedliche<br />

Gebiete wie Physik, Chemie, Kristallographie,<br />

Materialwissenschaften, Biologie, Geowissenschaften,<br />

Ingenieurwissenschaften bis hin zu Archäologie <strong>und</strong><br />

Kunstgeschichte.<br />

Abb. 2.2. Neutronenradiographie <strong>und</strong> schematische<br />

Darstellung einer Ariane-Sprengkapsel.<br />

Hohe Eindringtiefe<br />

Als elektrisch neutrale Teilchen dringen Neutronen<br />

tief in Materie ein - viele Zentimeter in den typischen<br />

technischen Strukturmaterialien. Zum Vergleich: die<br />

Eindringtiefe von Röntgenstrahlung in Übergangsmetallen<br />

beträgt nur wenige Mikrometer bei 10 keV Photonenenergie<br />

<strong>und</strong> wenige Millimeter bei 100 keV! Mit<br />

Neutronen können Eigenspannungen tief im Innern von<br />

mechanisch belasteten Teilen bestimmt werden.<br />

Zerstörungsfrei<br />

Neutralität hat noch andere wesentliche Vorteile: da<br />

die starke Coulomb-Wechselwirkung entfällt, erlauben<br />

Neutronen zerstörungsfreie Untersuchungen, auch von<br />

empfi ndlichen biologischen Proben. Und nicht zuletzt<br />

können aufgr<strong>und</strong> der hohen Eindringtiefe komplexe<br />

Probenumgebungen eingesetzt werden, was Untersuchungen<br />

bei extremen Drücken, Temperaturen <strong>und</strong><br />

Feldern ermöglicht.<br />

Günstige Wellenlängen <strong>und</strong> Energien<br />

Die moderne Festkörperforschung führt makroskopische<br />

Eigenschaften kondensierter Materie zurück<br />

auf den atomaren Aufbau, d. h. auf Anordnung <strong>und</strong><br />

Bewegung der atomaren Bausteine. Zur experimentellen<br />

Bestimmung dieser Größen ist ein passender<br />

raumzeitlich atomarer Maßstab nötig. Mit Wellenlängen<br />

im Bereich von Atomabständen <strong>und</strong> Energien, die den<br />

typischen Anregungsenergien in kondensierter Materie<br />

entsprechen, erfüllen Neutronen in idealer Weise diese<br />

Funktion als „Spion in der Nanowelt“. Neutronenstreuung<br />

deckt den relevanten Parameterbereich im Raum-<br />

Zeit-Diagramm ab. Sie erlaubt Strukturbestimmung<br />

von 10 -4 Å bis 10 5 Å, Neutronentomographie eröffnet<br />

den Zugang zur makroskopischen Welt von Mikrometern<br />

bis Metern. Dynamik kondensierter Materie wird<br />

zugänglich im Zeitfenster von 100 fs bis 100 µs, was so<br />

unterschiedliche Prozesse abdeckt wie Diffusion, Magnonen,<br />

Phononen, Tunnelprozesse, bis hin zu Reptation<br />

von großen Polymerketten. Schließlich erlauben kinetische<br />

Messungen, an die makroskopischen Zeiten von<br />

Millisek<strong>und</strong>en bis St<strong>und</strong>en anzuschließen.<br />

Frequenz [Hz]<br />

Länge d=2/Q [Å]<br />

10 6 10 5 10 4 10 3 10 2 10 1<br />

10 14<br />

optische Raman-<br />

10 0<br />

10 12 Spektroskopie<br />

10 -2<br />

10 10<br />

Neutronen- <strong>und</strong> 10 -4<br />

optische Brillouin-<br />

10 8<br />

Röntgenstreuung<br />

Spektroskopie<br />

10 -6<br />

10 6<br />

10 -8<br />

10 4 optische<br />

Röntgen-Photonen- 10 -10<br />

Korrelationsspektroskopie<br />

10<br />

10 2 Photonenkorrelationsspektroskopie<br />

10 -14<br />

PCS<br />

-12<br />

XPCS<br />

10 0<br />

zeitaufgelöste Röntgen<strong>und</strong><br />

Neutronenstreuung<br />

10 -2<br />

10 -16<br />

10 16 10 -6 10 -5 10 -4 10 -3 10 -2 10 -1 10 0<br />

Streuvektor Q [Å -1 ]<br />

Energie E=h [eV]<br />

Abb. 2.1. Links: Hoher Druck <strong>und</strong> hohe Temperaturen sind wichtig bei Untersuchungen in Geologie <strong>und</strong> Umweltforschung.<br />

Rechts: Hohe Felder <strong>und</strong> tiefe Temperaturen sind essentiell für Untersuchungen an magnetischen Systemen.<br />

Abb. 2.3. Günstige Wellenlängen <strong>und</strong> Energien.<br />

Abb. 2.4. Magnetische Struktur von Er 6<br />

Mn 23<br />

.<br />

14 Was macht Neutronen so einzigartig 15


Magnetisches Dipolmoment<br />

Das Neutron hat noch eine weitere wichtige Eigenschaft,<br />

die es für den Forscher so wertvoll macht: das<br />

Kernmoment <strong>und</strong> sein magnetisches Dipolmoment.<br />

Damit werden sowohl der Magnetismus der Atomkerne<br />

als auch die magnetische Struktur, die magnetischen<br />

Anregungen <strong>und</strong> Fluktuationen der Elektronen im<br />

Festkörper, zugänglich, mit wichtigen Anwendungen in<br />

korrelierten Elektronensystemen oder im Nanomagnetismus.<br />

Bei der präzisen magnetischen Strukturaufklärung<br />

mit polarisierten Neutronen <strong>und</strong> der kompletten<br />

Bestimmung magnetischer Anregungen haben Neutronen<br />

unter allen Methoden ein Alleinstellungsmerkmal.<br />

Kein W<strong>und</strong>er also, dass die beiden Nobelpreise an<br />

C. G. Shull <strong>und</strong> B. N. Brockhouse im Jahre 1994 gerade<br />

für diesen Themenkreis vergeben wurden!<br />

Kontrastvariation<br />

Bei der Bestimmung von Lage <strong>und</strong> Bewegung von<br />

Atomen ist der Streuquerschnitt aufgr<strong>und</strong> der Wechselwirkung<br />

des Neutrons mit den Atomkernen entscheidend.<br />

Dieser variiert relativ unsystematisch innerhalb<br />

des Periodensystems der Elemente - ganz im Gegensatz<br />

zum Streuquerschnitt von Röntgenstrahlen, der stetig<br />

mit der Anzahl der Elektronen eines Atoms ansteigt.<br />

Mit Neutronen können daher auch im Periodensystem<br />

benachbarte Atome klar unterschieden werden, <strong>und</strong><br />

Abb. 2.6. Kontrastvariation durch H-D Isotopenersatz,<br />

schematisch. Verschiedene funktionelle Einheiten können<br />

gegenüber dem Lösungsmittel hervorgehoben oder unterdrückt<br />

werden.<br />

leichte Atome bleiben sichtbar neben den schweren.<br />

Verschiedene Isotope ein <strong>und</strong> desselben Elements können<br />

gänzlich verschiedene Streuquerschnitte aufweisen.<br />

Forscher, die biologische Proben <strong>und</strong> weiche Materie<br />

untersuchen, machen sich diese Eigenschaften zunutze,<br />

indem sie in einzelnen funktionellen Gruppen oder<br />

Molekülen Wasserstoff durch Deuterium ersetzen <strong>und</strong><br />

diese damit quasi „anfärben“. Diese Kontrastvariation<br />

erlaubt die Bestimmung von Position <strong>und</strong> Bewegung<br />

einzelner Moleküle oder Gruppen in einem komplexen<br />

mehrkomponentigen System.<br />

Neutronen <strong>und</strong> Wasserstoff<br />

Wasserstoff ist das leichteste Element mit<br />

nur einem Elektron. In kondensierter Materie<br />

ist er ein wichtiger Strukturbaustein,<br />

der entweder kovalent geb<strong>und</strong>en oder<br />

in H 2<br />

O-Molekülen enthalten ist. Bei der<br />

Strukturanalyse sehen Röntgenstrahlen<br />

die Elektronendichteverteilung der Atome<br />

oder Ionen. Das eine Wasserstoffelektron<br />

hat dabei nur einen geringen Beitrag - vor<br />

allem im Vergleich zu Schweratomen mit<br />

hoher Ordnungszahl - <strong>und</strong> ist zusätzlich<br />

wegen der kovalenten Bindung gegenüber<br />

der Protonenposition delokalisiert.<br />

Für die Neutronenbeugung ist der Wasserstoff<br />

- genauer gesagt das Proton ( 1 H)<br />

<strong>und</strong> für das schwere Wasserstoffisotop<br />

das Deuteron ( 2 H) - gut zu erkennen <strong>und</strong><br />

zu lokalisieren. Wegen der unterschiedlichen<br />

Vorzeichen der Streulängen<br />

(( 1 H) = -3.74 fm <strong>und</strong> ( 2 H) = +6.67 fm)<br />

ergibt sich darüber hinaus die Möglichkeit<br />

einer Kontrastvariation zwischen<br />

protonierten <strong>und</strong> deuterierten Strukturkomponenten.<br />

Detaillierte Informationen über die<br />

H,D-Verteilung in Wasserstoffbrückenbindungen<br />

oder im Zusammenhang mit<br />

Molekülfehlordnungen sind eine Domäne<br />

der Neutronenstreuung. Entsprechende<br />

Fragestellungen sind auch für die Strukturforschung<br />

von biologischen Makromolekülen<br />

von großer Bedeutung.<br />

x 10 σ tot<br />

[barn] σ tot<br />

[barn] Streuquerschnitt<br />

0,66<br />

24<br />

416<br />

450<br />

522<br />

1408<br />

2985<br />

H<br />

1<br />

C<br />

6<br />

Mn<br />

25<br />

Fe<br />

25<br />

Ni<br />

28<br />

Pd<br />

46<br />

Ho<br />

67<br />

U<br />

1,75<br />

5,55<br />

1,75<br />

11,22<br />

13,30<br />

4,39<br />

8,05<br />

5531 8,90<br />

92<br />

1 2<br />

58 60 62<br />

O2c<br />

O1<br />

z bei <br />

+ 4 K<br />

Rb<br />

O2a<br />

O2 H<br />

O1b<br />

P<br />

O1c<br />

2−fache Achse<br />

<br />

O<br />

P<br />

O<br />

[110] o<br />

2−fache Achse<br />

O<br />

O<br />

z bei <br />

- 1 K<br />

Rb<br />

O H <br />

H<br />

P<br />

O<br />

4-Achse<br />

O<br />

O<br />

<br />

O<br />

P<br />

O<br />

4-Achse<br />

y t<br />

Röntgen Element Neutronen<br />

z<br />

Abb. 2.5. Vergleich der Streuquerschnitte - repräsentiert durch die Kreisfläche - einiger Elemente für Röntgen <strong>und</strong> Neutronen.<br />

Die farbliche Markierung der Neutronenstreuquerschnitte entspricht Streuung mit oder ohne Phasensprung von<br />

180°.<br />

Abb. 2.7. Protonenordnung in O-H···O Wasserstoffbrückenbindungen am Phasenübergang von RbH 2<br />

PO 4<br />

bei <br />

= 147 K<br />

von der paraelektrischen Kristallstruktur mit der Raumgruppe 42d (links) zu der ferroelektrischen Fdd2-Struktur (rechts).<br />

Mit der H-Ordnung bei < <br />

ist eine Deformation der Kristallstruktur entsprechend den eingezeichneten Pfeilen verb<strong>und</strong>en,<br />

die zum Auftreten einer spontanen elektrischen Polarisation in z-Richtung führt.<br />

16 Was macht Neutronen so einzigartig 17


Das Neutron <strong>und</strong> die<br />

Herausforderungen des 21.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

Forschung mit Neutronen ist unverzichtbar für die<br />

Lösung vieler gr<strong>und</strong>legender Fragestellungen der<br />

modernen Naturwissenschaften. Als Beispiel sei die<br />

moderne Physik herausgegriffen, deren aktuelle intellektuelle<br />

Herausforderungen sich plakativ nach den<br />

„drei Unendlichkeiten“ ordnen lassen: dem Verständnis<br />

des „unendlich Kleinen“ (F<strong>und</strong>amentale Kräfte <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>bausteine der Materie), des „unendlich Großen“<br />

(Ursprung <strong>und</strong> Entwicklung des Universums) <strong>und</strong> des<br />

„unendlich Vielfältigen“ (Phänomene kondensierter<br />

Materie als Folge des Wechselspiels einer großen Anzahl<br />

von Atomen bzw. Molekülen). Neutronen tragen<br />

Wesentliches zu allen diesen Fragestellungen bei. Sie<br />

sind dabei meist nicht ersetzbar.<br />

Neutron als Untersuchungsobjekt<br />

Zum einen sind Neutronen selbst das Untersuchungsobjekt.<br />

Auf der größten Skala geben sie entscheidende<br />

Impulse für die Kosmologie, etwa für das Verständnis<br />

der Entstehung der Elemente <strong>und</strong> der Phasenübergänge<br />

des frühen Universums. Auf der kleinsten Skala<br />

erlauben sie, die Grenzen des Standardmodells der<br />

Teilchenphysik auszuloten <strong>und</strong> ermöglichen wesentliche<br />

Fortschritte im Verständnis der starken, elektroschwachen<br />

<strong>und</strong> gravitativen Wechselwirkungen. Als neutrale<br />

elementare Teilchen sind Neutronen ideale Quantenobjekte,<br />

mit denen neuartige nichtklassische Zustände<br />

erzeugt <strong>und</strong> untersucht werden können.<br />

Neutron als Sonde<br />

Zum anderen sind Neutronen vorzügliche Sonden<br />

zur Untersuchung von kondensierter Materie in ihrer<br />

ganzen Vielfalt. Diese Untersuchungen betreffen die<br />

„unendlich vielen Dinge“, mit denen wir täglich in<br />

Berührung kommen <strong>und</strong> die hochkomplexen Phänomene,<br />

die aus dem Zusammenspiel der Teilkomponenten<br />

resultieren. Vielleicht am deutlichsten sichtbar wird die<br />

hiermit verb<strong>und</strong>ene Herausforderung in den Lebenswissenschaften.<br />

Nach Aufklärung der atomaren Struktur<br />

von Proteinen steht ein Verständnis der molekularen<br />

biologischen Prozesse an, <strong>und</strong> Neutronen als Sonden<br />

haben an Quellen der nächsten Generation ein enormes<br />

Potential, solche dynamische Vorgänge aufzuklären.<br />

Die Physik als Basiswissenschaft nähert sich der Biologie<br />

über die Untersuchung von weicher Materie, die in<br />

mehrkomponentigen Systemen komplexe Selbstorganisation<br />

zeigt. Vorgänge auf mikro- bis mesoskopischen<br />

Längenskalen in derart komplexen Systemen lassen<br />

sich hervorragend mit Neutronenstreuung aufklären,<br />

die durch gezielte Deuterierung eine mehrdimensionale<br />

Kontrastvariation erlaubt.<br />

Empfindlich ...<br />

Komplexität ist auch die große Herausforderung der<br />

modernen Festkörperforschung. Mit der Empfi ndlichkeit<br />

für Wasserstoff oder für molekulare Schwingungen<br />

liefern Neutronen einzigartige Beiträge, z. B. für die supramolekulare<br />

Chemie oder die Katalyse. Faszinierende<br />

makroskopische Quanteneffekte, wie die Hochtemperatursupraleitung<br />

oder der kolossale Magnetowiderstand,<br />

treten in komplexen Übergangsmetalloxiden mit starken<br />

elektronischen Korrelationen auf. Mit dem empfi ndlichen<br />

Wechselspiel zwischen den Spin-, Ladungs-, Orbital-<br />

<strong>und</strong> Gitterfreiheitsgraden, die zur Selbstorganisation<br />

auf einer Nanometerskala führen, versprechen solche<br />

Verbindungen noch viele überraschende Entdeckungen<br />

<strong>und</strong> neuartige Anwendungen, etwa in der Sensorik<br />

oder Spintronik. Neutronen erlauben, die Ordnung <strong>und</strong><br />

Anregungen der relevanten Freiheitsgrade empfi ndlich<br />

nachzuweisen <strong>und</strong> damit zwischen den verschiedenen<br />

möglichen Mechanismen zu unterscheiden.<br />

...auf allen Skalen<br />

Neutronen als Sonden in der Nanowelt eignen sich<br />

jedoch nicht nur für Untersuchungen auf kleinster Skala<br />

(Pikometer bis Mikrometer) <strong>und</strong> auf kürzesten Zeiten<br />

(Pikosek<strong>und</strong>en bis Mikrosek<strong>und</strong>en). In der Geologie<br />

gestatten Texturuntersuchungen mit Neutronen, verb<strong>und</strong>en<br />

mit entsprechender Modellierung, Aussagen über<br />

geodynamische Vorgänge, die über Millionen von Jahren<br />

<strong>und</strong> Kilometern von Tiefenbewegungen verlaufen.<br />

Breites Anwendungsspektrum<br />

Diese unvollständige Aufzählung von aktuellen Fragestellungen<br />

in der Forschung mit Neutronen vermittelt<br />

einen ersten Eindruck von der Breite des Anwendungsspektrums<br />

dieses „Geschenks der Natur“. Es kann<br />

nicht das Ziel dieses Papiers sein, dieses Spektrum<br />

in voller Breite abzudecken. Wir konzentrieren uns<br />

daher auf einige wenige, zum Teil fächerübergreifende,<br />

Herausforderungen des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts, die sich unter<br />

Schlagworten „Komplexität“, „Korrelationen“, „Eingeschränkte<br />

Dimensionalität“ zusammenfassen lassen.<br />

Die im Folgenden angesprochenen Themen haben Beispielcharakter<br />

<strong>und</strong> lassen sich oft unter verschiedenen<br />

Kategorien einordnen. So ist es zwar nahe liegend, biologische<br />

Fragestellungen unter dem Oberbegriff „Komplexität“<br />

einzuordnen. Andererseits liefern biologische<br />

Membranen ein schönes Beispiel für „Eingeschränkte<br />

Dimensionalität“.<br />

Neben der Beantwortung gr<strong>und</strong>legender Fragestellung<br />

hat die Forschung mit Neutronen auch großen Anwendungsbezug<br />

<strong>und</strong> strahlt damit direkt aus in unser tägliches<br />

Leben. Dieser Aspekt wird im folgenden Kapitel<br />

schlaglichtartig beleuchtet. Eine weitergehende <strong>und</strong> umfangreichere<br />

Analyse der Möglichkeiten der Forschung<br />

mit Neutronen fi ndet sich in [5] <strong>und</strong> [6].<br />

18 Herausforderungen<br />

19


Komplexität<br />

Die Strategie der Naturwissenschaften, möglichst einfache<br />

Modellsysteme zu untersuchen, hat in der Vergangenheit<br />

beeindruckenden Erfolg verzeichnet <strong>und</strong> herrliche<br />

Früchte getragen. Reale Systeme der kondensierten<br />

Materie, der Geowissenschaften <strong>und</strong> insbesondere der<br />

Lebenswissenschaften zeichnen sich jedoch gerade<br />

dadurch aus, dass sie aus vielen, zum Teil recht unterschiedlichen,<br />

Bestandteilen bestehen, die voneinander<br />

abhängig sind <strong>und</strong> in Verhalten <strong>und</strong> Wirkung Veränderungen<br />

unterworfen sein können. Charakteristisch für<br />

solche komplexen Systeme ist das Phänomen der Selbstorganisation.<br />

Das Zurückführen auf einfachere Modellsysteme<br />

erscheint höchstens bedingt möglich. Eine der<br />

großen Herausforderungen für die Naturwissenschaften<br />

im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert ist es, neue Konzepte, basierend auf<br />

höheren Organisationsprinzipien zu entwickeln, um<br />

fächerübergreifend zu einem tieferen Verständnis komplexer<br />

Systeme zu gelangen.<br />

Abb. 2.8. Schematische Darstellung einer biologischen<br />

Membran, die den komplexen Aufbau als Multikomponentensystem<br />

verdeutlicht.<br />

Fragestellungen<br />

Typische gr<strong>und</strong>legende offene Fragen, zu deren Beantwortung<br />

Neutronen entscheidend beitragen können,<br />

sind:<br />

• Welches sind die universellen Prinzipien von Strukturbildung<br />

<strong>und</strong> Selbstorganisation in der Natur, <strong>und</strong><br />

wie können sie in der Materialwissenschaft genutzt<br />

werden<br />

• Können wir chemische Reaktionen <strong>und</strong> Reaktionswege<br />

in Multikomponentensystemen vorhersagen<br />

• Können wir gezielt Vielkomponenten-Materialien<br />

erzeugen mit maßgeschneiderten makroskopischen<br />

Eigenschaften<br />

• Wie sind biologische Funktionen <strong>und</strong> Prozesse mit<br />

der Struktur <strong>und</strong> Dynamik von makromolekularen<br />

Systemen verb<strong>und</strong>en<br />

• Welche Rolle spielt Wasser in geodynamischen Prozessen<br />

wie Plattentektonik, Vulkanismus <strong>und</strong> Gesteinsumwandlung<br />

Beispiele für komplexe Systeme<br />

• Bio-Materialien bestehen aus einer Unmenge verschiedener<br />

molekularer Spezies, die auf spezifi sche<br />

Art miteinander wechselwirken, sich selbst organisieren<br />

<strong>und</strong> damit Lebensprozesse erst ermöglichen<br />

(s. Abb. 2.8).<br />

• Weiche Materie begegnet uns oft in Form von<br />

Vielkomponentensystemen, in denen Strukturbildung<br />

durch Selbstorganisation auftritt. Solche<br />

Mischmaterialien sind allgegenwärtig in der technischen<br />

Anwendung:<br />

- Mikroemulsionen, d. h. makroskopisch homogene<br />

Phasen, die durch Zusatz eines oberfl ächenaktiven<br />

Stoffes (Tensids, „Surfactant“) zu einem<br />

Gemisch von zwei gewöhnlich nichtmischbaren<br />

Flüssigkeiten, wie Öl <strong>und</strong> Wasser („Sauce Vinaigrette“),<br />

entstehen (s. Abb. 2.9).<br />

- Kolloidale komplexe Flüssigkeiten, d. h. in Dispersionsmittel<br />

fein verteilte Stoffe – ein alltägliches<br />

Beispiel ist Milch.<br />

- Strukturbildung in makromolekularen, polymeren<br />

Systemen, die z. B. zur Herstellung von<br />

geordneten Nanostrukturen genutzt werden kann.<br />

• Komplexe Festkörper, etwa komplexe Metalllegierungen<br />

mit Einheitszellen, die aus vielen tausend Atomen<br />

bestehen oder komplexe Übergangsmetalloxide,<br />

wie Hochtemperatursupraleiter oder Manganate mit<br />

kolossalem Magnetowiderstand. Diese Materialien<br />

zeigen elektronische Selbstorganisation auf der Nanometerskala,<br />

etwa in Form von Streifenordnung oder<br />

elektronischer Phasenseparation (s. Abb. 2.10).<br />

• Komplexe Geomaterialien, die aus mehreren Phasen<br />

mit unterschiedlicher Textur zusammengesetzt<br />

sind. Die Multiphasentextur gibt Aufschluss über die<br />

geodynamische Vorgeschichte, d. h. die Zeitentwicklung<br />

von Druck <strong>und</strong> Temperatur (s. Abb. 2.11).<br />

Intensität / 10<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

020.omp<br />

111 − .omp<br />

100.qtz<br />

220.gar<br />

Mn 3+ Mn 3+ Mn 4+ Eklogit wk17− 98A<br />

111.omp<br />

011/101.qtz<br />

021.omp<br />

220.omp<br />

321.gar<br />

221 − .omp<br />

310.omp<br />

311 − .omp<br />

130.omp<br />

400.gar<br />

420.gar<br />

131 .omp<br />

202 − .omp<br />

002.omp<br />

30 40 50 60 70 80<br />

221.omp<br />

332.gar<br />

110.qtz<br />

2 Theta<br />

131.omp<br />

422.gar<br />

400.omp<br />

311.omp<br />

312 − .omp<br />

112.omp<br />

022.omp<br />

431.gar<br />

012/102.qtz<br />

111.qtz<br />

330.omp<br />

521.gar<br />

331 − .omp<br />

421 − .omp<br />

Abb. 2.9. Darstellung der bikontinuierlichen Phase<br />

einer Mikroemulsion.<br />

Abb. 2.10. Streifenordnung in Manganaten aufgr<strong>und</strong><br />

elektronischer Phasenseparation.<br />

Abb. 2.11. Neutronen-Texturanalyse der verschiedenen<br />

Komponenten einer Gesteinsprobe als Beispiel<br />

eines geologischen Multiphasenmaterials.<br />

440.gar<br />

041.omp<br />

402 − .omp<br />

202.omp<br />

132 − .omp<br />

241 − .omp<br />

021/201.qtz<br />

611/532.gar<br />

331.omp<br />

422 − .omp<br />

620.gar<br />

112.qtz<br />

20 Komplexität<br />

21


Zelluläre <strong>und</strong> molekulare<br />

biologische Strukturen <strong>und</strong><br />

Prozesse<br />

Ziele der modernen Biologie sind, Mechanismen, die<br />

Lebensprozessen zugr<strong>und</strong>e liegen, auf molekularer oder<br />

zellulärer Ebene zu verstehen. Dabei sind die Kenntnis<br />

der dreidimensionalen molekularen Struktur <strong>und</strong> die<br />

Interaktion mit anderen Molekülen von entscheidender<br />

Bedeutung. So werden einige der großen Herausforderungen<br />

der nächsten Jahrzehnte die Aufklärung der<br />

molekularen Mechanismen von Infektionskrankheiten,<br />

der Krebsentstehung <strong>und</strong> der Funktion <strong>und</strong> Dysfunktion<br />

des Nervensystems sein. Ebenfalls wird das aus<br />

der Genomforschung hervorgegangene Arbeitsgebiet<br />

der Proteomics eine wesentliche Bedeutung erlangen.<br />

Neutronenstreuung kann hier wichtige Erkenntnisse<br />

beisteuern, indem enzymatische Prozesse durch Proteinkristallographie<br />

an isotopensubstituierten Proteinen<br />

oder die Wechselwirkung verschiedener Komponenten<br />

(Protein-Nukleinsäure oder Protein-Protein-Komplexe)<br />

studiert werden. Die besondere Stärke der Neutronenstreuung<br />

besteht darin, dass man durch Isotopensubstitution<br />

molekularen Komponenten sichtbar machen <strong>und</strong><br />

Kontrast erzeugen kann (s. Abb. 2.12).<br />

Grenzflächen zwischen Molekülen<br />

Eine besondere Rolle kommt der Untersuchung von<br />

Vorgängen an Grenzfl ächen zwischen Makromolekülen<br />

zu, da dies in lebenden Systemen eine Vielzahl biologischer<br />

<strong>und</strong> chemischer Prozesse umfasst. Ein herausragendes<br />

Beispiel sind die biologischen Membranen,<br />

für die das strukturelle <strong>und</strong> funktionelle Verständnis<br />

der Membranproteine sowie deren Wechselwirkung mit<br />

Molekülen auf beiden Seiten der Zellmembranen auch<br />

auf absehbare Zeit eine der größten Herausforderungen<br />

der modernen Biologie darstellt (s. Abb. 2.13).<br />

Proteindynamik<br />

Eine ebenso wichtige Rolle spielt das Verständnis der<br />

Proteindynamik, bei der die interne Dynamik biologischer<br />

Makromoleküle auf einer Pikosek<strong>und</strong>enzeit- <strong>und</strong><br />

Ångströmlängenskala untersucht werden. Im Bereich<br />

von Proteinbindungsreaktionen wird die Wechselwirkungskinetik<br />

biologischer Makromoleküle in Mikrosek<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> bis zur atomaren Aufl ösung beobachtet.<br />

Beispiel: biologischer Vorgang<br />

Neutronen können komplementäre Beiträge zu den in<br />

der Strukturbiologie weit verbreiteten Techniken wie<br />

NMR oder Röntgen-/Synchrotronstreuung leisten <strong>und</strong><br />

liefern so Schlüsselinformationen zum Verständnis<br />

komplexer biologischer Vorgänge. Als ein Beispiel<br />

sei hier die Komplexbildung im Chaperon erläutert.<br />

Chaperone (frz. le chaperon = die Kappe) sind große<br />

makromolekulare Komplexe, die an der Faltung von<br />

Proteinen beteiligt sind. Sie bestehen im E.coli Bakterium<br />

aus den beiden Komplexen GroEL (14 Untereinheiten<br />

à 60 kDa; 1 Da = Masse eines Kohlenstoffatoms)<br />

<strong>und</strong> GroES (sieben Untereinheiten à 10 kDa), s. Abb.<br />

2.14. Eine strukturell ähnliche Untereinheit wird auch<br />

in einem Virus, dem so genannten T4-Phagen, gef<strong>und</strong>en:<br />

das Molekül GP31. Dieses Makromolekül kann<br />

das GroES im bakteriellen Chaperon ersetzen <strong>und</strong> er-<br />

möglicht dann vermutlich präferentiell die Synthese <strong>und</strong><br />

korrekte Faltung eines anderen Phagenproteins (GP23).<br />

Auf diese Art <strong>und</strong> Weise kann das Virus das bakterielle<br />

Chaperon ‚umprogrammieren‘, so dass in diesem speziellen<br />

Fall auch ohne Weitergabe von Erbinformation die<br />

Produktion von Virusmaterial unterstützt wird.<br />

Wie lässt sich der Prozess sichtbar<br />

machen<br />

Mittels Kontrastvariation (Austausch von 1 H gegen 2 H)<br />

kann in sogenannten ‚chasing experiments‘ die Kinetik<br />

der eben beschriebenen Komplexbildung verfolgt<br />

werden. Das bedeutet im Prinzip, dass vermessen wird,<br />

ob <strong>und</strong> wie schnell sich der virale GP31 Proteinkomplex<br />

an die Stelle des bakteriellen GroES ‚schummeln‘<br />

kann. Dies geschieht folgendermaßen: An die größere<br />

bakterielle Untereinheit GroEL wird die Kappe aus<br />

viralem GP31 oder bakteriellem GroES geb<strong>und</strong>en.<br />

Diese Komplexe werden in einem Lösungsmittel aufgenommen,<br />

dessen Streulängendichte der von deuteriertem<br />

[ 2 H]GroES entspricht. Dann wird [ 2 H]GroES<br />

im Überschuss zusammen mit ADP (einem Energielieferanten)<br />

zugegeben <strong>und</strong> beobachtet, wie sich die<br />

Streuung zeitabhängig verändert. Wird GP31 gegen die<br />

deuterierte bakterielle Kappe [ 2 H]GroES ausgetauscht,<br />

erscheint das Chaperon GroEL–[ 2 H]GroES kleiner als<br />

der Komplex bestehend aus GroEL–GP31 oder Gro-<br />

EL–GroES, da in dem gewählten Lösungsmittel das<br />

[ 2 H]GroES ‚unsichtbar‘ ist (contrast matching). Aus<br />

solchen Messungen ergibt sich, dass die Kappe des T4-<br />

Phagen mit GroEL einen stabileren Komplex bildet als<br />

das ursprüngliche bakterielle System GroEL–GroES.<br />

Diese Langzeitstabilität der Verbindung aus bakteriellen<br />

<strong>und</strong> viralen Makromolekülen kann somit die<br />

korrekte Faltung des Phagenproteins GP23 unterstützen<br />

<strong>und</strong> erklären, wie trickreich sich ein Phage vermehren<br />

kann.<br />

D 2<br />

O<br />

SO 4<br />

Abb. 2.12. Beispiel für die 1,5 Å hochaufgelöste Kristallstruktur<br />

von Myoglobin. Die atomare Dichtekarte zeigt<br />

in blau (1,5 σ) <strong>und</strong> in rot (-2,0 σ) positive <strong>und</strong> negative<br />

Streulängenbeiträge. Der Wasserstoff 1 H (rot) <strong>und</strong>, in der<br />

Kontaktregion zwischen zwei Molekülen, das schwere<br />

Wasser D 2<br />

O sind deutlich zu sehen.<br />

D 2<br />

O<br />

22 Komplexität: Biologie<br />

23


Mögliche zukünftige Anwendungen:<br />

Kernspinkontrastvariation<br />

Im Gegensatz zu der oben erwähnten Möglichkeit,<br />

interessante Bereiche in einem Makromolekül<br />

durch Isotopensubstitution zu markieren, bietet die<br />

Neutronenstreuung zudem die Option, polarisierte<br />

Neutronen an polarisierten Kernspins (im wesentlichen<br />

1<br />

H) zu streuen (s. Abb. 2.15). Die zeitaufgelöste<br />

Neutronenstreuung an dynamisch polarisierten<br />

Protonenspins erlaubt die Untersuchung von sehr<br />

verdünnten paramagnetischen Strukturen. Hierzu<br />

gehört beispielsweise eine Reihe von Enzymen,<br />

deren aktive Zentren in einen radikalischen<br />

Zustand übergehen können oder ihn an anderer<br />

Stelle innerhalb des Proteins auslösen. Eine erste<br />

entsprechende Untersuchung wurde an dem<br />

katalasegeb<strong>und</strong>enen Tyrosylradikal durchgeführt. Der<br />

erste zweifelsfreie Nachweis der Kernspindiffusion<br />

in einem protonenreichen Molekül gelang in einem<br />

Biradikalmolekül.<br />

Der Aufbau des intramolekularen Polarisationsgradienten<br />

ist rasch (< 1 Sek<strong>und</strong>e) <strong>und</strong> somit nur über<br />

zeitaufgelöste Neutronenstreuung, nicht aber mit NMR,<br />

nachweisbar, denn NMR-Messungen erfordern mehr<br />

Zeit. Auf diese elegante Weise kann im Inneren eines<br />

Proteins ein Streukontrast erzeugt werden, der zur<br />

Strukturuntersuchung herangezogen werden kann.<br />

Abb. 2.13. Ein Beispiel für Vorgänge an biologischen<br />

Membranen ist die Einlagerung von Squalene, einem<br />

Polyisopren. Die Phospholipide POPC <strong>und</strong> POPS bilden<br />

eine Membran mit <strong>und</strong> ohne Squalene. Polyisoprene sind<br />

Bestandteile von Biomembranen, die keine polare Gruppe<br />

besitzen; über ihre Funktion ist wenig bekannt. Auffällig ist,<br />

dass in allen Membranen, die Protonengradienten aufrechterhalten<br />

müssen, diese Kohlenwasserstoffe zu finden<br />

sind. Mit Neutronendiffraktion konnten diese Moleküle zum<br />

ersten Mal in der Membran lokalisiert werden. Ihre Position<br />

zwischen den Monoschichten des Lipidbilayers kann eine<br />

mögliche Erklärung liefern, warum diese Moleküle als Protonenbarriere<br />

dienen.<br />

Abb. 2.14. Kristallstruktur von GroEL(blau)/GroES(rot)<br />

[1AON.pdb, A Seitenansicht, B Draufsicht] im Vergleich zur<br />

Kristallstruktur von GP31 (grüne Schleifendarstellung, C)<br />

<strong>und</strong> GroES (blaue Schleifendarstellung, D). Obwohl GP31<br />

<strong>und</strong> GroES nur eine geringe Sequenzhomologie aufweisen,<br />

sind beide Komplexe strukturell so ähnlich, dass es zu einer<br />

Verdrängung von GroES kommt, wenn GP31 präsent ist.<br />

A: GroEL/GroES B C: GP31 D: GroES<br />

R1<br />

R2<br />

R1<br />

Abb. 2.15. Dieses Biradikalmolekül mit einem festen<br />

Abstand von 38 Å zwischen den an den Enden befindlichen<br />

radikalischen Nitroxydgruppen (NO durch grüne bzw. blaue<br />

Punkte gekennzeichnet) dient nicht nur der Eichung in der<br />

EPR-Spektroskopie. Es unterstützt auch in hervorragender<br />

Weise den Vorgang der Kernspinpolarisation durch Mikrowelleneinstrahlung<br />

in einem starken Magnetfeld bei tiefen<br />

Temperaturen. In einem ersten Schritt der dynamischen<br />

Kernspinpolarisation (DNP) werden die Protonen in dem<br />

durch R1 gekennzeichneten Gebieten polarisiert. Da das Lösungsmittel<br />

deuteriert ist, greift in einem zweiten Schritt die<br />

Polarisation vorzugsweise auf die benachbarten Kernspins in<br />

R2 über.<br />

24 Komplexität: Biologie<br />

25


Komplexe Systeme der weichen<br />

Materie<br />

„Weiche Materie“, z. B. Polymere, Kolloide, Mikroemulsionen,<br />

Gele oder Biopolymere <strong>und</strong> Membranen<br />

zeichnet sich aus durch:<br />

• eine große Zahl an weichen internen Freiheitsgraden,<br />

dies führt zu einer großen Reaktion auf kleine externe<br />

Einfl üsse;<br />

• die Komplexität;<br />

• die große Bedeutung entropischer Kräfte;<br />

• Struktur auf mesoskopischer Längenskala<br />

(Nanometer bis Mikrometer).<br />

Die vielseitigen Eigenschaften dieser „weichen“ Materialien<br />

führen zur Anwendung in den verschiedensten<br />

Bereichen von Öladditiven, Kosmetika, Farben, Waschmitteln<br />

bis hin zu Nahrungsmitteln.<br />

Universalität<br />

So unterschiedlich die Materialien <strong>und</strong> ihre Anwendungen<br />

auch sind, bleibt doch die gr<strong>und</strong>legende Frage<br />

die gleiche: wie bestimmen die mikroskopische Zusammensetzung<br />

<strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Wechselwirkungen<br />

die Struktur, die Dynamik <strong>und</strong> damit die<br />

makroskopischen Eigenschaften des Materials Die<br />

Beantwortung bedeutet nicht nur Fortschritt für die<br />

Festkörperforschung im Sinne eines gr<strong>und</strong>legenden<br />

Verständnisses, sondern öffnet den Weg zu einer gezielten<br />

Beeinfl ussung der makroskopischen Eigenschaften<br />

durch Veränderung mikroskopischer Parameter. Ein<br />

wichtiges Ergebnis der bisherigen Forschung ist z. B.,<br />

dass bei aller Komplexität interessanterweise viele<br />

Phänomene der weichen Materie unabhängig von der<br />

chemischen Struktur des betrachteten Materials sind,<br />

d. h. sie sind universell. So ist die Konformation einer<br />

sehr langen Polymerkette in der Schmelze knäuelartig.<br />

Der Radius dieses Knäuels hängt von der Zahl der Monomere<br />

ab, nicht aber von der chemischen Zusammensetzung<br />

des Monomers.<br />

Vielkomponentensysteme<br />

Die Systeme, die heute in der industriellen Anwendung<br />

eine Rolle spielen, werden immer komplexer, meist<br />

sind es Vielkomponentensysteme, <strong>und</strong> diese müssen<br />

für hochspezialisierte Anwendungen zugeschnitten<br />

sein. Verwandt mit den Materialien aus der industriellen<br />

Anwendung sind komplexe biologische Stoffe<br />

wie Membranen <strong>und</strong> intrazellulare makromolekulare<br />

Netzwerke. Dies sind selbstorganisierende Multikomponentensysteme,<br />

deren Funktion durch die Wechselwirkung<br />

verschiedener molekularer Komponenten<br />

bestimmt wird, deren physikalische Eigenschaften sich<br />

aber gr<strong>und</strong>legend von denen der einzelnen Komponenten<br />

unterscheiden.<br />

Kontrastvariation<br />

Die Neutronenstreuung liefert den Zugang zu diesen<br />

komplexen Systemen mit Hilfe gezielter Kontrastvariation.<br />

Durch Austausch von Wasserstoff mit Deuterium<br />

werden einzelne Moleküle oder Teile von ihnen sichtbar<br />

gemacht. So werden komplexe Strukturen entschlüsselt<br />

<strong>und</strong> die Dynamik einzelner Komponenten <strong>und</strong> deren<br />

Korrelationen mit raum-zeitlicher Auflösung auf molekularen<br />

Skalen zugänglich. Diese einzigartige Technik<br />

<strong>und</strong> die mit Neutronen realisierbare Aufl ösung auf<br />

molekularen Zeit- <strong>und</strong> Längenskalen, die optimal zur<br />

Untersuchung der komplexen Systeme genutzt werden<br />

kann, erklären die herausragende Rolle der Neutronenstreuung<br />

im Bereich der weichen Materie.<br />

Beispiele zu Struktur <strong>und</strong> Dynamik<br />

Im Folgenden werden zwei typische Neutronenstreuexperimente<br />

vorgestellt, eines zu strukturellen Eigenschaften<br />

eines Mehrkomponentensystems <strong>und</strong> eines<br />

zur Dynamik. Im ersten Beispiel wird der Einfluss von<br />

Polymeren auf so genannte Mikroemulsionen im Zusammenhang<br />

mit der Effi zienzsteigerung von Tensiden<br />

untersucht.<br />

Abb. 2.16. In den Behältern befindet sich jeweils die<br />

gleiche Menge an Öl <strong>und</strong> Wasser. Die linke Säule zeigt 2<br />

deutlich getrennte Phasen. Die zweite Säule enthält 5 %<br />

Tensid. In der Mitte ist die Phase des Öl-Wasser-Gemisches<br />

zu erkennen. In der dritten Säule wurde 0,3 %, in der<br />

vierten 0,5 % des Polymers hinzugegeben. Die Menge der<br />

homogenen Öl-Wasser-Mikroemulsion steigt signifikant.<br />

Intensität [cm -1 ]<br />

10 4<br />

10 3<br />

10 2<br />

10 1<br />

10 0<br />

10<br />

0,001 0,01 0,1<br />

-1<br />

Q [Å -1 ]<br />

Öl<br />

Tensid<br />

Polymer<br />

Effizientere Tenside<br />

Mikroemulsionen sind homogene, thermodynamisch<br />

stabile Mischungen von Öl <strong>und</strong> Wasser, wobei die<br />

Mischbarkeit dieser ansonsten unmischbaren Bestandteile<br />

durch Tenside realisiert wird. Auf mikroskopischer<br />

Skala formen die Tensid-Moleküle eine Grenzschicht<br />

zwischen Öl <strong>und</strong> Wasser in einer auf kleinstem Raum<br />

eng verzahnten Struktur (bikontinuierliche Phase),<br />

makroskopisch sind sie daher homogen. Die Zugabe<br />

einer geringen Menge eines Diblock-Copolymers (die<br />

Polymerkette besteht hier aus zwei unterschiedlichen<br />

Polymeren) führt nun zu einer dramatischen Erhöhung<br />

der Menge von Öl <strong>und</strong> Wasser, die mit einem bestimmten<br />

Anteil von Tensid vermischt werden können (s.<br />

Abb. 2.16).<br />

Boosting Effekt<br />

Wie können Neutronen zu einem Verständnis dieses<br />

„Boosting Effekts“ führen Durch Kontrastvariation in<br />

der Neutronenkleinwinkelstreuung können die einzelnen<br />

Bestandteile dieses komplexen Systems einzeln<br />

sichtbar gemacht werden (s. Abb. 2.17). Die Diblock-<br />

Copolymere haben sich in der Grenzschicht zwischen<br />

Öl <strong>und</strong> Wasser angelagert, da ein Teil des Polymers das<br />

Wasser, der andere das Öl bevorzugt. Die Polymeranlagerungen<br />

ändern die Biegesteifi gkeit der Membran.<br />

Eine erhöhte Steifi gkeit der Membranschicht macht diese<br />

glatter <strong>und</strong> damit die Membranfl äche effektiv größer,<br />

d. h. es wird weniger Tensid gebraucht, um die gleiche<br />

Menge Öl in Wasser zu lösen.<br />

Abb. 2.17. Links: Durch Kontrastvariation kann die<br />

Sichtbarkeit einzelner Komponenten ein- <strong>und</strong> ausgeschaltet<br />

werden (orange = Öl, grün = Tensid, blau =<br />

Wasser, schwarz = Polymer). Rechts: Kleinwinkeldaten<br />

für drei partielle Streufunktionen für Öl (orange), Tensid<br />

(grün) <strong>und</strong> Polymer (schwarz).<br />

26 Komplexität: Weiche Materie 27


Polymerdynamik in der Schmelze<br />

Im zweiten Beispiel geht es um die Bewegung von<br />

Makromolekülen, genauer um die Polymerdynamik<br />

in der Schmelze. Von Theoretikern wurde eine<br />

schlangenartige Bewegung langer Kettenmoleküle, die<br />

so genannte Reptation, vorhergesagt. Zugr<strong>und</strong>e liegt<br />

diesem Modell die Idee, dass eine einzelne Kette in<br />

ihrer lateralen Bewegung durch topologische Wechselwirkung<br />

mit den Nachbarketten stark eingeschränkt ist.<br />

Diese Einschränkung wird in dem Reptationsmodell<br />

durch eine virtuelle Röhre repräsentiert, die der Kontur<br />

der beobachteten Kette folgt. Diese kann dann nur noch<br />

ihrer eigenen Kontur folgend entlang des Röhrenprofi ls<br />

diff<strong>und</strong>ieren. Diese sehr langsamen Bewegungen kann<br />

man ideal mit der Neutronenspinecho-Spektroskopie<br />

verfolgen, die direkt die Zeitentwicklung der Korrelationen<br />

misst. Für große Molekulargewichte wird De Gennes<br />

Reptationsmodell bestätigt (Abb. 2.18, oben). Durch<br />

Einsatz neuer, höchstaufl ösender Instrumente konnten<br />

Abweichungen von diesem Modell für kleine Molekulargewichte<br />

nachgewiesen werden. Wie Abb. 2.18<br />

S(Q,t) / S(Q)<br />

1,00<br />

0,75<br />

0,50<br />

0,25<br />

M w<br />

= 190 kg/mol<br />

0,00<br />

0 50 100 150<br />

1,00<br />

0,75<br />

0,50<br />

0,25<br />

M w<br />

= 12.4 kg/mol<br />

Zeit / ns<br />

0,00<br />

0 50 100 150<br />

Zeit / ns<br />

Abb. 2.18. Neutronenspinechodaten von Polyethylen<br />

bei 509 K.<br />

Oben: <br />

= 190 kg/mol, die Linien zeigen den Reptationsfit.<br />

Unten: <br />

= 12,4 kg/mol, die gestrichelten Linien zeigen<br />

Erwartung im Rahmen des Reptationsmodells, bei den<br />

durchgezogenen Linien sind die Konturlängenfluktuationen<br />

berücksichtigt.<br />

(unten) zeigt, ist dort das Plateau bei großen Zeiten weniger<br />

stark ausgeprägt. Der weitere Abfall deutet auf einen<br />

zusätzlichen Mechanismus, sog. Konturlängenfl uktuationen,<br />

hin. Das bedeutet, dass die Fluktuationen der<br />

Kettenenden mit wachsender Zeit zu einer Abnahme<br />

der effektiven Röhrenlänge <strong>und</strong> damit der topologischen<br />

Einschränkung führen. Die durchgezogenen Linien<br />

in Abb. 2.18 (unten) repräsentieren eine Anpassungsrechnung,<br />

deren Basis zwar das Reptationsmodell ist<br />

(gestrichelte Linien im Bild), die aber auch die Zeitabhängigkeit<br />

der Röhrenlänge berücksichtigt.<br />

Komplexe magnetische Phasen<br />

Die Wechselwirkungen zwischen magnetischen Momenten<br />

in kondensierter Materie führen zu einer<br />

Vielzahl unterschiedlichster magnetischer Strukturen.<br />

Neben einfacher ferromagnetischer Ausrichtung kann<br />

es bei antiferromagnetischer Wechselwirkung zu komplexen<br />

Anordnungen <strong>und</strong> Ausrichtungen der Momente<br />

kommen. Durch Variation der Temperatur, des externen<br />

Magnetfeldes <strong>und</strong> anderer Parameter kann man die<br />

magnetischen Ordnungszustände oft leicht modifi zieren.<br />

Neutronenstreuung ist die Methode der Wahl zur<br />

Untersuchung dieser magnetischen Phasen.<br />

„Frustrierte Magnete“<br />

Ein einfaches Beispiel der Ausbildung einer komplexen<br />

magnetischen Struktur ist das antiferromagnetische<br />

Dreiecksgitter. Platziert man auf zwei Ecken eines<br />

gleichschenkligen Dreiecks zwei Spins antiparallel,<br />

kann ein dritter Spin auf dem noch freien Platz nicht<br />

mehr gleichzeitig antiparallel zu den beiden anderen<br />

stehen. Diese sog. Frustration kann teilweise umgangen<br />

werden, wenn die Spinmomente in der Ebene bzw. im<br />

Raum beliebig einstellbar sind. Als Kompromiss bildet<br />

sich dann eine 120°-Struktur der Momentorientierung<br />

aus. Abb. 2.19 zeigt dies am Beispiel des Antiferromagneten<br />

CsMnBr 3<br />

, dessen Mn-Ionen das Dreiecksgitter in<br />

der hexagonalen Kristallebene bilden. Es verbleibt ein<br />

zweifach entarteter Gr<strong>und</strong>zustand: energetisch gesehen<br />

spielt es nämlich keine Rolle, ob ein benachbarter Spin<br />

nach links oder nach rechts um 120° gedreht ist. Sobald<br />

sich jedoch diese Drehrichtung (= Chiralität) ausgebildet<br />

hat, sind sämtliche Momentorientierungen im<br />

Kristall festgelegt. Unterhalb der antiferromagnetischen<br />

Ordnungstemperatur T N<br />

bilden sich an verschiedenen<br />

Stellen im Festkörper mehr oder weniger zufällig Bereiche<br />

unterschiedlicher Chiralität aus. Mit Hilfe polarisierter<br />

Neutronen können die relativen Anteile dieser<br />

Domänen im Kristall sichtbar gemacht <strong>und</strong> untersucht<br />

werden.<br />

Chiralen Domänen auf der Spur<br />

Die Größe <strong>und</strong> Verteilung der chiralen Domänen<br />

hängen vom Kristall, der Abkühlvorgeschichte <strong>und</strong> von<br />

externen Parametern, wie Torsion der Probe <strong>und</strong> elektrischen<br />

Feldern, ab. Für den Fall ungleicher Domänenpopulationen<br />

ergibt sich ein Unterschied in der Streuintensität,<br />

∆ I= I + - I - , der magnetischen Bragg-Reflexe für<br />

verschieden polarisierte Neutronen. So sind Neutronen<br />

mit einer Polarisation parallel zu einem magnetischen<br />

Führungsfeld, I + , sensitiv auf eine Sorte chiraler Domänen,<br />

während die antiparallel ausgerichteten Neutronen,<br />

I - , die Domänen mit entgegengesetztem Drehsinn detektieren.<br />

Ein Beispiel für einen mit Hilfe polarisierter<br />

Neutronen gemessenen Unterschied in der Domänenpopulation<br />

von CsMnBr 3<br />

zeigt das Inset in Abb. 2.20 für<br />

den (1/3 1/3 1)-Reflex.<br />

Vorhersagen bestätigt: „chirale<br />

Universalität“<br />

Eine wichtige Eigenschaft von Phasenübergängen ist<br />

deren Universalität. Dies bedeutet, dass das kritische<br />

Verhalten physikalisch unterschiedlichster Systeme<br />

nur von wenigen Parametern, wie der Dimension <strong>und</strong><br />

der Zahl der Freiheitsgrade des Ordnungsparameters,<br />

abhängt. Das kritische Verhalten wird von einem Satz<br />

sogenannter kritischer Exponenten charakterisiert. Für<br />

die oben beschriebenen Antiferromagneten mit chiraler<br />

Ordnung wurden neue Universalitätsklassen vorhergesagt.<br />

Die konventionellen kritischen Exponenten sind<br />

modifi ziert <strong>und</strong> neue Exponenten, die das Verhalten der<br />

chiralen Ordnung beschreiben, werden vorhergesagt.<br />

So ist der konventionelle kritische Exponent durch<br />

die Temperaturabhängigkeit der Untergittermagnetisierung<br />

gegeben. Experimentell ergibt sich diese aus<br />

der Summe I + + I - , die proportional zu 2 ist, wobei<br />

= (T N<br />

- T)/T N<br />

die reduzierte Temperatur ist. Das<br />

Differenzsignal ∆I ändert sich unterhalb der Ordnungstemperatur<br />

proportional zu 2 mit dem neuen kritischen<br />

Exponenten c<br />

= 0,42 für CsMnBr 3<br />

, was sehr gut mit<br />

den theoretischen Vorhersagen übereinstimmt.<br />

Ebenso können andere physikalische Größen, wie die<br />

chirale Suszeptibilität oberhalb T N<br />

, mit Hilfe der polarisierten<br />

Neutronenstreuung – <strong>und</strong> auch nur mit dieser<br />

– gemessen, die kritischen Exponenten bestimmt <strong>und</strong><br />

mit theoretischen Vorhersagen verglichen werden. Diese<br />

Untersuchungen leisten einen wesentlichen Beitrag zum<br />

besseren Verständnis der f<strong>und</strong>amentalen magnetischen<br />

Wechselwirkungen in kondensierter Materie.<br />

(Intensitätsdifferenz)<br />

5<br />

CsMnBr 3<br />

1<br />

I ~ 0.42 20<br />

I +<br />

I -<br />

10<br />

0<br />

0,32<br />

0,1<br />

0,33 0,34<br />

Q h<br />

0,35<br />

0,001 0,01<br />

<br />

0,1 1<br />

Streuintensität<br />

Abb. 2.20. Temperaturabhängigkeit des<br />

Unterschieds der Domänenpopulation<br />

Δ = + - - mit = ( <br />

– )/ <br />

. Das Inset zeigt die Streuintensitäten<br />

für die beiden Polarisationsrichtungen am<br />

(1/3 1/3 1)-Bragg-Reflex.<br />

Abb. 2.19. Die zwei<br />

unterschiedlichen<br />

chiralen Domänen<br />

in einem antiferromagnetischen<br />

Dreiecksgitter<br />

am Beispiel<br />

von CsMnBr 3<br />

. Die<br />

Drehrichtung der Mn-<br />

Spins in den beiden<br />

Teilbildern ist jeweils<br />

entgegengesetzt.<br />

28 Komplexität: Magnetische Phasen 29


Anregungskontinua <strong>und</strong><br />

Magnetisierungsplateaus in<br />

Quantenmagneten<br />

Für das Verhalten von Materialien, deren Magnetismus<br />

auf niedrigen Spinwerten wie S=1/2 oder S=1<br />

beruht, ist die Quantenmechanik entscheidend (sog.<br />

„Quantenmagnete“). Solche Materialien, insbesondere<br />

Materialien mit eingeschränkter Dimensionalität, bilden<br />

bei tiefen Temperaturen Quantenphasen mit ungewöhnlicher,<br />

komplexer Ordnung. Einfacher Ausgangspunkt<br />

für das Verständnis einer Gruppe solch komplexer Phasen<br />

ist die Bildung von „Dimer“ genannten Einheiten<br />

aus zwei antiparallelen Spins (vergleichbar einem magnetischen<br />

Molekül), ein typisches Quantenphänomen.<br />

Wenn eine Gruppe von Spins 1/2 sich in Dimer-Einheiten<br />

zusammenfi ndet, gelingt es ihr, den magnetischen<br />

Charakter zu verbergen, denn ein endliches Magnetfeld<br />

ist erforderlich, um die Bindungsenergie zu überwinden<br />

<strong>und</strong> das Dimer aufzubrechen zu einer Konfi guration mit<br />

endlicher Magnetisierung (s. Abb. 2.21).<br />

Energie (meV)<br />

Energie (meV)<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

0 0,25 0,5 0,75 1<br />

20<br />

15<br />

10<br />

1,4 1,5 1,6<br />

Wellenvektor q Kette<br />

(2A −1 )<br />

S(Q,E) (willkürliche Einheiten)<br />

S(Q,E) (willkürliche Einheiten)<br />

Abb. 2.24. Spin 1 Einheiten aus zwei elementaren Spins<br />

1/2 <strong>und</strong> Bildung eines Dimers aus zwei elementaren Spins<br />

1/2 in benachbarten Spin 1 Einheiten (vollständige Bindung<br />

zu Dimeren).<br />

Abb. 2.21. Ein einfaches Dimer <strong>und</strong> seine Ausrichtung im<br />

Magnetfeld.<br />

Abb. 2.22. Anregungskontinuum im 1D-Antiferromagneten<br />

KCuF 3<br />

.<br />

oben: Gesamter Energiebereich.<br />

unten: Ausschnitt in der Umgebung des -Punktes.<br />

Abb. 2.23. Magnetisierung von NH 4<br />

CuCl 3<br />

.<br />

Abb. 2.25. Einheiten mit Spin 3 /2 aus drei elementaren<br />

Spins 1 /2 <strong>und</strong> Bildung eines Dimers aus zwei elementaren<br />

Spins 1 /2 in benachbarten Spin 3 /2 Einheiten (teilweise Bindung<br />

zu Dimeren, die roten elementaren Spins 1 /2 bleiben<br />

frei <strong>und</strong> sättigen zum 1 /3 Plateau).<br />

Spinflüssigkeiten<br />

Wenn nicht nur zwei Spins, wie in einem Dimer,<br />

sondern makroskopisch viele Spins zu einem Singulett-Gr<strong>und</strong>zustand<br />

verschränkt sind, entstehen Quantenphasen,<br />

die als Spinfl üssigkeiten bezeichnet werden.<br />

Ein Beispiel für die komplexen Eigenschaften solcher<br />

Spinfl üssigkeiten sind die elementaren Anregungen<br />

einer S=1/2 Kette: Es existiert ein Anregungskontinuum<br />

(s. Abb. 2.22), das auf der voneinander unabhängigen<br />

Dynamik von zwei domänenwandartigen Einheiten<br />

(Spinonen/Solitonen) beruht. Nur mit Neutronen lassen<br />

sich solche Anregungsspektren vermessen.<br />

Dimer-Materialien<br />

Quantenphasen, die aus Spin- 1/2-Dimeren aufgebaut<br />

sind, besitzen häufi g Magnetisierungsplateaus. Die für<br />

das Material NH 4<br />

CuCl 3<br />

gemessene Magnetisierungskurve<br />

(s. Abb. 2.23) ist dafür ein Beispiel: Im Bereich<br />

eines Magnetisierungsplateaus bleibt die Magnetisierung<br />

konstant, auch wenn das äußere Magnetfeld erhöht<br />

wird. In diesem Fall bricht ein endliches Magnetfeld<br />

nur eine Untergruppe von Dimeren auf <strong>und</strong> erzeugt so<br />

eine teilweise magnetisierte Struktur. Das Plateau entsteht,<br />

da die restlichen Dimere stabil bleiben, entweder<br />

wegen einer höheren Bindungsenergie wie im quasi 1D-<br />

Material NH 4<br />

CuCl 3<br />

oder weil eine zusätzliche Energie<br />

erforderlich ist, direkt benachbarte Dimere aufzubrechen,<br />

wie im quasi 2D-Material SrCu 2<br />

(BO 3<br />

) 2<br />

.<br />

Verbindungen mit höheren Spinwerten<br />

Magnetisierungsplateaus in Verbindungen mit höheren<br />

Spinwerten entstehen durch komplexere Bindungseffekte:<br />

Magnetische Momente bei höheren Spinwerten können<br />

verstanden werden als zusammengesetzt aus elementaren<br />

Spins 1/2, wie es die blauen Kreise für Spin 1<br />

in Abb. 2.24 (2 elementare Spins 1/2) <strong>und</strong> für Spin 3/2<br />

in Abb. 2.25 (3 elementare Spins 1/2) veranschaulichen.<br />

Die magnetische Ordnung solcher Materialien ist unterdrückt<br />

oder reduziert, wenn alle oder einige elementare<br />

Spins 1/2 in Dimeren geb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> das Magnetfeld<br />

zu schwach ist, sie aufzubrechen: In der S=1 Kette<br />

(Abb. 2.24) verschwindet dann die Magnetisierung (Plateau<br />

bei Magnetisierung Null), während in der S=3/2<br />

Kette freie elementare Spins (rot in Abb. 2.25) verblei-<br />

ben können, die in der Gegenwart eines Magnetfelds<br />

sättigen <strong>und</strong> dann zu einem Magnetisierungsplateau bei<br />

einem Drittel der Sättigungsmagnetisierung führen.<br />

Zukünftige Entwicklungen<br />

Auch im Zusammenhang mit Magnetisierungsplateaus<br />

sind Anregungskontinua zu erwarten: Eine Ordnung<br />

wie in Abb. 2.24 kann auch für Spins 1/2 <strong>und</strong> ohne<br />

dimerartige Verschränkungen durch konkurrierende<br />

Wechselwirkungen stabilisiert werden. Dies ist im Mineral<br />

Azurit realisiert, das für äußere Felder zwischen<br />

16 <strong>und</strong> 26 T ein Magnetisierungsplateau ausbildet. Der<br />

so entstehende Zustand hat die dreifache Gitterperiode,<br />

es sind drei Domänen möglich <strong>und</strong> damit Anregungskontinua<br />

aus drei sich unabhängig voneinander bewegenden<br />

Domänenwänden.<br />

Messungen von räumlichen Korrelationen <strong>und</strong> von<br />

Anregungen in Spinfl üssigkeiten <strong>und</strong> im Bereich<br />

von Magnetisierungsplateaus sind nur mit Neutronen<br />

möglich; solche Messungen liefern den wesentlichen<br />

Beitrag zum mikroskopischen Verständnis dieser Quan-<br />

tenphasen. Es ist zu erwarten, dass mit dem äußeren<br />

Magnetfeld als einfach zugänglichem Parameter weitere<br />

faszinierende Details von Quantenphasendiagrammen<br />

offenbar werden, sobald für Neutronenstreumessungen<br />

im Bereich von Magnetisierungsplateaus ausreichend<br />

starke Magnetfelder zur Verfügung stehen. Besonders<br />

interessante Phänomene treten auf, wenn magnetische<br />

Momente an Leitungselektronen koppeln, z. B. unmagnetische<br />

Gr<strong>und</strong>zustände, Quantenphasenübergänge oder<br />

magnetisch induzierte Supraleitung.<br />

30 Komplexität: Quantenmagnete 31


a<br />

b<br />

Neutronenforschung an<br />

komplexen Geosystemen: das<br />

Beispiel Gesteinsverformung<br />

<strong>und</strong> Gesteinsschmelzen an<br />

Plattengrenzen<br />

tierung aufgr<strong>und</strong> ihrer niedrigen Kristallsymmetrie<br />

schwer zu messen ist, z. B. Feldspat, das häufi gste Mineral<br />

der Erdkruste. Zum anderen läuft die Verformung<br />

an Plattengrenzen in mehreren Verformungsschritten<br />

ab, wobei jüngere Ereignisse die älteren Texturen überprägen.<br />

Prozesse im System Erde werden von Parametern<br />

gesteuert, die auf komplexe Weise miteinander gekoppelt<br />

sind. Die Herausforderung für die modernen<br />

Geowissenschaften besteht darin, diese Parameter <strong>und</strong><br />

ihre Kopplung zu verstehen. Neutronenforschung bietet<br />

spezifi sche Vorteile für die Untersuchung komplexer<br />

Systeme <strong>und</strong> wird dadurch zu einem starken Werkzeug<br />

der Geowissenschaften, wie hier am Beispiel des<br />

komplexen Geosystems Plattengrenze veranschaulicht<br />

werden soll.<br />

Volumenmessungen<br />

Entscheidende Vorteile der Neutronen gegenüber<br />

anderen Methoden zur Texturmessung an Gesteinen<br />

sind ihre geringe Absorption durch Materie <strong>und</strong> ihre<br />

relativ großen Strahlquerschnitte. Deshalb können echte<br />

Volumenmessungen durchgeführt werden. Im Fall der<br />

Untersuchung von Verformungsprozessen an Plattengrenzen<br />

kann Neutronenbeugung vielfältig eingesetzt<br />

werden. Herausforderungen an die Neutronenbeugung<br />

sind hier besonders Texturanalysen<br />

d<br />

110 qtz 100 qtz 001 cal<br />

Max<br />

3.16 mrd<br />

z<br />

x<br />

1 2 3 4 5 mrd<br />

Max<br />

3.87 mrd<br />

MR2<br />

z<br />

x<br />

Max<br />

6.45 mrd<br />

Abb. 2.26. Analyse komplexer tektonischer Strukturen in der<br />

Monte Rosa-Decke mit Hilfe von Neutronenbeugung.<br />

a: Stolemberg im Monte Rosa-Gebiet mit Deckengrenzen.<br />

b: Dünnschliffbild deformierten Quarzgesteins von einer der<br />

Deckengrenzen (Maßstab 50 µm).<br />

c: Neutronen-Textur von Quarz aus der gleichen Probe; Orientierungsverteilungen<br />

der kristallographischen Richtungen (100),<br />

(110) <strong>und</strong> (001).<br />

d: Interpretation der Faltung der Deckengrenzen aufgr<strong>und</strong> der<br />

Texturuntersuchungen.<br />

Hintergr<strong>und</strong>: Tektonische Übersicht des Gebietes.<br />

z<br />

x<br />

c<br />

Die Bewegung der Lithosphärenplatten<br />

Plattengrenzen sind die Ränder der sich langsam bewegenden<br />

tektonischen Platten, aus denen die Lithosphäre<br />

der Erde aufgebaut ist. Prozesse an Plattengrenzen<br />

haben hohe gesellschaftliche Relevanz, einerseits durch<br />

ihr Naturgefahren-Potential, da sie für die meisten Erdbeben<br />

<strong>und</strong> Vulkanausbrüche verantwortlich sind, andererseits<br />

durch Rohstoffe, wie etwa Erze <strong>und</strong> Erdöl, die<br />

häufi g an Plattengrenzen geb<strong>und</strong>en sind. Plattengrenzen,<br />

an denen Ozean-Lithosphären subduziert wurden<br />

<strong>und</strong> später Kontinente kollidiert sind, lassen sich in den<br />

Alpen <strong>und</strong> anderen Hochgebirgen der Erde studieren.<br />

Durch die Abtragung sind dort tiefe Stockwerke der<br />

Plattengrenze zugänglich, so dass die Verformungsvorgänge<br />

in der Tiefe, die das Geschehen an der Oberfl ä-<br />

che steuern, studiert werden können. Bei den Druck<strong>und</strong><br />

Temperaturbedingungen, die hier geherrscht haben,<br />

verläuft die Verformung, die in fl acheren Stockwerken<br />

zu Erdbeben führt, als bruchloser Fließvorgang im<br />

festen Zustand. Dabei erfahren die Mineralkörner, die<br />

das Gestein aufbauen, eine Regelung, die zur kristallographischen<br />

Vorzugsorientierung (Textur) führt. Die<br />

Messung der Textur ermöglicht die Rekonstruktion der<br />

früheren Bewegungen, d. h. Bewegungsrichtung, Schersinn,<br />

Verformungsgeometrie sowie die Geschwindigkeit<br />

<strong>und</strong> Temperatur der Verformung (s. Abb. 2.26).<br />

Verformung von Gesteinen<br />

Die Verformung von Gesteinen ist bisher nur in einfachen<br />

Modellsystemen verstanden worden, etwa für<br />

Gesteine, die nur aus einem - möglichst einfach zu<br />

untersuchenden - Mineral aufgebaut sind <strong>und</strong> bei einer<br />

einfachen Verformungsgeometrie. In der Realität werden<br />

jedoch Gesteine verformt, die meist aus mehreren<br />

Mineralarten bestehen, darunter solche, deren Orien-<br />

• an Gesteinen aus mehreren Mineralphasen <strong>und</strong> in<br />

Gesteinen aus niedrigsymmetrischen Mineralen<br />

(Ermittlung möglichst vieler Polfi guren; Trennung<br />

überlagerter Reflexe mittels mathematischer Peak-<br />

Profilanalyse).<br />

• an mehrfach verformten Gesteinen. Auf diesem Feld<br />

ist noch extrem wenig geforscht worden, hier sind<br />

große Fortschritte möglich (Kombination von Neutronenbeugung<br />

mit Kornformanalyse).<br />

• an experimentell verformten Gesteinen. Texturentwicklung<br />

bei Gesteinsverformungen unter kontrollierten<br />

Bedingungen ist bisher kaum untersucht. Bei<br />

Torsionsversuchen sind homogen verformte Probenbereiche<br />

sehr klein. Hier liegt eine weitere Herausforderung<br />

(Messung kleiner Probenbereiche; Messungen<br />

gekapselter Proben).<br />

Schmelzen<br />

Plattenränder sind Zonen mit erhöhtem Vulkanismus,<br />

d. h. Quellen für den mehr oder minder heftigen Austritt<br />

silikatischer Schmelzen aus dem Erdinneren. Die<br />

Eigenschaften dieser Schmelzen hängen sensitiv vom<br />

Gehalt an fl uider Phase (Wasser) ab. Da Neutronen<br />

besonders stark von H-Atomen gestreut werden, lassen<br />

sich Verteilungen solcher Schmelzen (im Gestein) oder<br />

Strukturen von „Modell“-Schmelzen mittels Neutronenradiographie<br />

<strong>und</strong> Neutronbeugungsmethoden gut<br />

untersuchen.<br />

32 Komplexität: Geosysteme 33


Korrelationen<br />

Kondensierte Materie besteht aus vielen Teilkomponenten,<br />

die auf verschiedenen Längen- <strong>und</strong> Zeitskalen<br />

miteinander in Wechselbeziehung treten. Diese Korrelationen<br />

sind letztendlich verantwortlich für das<br />

Zustandekommen der unzähligen Phänomene, die die<br />

kondensierte Materie auszeichnen. Neutronenstreuung<br />

zeichnet sich unter der Vielfalt der Methoden darin aus,<br />

dass sie direkt diese Korrelationen misst (der Neutronenstreuquerschnitt<br />

ist direkt proportional zu den raumzeitlichen<br />

Korrelationsfunktionen) <strong>und</strong> zwar auf allen<br />

relevanten Längen- <strong>und</strong> Zeitskalen!<br />

Typische gr<strong>und</strong>legende Fragestellungen,<br />

die es hier zu beantworten gilt, sind:<br />

• Wie können wir die vielskaligen Prozesse in fehlgeordneten<br />

oder amorphen Systemen - etwa den Glasübergang<br />

- beschreiben<br />

• Welche anderen Überraschungen halten die korrelierten<br />

Elektronensysteme noch für uns bereit, neben<br />

den Quanteneffekten der Supraleitung, des kolossalen<br />

Magnetowiderstands, der Magnetoelektrizität oder<br />

Quantenphasenübergängen<br />

• Können wir quantenmechanische Größen wie<br />

Elektronenspins <strong>und</strong> ihre Korrelationen so gezielt<br />

beeinfl ussen, dass wir Informationstransport, Infor-<br />

mationsspeicherung <strong>und</strong> Informationsverarbeitung<br />

realisieren können Kann die quantenmechanische<br />

Verschränkung zwischen Spinzuständen für die Realisierung<br />

eines Quantencomputers genutzt werden<br />

Stark korrelierte Elektronen<br />

Eine der großen Herausforderungen der modernen<br />

Festkörperforschung ist das Verständnis von starken<br />

elektronischen Korrelationen. Gerade auch für Anwendungen<br />

wichtige Phänomene können nicht innerhalb<br />

des „Standardmodells“ der Festkörperphysik erklärt<br />

werden. Die Festkörperforscher durchleben eine sehr<br />

aufregende Zeit, in der ständig neue Effekte entdeckt<br />

werden, die aufgr<strong>und</strong> von elektronischen Korrelationen<br />

zustande kommen. Diese Effekte lassen sich mit<br />

unserem einfachen Bild vom „Fermisee“ der Elektronen<br />

nicht beschreiben, geschweige denn vorhersagen.<br />

Beispiele hierfür sind:<br />

• Supraleitung mit höchsten kritischen Temperaturen<br />

(z. B. in YBa 2<br />

Cu 3<br />

O 7<br />

); prinzipiell nutzbar etwa zum<br />

verlustfreien Stromtransport <strong>und</strong> zur Erzeugung hoher<br />

Magnetfelder.<br />

• Multiferroischer Effekt (z. B. in HoMnO 3<br />

) mit ungewöhnlich<br />

starker gegenseitiger Beeinfl ussung<br />

zwischen Ferromagnetismus <strong>und</strong> ferroelektrischer<br />

Polarisation; Anwendungsperspektiven liegen z. B. im<br />

Bereich der magnetischen Datenspeicherung, beim<br />

Schalten einzelner Bits durch elektrische Felder.<br />

• Magnetokalorischer Effekt (beobachtet z. B. in<br />

MnFeP 0.45<br />

As 0.55<br />

oder Gd 5<br />

Ge 2<br />

Si 2<br />

), d. h. starke Temperaturänderung<br />

im äußeren Magnetfeld mit möglichen<br />

Anwendungen bei der hocheffi zienten, treibhausgasfreien<br />

magnetischen Kühlung.<br />

• Kolossaler Magnetowiderstandseffekt<br />

(z. B. in La 1-x<br />

Ca x<br />

MnO 3<br />

), d. h. starke Magnetfeldabhängigkeit<br />

des elektrischen Widerstands; nutzbar einerseits<br />

zur Detektion magnetischer Felder (Sensorik),<br />

andererseits etwa zur magnetischen Datenspeicherung<br />

in sogenannten MRAMS (Magnetoelektronik).<br />

Empfindliches Gleichgewicht<br />

Für die komplexen Metalloxide ist das Zusammenspiel<br />

zwischen den wechselwirkenden Spin-, Orbital-,<br />

Ladungs- <strong>und</strong> Gitterfreiheitsgraden charakteristisch.<br />

Schon eine kleine äußere Störung über elektrische oder<br />

magnetische Felder, Drücke, mechanische Spannungen,<br />

Temperatur etc. kann dieses empfi ndliche Gleichgewicht<br />

stören <strong>und</strong> zu einer großen makroskopischen<br />

Antwort des Systems führen, die z. B. für Sensorik oder<br />

Magnetoelektronik genutzt werden kann.<br />

Harte Nuss<br />

Die geistige Herausforderung, die das Verständnis dieser<br />

Phänomene stellt, wird deutlich, wenn man bedenkt,<br />

dass fast zwei Jahrzehnte nach der Entdeckung der<br />

Hochtemperatursupraleitung der Mechanismus dieses<br />

Phänomens, trotz intensivster Forschung von Tausenden<br />

von Wissenschaftlern weltweit, noch im Dunkeln<br />

liegt. Auch die Neutronenstreuung hat diese Nuss noch<br />

nicht geknackt. Sie hat jedoch harte quantitative experimentelle<br />

Fakten zu mikroskopischen Korrelationen<br />

<strong>und</strong> Fluktuationen von Gitter- <strong>und</strong> Spinfreiheitsgraden<br />

geliefert, an denen keine Theorie vorbeikommt <strong>und</strong><br />

die schwerlich mit anderen Methoden zugänglich sind.<br />

Beispiele hierfür sind:<br />

• die Bestimmung von struktureller Ordnung <strong>und</strong><br />

Fehlordnung: Die erste korrekte Strukturbestimmung<br />

an Hoch-T C<br />

Materialien wie YBa 2<br />

Cu 3<br />

O 7<br />

gelang<br />

mit Neutronenpulverdiffraktion. Die Cu-O-Ebenen<br />

wurden als das strukturelle Element identifi ziert, in<br />

dem der Ladungstransport stattfi ndet, eine essentielle<br />

Information für jede Modellierung. Im Vergleich<br />

zur Röntgenstrahlung sind Neutronen wesentlich<br />

empfi ndlicher auf die Position der relativ leichten<br />

Sauerstoffatome <strong>und</strong> können daher nicht nur die<br />

mittlere Struktur, sondern auch die Sauerstoffnahordnung<br />

bestimmen. Diese Information ist wichtig,<br />

um den Mechanismus der Ladungsdotierung der<br />

Äußere<br />

Felder /<br />

Parameter<br />

H<br />

EµTPd<br />

Hohe Empfindlichkeit<br />

Ladung<br />

Gitter<br />

wechselwirkende<br />

Freiheitsgrade<br />

Spin<br />

Orbital<br />

Komplexes kollektives<br />

Verhalten / neue<br />

Gr<strong>und</strong>zustände<br />

Ladungsordnung<br />

orbitale Ordnung<br />

Spinordnung<br />

Jahn-Teller Verzerrung<br />

Spin-Peierls Übergang<br />

Metall-Isolator Übergang<br />

Cooper Paare<br />

Orbital-/Spin-Flüssigkeit<br />

<br />

Neue Funktionalitäten<br />

Kolossaler Magnetowiderstand,<br />

Hochtemperatursupraleitung<br />

negative thermische<br />

Ausdehnung<br />

<br />

Kristallstruktur<br />

Phononen <strong>und</strong> Streifenordnung<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

k (r.l.u.)<br />

1<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0<br />

Magnetische<br />

Anregungen<br />

E=75 meV<br />

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1<br />

h (r.l.u.)<br />

Abb 2.27. Schematische Darstellung des empfindlichen Gleichgewichts zwischen verschiedenen Freiheitsgraden in<br />

korrelierten Elektronensystemen. Unter der Einwirkung äußerer Parameter werden vielfältige Quantenzustände <strong>und</strong> Funktionalitäten<br />

realisiert.<br />

Abb 2.28. Beispiele für wichtige Beiträge der Neutronenstreuung auf dem Gebiet der Hochtemperatursupraleitung.<br />

34 Korrelationen: korr. Elektronen 35


Cu-O-Ebenen zu verstehen, die wiederum direkt mit<br />

der Supraleitung verknüpft ist.<br />

• die Bestimmung von magnetischer Ordnung <strong>und</strong><br />

Fehlordnung als Funktion der Dotierung: In allen<br />

Hoch-T C<br />

-Materialien gibt es abhängig von der<br />

Dotierung eine Konkurrenz zwischen magnetischer<br />

Ordnung <strong>und</strong> Supraleitung, die nahe legt, dass beide<br />

Phänomene direkt verknüpft sind.<br />

• die Bestimmung der Phononendispersion: Während<br />

die konventionelle BCS-Theorie zur Erklärung des<br />

Phänomens der Hoch-T C<br />

-Supraleitung ausgeschlossen<br />

werden kann, geben Anomalien im Phononenspektrum<br />

Hinweise auf die Bedeutung von Gitterschwingungen.<br />

• die Vermessung der Magnonendispersion: Damit<br />

lassen sich magnetische Kopplungen in den Cu-O-<br />

Ebenen bestimmen, die wichtige Parameter sind für<br />

alle Modelle, die von magnetischen Kopplungsmechanismen<br />

ausgehen.<br />

• die Entdeckung von statischer <strong>und</strong> dynamischer Streifenordnung:<br />

Neutronenstreuung hat die nanoskalige<br />

Separation von Ladungen <strong>und</strong> Spinordnung im Sinne<br />

eines Selbstorganisationsprozesses nachgewiesen.<br />

Neuere Experimente suggerieren, dass diese so<br />

genannte Streifenordnung in Form dynamischer Fluktuationen<br />

auch in der supraleitenden Phase auftritt<br />

<strong>und</strong> haben zu Modellen Anlass gegeben, die diese<br />

dynamische Streifenordnung mit dem Mechanismus<br />

der Supraleitung verbinden.<br />

• die Entdeckung von magnetischen Fluktuationen<br />

im supraleitenden Zustand, die Hinweise für einen<br />

magnetischen Kopplungsmechanismus geben können.<br />

Ordnungsparameter<br />

Diese Erfolgsgeschichte der Neutronen setzt sich bei<br />

den dotierten Manganat-Perovskiten fort, die zusätzlich<br />

orbitale Ordnung zeigen (Abb. 2.29). Neutronen<br />

sind direkt oder indirekt auf alle relevanten Ordnungsparameter<br />

empfi ndlich, wodurch die komplexen<br />

Übergangsmetalloxide ein außergewöhnliches Labor<br />

im Nanomaßstab werden <strong>und</strong> uns einen Zugang zum<br />

Verständnis der elektronischen Korrelationen bieten.<br />

z<br />

O 2-<br />

Mn 4+<br />

Mn 3+<br />

Abb 2.29. Orbitales Polaron als Beispiel für eine lokale<br />

Ladungs- <strong>und</strong> Orbitalordnung in dotierten Manganaten.<br />

x<br />

y<br />

Quantendynamik in Spin-Eis<br />

Die Seltenerd-Verbindungen Holmium-Titan-Oxid <strong>und</strong><br />

Dysprosium-Titan-Oxid (chemische Zusammensetzung<br />

Ho 2<br />

Ti 2<br />

O 7<br />

<strong>und</strong> Dy 2<br />

Ti 2<br />

O 7<br />

) haben aufgr<strong>und</strong> außergewöhnlicher<br />

Eigenschaften, die bei tiefen Temperaturen<br />

zutage treten, in den letzten Jahren einige Berühmtheit<br />

erlangt. Diese Verbindungen werden einer Klasse von<br />

Substanzen zugerechnet, die als „topologisch frustrierte<br />

Magnete“ bezeichnet werden. Das sind Stoffe, bei<br />

denen einige Atome magnetische Momente besitzen<br />

(in diesem Falle Holmium oder Dysprosium), deren<br />

Wechselwirkungen aber durch ihre räumliche Anordnung<br />

(die durch die kristalline Struktur bedingt ist)<br />

beeinträchtigt werden. Da die magnetischen Wechselwirkungen<br />

nicht „in der gewohnten Weise“ wirken,<br />

entstehen hochkomplizierte <strong>und</strong> komplexe Situationen,<br />

in denen die Eigenschaften der Materialien sehr leicht<br />

durch äußere Parameter verändert werden können oder<br />

gänzlich durch andere Faktoren bedingt werden, die<br />

normalerweise eine untergeordnete Rolle spielen.<br />

Nicht ergodisch bei tiefer Temperatur<br />

Im vorliegenden Fall wurde man aufmerksam, nachdem<br />

die spezifi sche Wärme zwischen T=0,2 K <strong>und</strong> T=10 K<br />

gemessen <strong>und</strong> die Entropiedifferenz zwischen beiden<br />

Temperaturen bestimmt worden war. Es zeigte sich,<br />

dass diese Differenz nur 71 % des erwarteten Wertes<br />

betrug. Der Gr<strong>und</strong> dafür ist derselbe wie in Wasser-Eis<br />

(daher der Name Spin-Eis), wo dieser Effekt historisch<br />

zuerst beobachtet wurde, <strong>und</strong> lässt sich mit einer<br />

direkten räumlichen Analogie zwischen beiden Stoffen<br />

anschaulich machen. Der Gr<strong>und</strong>zustand bei tiefer Temperatur<br />

ist nicht eindeutig, sondern besitzt eine makroskopische<br />

Vielfalt der Größenordnung (3/2) N/2 , wobei N<br />

die Zahl der Atome in der Probe ist (≈ 10<br />

23 ). Mit den<br />

Worten der Thermodynamik gesagt: beide Stoffe sind<br />

bei tiefer Temperatur nicht ergodisch.<br />

Die Rolle der Neutronen<br />

Was trägt die Neutronenstreuung zu unserem Wissen<br />

über Spin-Eis bei Man gewinnt ein direktes Abbild<br />

der Anordnung der Atome <strong>und</strong> magnetischen Momente<br />

auf mikroskopischer Skala <strong>und</strong> kann den Nachweis<br />

der o. g. Thesen direkt führen (Abb. 2.30). In diesem<br />

Falle bedeutet das, dass die magnetischen Momente bei<br />

tiefer Temperatur keine regelmäßige langreichweitige<br />

Ordnung eingehen, wie man eigentlich erwarten würde<br />

(<strong>und</strong> was einem eindeutigen Gr<strong>und</strong>zustand entsprechen<br />

würde), sondern in einem chaotischen ungeordneten<br />

Muster einfrieren. Neutronenstreuung zeigt auch, wie<br />

der „Gefrierprozess“ mikroskopisch abläuft, wenn man<br />

die Probe abkühlt. Es zeigt sich, dass hier dynamische<br />

Tunnelprozesse auftreten, die rein quantentheoretischer<br />

Natur sind, jedoch bereits bei viel höherer Temperatur<br />

einsetzen als in anderen vergleichbaren Fällen.<br />

Neben den Cuprat-Hochtemperatursupraleitern gibt es<br />

viele andere Supraleiter, die nicht mit der BCS-Theorie<br />

der Elektron-Phonon-Kopplung verstanden werden<br />

können <strong>und</strong> bei denen man ein Wechselspiel zwischen<br />

Magnetismus <strong>und</strong> Supraleitung beobachtet, etwa<br />

CeCu 2<br />

Si 2<br />

oder Sr 2<br />

RuO 4<br />

. Auch hier sind Neutronenstreuexperimente<br />

zu magnetischen Anregungen ein Schlüssel<br />

zum Verständnis des supraleitenden Paarungsmechanismus.<br />

Abb 2.30. Schematische Darstellung der kubischen<br />

Elementarzelle von Spin-Eis bei tiefer Temperatur (im gefrorenen<br />

Zustand). Die Abbildung stellt die tetraedrische<br />

Koordination der nächsten SE-Nachbarn <strong>und</strong> eine mögliche<br />

Anordnung der magnetischen Momente (in jedem<br />

Tetraeder ist die Vektorsumme Null) dar. In benachbarten<br />

Elementarzellen haben die magnetischen Momente dieselben<br />

Positionen, sie sind aber anders ausgerichtet.<br />

36 Korrelationen: Spin-Eis 37


Der Orientierung von Wassermolekülen<br />

auf der Spur<br />

Wasser <strong>und</strong> Eis sind allgegenwärtige Erscheinungen.<br />

Es muss daher erstaunlich erscheinen, dass es sich<br />

bei Wasser <strong>und</strong> Eis um wissenschaftlich noch relativ<br />

unverstandene Systeme handelt. Die Orientierung der<br />

Wassermoleküle zueinander ist auf Gr<strong>und</strong> der Wasserstoffbrückenbindungen<br />

stark korreliert. Diese komplexe<br />

Korrelation führt zu großer struktureller Vielfalt<br />

Das Phasendiagramm von Eis ist mit einer Vielzahl<br />

von kristallinen Phasen übersät. Der letzte Eintrag ins<br />

Stammbuch lautet Eis XII (Abb. 2.31). Eis XII tritt<br />

gleich an zwei nicht überlappenden Stellen im Phasendiagramm<br />

auf. Die Entdeckung von Eis XII ist in<br />

beiden Fällen eine Leistung der elastischen Neutronenstreuung.<br />

In der Natur tritt Eis oft auch in nicht geordneter Form<br />

auf. Dies gilt insbesondere für Eis an Oberfl ächen oder<br />

in Poren. Ungeordnetes Eis kann aber auch im Volumen<br />

erzeugt werden. Zwei prominente Beispiele dafür sind<br />

das durch Aufdampfen von Wasserdampf produzierte<br />

niedrigdichte sowie das durch Kompression von normalem<br />

Eis erzeugte hochdichte amorphe Eis (Abb. 2.32).<br />

Eis im Weltraum liegt zu einem wesentlichen Teil in<br />

amorpher Form vor. Der Neutronenstreuung kommt bei<br />

der Bestimmung der Anordnung sowie Dynamik der<br />

Moleküle in amorphen Eisformen eine exklusive Rolle<br />

zu (Abb. 2.33). In jüngster Zeit konnten dabei insbesondere<br />

Umwandlungen von amorphen Zuständen detailliert<br />

charakterisiert werden. Eine Reihe theoretischer<br />

Abb 2.31. Das Wasserstoffbrückennetzwerk von Eis XII<br />

entlang der c-Achse. Die Entdeckung von Eis XII gelang<br />

mit Hilfe der Neutronendiffraktion.<br />

Ansätze sowie experimenteller Schlussfolgerungen<br />

wurde dabei als unzureichend identifi ziert. Neben ihrer<br />

Bedeutung für das gr<strong>und</strong>legende Verständnis ungeordneter<br />

Festkörper spielen diese Erkenntnisse beim<br />

Studium von Wasser in der Biologie <strong>und</strong> in den Geowissenschaften<br />

eine wichtige Rolle.<br />

Abb 2.32. Hochdichtes amorphes Eis HDA bei der Umwandlung<br />

in die niederdichte Modifikation LDA. Die starke<br />

Volumenausdehnung (ca. 15 %) führt zum Aufflocken.<br />

I(Q) [norm.]<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0,4<br />

0,3<br />

0,2<br />

0,1<br />

0<br />

0,3 0,4 0,5 0,6 -0,1<br />

vHDA<br />

HDA'<br />

LDA'<br />

HDA<br />

G() [willk. Einheiten]<br />

0 1 2 0 5<br />

10 15 20<br />

Q [Å -1 ]<br />

h [meV]<br />

Abb 2.33. Elastische (links) <strong>und</strong> inelastische (rechts) Streuintensität von verschiedenen amorphen Eismodifikationen. Die<br />

Gesamtheit der Neutronendaten lässt eine nahezu vollständige <strong>und</strong> einzigartige Charakterisierung auf atomarer Ebene zu.<br />

38 Korrelationen: Wassermoleküle 39


Eingeschränkte Dimensionalität<br />

Die moderne Materialpräparation kann gezielt Nanoteilchen<br />

<strong>und</strong> geordnete Nanostrukturen in 1, 2 <strong>und</strong> 3<br />

Dimensionen herstellen, sei dies durch gezielte Materialmodifikation<br />

mit physikalischen Verfahren wie<br />

Epitaxie oder Lithographie („top-down“) oder durch<br />

Selbstorganisation („bottom-up“). Die sich entwickelnde<br />

Nanotechnologie ist dabei, unsere Welt zu revolutionieren.<br />

Beispiele sind Kohlenstoff-Nanoröhrchen als<br />

Strukturmaterialien oder als elektrische Leiter, die ungewöhnlich<br />

hohe Stromdichten tragen können. Magnetische<br />

Nanostrukturen fi nden Verwendung als nichtfl üchtige<br />

Datenspeicher oder allgemeiner als Bauelemente<br />

der „Spintronik“. Darunter versteht man Informationsspeicherung,<br />

Informationstransport <strong>und</strong> Informationsverarbeitung,<br />

basierend auf dem Elektronenspin statt<br />

der Elektronenladung. Im Vergleich zu herkömmlichen<br />

elektronischen Bauelementen haben Spintronik-Elemente<br />

erhebliches Verbesserungspotential hinsichtlich<br />

Schnelligkeit, Miniaturisierbarkeit, Leistungsverbrauch<br />

<strong>und</strong> langfristig dem möglichen Einsatz in Quantencomputern.<br />

Nanomaterialien<br />

Die Eigenschaften von Nanomaterialien unterscheiden<br />

sich gr<strong>und</strong>sätzlich von denen des Volumenmaterials<br />

<strong>und</strong> sind durch die freien Ober- <strong>und</strong> Grenzflächen bzw.<br />

die enge Nachbarschaftsbeziehung zu angrenzenden<br />

Materialien bestimmt. Mit einem Verständnis der<br />

gr<strong>und</strong>legenden Effekte können gezielt künstliche Materialien<br />

mit ganz bestimmten, gewünschten Eigenschaften<br />

hergestellt werden. Ein Beispiel ist der Riesenmagn<br />

etowiderstandseffekt GMR, der in gekoppelten metallischen<br />

Schichtstrukturen auftritt. Dieser Effekt, der<br />

bei neugiergetriebener Gr<strong>und</strong>lagenforschung gef<strong>und</strong>en<br />

wurde, hat innerhalb von nur 10 Jahren die Datenspeicherung<br />

revolutioniert: alle Leseköpfe der Laufwerke<br />

heutiger Computer nutzen den GMR-Effekt!<br />

Offene Fragen sind zum Beispiel:<br />

• Welches sind die elektronischen, magnetischen <strong>und</strong><br />

mechanischen Eigenschaften von Nanosystemen<br />

aus vielen Komponenten, <strong>und</strong> wie können wir diese<br />

Eigenschaften vorhersagen<br />

• Können wir die Quantenzustände niederdimensionaler<br />

magnetischer Systeme verstehen<br />

• Welche neuartigen Phänomene resultieren aus der<br />

direkten Nachbarschaft verschiedener Materialien<br />

(„Proximity Effect“)<br />

• Welchen Einblick können wir in die Funktion biologischer<br />

Membranen erhalten Wie wird z. B. der<br />

selektive Stofftransport durch eine solche Membran<br />

realisiert<br />

• Wie können katalytische Prozesse an Oberflächen<br />

<strong>und</strong> Nanopartikeln systematisch optimiert werden<br />

• Wie verändert sich das Verhalten von Flüssigkeiten in<br />

Nanoporen <strong>und</strong> Nanokanälen<br />

Neutronen als Spione in der Nanowelt sind hervorragend<br />

geeignet, strukturelle <strong>und</strong> magnetische Ordnung<br />

<strong>und</strong> Wechselwirkungen in Nanostrukturen zu bestimmen,<br />

z. B. durch Streuung unter streifendem Einfall.<br />

Magnetismus von dünnen Schichten <strong>und</strong><br />

Nanostrukturen<br />

Fortschrittliche magnetische Materialien mit maßgeschneiderten<br />

Eigenschaften bestehen aus Nanostrukturen,<br />

die auf atomarem Maßstab gezielt aus ferromagnetischen,<br />

antiferromagnetischen <strong>und</strong> nichtmagnetischen<br />

Bestandteilen aufgebaut sind. Die Entwicklung dieser<br />

Materialien wird getrieben durch die zahlreichen Anwendungen<br />

in der modernen Informationstechnologie<br />

<strong>und</strong> der Forderung nach immer kleineren magnetischen<br />

Elementen zur Speicherung oder Verarbeitung von<br />

Information. Bezüglich der Gr<strong>und</strong>lagenforschung verursacht<br />

der für Nanostrukturen charakteristische große<br />

Anteil von Ober- <strong>und</strong> Grenzflächen neue <strong>und</strong> faszinierende<br />

Phänomene im Magnetismus, die eine Herausforderung<br />

für unser gr<strong>und</strong>legendes Verständnis darstellen.<br />

Experimente mit polarisierten Neutronen gestatten uns<br />

einzigartige Einblicke in solche Nanostrukturen <strong>und</strong><br />

tragen entscheidend zum besseren Verständnis des Magnetismus<br />

auf der Nanometerskala bei (s. Abb. 2.34).<br />

Magnetische Dünnschichtsysteme<br />

In den Neunziger Jahren des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts wurden<br />

an magnetischen Vielfachschichten einige Phänomene<br />

entdeckt, die innerhalb weniger Jahre die Informationstechnologie<br />

revolutionierten <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>lage<br />

legten für das neue Gebiet der „Spintronik“. Dazu<br />

gehören die Kopplung ferromagnetischer Lagen durch<br />

nichtmagnetische Zwischenschichten („Zwischenschichtkopplung“),<br />

die starke Änderung des elektrischen<br />

Widerstands im externen Magnetfeld („Riesenma<br />

gnetowiderstandseffekt“) <strong>und</strong> die gegenseitige magnetische<br />

Beeinflussung benachbarter Schichten („Proximity<br />

Effekte“). Als aktuelles Beispiel sei der so genannte<br />

„Exchange Bias Effekt“ vorgestellt. Es handelt sich<br />

dabei um eine Anisotropie, die genau eine Richtung<br />

auszeichnet <strong>und</strong> die in einer ferromagnetischen Schicht<br />

durch quantenmechanische Austauschkopplung an eine<br />

antiferromagnetische Schicht induziert wird. Dadurch<br />

kommt eine Vorzugsrichtung der Magnetisierung<br />

zustande, die viele Anwendungen von Dünnschicht-<br />

systemen in der Sensorik erst ermöglicht hat. Solche<br />

Sensoren bestehen aus mehreren Lagen verschiedener<br />

magnetischer Materialien. Leistungsfähige Untersuchungsmethoden<br />

sollten es gestatten, die magnetischen<br />

Eigenschaften tiefenaufgelöst bestimmen zu können.<br />

Die Streuung polarisierter Neutronen unter streifendem<br />

Einfall hat einen entscheidenden Vorteil vor vielen<br />

anderen Methoden: sie erlaubt es, sowohl den Wert als<br />

auch die Richtung der mittleren Magnetisierung aller<br />

Schichten eines solchen Stapels einzeln zu bestimmen<br />

<strong>und</strong> darüber hinaus lokale Abweichungen von dem<br />

Mittelwert tiefenaufgelöst zu beobachten. Damit kann<br />

etwa ein Ummagnetisierungsprozess beim Richtungswechsel<br />

des äußeren Felds im Detail verfolgt werden.<br />

Bei den „Exchange Bias“-Systemen wird in einigen<br />

Fällen Domänenbildung <strong>und</strong> Domänenwachstum beobachtet,<br />

in anderen Fällen eine kohärente Drehung der<br />

Gesamtmagnetisierung. Mit Hilfe von systematischen<br />

Neutronenreflektometrie-Untersuchungen konnte ein<br />

detailliertes Verständnis erzielt werden, das es gestattet,<br />

Vorhersagen über den Ummagnetisierungsprozess zu<br />

machen, um damit Schaltzeiten <strong>und</strong> Reproduzierbarkeit<br />

zu verbessern.<br />

f<br />

[mrad]<br />

f<br />

[mrad]<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

I++<br />

0 20 40 60 80<br />

0 20 40 60 80<br />

i<br />

[mrad ]<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

I− −<br />

0 20 40 60 80<br />

I+− I− +<br />

Lateral strukturierte Schichtsysteme<br />

<strong>und</strong> Nanostrukturen<br />

Während magnetische Dünnschichtsysteme nur entlang<br />

einer Richtung nanostrukturiert sind, können durch<br />

lithographische Verfahren oder durch Selbstorganisation<br />

zwei- <strong>und</strong> dreidimensionale reguläre Anordnungen<br />

von magnetischen Nanopartikeln erzeugt werden. Diese<br />

Systeme finden Anwendung in der magnetischen Datenspeicherung<br />

<strong>und</strong> lassen neue Effekte aufgr<strong>und</strong> zusätzlicher<br />

Quantisierungsbedingungen erwarten. Bisher existieren<br />

keine wirklich leistungsfähigen Messmethoden,<br />

um so wichtige Informationen wie die Verteilung der<br />

Magnetisierung innerhalb der einzelnen Nanopartikel<br />

oder die magnetischen Korrelationen zwischen den<br />

Partikeln experimentell zugänglich zu machen. Das Potential<br />

der Neutronenstreuung konnte durch Kleinwinkelstreuung<br />

an Ferrofl uiden magnetischer Nanopartikel<br />

bereits eindrucksvoll aufgezeigt werden (s. Abb. 2.35).<br />

Zurzeit wird an verschiedenen Stellen eine neue Technik,<br />

die Kleinwinkelstreuung polarisierter Neutronen<br />

unter streifendem Einfall, entwickelt. Es zeichnet sich<br />

ab, dass mit dieser Methode ein Durchbruch bei der<br />

experimentellen Untersuchung von geordneten zweidimensionalen<br />

Nanostrukturen auf der Subnanometerskala<br />

erzielt werden wird (s. Abb. 2.34).<br />

0 20 40 60 80<br />

i<br />

[mrad ]<br />

Abb. 2.34. Neutronenstreuung<br />

unter streifendem Einfall an einem<br />

polykristallinen magnetischen<br />

Vielschichtsystem. Gezeigt ist die<br />

Streuung in allen vier Polarisationskanälen<br />

als Funktion von Einfalls-<br />

( <br />

) <strong>und</strong> Ausfallswinkel ( <br />

). Die<br />

Intensität auf den Diagonalen gibt<br />

Information über die mittlere Magnetisierung<br />

der Schichten, während<br />

die diffuse Streuung neben den<br />

Diagonalen Information über Domänenstrukturen<br />

liefert. In jedem<br />

Teilbild sind experimentelle Daten<br />

(links oberhalb der Diagonalen) mit<br />

der Theorie (rechts unterhalb der<br />

Diagonalen) verglichen.<br />

Eingeschränkte Dimensionalität:<br />

40 41<br />

Nanomagnetismus


I(+)<br />

I(+)+I(-)<br />

X<br />

I(-)<br />

I(+)-I(-)<br />

Methode der Wahl<br />

Neutronenstreuung ist die Methode der Wahl – ja oft<br />

sogar konkurrenzlos die einzige Methode – um atomarmikroskopische<br />

Information über den Magnetismus<br />

dieser Verbindungen zu erhalten, die direkt mit ab-initio<br />

Rechnungen verglichen werden kann. Ursprünglich<br />

liegen die Substanzen oft in polykristalliner Form vor.<br />

Dann erlaubt nur die Neutronenstreuung eine magnetische<br />

Strukturbestimmung, die Gr<strong>und</strong>lage jeder weiteren<br />

Untersuchung ist (s. Abb. 2.36). Bei rein organischen<br />

Molekülen erhebt sich die ganz gr<strong>und</strong>sätzliche Frage,<br />

wo die ungepaarten Elektronen lokalisiert sind. Nur mit<br />

der Streuung polarisierter Neutronen kann diese Frage<br />

quantitativ beantwortet werden, indem die Spindichteverteilung<br />

bestimmt wird (s. Abb. 2.37).<br />

Abb 2.37. Strukturformel<br />

<strong>und</strong> projizierte<br />

Spindichteverteilung<br />

eines rein organischen<br />

molekularen Magneten.<br />

<br />

Å-Konturlinien<br />

X<br />

Abb 2.35. Kleinwinkelstreuung polarisierter Neutronen<br />

an Ferrofluiden aus Co-Nanoteilchen (oben: Polarisation<br />

parallel <strong>und</strong> antiparallel zum horizontalen Magnetfeld;<br />

unten: Intensitätsverteilung im unpolarisierten Strahl <strong>und</strong><br />

Interferenzterm aus Kern- <strong>und</strong> magnetischer Streuung).<br />

Die scharfen Reflexe belegen eine hexagonale Nahordnung<br />

der Co-Teilchen.<br />

Molekularer Magnetismus<br />

Die Bezeichnung „Molekularer Magnetismus“ steht für<br />

ein neues interdisziplinäres Forschungsgebiet, bei dem<br />

Methoden der molekularen Chemie genutzt werden,<br />

um neue Klassen von magnetischen Materialien zu<br />

entwickeln <strong>und</strong> zu synthetisieren. Dabei kann es sich<br />

um rein organische Materialien handeln, die Bindungen<br />

mit ungepaarten Elektronen enthalten, oder um<br />

metall-organische Komplexverbindungen, bei denen<br />

organische Liganden effektive Austauschpfade für<br />

Übergangsmetallionen bereitstellen. Der Reiz dieser<br />

neuen Klasse magnetischer Materialien liegt darin, dass<br />

es die moderne Chemie gestattet, aus völlig identischen<br />

molekularen Bausteinen Materialien mit verschiedenen<br />

Topologien herzustellen, von nulldimensionalen<br />

Objekten, etwa Dimeren, über eindimensionale Ketten<br />

bis hin zu zwei- <strong>und</strong> dreidimensionalen Netzwerken.<br />

Laut einer VDI-Studie zur Technologiefrüherkennung<br />

aus dem Jahr 1999 haben diese neuen Werkstoffe aus<br />

dem Grenzbereich von Festkörperphysik <strong>und</strong> supramolekularer<br />

Chemie ein enormes Anwendungspotential.<br />

So könnten etwa in Zukunft Austausch-gekoppelte<br />

zweidimensionale Netzwerke molekularer Magnete auf<br />

Substraten in der Quanteninformationsverarbeitung<br />

eine wesentliche Rolle spielen.<br />

Fe 4,4’-bpy N 3<br />

c<br />

a<br />

a<br />

a<br />

F<br />

= 0,7<br />

Abb 2.36. Kristall <strong>und</strong> Magnet- Struktur eines chiralen<br />

molekularen Magneten Fe(N 3<br />

) 2<br />

(4,4’-bpy), der eine ausgeprägte<br />

Kantung der magnetischen Momente aufweist.<br />

B<br />

Schließlich lassen sich mit inelastischer Neutronenspektroskopie<br />

die Wechselwirkungsparameter (Anisotropie,<br />

Austausch) absolut bestimmen. Damit legt die<br />

Neutronenstreuung die Gr<strong>und</strong>lage für ein detailliertes<br />

mikroskopisches Verständnis dieser aufregenden Materialklasse<br />

<strong>und</strong> kann den Weg zu möglichen Anwendungen<br />

ebnen.<br />

Molekülstruktur Anregungsspektren Energieschema<br />

Neutroneninstensität<br />

0,4<br />

0,2<br />

-5<br />

2,10 1 cm 3,10-5 cm 1<br />

-5<br />

4,10 cm 1<br />

0,0<br />

-0,5 0,0 0,5<br />

0,0<br />

-0,5 0,0<br />

0,0<br />

0,5 -0,5 0,0 0,5<br />

1,0<br />

0,5<br />

T=23,8K<br />

0,4<br />

0,2<br />

4<br />

-5<br />

B 3,10 cm -1<br />

4 = h (meV)<br />

0,0<br />

-1,4 -1,0 -0,6 -0,2 0,2 0,6 1,0 1,4<br />

Abb 2.38. Beispiel für die Bestimmung von Wechselwirkungsparametern mit Hilfe von inelastischer Neutronenstreuung<br />

am Mn 12<br />

-Acetat.<br />

0,4<br />

0,2<br />

Energie<br />

M-Werte<br />

Eingeschränkte Dimensionalität:<br />

42 43<br />

Molekularer Magnetismus


Blick in das Innere von Nanoröhren<br />

Die Entdeckung, dass Kohlenstoffatome unter geeigneten<br />

Bedingungen durch Selbstorganisation eine Vielzahl<br />

höchst komplexer Strukturen ausbilden, kann als<br />

Ursprung der modernen Nanowissenschaften angesehen<br />

werden. Das wohl bekannteste Kohlenstoffmolekül ist<br />

das Fulleren C 60<br />

(s. Abb. 2.39). C 60<br />

hat die Form eines<br />

miniaturisierten Fußballs mit nur einem Nanometer<br />

Durchmesser. Neben C 60<br />

haben vor allem Kohlenstoffnanoröhren<br />

besonderes Interesse ausgelöst. Sie besitzen<br />

ganz außergewöhnliche mechanische <strong>und</strong> elektronische<br />

Eigenschaften. Mögliche Anwendungen reichen<br />

von hochfesten Werkstoffen bis zu Flachbildschirmen.<br />

Neutronenstreuung ist für die Charakterisierung von<br />

Nanoröhren eine hervorragend geeignete Sonde. Diffraktion<br />

<strong>und</strong> Spektroskopie erlauben es, die Strukturen<br />

<strong>und</strong> Bewegungen von Fullerenen <strong>und</strong> Nanoröhren bis<br />

ins Detail <strong>und</strong> unter verschiedensten Bedingungen zu<br />

studieren. Ein besonders schönes Beispiel sind Peapods.<br />

Führt man C 60<br />

-Moleküle in die Nanoröhren ein, so reihen<br />

sie sich wie Erbsenkörner auf. Mit der Neutronenstreuung<br />

ist es möglich, die Bewegung der C 60<br />

-Moleküle<br />

<strong>und</strong> damit ihr Bindungsverhalten in den Röhren zu<br />

beobachten (s. Abb. 2.40). Im Gegensatz zu Laserlicht,<br />

das bei der Ramanstreuung verwendet wird <strong>und</strong> zur Polymerisierung<br />

der C 60<br />

-Moleküle führen kann, greift der<br />

Neutronenbeschuss nicht störend in das System ein. Die<br />

genaue Kenntnis des Bindungsverhaltens ist unabdingbar<br />

für die Voraussage physikalischer Eigenschaften,<br />

wie z. B. möglicher Supraleitung, <strong>und</strong> damit technischer<br />

Anwendungen.<br />

Abb 2.39. Geometrie einer typischen Kohlenstoffnanoröhre<br />

(links hinten) im Vergleich zu den mit C 60<br />

gefüllten<br />

Peapods (rechts). Neutrondiffraktion <strong>und</strong> Neutronenspektroskopie<br />

geben Aufschluss über die Position <strong>und</strong><br />

Bewegung der konstituierenden Atome. Vorne links:<br />

Kristallstruktur der C 60<br />

-Moleküle.<br />

GDOS (willkürliche Einheiten)<br />

0 50 100 150<br />

E (meV)<br />

Abb 2.40. Verteilung der Schwingungsmoden für<br />

(a: oben) Peadpods, d.h. mit C 60<br />

-Molekülen gefüllte Nanoröhren<br />

(a: Mitte) leere Nanoröhren<br />

(a: unten) Anteil der eingeschlossenen C 60<br />

-Moleküle.<br />

(b) Berechnetes Spektrum für isolierte Moleküle<br />

Beispiele für heterogene Katalyse mit<br />

Neutronen<br />

Eine Vielzahl chemischer Prozesse beruht auf katalytischen<br />

Umsetzungen. Heterogene Katalyse, bei der Katalysator<br />

<strong>und</strong> Reaktanden in unterschiedlichen Aggregatzuständen<br />

vorliegen, wurde verschiedentlich durch<br />

Neutronenstreuung untersucht. Im Folgenden sollen drei<br />

Beispiele für den erfolgreichen Einsatz von Neutronen<br />

vorgestellt werden:<br />

Umsatz organischer Moleküle in den<br />

Hohlräumen von Zeolithen<br />

Zeolithe sind Alumosilikate, die eine Gerüststruktur<br />

mit Hohlräumen aufweisen, die eine Einlagerung von<br />

organischen Molekülen erlauben. Großtechnisch eingesetzt<br />

werden synthetische Zeolithmaterialien in der<br />

Erdölchemie für Crackprozesse langkettiger Kohlenwasserstoffe.<br />

Auch für Feinchemikalien fanden die Zeolithe Anwendung.<br />

Abb. 2.41 zeigt die Einlagerung eines aromatischen<br />

Moleküls in den Hohlraum des Zeolithen Y.<br />

Gut erkennbar ist die Wechselwirkung zwischen dem<br />

Metallatom <strong>und</strong> dem eingelagerten Molekül. Durch den<br />

gezielten Austausch der Metallatome lassen sich die Eigenschaften<br />

für einzelne Synthesen optimieren. Neben<br />

der Lokalisierung der Moleküle durch Diffraktion lässt<br />

a<br />

b<br />

Abb 2.41. Die Einlagerung eines organischen Moleküls<br />

in den Hohlraum des Zeolithen Y zeigt die Wechselwirkung<br />

mit dem Alumosilikatgerüst.<br />

sich auch die Dynamik der Moleküle durch inelastische<br />

bzw. quasielastische Streuprozesse untersuchen. Neutronen<br />

haben hier erhebliche Vorteile durch das hohe<br />

Streuvermögen des Wasserstoffs <strong>und</strong> die Möglichkeit<br />

der gezielten Deuterierung.<br />

Anlagerung von Kohlenwasserstoffen an<br />

Metalle<br />

Oberfl ächen von Edelmetallen wie Platin <strong>und</strong> Palladium<br />

sind von besonderer Bedeutung für katalytische Anwendungen.<br />

Durch Methoden der Oberflächenanalytik<br />

(Photoemissionsspektroskopie, Röntgen) konnten<br />

wichtige Informationen zur Änderung der Oberfl äche<br />

bei der Reaktion gewonnen werden. Nicht zugänglich<br />

ist dabei aber die Art der Anlagerung von Reaktanden.<br />

Durch inelastische Neutronenstreuung konnte die<br />

Anordnung von Methylgruppen auf einer Palladium-<br />

Oberfl äche nachgewiesen werden. Abb. 2.42 gibt einen<br />

Eindruck wieder, wie die Bindung zwischen einzelnen<br />

Pd-Atomen <strong>und</strong> dem Kohlenstoffatom aussieht (Firma<br />

Degussa/Umicore).<br />

Ähnliche Untersuchungen der Anlagerung von Wasserstoff<br />

auf Platin bzw. Platin/Ruthenium Partikeln, die in<br />

Brennstoffzellen eingesetzt werden, wurden ebenfalls<br />

durchgeführt. Die katalytisch aktiven nanokristallinen<br />

Metallpartikel waren dabei auf Kohlenstoff aufgebracht.<br />

Gleichzeitig ließ sich dabei auch die partielle<br />

Oxidation bzw. die Bildung von Pt-OH-Teilchen nachweisen.<br />

Abb 2.42. Anlagerung von CH 3<br />

-Gruppen auf eine<br />

Palladium-Oberfläche.<br />

Brennstoffzellen<br />

Niedertemperaturbrennstoffzellen werden als Alternative<br />

zu Kohlenwasserstoffen als Fahrzeugantrieb<br />

intensiv untersucht. Eine der offenen Fragen vor einem<br />

Einsatz der Polymerelektrolytbrennstoffzellen (PEM)<br />

ist der Durchtritt von Wasser durch die Polymermembran,<br />

die für ihr Funktionieren feucht gehalten werden<br />

muss. Während Änderungen des Metallkatalysators<br />

durch Röntgenabsorptionsmessungen in-situ verfolgt<br />

werden können, lässt sich der Wasserhaushalt durch<br />

direkte Bildgebungsverfahren durch Neutronen verfolgen,<br />

die das Streuvermögen des Wasserstoffs ausnutzen.<br />

Durch Tomographie konnte so der Wassergehalt einer<br />

gesamten Zelle rekonstruiert werden (s. Abb. 2.43).<br />

Die Untersuchungen katalytischer Prozesse mit Neutronen<br />

haben noch erhebliches Potential.<br />

Abb 2.43. Wasserverteilung in einer PEM-Brennstoffzelle.<br />

Eingeschränkte Dimensionalität:<br />

44 45<br />

Nanoröhren / Katalyse


Teilchen- <strong>und</strong> Hadronenphysik<br />

mit langsamen Neutronen<br />

Teilchen- <strong>und</strong> Kernphysik mit langsamen Neutronen liefern<br />

wesentliche Beiträge zum Verständnis der materiellen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen unserer Existenz. Die Fragestellungen<br />

reichen dabei von den f<strong>und</strong>amentalen Wechselwirkungen<br />

bis hin zur Entstehung der Elemente im Urknall<br />

<strong>und</strong> in Supernovaexplosionen. Neutronen werden dazu<br />

einerseits als Studienobjekt verwendet, andererseits als<br />

Sonde in Kernreaktionen <strong>und</strong> Streuprozessen.<br />

An den Grenzen des Standardmodells<br />

Hauptziel der Teilchenphysik ist es, alle Kräfte der<br />

Natur aus einem vereinigenden Symmetrieprinzip abzuleiten,<br />

was zur theoretischen Vorhersage neuer Teilchen<br />

führt. In der Hochenergiephysik wird versucht, diese<br />

Teilchen direkt zu erzeugen. In komplementären Präzisionsexperimenten<br />

bei niedriger Energie sucht man<br />

hingegen nach kleinsten Verletzungen gr<strong>und</strong>legender<br />

Symmetrien als experimentelle Signatur neuer Physik.<br />

Exemplarisch für diesen Ansatz in Experimenten mit<br />

langsamen Neutronen zur Teilchenphysik steht die<br />

Suche nach einem nicht verschwindenden elektrischen<br />

Dipolmoment des Neutrons. Die während der letzten<br />

50 Jahre stetig vorangetriebenen Verbesserungen haben<br />

jetzt eine Empfi ndlichkeit von 10 -23 eV auf die Wechselwirkungsenergie<br />

des Neutrons mit externen Feldern<br />

erreicht. Als Frequenz ausgedrückt entspricht dies<br />

wenigen Spinpräzessionen pro Jahr. Diese Suche hat<br />

bislang mehr theoretische Szenarien zur Erweiterung<br />

des Standardmodells ausgeschlossen als jedes andere<br />

Experiment. Die große Bedeutung der Messgröße<br />

besteht darin, dass sie die Symmetrie f<strong>und</strong>amentaler<br />

Wechselwirkungen zwischen Materie <strong>und</strong> Antimaterie<br />

verletzt, die sogenannte CP-Symmetrie. In der Teilchenphysik<br />

mit Beschleunigern konnten derartige Prozesse<br />

für neutrale Kaonen <strong>und</strong> B-Mesonen identifiziert werden.<br />

Die Stärke der darin gef<strong>und</strong>enen CP-Verletzung<br />

genügt jedoch nicht zur Beantwortung der Frage, warum<br />

man im Universum so viel Materie fi ndet <strong>und</strong> nicht<br />

ein Großteil davon kurz nach der Geburt des Universums<br />

mit Antimaterie zerstrahlt ist. Zur Lösung dieses<br />

kosmologischen Rätsels wird eine weitaus größere<br />

CP-Verletzung benötigt als bislang beobachtet.<br />

Zeitumkehr<br />

Über ein gr<strong>und</strong>legendes Theorem der Teilchenphysik<br />

entspricht die CP-Verletzung auch einer Verletzung<br />

der Symmetrie f<strong>und</strong>amentaler Prozesse bezüglich der<br />

Richtung der Zeit, der sogenannten Zeitumkehr- oder<br />

T-Invarianz. Neben dem elektrischen Dipolmoment<br />

bieten langsame Neutronen zur Suche nach derartigen<br />

Prozessen eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten:<br />

untersucht werden zwei T-verletzende Observablen<br />

im Zerfall freier Neutronen sowie Observablen in<br />

Neutronen-induzierten Kernreaktionen <strong>und</strong> in der<br />

Neutronenoptik. Kennzeichnend ist, dass die verschiedenen<br />

Messgrößen unterschiedliche Mechanismen<br />

der T-Verletzung testen. Damit sind sie nicht nur zur<br />

Hochenergiephysik, sondern auch untereinander, komplementär.<br />

Ursprung der Elemente<br />

Während Experimente zur Verletzung der Zeitumkehrinvarianz<br />

auf Eigenschaften f<strong>und</strong>amentaler Wechselwirkungen<br />

noch vor Ablauf der ersten Mikrosek<strong>und</strong>e<br />

nach dem Urknall empfi ndlich sind, können Neutronen<br />

auch auf die Frage nach dem Ursprung der chemischen<br />

Elemente wesentliche Beiträge liefern. Auch hierfür<br />

stehen sehr vielfältige Observablen zur Verfügung.<br />

Eine Schlüsselgröße zum Verständnis der relativen<br />

Häufi gkeiten der leichten Elemente nach dem Urknall<br />

ist die Lebensdauer des freien Neutrons, das sich durch<br />

radioaktiven Zerfall in ein Proton, ein Elektron <strong>und</strong> ein<br />

Antineutrino umwandelt. Sie bestimmt die Stärke der<br />

schwachen Prozesse. Nach etwa einer Sek<strong>und</strong>e konnte<br />

in der Ursuppe das thermische Gleichgewicht zwischen<br />

Neutronen <strong>und</strong> Protonen durch schwache Prozesse nicht<br />

mehr aufrecht erhalten werden. Neutronen begannen<br />

frei zu zerfallen, verb<strong>und</strong>en mit einer Nettoerzeugung<br />

von Protonen. Diese kam erst nach etwa drei Minuten<br />

zum Stillstand, als die Temperatur des Universums so<br />

weit abgesunken war, dass das Deuteron nicht länger<br />

durch energiereiche Photonen dissoziiert - <strong>und</strong> damit<br />

zu einem stabilen Atomkern - wurde. Beobachtungen<br />

primordialer Elementhäufi gkeiten <strong>und</strong> Simulationen der<br />

Elemententstehung in der Frühzeit des Universums sind<br />

mittlerweile derart genau, dass genauere Messungen<br />

der Neutronenlebensdauer sowie einiger Reaktionsquerschnitte<br />

benötigt werden.<br />

Schwache Wechselwirkung<br />

Die Bildung von Deuterium <strong>und</strong> schwereren Elementen<br />

im normalen Brennvorgang in Sternen wird durch die<br />

Kopplungskonstanten der schwachen Wechselwirkung<br />

des Nukleons bestimmt, die man mit Hilfe weiterer<br />

Observablen im Neutronzerfall misst. Die Produktion<br />

von Elementen schwerer als Eisen ist durch Fusionsprozesse<br />

nicht möglich, sondern geschieht in Supernovaexplosionen<br />

<strong>und</strong> anderen kosmischen Katastrophen<br />

durch eine Reaktionskette aus sukzessiven Neutroneneinfängen<br />

<strong>und</strong> Betazerfällen. Die relativen Häufi gkeiten<br />

der verschiedenen Elemente hängen dabei auch von<br />

Einfangsquerschnitten <strong>und</strong> Betazerfallszeiten extrem<br />

neutronenreicher Kerne ab, die mittels Kernspektroskopie<br />

von Fragmenten aus der Kernspaltung untersucht<br />

werden können. Diese Studien treffen auf theoretische<br />

Bemühungen, zu einer einheitlichen Beschreibung der<br />

Kernphysik als eine effektive Feldtheorie auf Gr<strong>und</strong>lage<br />

der f<strong>und</strong>amentalen starken Wechselwirkung zu gelangen.<br />

Damit sollen modellunabhängige Vorhersagen der<br />

Eigenschaften auch bislang noch unerforschter exotischer<br />

Kerne ermöglicht werden. Zur weiteren Entwicklung<br />

- <strong>und</strong> zum Test dieser theoretischen Ansätze<br />

- werden auch verbesserte Präzisionsmessungen an<br />

neutroneninduzierten Reaktionen in Systemen weniger<br />

Nukleonen benötigt.<br />

Phasenübergänge des Universums<br />

<strong>und</strong> Messgrößen von Neutronenexperimenten<br />

Temperatur<br />

10 19 GeV<br />

10 -11 GeV<br />

Neue Physik<br />

<br />

Planck<br />

EDM<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

--GUTs--<br />

<br />

Standardmodell<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Inflation<br />

<br />

<br />

Elektroschwacher<br />

Chiraler Übergang <br />

<br />

<br />

Ausfrieren v. Neutron + Proton<br />

Atomkernausfrieren<br />

10 -43 s 10 -35 s 10 -12 s 1 s 10 5 a 10 9 a heute<br />

Zeit<br />

<br />

Atomares Ausfrieren<br />

Galaktisches Ausfrieren<br />

Abb 2.44. Phasenübergänge des Universums über einer Zeitskala beginnend mit dem Urknall. Markiert sind Observablen,<br />

die durch Experimente mit Neutronen gewonnen werden können.<br />

46 Teilchen- <strong>und</strong> Hadronenphysik 47


Ausstrahlung der Forschung mit Neutronen<br />

in unser tägliches Leben<br />

48<br />

49


Das immer raschere Umsetzen wissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse in Verfahren <strong>und</strong> Produkte des täglichen<br />

Lebens prägt unsere Zivilisation <strong>und</strong> ist Motor des<br />

Fortschritts. Dass dabei Neutronen als einzigartige<br />

<strong>und</strong> für viele Fragestellungen unverzichtbare<br />

Sonden zur Untersuchung von Materialien eine<br />

wichtige Rolle spielen, ist nicht überraschend, <strong>und</strong><br />

es ist klar zu sehen, dass ihre Bedeutung mit dem<br />

Vordringen wissenschaftlicher Methoden in immer<br />

mehr Bereiche des täglichen Lebens noch zunehmen<br />

wird. Die Forschung mit Neutronen strahlt schon<br />

jetzt auf viele unterschiedliche Gebiete des täglichen<br />

Lebens aus. Neutronen dienen dabei nicht nur zur<br />

Analyse von Materialeigenschaften, sondern – über<br />

Kernreaktionen – auch zur Materialmodifi kation.<br />

Einige Beispiele aus den Gebieten Kommunikation<br />

<strong>und</strong> Informationstechnologie, Mobilität, Energie <strong>und</strong><br />

Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit sowie kulturelles Erbe sollen diese<br />

Bedeutung der Neutronenforschung belegen.<br />

Kommunikation <strong>und</strong><br />

Informationstechnologie<br />

Überall im täglichen Leben begegnen uns magnetische<br />

Medien zur Datenspeicherung. Die enormen Fortschritte<br />

in Speicherdichte <strong>und</strong> Geschwindigkeit beim<br />

Aufzeichnen <strong>und</strong> Auslesen <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Miniaturisierung der Speichermedien wären ohne<br />

intensive Gr<strong>und</strong>lagenforschung nicht möglich gewesen.<br />

Neutronen als kleine „Elementarmagnete“ sind die idealen<br />

Sonden zur Erforschung magnetischer Eigenschaften<br />

von Materialien auf mikroskopischer Skala. Nahezu<br />

alles, was wir heute über Ordnung <strong>und</strong> Dynamik der<br />

magnetischen Momente in Materialien <strong>und</strong> die Änderung<br />

magnetischer Strukturen durch äußere Einfl üsse<br />

sicher wissen, beruht auf Ergebnissen von Neutronenstreuexperimenten.<br />

Spintronik<br />

Welche Entwicklungen in der Informationstechnologie<br />

wurden in der letzten Zeit durch Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

ermöglicht Die Entdeckung des GMR-Effektes<br />

(Riesenmagnetowiderstand) durch Grünberg et al. <strong>und</strong><br />

Fert et al. im Jahre 1988 hat das Gebiet der Spintronik<br />

begründet. Speicherung, Transport <strong>und</strong> Verarbeitung<br />

von Information unter Ausnutzung der Abhängigkeit<br />

elektrischer Transporteigenschaften vom Elektronenspin<br />

ermöglicht erheblich schnellere, leistungseffi zientere<br />

<strong>und</strong> kleinere Bauelemente. Bei der Entdeckung<br />

dieses Effekts hat die Neutronenstreuung zwar keine<br />

Rolle gespielt. Jedoch war umfangreiche Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

zur technischen Realisierung der Bauelemente,<br />

die auf diesem Effekt basieren, unabdingbar, <strong>und</strong><br />

hier haben Neutronen entscheidende Beiträge geliefert.<br />

Zur Optimierung von Bauteilen müssen die magnetischen<br />

Eigenschaften unterschiedlichster Materialien<br />

<strong>und</strong> Materialkombinationen im Detail untersucht<br />

<strong>und</strong> verstanden werden. Bei den Paketen aus dünnen<br />

Schichten – typische Bauelemente der Spintronik - sind<br />

es insbesondere auch strukturelle <strong>und</strong> magnetische<br />

Rauigkeiten in den Grenzschichten, die das Verhalten<br />

der Bauelemente stark beeinfl ussen können. Sehr bald<br />

nach seiner Entdeckung wurde der GMR-Effekt zusammen<br />

mit dem Exchange-Bias-Effekt, einem weiteren<br />

an Dünnschichtpaketen zu beobachtenden Effekt, zum<br />

Bau empfi ndlicher Festplattenleseköpfe ausgenutzt.<br />

Durch den Einsatz dieser neuen Leseköpfe ließen sich<br />

die nutzbaren Speicherdichten von Festplatten in kurzer<br />

Zeit um den Faktor 10 steigern.<br />

Magnetische Speicher<br />

Noch am Anfang steht eine Entwicklung hin zu noch<br />

dichteren Magnetspeichern, bei denen die Magnetisierung<br />

des Materials nicht mit einem äußeren Magnetfeld,<br />

sondern mit anderen Mitteln, beeinfl usst wird.<br />

Ergebnisse der Gr<strong>und</strong>lagenforschung mit Neutronen<br />

erlauben erste Einblicke, wie erfolgversprechende<br />

Systeme funktionieren könnten. Eine aussichtsreiche<br />

Materialklasse stellen die ferromagnetischen<br />

Ferroelektrika (Multiferroika) dar, in denen durch ein<br />

äußeres elektrisches Feld reversibel ferromagnetische<br />

Ordnung in einem Kristall an- <strong>und</strong> abgeschaltet werden<br />

kann. Vor kurzem wurde mit Neutronenstreuung am<br />

System HoMnO 3<br />

im Detail der dafür verantwortliche<br />

Mechanismus aufgeklärt.<br />

Silizium<br />

Bei all diesen Entwicklungen auf dem Gebiet der magnetischen<br />

Speichermedien soll nicht vergessen werden,<br />

dass Neutronen auch bei der Herstellung homogen dotierten<br />

Siliziums – eines Gr<strong>und</strong>stoffs für elektronische<br />

Bausteine – eine wichtige Rolle spielen. Dazu werden<br />

Blöcke von einkristallinem Silizium in Reaktoren mit<br />

Neutronen bestrahlt, wobei über eine Kernreaktion etwa<br />

eines von 1 Million Siliziumatomen in ein Phosphoratom<br />

umgewandelt wird. Die große industrielle Bedeutung<br />

dieser als Transmutationsdotierung bezeichneten<br />

Methode ist in der exzellenten Homogenität begründet,<br />

die damit erreicht wird. So werden wesentlich höhere<br />

Leistungsdichten bei Transistoren <strong>und</strong> Thyristoren, wie<br />

sie zum Beispiel in der Bahntechnik eingesetzt werden,<br />

möglich.<br />

CoFe – frei drehbar<br />

Oxid-Barriere<br />

CoFe - festgehalten<br />

<br />

<br />

<br />

Abb. 3.1. Der magnetoelektrische GMR-Effekt. Der<br />

elektrische Widerstand dieses Schichtpakets ändert sich, je<br />

nachdem ob die Magnetisierungsrichtungen in den beiden<br />

ferromagnetischen Schichten parallel oder antiparallel<br />

zueinander ausgerichtet sind. Er ist gering bei paralleler<br />

Orientierung <strong>und</strong> groß bei antiparalleler Orientierung. Ein<br />

magnetisches Signal (Richtung der Magnetisierung) wird so<br />

in ein Stromsignal (elektrischer Widerstand) übersetzt.<br />

Abb. 3.2. Der Exchange-Bias-Effekt. Eine antiferromagnetische<br />

Schicht fixiert die Magnetisierungsrichtung der<br />

angrenzenden ferromagnetischen Schicht. Sogenannte<br />

„Spinvalve“-Bauelemente, bei denen eine zweite ferromagnetische<br />

Schicht durch ein externes Feld gedreht werden<br />

kann, wirken über den Magnetwiderstand als Sensoren.<br />

Abb. 3.3. Schema eines sog. MRAM-Speichers als<br />

Beispiel eines lateral strukturierten magnetischen Schichtsystems.<br />

Abb. 3.4. Neutronenstreuung konnte in HoMnO 3<br />

den<br />

Mechanismus bestimmen, der zu multiferroischem Verhalten<br />

(Kombination von ferroelektrischem <strong>und</strong> ferromagnetischem<br />

Verhalten) führt. Derartige Multiferroika könnten sich als<br />

entscheidend für die Entwicklung magnetischer Speicher<br />

erweisen.<br />

50 Kommunikation<br />

51


Mobilität<br />

Personen- <strong>und</strong> Güterverkehr bestimmen unser tägliches<br />

Leben in einem Ausmaß, das früher <strong>und</strong>enkbar<br />

erschien. Gr<strong>und</strong>lage dieser Entwicklung sind enorme<br />

Ingenieur-Leistungen, die zu immer schnelleren <strong>und</strong><br />

zuverlässigeren Transportmitteln führten - man denke<br />

nur an die Entwicklung des Luftverkehrs. Möglich wurde<br />

dies durch den Einsatz immer besserer Materialien,<br />

wobei deren Potential immer häufi ger bis an die Grenzen<br />

ausgereizt wird. Die Verkehrstechnik ist deshalb<br />

nicht nur auf die Entwicklung neuer Materialien angewiesen,<br />

sondern auch auf Methoden, die es erlauben,<br />

ganze Bauteile zuverlässig unter realen Bedingungen<br />

- auch unter Grenzbelastungen - zu testen. Insbesondere<br />

müssen verlässliche experimentelle Daten gewonnen<br />

werden, die zur Validierung von mathematischen Modellierungen<br />

von Bauteilen, z. B. Finite-Elemente-Rechnungen,<br />

herangezogen werden können. Damit können<br />

dann belastbare Standzeiten für Maschinen festgelegt<br />

werden.<br />

Eigenspannungsanalyse<br />

Insbesondere aufgr<strong>und</strong> ihrer Fähigkeit, tief in Metalle<br />

einzudringen, wurden Neutronen in den letzten Jahren<br />

für Ingenieure ein immer wichtigeres Werkzeug. Diese<br />

Eigenschaft erlaubt zum Beispiel, Spannungszustände<br />

auch im Inneren eines massiven metallischen Bauteils<br />

quantitativ zu bestimmen. Ungünstige Verteilungen<br />

solcher Spannungen sind häufi g Auslöser eines fatalen<br />

Materialversagens.<br />

ICE-Radbruch wäre vermeidbar gewesen<br />

Ein Beispiel aus jüngster Vergangenheit stellt die<br />

Erforschung der Ursachen eines Radbruchs an einem<br />

ICE-Waggon dar. Dieser Radbruch führte zu einem der<br />

schwersten Unglücke in der Geschichte der deutschen<br />

Eisenbahn. Nach dem Unglück wurde der Radring des<br />

ICE-Rades mit Neutronendiffraktometrie untersucht;<br />

eine Zugspannung (blaue Zone in Abb. 3.5) wurde als<br />

Ursache des Materialversagens identifiziert. Finite-<br />

Elemente-Rechnungen hatten während der Entwicklungsphase<br />

diese Gefahr nicht erkennen lassen. Eine<br />

frühzeitige Untersuchung mit Neutronen während der<br />

Testphase dieses Typs von Radreifen hätte den Unfall<br />

aber verhindern können.<br />

Diesel auch im tiefsten Winter<br />

Ein interessantes Beispiel für die Bedeutung der Forschung<br />

mit Neutronen für das tägliche Leben in einer<br />

mobilen Gesellschaft ist die Entwicklung von speziellen<br />

organischen Substanzen – Additiven – für Dieseltreibstoffe<br />

(Abb. 3.6). Diese sorgen dafür, dass sich bei winterlichen<br />

Temperaturen keine größeren Wachskristalle<br />

bilden, die die Treibstofffi lter verstopfen können. Zusatz<br />

von Polymeren fördert die Bildung vieler Kristallkeime<br />

<strong>und</strong> verhindert so die Entstehung großer Aggregate. Die<br />

Aufklärung dieses Wirkungsmechanismus <strong>und</strong> parallel<br />

dazu die Optimierung der Additiv-„Rezeptur“ wurden<br />

ganz wesentlich durch Neutronenstreuexperimente<br />

vorangetrieben. In nur vier Jahren wurde Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

in ein marktreifes Produkt umgesetzt! Heutzutage<br />

fi nden sich diese Additive während der kalten<br />

Jahreszeit in allen gängigen Dieseltreibstoffen.<br />

Bildgebende Verfahren<br />

Das hohe Durchdringungsvermögen gepaart mit<br />

besonderer Empfi ndlichkeit für einzelne chemische<br />

Elemente prädestiniert die Neutronen für tomographische<br />

<strong>und</strong> radiographische Untersuchungen. Dies gilt<br />

insbesondere für das zerstörungsfreie Sichtbarmachen<br />

von Materialien, die leichte Elemente wie Wasserstoff,<br />

Lithium oder Bor enthalten <strong>und</strong> sich im Inneren metallischer<br />

Objekte befi nden. Ein Beispiel ist in Abb. 3.7<br />

dargestellt. Es zeigt die Abgasleitung eines Flugzeugtriebwerkes,<br />

in dem Öl- <strong>und</strong> Treibstoffreste gefährliche<br />

Ablagerungen bildeten. Eine komplette Verstopfung<br />

könnte zur Zerstörung des Triebwerks mit katastrophalen<br />

Folgen führen. Die Ablagerungen konnten mit<br />

Neutronentomographie detailliert abgebildet werden,<br />

ohne die Abgasleitung aufschneiden zu müssen. Unterschiedliche<br />

Farben in der Darstellung entsprechen dabei<br />

unterschiedlichen Dichten. Über eine genaue Analyse<br />

der Dichteunterschiede können Rückschlüsse auf die<br />

Entstehungsgeschichte der Ablagerungen gemacht<br />

werden, was wiederum für die Ursachenforschung<br />

erheblich ist. Diese Untersuchungen wurden von der<br />

britischen Flugunfallbehörde <strong>und</strong> der Flugzeugindustrie<br />

in Auftrag gegeben.<br />

a) Große Wachskristalle in Dieselöl<br />

verstopfen die Düsen.<br />

b) Zusatz von Polymer-Aggregaten.<br />

Abb. 3.5. Eigenspannungsuntersuchungen an ICE-Rad.<br />

Mit Neutronendiffraktometrie wurde nach dem verheerenden<br />

Eisenbahnunglück von Eschede im Jahre 1998, das<br />

durch einen Radbruch ausgelöst worden war, der Radring<br />

des ICE-Rades untersucht. Die Zugspannung (blaue<br />

Zone) wurde als Ursache des katastrophalen Materialversagens<br />

identifiziert.<br />

c) Die Polymer-Aggregate<br />

fungieren als Nukleationszentren.<br />

Abb. 3.6. Wirkungsweise der Dieselöl-Additive, deren Entwicklung<br />

durch Neutronenstreuexperimente möglich gemacht wurde.<br />

d) Viele kleinste Kriställchen ohne Verstopfungsgefahr.<br />

Abb. 3.7. Öl- <strong>und</strong> Treibstoffablagerungen in der Abgasleitung<br />

eines Flugzeugtriebwerkes.<br />

Die Ablagerungen im Inneren der Abgasleitung konnten<br />

durch Neutronentomographie zerstörungsfrei abgebildet<br />

werden. Unterschiedliche Farben in der Darstellung entsprechen<br />

dabei unterschiedlichen Dichten.<br />

52 Mobilität<br />

53


Brennstoffzelle<br />

Energie +<br />

H 2<br />

O<br />

O 2<br />

Photoelektrolyse<br />

H 2<br />

-<br />

Speicherung<br />

O 2<br />

H 2<br />

Energie <strong>und</strong> Umwelt<br />

Es ist unbestritten, dass sich eine wachsende Erdbevölkerung<br />

das Verbrennen fossiler Energieträger zur Energiegewinnung<br />

im großen Maßstab nicht mehr lange<br />

leisten kann. Nicht nur gehen die leicht ausbeutbaren<br />

Vorräte - zumindest die Vorräte an Erdöl – allmählich<br />

zur Neige; auch die CO 2<br />

-Akkumulation in der Atmosphäre<br />

birgt ungeheure Risiken. Weltweit wird der<br />

Einsatz der Wasserstoff-Technologie als ein Ausweg aus<br />

dieser Situation angesehen. Ein idealer Wasserstoff-Zyklus<br />

kann in drei Stationen gegliedert werden: nämlich<br />

Elektrolyse des Wassers mit Photovoltaik, Speicherung<br />

des Wasserstoffs <strong>und</strong> schließlich seine Verbrennung in<br />

einer Brennstoffzelle. Der Zyklus ist in Abbildung 3.8<br />

skizziert.<br />

Gashydrate<br />

Methan-Clathrate, die in riesigen Mengen im Sediment<br />

von Ozeanrändern vorkommen, erregen seit Kurzem<br />

große Aufmerksamkeit als mögliche fossile Energiequelle<br />

(s. Abb. 3.9). Clathrate sind Einschlussverbindungen,<br />

in denen Gastmoleküle Käfi ge aus Wasser stabilisieren.<br />

Sie sind nur in einem bestimmten Druck- <strong>und</strong><br />

Temperaturbereich stabil. Unter Umweltgesichtspunkten<br />

ist es von größter Bedeutung, diese Stabilitätsbereiche<br />

genau zu kennen. Neutronen mit ihrer speziellen Empfi<br />

ndlichkeit für Wasserstoffatome <strong>und</strong> ihrer Fähigkeit,<br />

komplexe Probenumgebungen (Druckzellen, Kryostate)<br />

zu durchdringen, sind für diese Untersuchungen das<br />

Mittel der Wahl.<br />

<br />

<br />

Anode<br />

Brennstoff<br />

H 2<br />

(Gas)<br />

-<br />

<br />

<br />

+<br />

<br />

Kathode<br />

O 2<br />

(Gas)<br />

N 2<br />

(Gas)<br />

H 2<br />

O (Gas)<br />

N 2<br />

(Gas)<br />

Abb. 3.8. Der Wasserstoff-Zyklus (oben), Lade- <strong>und</strong><br />

Entladevorgänge in Metallhydrid-Speichern (Mitte),<br />

Prinzip der Brennstoffzelle (unten).<br />

Wasserstoff-Technologie<br />

Alle drei Stationen des Wasserstoffzyklus bedürfen<br />

noch großer Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsanstrengungen.<br />

Neutronen tragen dazu Entscheidendes bei,<br />

insbesondere bei den beiden letzten Stationen: der<br />

Wasserstoffspeicherung <strong>und</strong> den Brennstoffzellen. Als<br />

Wasserstoffspeicher kommen Metallhydride (Metall-<br />

Wasserstoff-Verbindungen) in Frage. Aus Gründen der<br />

Gewichtsersparnis bei mobilem Einsatz (z. B. im Auto)<br />

sind dabei leichte Metalle wie Magnesium besonders<br />

attraktiv. Neutronen sind eine ideale Sonde zur Untersuchung<br />

solcher Hydridspeicher mit Streuexperimenten.<br />

Lade- <strong>und</strong> Entladevorgänge, wie in Abb. 3.8 (Mitte)<br />

skizziert, können daher mit Neutronen in in-situ-Experimenten<br />

direkt verfolgt werden. Bei der letzten Station<br />

des Wasserstoffzyklus, der Brennstoffzelle, liegt der<br />

Schwerpunkt der Entwicklungsarbeiten bei den Wasserstoff-<br />

<strong>und</strong> Sauerstoff-Ionen-leitenden Elektrolytmembranen<br />

(s. Abb. 3.8 unten). Diese werden aus speziellen<br />

Polymeren hergestellt. Zur genauen Untersuchung der<br />

Vorgänge in Brennstoffzellen sind Neutronen ebenfalls<br />

unerlässlich. Ein guter Teil der Messzeiten an<br />

Neutronen-Tomographieanlagen wird von Entwicklern<br />

der Brennstoffzellen aufgekauft; der Wasserzyklus in<br />

den Zellen lässt sich mit Neutronen sehr gut verfolgen.<br />

Das enorme fi nanzielle Interesse erlaubt derzeit aber<br />

nur sporadische Veröffentlichungen der gewonnenen<br />

Ergebnisse.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Abb. 3.9. Gashydrate treten in der Natur<br />

meist im Meeresboden auf, z. B. als Gashydrat-Sediment-Wechsellagen<br />

(oben<br />

rechts).<br />

Brennendes Eis - das Gas im Hydrat macht<br />

dieses Paradoxon scheinbar möglich (oben<br />

links).<br />

Mit Neutronen werden Struktur <strong>und</strong><br />

Dynamik von Gashydraten untersucht,<br />

siehe Beugungsdiagramm. Die oberen<br />

Markierungen bezeichnen die Reflexe der<br />

Hydratstruktur, die untere Kurve zeigt die<br />

Differenz von beobachtetem <strong>und</strong> berechnetem<br />

Profil (unten).<br />

54 Energie <strong>und</strong> Umwelt<br />

55


Erfolgschancen der Neutronentherapie könnten noch<br />

gesteigert werden, wenn es gelänge, in die Tumorzellen<br />

gezielt borhaltige Substanzen einzuschleusen. Dabei<br />

würde man ausnutzen, dass Boratome Neutronen sehr<br />

stark absorbieren <strong>und</strong> dann in einer Kernreaktion in<br />

zwei Bruchstücke zerplatzen, wodurch die Tumorzellen<br />

wirkungsvoll zerstört werden könnten. Die Neutroneneinfangtherapie<br />

befi ndet sich aber noch im Entwicklungsstadium.<br />

Abb. 3.10. Ausschnitt aus einer Lipidmembran, die in Kontakt mit dem Peptid -Amyloid (weiß eingefärbt) gebracht wurde.<br />

Bei dem Neutronenstreuexperiment wurde zum einen nicht deuteriertes -Amyloid eingesetzt <strong>und</strong> zum anderen ein „markiertes“<br />

-Amyloid, bei dem in einer bestimmten Aminosäure Protonen gegen Deuteronen (violett dargestellt) ausgetauscht<br />

worden waren. Im Messdiagramm (rechte Seite der Abbildung) entspricht die rote Kurve der Messung mit nicht markiertem,<br />

die blaue Kurve der Messung mit markiertem -Amyloid. Die ausgeprägten Unterschiede in der Streuung zeigen eindeutig,<br />

dass Peptid in die Membran eingelagert wurde.<br />

Ges<strong>und</strong>heit<br />

Biologische Systeme bestehen zu einem großen Teil aus<br />

Wasserstoff. Ihre Strukturen werden zwar im Großen<br />

<strong>und</strong> Ganzen mit Röntgenmethoden bestimmt, aber nur<br />

die einzigartigen Eigenschaften der Neutronen erlauben<br />

es, die genaue Lage der Protonen (Wasserstoffkerne)<br />

eindeutig experimentell festzulegen. Dazu steht als weiteres<br />

Hilfsmittel die Kontrastvariation zur Verfügung:<br />

Im Neutronenstreubild unterscheiden sich die Kerne<br />

des leichten Wasserstoffs (Protonen) sehr stark von<br />

den Kernen des schweren Wasserstoffs (Deuteronen).<br />

Die Möglichkeit, den Streukontrast durch Deuterieren<br />

zu verändern, spielt speziell bei der Untersuchung<br />

komplexer biologischer Vorgänge eine große Rolle.<br />

Ein Beispiel für die Anwendung dieser Methode zur<br />

Klärung einer medizinisch relevanten Fragestellung<br />

zeigt Abb. 3.10. Das Peptid -Amyloid, dessen Ablagerung<br />

oder eventuelle Einlagerung in Zellmembranen<br />

eine Schlüsselrolle bei der Alzheimer-Krankheit spielt,<br />

konnte mittels Kontrastvariation in einer Lipidmembran<br />

lokalisiert werden. Dazu wurde eine spezifi sche Aminosäure<br />

des Peptids mit Deuteronen markiert (violett) <strong>und</strong><br />

die Neutronenstreudichte der Membran mit markiertem<br />

<strong>und</strong> unmarkiertem -Amyloid bestimmt. Die Position<br />

der markierten Aminosäure ist als positive Differenz in<br />

den Neutronenstreudichten zu sehen. Solche Ergebnisse<br />

sind wichtig für das Verständnis biologischer Prozesse<br />

<strong>und</strong> geben wertvolle Hinweise für die Entwicklung von<br />

Medikamenten.<br />

Diagnostik...<br />

Neutronen werden zur Produktion von Radionukliden<br />

über Kernreaktionen genutzt <strong>und</strong> dienen so unmittelbar<br />

medizinischen Zwecken. Radionuklide werden sowohl<br />

in der Diagnostik als auch in der Therapie eingesetzt.<br />

Welche Bedeutung sie in der Medizin haben, machen<br />

folgende Zahlen klar: Weltweit werden jährlich<br />

13 Millionen Untersuchungen mit Hilfe von Radionukliden<br />

durchgeführt; jeder dritte Krankenhauspatient<br />

profi tiert vom Einsatz der Radionuklide. In mehr als<br />

der Hälfte der nuklearmedizinischen Anwendungen<br />

wird dabei das Radioisotop 99 Tc eingesetzt, für das<br />

Neutronenquellen die einzigen Lieferanten sind.<br />

... <strong>und</strong> Therapie<br />

Neutronen werden auch direkt zu therapeutischen<br />

Zwecken eingesetzt: Es gibt Tumorarten, sog. sauerstoffunterversorgte<br />

(hypoxische) Tumore, die durch<br />

Bestrahlung mit Neutronen besser behandelt werden<br />

können als mit konventioneller Strahlentherapie. Die<br />

Abb. 3.11. Proben für die NAA - Quarzampullen mit biologischem<br />

Material in Bestrahlungsbüchsen aus Aluminium.<br />

Prinzip der Neutronenaktivierungsanalyse (NAA):<br />

Wird eine Probe mit Neutronen bestrahlt, können sich einige<br />

Atomkerne in radioaktive Nuklide umwandeln. Durch<br />

Analyse der -Strahlung, die von diesen radioaktiven Kernen<br />

ausgesandt wird, kann auf Art <strong>und</strong> Konzentration von<br />

chemischen Elementen geschlossen werden, die in der<br />

Probe enthalten sind. Geringste Mengen eines Elementes<br />

lassen sich auf diese Weise bestimmen.<br />

10 4<br />

10 3 150 200 250 300 350 400<br />

Energie (keV)<br />

Abb. 3.12. Ausschnitt eines Gammaspektrums.<br />

Lungengewebe (Ratte). Die Gammalinien des Se-75<br />

(121 keV, 264 keV, 279 keV <strong>und</strong> 400 keV) sind markiert.<br />

Abb. 3.13. Stent in gespreiztem Zustand.<br />

Nahrungsmittel<br />

Neutronenaktivierungsanalyse ist die Referenz-Methode<br />

zur Bestimmung der Konzentration von Spurenelementen<br />

(s. Abb. 3.11, 3.12). Viele Funktionen in<br />

Organismen können nur aufrechterhalten werden, wenn<br />

bestimmte chemische Elemente in winzigen Mengen<br />

vorhanden sind. Ein Zuviel oder ein Zuwenig kann<br />

zu großen Ges<strong>und</strong>heitsschäden führen. Ein typisches<br />

Beispiel ist das Selen. Selen ist für den menschlichen<br />

Körper ein starkes Gift, in geringen Mengen<br />

(1,0 – 1,5 µg/kg Körpergewicht) aber lebensnotwendig.<br />

Die Neutronenaktivierungsanalyse liefert hier genaue<br />

Angaben über die absolute Konzentration, mit denen<br />

andere spektroskopische Methoden kalibriert werden.<br />

So ist es verständlich, dass Hersteller von Babynahrung<br />

oder von medizinischer Ersatznahrung typische<br />

Nutznießer der Neutronenaktivierungsanalyse sind.<br />

In beiden Fällen kommt es essentiell auf die richtige<br />

Zusammensetzung der Spurenelemente an.<br />

Medizintechnik<br />

Ein indirekter aber in der Konsequenz ungeheuer wichtiger<br />

Beitrag der Neutronen zur medizinischen Versorgung<br />

ergibt sich aus der Erforschung der sog. Formgedächtnislegierungen.<br />

Bauteile aus solchen Legierungen<br />

„erinnern“ sich immer wieder an eine ihnen einmal<br />

gegebene Gestalt. Verformt man sie, kehren sie durch<br />

eine Temperaturbehandlung wieder in die ursprüngliche<br />

Gestalt zurück. Typische Vertreter dieser Materialklasse<br />

sind Nickel-Titan-Legierungen. Neutronenstreuexperimente<br />

hatten einen entscheidenden Anteil an der<br />

Aufklärung des Erinnerungsmechanismus, der auf<br />

einer martensitischen Phasenumwandlung beruht. Bioverträgliche<br />

Formgedächtnislegierungen spielen nun in<br />

der Medizintechnik eine wichtige Rolle als Implantate.<br />

Ein Beispiel sind Stents, die in Blutgefäße, Harnröhren<br />

oder Gallengängen in zusammengefaltetem Zustand mit<br />

Hilfe eines Katheters eingeführt werden. Bei Körpertemperatur<br />

spreizen sich dann die feinen Gefl echte auf<br />

(s. Abb. 3.13). Diese Art der Dilatation von Blutgefäßen<br />

hat zur Vorbeugung von Infarkten eine herausragende<br />

Bedeutung erlangt.<br />

56 Ges<strong>und</strong>heit<br />

57


Kulturelles Erbe<br />

Die Bewahrung des kulturellen Erbes hat in den letzten<br />

Jahren einen zunehmenden Stellenwert in Politik <strong>und</strong><br />

Gesellschaft erfahren, vielleicht als Reaktion auf das<br />

weit verbreitete Gefühl, in einer Welt zu leben, die sich<br />

rapide wandelt. Kunstschätze in ihrem gegenwärtigen<br />

Zustand mit wissenschaftlichen Mitteln zu erfassen,<br />

ihre Geschichte zu erforschen, Wege zur Restaurierung<br />

<strong>und</strong> Bewahrung aufzuzeigen, all dies wird von Institutionen<br />

wie der UNESCO oder der europäischen Kommission<br />

immer stärker als wichtige gesellschaftliche<br />

Aufgabe angesehen, zu der auch Forschungseinrichtungen<br />

ihren Beitrag leisten sollen.<br />

Neutronenautoradiographie<br />

Neutronen tragen in mannigfacher Weise zu Bemühungen<br />

um die Bewahrung des kulturellen Erbes bei. Ein<br />

Beispiel ist die Anwendung der Neutronenautoradiographie<br />

zur Untersuchung von Gemälden. Man bestrahlt<br />

Gemälde mit Neutronen, wobei durch Kernreaktionen<br />

einige Atome in den Bildmaterialien, insbesondere<br />

in den Farbpigmenten, radioaktiv werden (im Durchschnitt<br />

nur etwa vier von 10 12 Atomen). Nach Ende der<br />

Bestrahlung wird der Zerfall der radioaktiven Kerne<br />

über die dabei ausgesandte - <strong>und</strong> -Strahlung registriert.<br />

Die räumliche Verteilung der radioaktiven Kerne<br />

wird über die Schwärzung eines empfi ndlichen Filmes<br />

nachgewiesen, der nach der Neutronenbestrahlung auf<br />

das Gemälde aufgelegt wird. Die radioaktiven Kerne<br />

unterscheiden sich durch ihre verschiedenen Zerfallszeiten.<br />

Durch Aufl egen jeweils neuer Filme nach<br />

bestimmten Zeitabständen können so radioaktive Kerne<br />

unterschiedlicher Lebensdauer <strong>und</strong> damit korreliert<br />

unterschiedliche Farbpigmente bevorzugt sichtbar<br />

gemacht werden. Durch Einsatz von -empfindlichen<br />

Detektoren lässt sich zudem die chemische Zusammensetzung<br />

einzelner Farbpigmente ähnlich wie bei der<br />

Neutronenaktivierungsanalyse bestimmen.<br />

Autoradiographie des Berliner Bildes (vergl. Abb. 3.14),<br />

auf der zur Überraschung der Kunsthistoriker zusätzliche<br />

Bäume zu erkennen sind (in Abb. 3.15 braun<br />

hervorgehoben), die offenbar wieder übermalt worden<br />

waren. Bei einer röntgenographischen Untersuchung<br />

des Bildes waren diese Bäume nicht zu sehen. Diese<br />

zusätzlichen Bäume enthalten dieselben Farbpigmente<br />

wie die anderen Bildelemente <strong>und</strong> passen auch in<br />

die Gesamtkomposition des Bildes. Daraus kann man<br />

nur den Schluss ziehen, dass der Maler sein Konzept<br />

während der Ausführung des Gemäldes änderte, um<br />

zu einer anderen künstlerischen Aussage zu kommen.<br />

Werden solche Übermalungen, Pentimenti genannt,<br />

entdeckt, so gilt das bei Kunsthistorikern immer als<br />

gewichtiger Hinweis darauf, dass es sich bei dem Bild<br />

um ein Original handelt. Für einen Kopisten ist eine<br />

Konzeptänderung während der Bildausführung sehr<br />

unwahrscheinlich. Kunsthistoriker gehen deshalb jetzt<br />

davon aus, dass das Gemälde „Armida entführt den<br />

eingeschläferten Rinaldo“ von Nicolas Poussin selbst<br />

gemalt wurde.<br />

Abb. 3.14. Nicolas Poussin, „Armida entführt den<br />

eingeschläferten Rinaldo“, (ca. 1637), Gemäldegalerie<br />

Berlin, 120 x 150 cm 2 , Kat. Nr. 486.<br />

Ursprünglich wurde dieses Bild für das Werk eines Kopisten<br />

gehalten.<br />

Abb. 3.15. Neutronenautoradiographie des Bildes<br />

„Armida entführt den eingeschläferten Rinaldo“<br />

(aus 12 einzelnen Filmen zusammengesetzt).<br />

Deutlich sind zusätzliche Bäume zu erkennen (zur Hervorhebung<br />

braun eingefärbt), die in der endgültigen Ausführung<br />

des Bildes fehlen <strong>und</strong> zum Teil durch eine Säule<br />

ersetzt sind (vergl. Abb. 3.14). Solche als Pentimenti bezeichneten<br />

Übermalungen sind für Kunsthistoriker immer<br />

ein starker Hinweis darauf, dass das Bild ein Original ist,<br />

d. h. nicht von einem Kopisten stammt.<br />

Original oder Fälschung<br />

Ein erhellendes Beispiel dafür, wie die Neutronenautoradiographie<br />

benutzt werden kann, um die Zuordnung<br />

eines Gemäldes zu einem bestimmten Maler zu klären,<br />

ist in den Abb. 3.14 <strong>und</strong> 3.15 dargestellt. Abb. 3.14 zeigt<br />

ein Bild aus der Berliner Gemäldegalerie. Es trägt die<br />

Bezeichnung „Armida entführt den eingeschläferten<br />

Rinaldo“ <strong>und</strong> wurde bisher als Werk eines Kopisten<br />

des französischen Malers Nicolas Poussin (1594-1665)<br />

angesehen. Ein Original Poussins mit ganz ähnlichem<br />

Sujet hängt in der Londoner Dulwich Picture Gallery<br />

(„Armida <strong>und</strong> Rinaldo“). Abb. 3.15 zeigt nun eine<br />

58 Kulturelles Erbe<br />

59


Stellung in der<br />

internationalen Forschungslandschaft<br />

60 61


Eine der größten <strong>und</strong> bedeutendsten<br />

Nutzergemeinden<br />

Die deutsche Gemeinde der Wissenschaftler, die Neutronen<br />

für ihre Forschung einsetzen, ist eine der größten<br />

Neutronennutzergemeinden weltweit, wie auch die<br />

Erhebung der ENSA im Jahre 1998 [8] belegt. Die in<br />

Abb. 4.1 gezeigte Aufteilung nach Nationen spiegelt die<br />

Verteilung wider, wie sie im ENSA-Bericht von 1998<br />

angegeben wird. Die Werte dürften sich inzwischen<br />

leicht geändert haben, ohne jedoch obige Kernaussage<br />

zu berühren. Die Anzahl von Wissenschaftlern, die in<br />

der KFN-Datenbank registriert sind – dies sind deutsche<br />

Wissenschaftler im In- <strong>und</strong> Ausland <strong>und</strong> ausländische<br />

Wissenschaftler, die in Deutschland arbeiten - hat<br />

seit 1998 nochmals zugenommen <strong>und</strong> liegt inzwischen<br />

bei über 960. Auch die Nutzergemeinden in USA <strong>und</strong><br />

Japan dürften angesichts der mit dem Bau der neuen<br />

Quellen SNS bzw. JSNS einhergehenden Aufbruchstimmung<br />

stark zugenommen haben, wozu uns allerdings<br />

keine aktuellen Daten vorliegen.<br />

GB<br />

1200<br />

F<br />

600<br />

E<br />

150 NL<br />

160 CH<br />

300<br />

I<br />

130<br />

D<br />

800<br />

HU<br />

80<br />

Abb. 4.1. Die anzahlmäßig größten Neutronennutzergemeinden<br />

in Europa [8] (Stand 1998). Zum Vergleich: In<br />

den USA gibt es gegenwärtig etwa 1000 Neutronennutzer.<br />

Wissenschaftliche Qualität<br />

Neben der überdurchschnittlichen Produktivität der<br />

deutschen Nutzerschaft, gemessen an der Anzahl der<br />

Publikationen, zeichnet sich Deutschland insbesondere<br />

durch eine Schule der Qualität <strong>und</strong> Kreativität in der<br />

Forschung mit Neutronen aus. Dies zeigt sich nicht<br />

zuletzt an der hohen Zahl eingeladener Vorträge bei<br />

großen internationalen Konferenzen. Einen sehr guten<br />

Indikator für das wissenschaftliche Potential stellt die<br />

Belebung von Teildisziplinen durch neue mikroskopische<br />

Einblicke mit Hilfe der Neutronen dar. Beispiele<br />

für maßgebliche deutsche Beiträge sind:<br />

• Hochfeldmagnetismus, für den die Neutronenstreuung<br />

die wesentlichen mikroskopischen Informationen<br />

über Quantenphänomene, Struktur <strong>und</strong> Dynamik<br />

liefert.<br />

• Physik weicher Materie, etwa die mikroskopische<br />

Untersuchung von Polymerkonformation <strong>und</strong> Polymerdynamik<br />

mit Hilfe von Neutronenkleinwinkelstreuung<br />

<strong>und</strong> Spinecho-Spektroskopie.<br />

• Quantenzustände in Molekülkristallen, die erst mit<br />

Hilfe von Neutronen-Tunnelspektroskopie erforscht<br />

werden können.<br />

• Spontane Kernspinordnung bei tiefsten Temperaturen.<br />

Neutronen als „sanfte Sonde“ erlauben es, diese<br />

Strukturen, die nur bei sub-mK Temperaturen existieren,<br />

aufzuklären.<br />

• Magnetische Ordnungsphänomene <strong>und</strong> Domänenstrukturen<br />

in dünnen Schichten <strong>und</strong> Multilagen.<br />

• Fehlordnung <strong>und</strong> Diffusionsprozesse, z. B. bei Wasserstoff<br />

in Metallen.<br />

• Frustrierte magnetische Materialien von Spingläsern<br />

zu magnetischer „Ordnung durch Fehlordnung“, d. h.<br />

fl uktuationsinduzierter magnetischer Ordnung.<br />

• Aufklärung geodynamischer Prozesse mit Hilfe von<br />

Neutronentexturuntersuchungen.<br />

• Einsatz ultrakalter Neutronen in der Kern- <strong>und</strong> Teilchenphysik.<br />

Die Bearbeitung vieler dieser wissenschaftlichen Gebiete<br />

wurde ermöglicht durch die Entwicklung neuer Methoden,<br />

wie der Rückstreuspektroskopie (Quantentunneln,<br />

Diffusion), der Kleinwinkelstreuung (strukturelle<br />

Aspekte weicher Materie), der Streuung in extremer<br />

Probenumgebung (Hochfeldmagnetismus, Kernspinmagnetismus)<br />

oder der diffusen Neutronenstreuung, auch<br />

mit Polarisationsanalyse (strukturelle <strong>und</strong> magnetische<br />

Fehlordnung). Deutschland hat eine lange Tradition von<br />

wissenschaftsgetriebener Methodenentwicklung.<br />

Wichtige Beiträge zur<br />

Forschungsinfrastruktur<br />

Entsprechend der Größe <strong>und</strong> der Bedeutung der nationalen<br />

Nutzergemeinde spielt Deutschland eine herausragende<br />

Rolle bei der Bereitstellung von Forschungsinfrastruktur<br />

auf diesem Sektor. Zur Zeit werden in<br />

Deutschland vier Forschungsreaktoren betrieben; darüber<br />

hinaus ist Deutschland einer der drei Hauptpartner<br />

des ILL. In Zukunft werden zwar mit dem FRJ-2 am<br />

FZJ <strong>und</strong> voraussichtlich dem FRG-1 an der GKSS zwei<br />

wichtige Quellen wegfallen, aber die Stärkung des neuen<br />

Münchner Reaktors FRM-II durch die Repräsentanz<br />

der Helmholtz-Zentren stellt eine gewisse Kompensation<br />

für diesen Verlust dar. Deutschen Nutzern steht dann<br />

einerseits mit dem ILL die derzeit weltbeste Neutronenquelle,<br />

andererseits mit dem FRM-II die modernste<br />

kontinuierliche Quelle zur Verfügung. Daneben bleibt<br />

das HMI als zweites Nutzerzentrum mit einmaliger<br />

Probenumgebung bestehen.<br />

Bedeutung in der Methodenentwicklung<br />

Deutschland ist international eines der führenden<br />

Länder im Bereich Methodenentwicklung für die<br />

Forschung mit Neutronen. Diese Tradition baut auf der<br />

Philosophie des Altmeisters der Neutronenforschung,<br />

Heinz Maier-Leibnitz, auf, nach der eine Steigerung der<br />

Empfi ndlichkeit von Messapparaturen fast zwangsläufi g<br />

gr<strong>und</strong>legend neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur<br />

Folge hat. Wichtige Komponenten <strong>und</strong> Instrumenttypen<br />

wurden in Deutschland entwickelt, die inzwischen<br />

weltweite Verbreitung gef<strong>und</strong>en haben <strong>und</strong> ohne die<br />

der Erfolg der Forschung mit Neutronen nicht möglich<br />

gewesen wäre. Bekannte Beispiele sind:<br />

• Die Erfi ndung der Neutronenleiter, die eine effi ziente<br />

Ausnutzung von Neutronenquellen durch den Bau von<br />

Instrumenten in externen Leiterhallen erst ermöglichten.<br />

• Die Entwicklung der Geschwindigkeitsselektoren, die<br />

es erlauben, gezielt Strahlen mit breiten Wellenlängenbändern<br />

zu erzeugen, wie sie etwa für die Kleinwinkelstreuung<br />

unerlässlich sind. Ultrahohe Drehzahlen<br />

bei Choppern für Flugzeitspektrometer konnten<br />

erst durch die Magnetlagertechnik realisiert werden.<br />

• Den Bau der ersten dedizierten Kleinwinkelanlage,<br />

ein Instrumententyp, der heute am meisten nachgefragt<br />

wird. Die jüngste Weiterentwicklung dieser<br />

Technik, hin zu immer höheren Aufl ösungen, erfolgte<br />

mit einer fokussierenden Kleinwinkelanlage ebenfalls<br />

in Deutschland.<br />

• Die Erfindung <strong>und</strong> Entwicklung der höchstaufl<br />

ösenden Rückstreuspektroskopie, die erst die Untersuchung<br />

von Quantentunneln in Molekülkristallen<br />

oder von langsamen Diffusionsprozessen ermöglicht.<br />

Die jüngste Entwicklung ist eine Phasenraumtransformation,<br />

die bedeutende Intensitätssteigerungen<br />

ermöglicht.<br />

• Die Optimierung von Target <strong>und</strong> Moderator für MW-<br />

Spallationsquellen. Die amerikanische <strong>und</strong> japanische<br />

Quelle SNS bzw. JSNS werden nach dem Vorbild der<br />

ESS Projektstudie - unter hoher Beteiligung deutscher<br />

Wissenschaftler - gebaut.<br />

• Effi zienzsteigerung von Spallationsquellen durch die<br />

Nutzung von langen Pulsen mit Hilfe des „Wellenlängen-Multiplexing“.<br />

• Einführung des multispektralen Extraktionssystems<br />

bzw. untermoderierter kalter Quellen, um einen besonders<br />

breitbandigen Neutronenstrahl zu erzeugen.<br />

• Die Einführung von hyperpolarisiertem 3 He-Gas als<br />

Polarisationsfi lter in der Neutronenstreuung.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Kompetenz auf dem Gebiet des Instrumentenbaus<br />

sind deutsche Gruppen weltweit gefragte<br />

Partner beim Aufbau der Instrumentierung neuer<br />

Quellen, z. B. NIST, SNS, ISIS, LLB, PSI, BNC, FLNP.<br />

Umgekehrt sind die Instrumente an deutschen Quellen<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer Qualität von Forschern aus der ganzen<br />

Welt stark nachgefragt. Die EU Access Programme,<br />

die Nutzern aus europäischen Ländern den Zugang zu<br />

unserer nationalen Infrastruktur ermöglichen, sind an<br />

allen drei HGF Reaktoren stark überbucht. Gerade die<br />

in der Neutronenstreuung bedeutenden Nationen, wie<br />

USA, Frankreich, Großbritannien, Spanien oder Italien<br />

haben einen großen Anteil an der Nutzung (jeweils<br />

zwischen 5 % <strong>und</strong> 10 %).<br />

Netzwerke<br />

Aufgr<strong>und</strong> wissenschaftlicher Qualität <strong>und</strong> methodischer<br />

Kompetenz sind deutsche Gruppen gefragte Partner in<br />

internationalen Forschungsverbünden <strong>und</strong> Netzwerken,<br />

oft auch an führender Position. Beispielsweise spielt<br />

im EU „Network of Excellence“ SOFTCOMP, das der<br />

Erforschung von Kompositsystemen weicher Materie<br />

gewidmet ist, die Neutronenstreuung als Methode eine<br />

wichtige Rolle. Das Netzwerk wird von einer deutschen<br />

Gruppe koordiniert. Ähnliches gilt im Bereich der<br />

Methodenentwicklung. Unter dem Dach der EU-„Integrated<br />

Infrastructure Initiative for Neutron and Muon<br />

Science“ NMI3 ist nicht nur das ACCESS Programm<br />

beheimatet, an dem alle deutschen Zentren beteiligt<br />

sind. Vielmehr gibt es eine Reihe von methodenorientierten<br />

Forschungsnetzwerken, an denen deutsche<br />

Wissenschaftler großen Anteil haben <strong>und</strong> die teilweise<br />

von deutschen Gruppen koordiniert werden, wie z. B.<br />

bei der Detektorentwicklung oder den Methoden der<br />

polarisierten Neutronenstreuung. Ein Beispiel für ein<br />

weltweites Netzwerk ist ICANS (International Collaboration<br />

for Advanced Neutron Sources), bei dem deutsche<br />

Wissenschaftler Mitbegründer waren. Und nicht<br />

zuletzt trägt das KFN als nationale Nutzervertretung<br />

nicht nur wesentlich zur europäischen Nutzerorganisation<br />

ENSA (European Neutron Scattering Association)<br />

bei, sondern hat sie auch mitinitiiert.<br />

62 Internationale Stellung 63


Nutzergemeinde,<br />

Zugang zu den Neutronenquellen<br />

<strong>und</strong> Forschungsförderung<br />

64 65


Verb<strong>und</strong>charakter<br />

In der Forschung mit Neutronen hat sich in Deutschland<br />

eine enge Verbindung zwischen den Großforschungseinrichtungen,<br />

die die Neutronenquellen betreiben, <strong>und</strong><br />

den Nutzergruppen - vorwiegend von Hochschulen - zu<br />

beiderseitigem Vorteil herausgebildet <strong>und</strong> bewährt.<br />

Diese Verbindung manifestiert sich in der gemeinsamen<br />

Weiterentwicklung von Methoden <strong>und</strong> dem Bau <strong>und</strong><br />

Betrieb von Geräten. Ein Beispiel intensiver Verknüpfung<br />

ist gegeben durch den Aufbau der Instrumentierung<br />

an der neuen Forschungsneutronenquelle FRM-II,<br />

die der Technischen Universität München, TUM,<br />

angegliedert ist. Hierzu haben Gruppen von Universitäten<br />

<strong>und</strong> Instituten der Max-Planck-Gesellschaft <strong>und</strong><br />

der Helmholtz-Gemeinschaft aus ganz Deutschland<br />

beigetragen. Das Instrument der BMBF-geförderten<br />

Verb<strong>und</strong>forschung hat wesentlich dazu beigetragen,<br />

dass durch die Mitwirkung der Hochschulgruppen die<br />

Möglichkeiten der Forschung mit Neutronen in vielen<br />

Wissenschaftsfeldern erkannt worden sind. Das breite<br />

Spektrum erstreckt sich von den Gr<strong>und</strong>lagenfächern<br />

Physik, Chemie, Biologie, Geowissenschaften bis hin<br />

zu den Ingenieurdisziplinen Materialwissenschaft <strong>und</strong><br />

Werkstofftechnik.<br />

Ausbildung<br />

Durch das an den Hochschulen vorhandene Knowhow<br />

werden – wiederum im Zusammenwirken mit den<br />

„professionellen Neutronenforschern“ aus den Zentren<br />

- Studierende <strong>und</strong> junge Wissenschaftler informiert <strong>und</strong><br />

ausgebildet, damit sie in der Lage sind, Neutronen für<br />

Fragestellungen ihrer Forschungsprojekte einzusetzen.<br />

Zu diesem Angebot gehören spezielle Kurse <strong>und</strong> Praktika,<br />

die an allen Zentren angeboten werden. Durch ihre<br />

Verbindungen zu den Hochschulen können wiederum<br />

die Großforschungseinrichtungen Doktoranden gewinnen.<br />

In Deutschland haben sich regionale Netzwerke<br />

mit speziellen Einzugsgebieten im Umfeld der Zentren<br />

der Helmholtz-Gemeinschaft, GKSS, HMI, FZJ, sowie<br />

für den FRM-II entwickelt. Für die erforderliche ständige<br />

Erneuerung <strong>und</strong> Weiterentwicklung der Nutzerschaft<br />

im Bereich der Forschung mit Neutronen sowie für die<br />

Ausbildung der Nachwuchswissenschaftler sind diese<br />

Verknüpfungen zwischen Hochschulen <strong>und</strong> Zentren von<br />

großer Bedeutung<br />

Für Forschergruppen mit Doktoranden <strong>und</strong> Nachwuchswissenschaftlern<br />

ist eine planbare längerfristige<br />

Perspektive mit verlässlichem Zugang zu<br />

Messmöglichkeiten entscheidend. Hierzu gehört<br />

insbesondere eine auf die Belange der Nutzer von<br />

Großgeräten zugeschnittene Forschungsförderung. Aus<br />

Sicht des KFN sollte das hocheffi ziente Instrument der<br />

BMBF-Verb<strong>und</strong>forschung zur optimalen Nutzung der<br />

Großgeräteinfrastruktur ausgebaut werden.<br />

Erschließung neuer Forschungsthemen<br />

„Gelegentliche Nutzer“, die nur hin <strong>und</strong> wieder Experimente<br />

mit Neutronen machen, müssen auf eine<br />

leistungsfähige Instrumentierung zugreifen können<br />

<strong>und</strong> sind dabei auf die kompetente Unterstützung<br />

der Geräteverantwortlichen angewiesen. Es handelt<br />

sich hier um eine wissenschaftliche Zusammenarbeit<br />

zwischen Partnern mit manchmal sehr unterschiedlichen<br />

Spezialgebieten, deren Erfolg für die Qualität der<br />

Forschungsergebnisse entscheidend ist. Gelegentliche<br />

Nutzer sind besonders wichtig im Zusammenhang mit<br />

dem Erschließen neuer Themen für die Forschung mit<br />

Neutronen. In diesem Prozess können sich Arbeitsgruppen<br />

herausbilden, die sich intensiver der Methode der<br />

Neutronenstreuung zuwenden. Das KFN appelliert an<br />

die Universitäten, diesen Aspekt bei Neuberufungen zu<br />

berücksichtigen.<br />

KFN-Umfrage<br />

Um ein aktuelles Bild der Nutzung von Neutronen<br />

durch deutsche Wissenschaftler zu erhalten, wurden im<br />

Frühjahr 2004 vom KFN die Nutzer befragt [7]. 900<br />

Wissenschaftler wurden angeschrieben, der Rücklauf<br />

lag mit 40 % weit über dem vergleichbarer Umfragen.<br />

Die Ergebnisse können mit wenigen Einschränkungen<br />

als repräsentativ angenommen werden <strong>und</strong> sind<br />

vollständig im Anhang wiedergegeben. Im Folgenden<br />

werden bestimmte Aspekte herausgestellt (z. T. im Vergleich<br />

zur Umfrage der European Neutron Scattering<br />

Association (ENSA) aus dem Jahre 1998 [8]).<br />

Material.<br />

19 %<br />

Andere<br />

4 %<br />

Biophysik<br />

2 %<br />

Bio.<br />

3 %<br />

Ing.<br />

4 %<br />

Chemie<br />

13 %<br />

Geo.<br />

4 %<br />

Kristallo.<br />

10 %<br />

Physik<br />

41 %<br />

„professionelle“<br />

Nutzung<br />

(75-100 %)<br />

28 %<br />

häufige<br />

Nutzung<br />

(50-75 %)<br />

17 %<br />

gelegentliche<br />

Nutzung<br />

(25-50 %)<br />

17 %<br />

seltene<br />

Nutzung<br />

(0-25 %)<br />

38 %<br />

Abb. 5.1. Links: Verteilung der deutschen Neutronennutzer<br />

auf verschiedene Wissenschaftsdisziplinen;<br />

rechts: Intensität der Neutronennutzung nach dem zeitlichen<br />

Umfang, den Neutronenexperimente am Gesamtforschungsprogramm<br />

haben.<br />

Interdisziplinarität<br />

Die Verteilung der Nutzer auf unterschiedliche Fachgebiete<br />

(Abb. 5.1 links) spiegelt die Interdisziplinarität<br />

der Forschung mit Neutronen wider. Die größte Gruppe<br />

stellen die Physiker dar, weiter sind Materialwissenschaftler,<br />

Chemiker <strong>und</strong> Kristallographen gut repräsentiert.<br />

Der Anteil der Chemiker ist in den letzten Jahren<br />

signifi kant gesunken, was mit einer Reduzierung oder<br />

Neuausrichtung von Festkörperchemie-Lehrstühlen in<br />

Deutschland zu erklären ist.<br />

Forschungsintensität hat zugenommen<br />

In der Nutzergemeinde hat die Intensität der Forschung<br />

mit Neutronen deutlich zugenommen (Abb. 5.1 rechts):<br />

45 % der Befragten nutzen Neutronen für mehr als die<br />

Hälfte ihrer Forschungstätigkeit (1998 waren es nur<br />

26 %). Der größte Teil davon sind „professionelle Neutronenforscher“,<br />

die meist an Zentren angesiedelt sind.<br />

Nach wie vor ist die größte Gruppe die der „gelegentlichen<br />

Nutzer“, für die Neutronen eine ergänzende, aber<br />

wichtige Sonde sind. Sehr viele Wissenschaftler aus<br />

allen Nutzergruppen setzen komplementäre Methoden<br />

für ihre Forschung ein. Intensive Betreuung ist entscheidend,<br />

um insbesondere die gelegentlichen Nutzer an<br />

Methoden der Forschung mit Neutronen heranzuführen<br />

<strong>und</strong> sie langfristig für diese zu interessieren.<br />

Neutronenquellen<br />

An der Nutzung verschiedener Quellen hat sich seit der<br />

letzten Umfrage wenig geändert. 29 % der Experimente<br />

werden am ILL durchgeführt, 61 % an Mittelfl ussquellen,<br />

wobei das Hauptgewicht auf den deutschen Reaktoren<br />

in Jülich, Berlin <strong>und</strong> Geesthacht liegt. Die restlichen<br />

10 % verteilen sich auf: Orphée (Saclay, Frankreich),<br />

SINQ (PSI, Schweiz), ISIS (RAL, Großbritannien) <strong>und</strong><br />

IBR-II (Dubna, Russland). ISIS ist derzeit die weltbeste<br />

Spallationsquelle.<br />

Struktur der Nutzergemeinde<br />

Für zukünftige Planungen ist es wichtig, die Struktur<br />

der Nutzergemeinde möglichst gut zu kennen. Gut die<br />

Hälfte der Neutronennutzer arbeitet an Universitäten,<br />

knapp ein Drittel an Forschungszentren mit Neutronenquelle.<br />

Erfahrene Neutronennutzer sind in ähnlich<br />

hohem Umfang (über 55 %) an allen Forschungseinrichtungen<br />

vertreten. Die Ausbildung des wissenschaftlichen<br />

Nachwuchses (Doktoranden) wird besonders von<br />

den Hochschulen geleistet, während Forschungszentren<br />

demgegenüber mehr Postdoc-Stellen anbieten können.<br />

Diplomanden sind in der Umfrage vermutlich unterrepräsentiert.<br />

Sie konnten nur indirekt von der Nutzerumfrage<br />

erfahren, da sie nicht im Verteiler erfasst<br />

waren. Die Altersverteilung ist in der Abbildung 5.2<br />

dargestellt. Die Altersgruppe 30 bis 40 dominiert, sie<br />

besteht sowohl aus Doktoranden als auch Postdocs <strong>und</strong><br />

erfahrenen Nutzern. Frauen, die an der Umfrage teilgenommen<br />

haben, sind im Schnitt jünger als die Männer.<br />

Es ergibt sich eine sehr ges<strong>und</strong>e Altersverteilung: laut<br />

Umfrage sind 55 % der Nutzer jünger als 40 Jahre.<br />

Dieser Wert berücksichtigt nicht, dass Diplomanden<br />

unterrepräsentiert sind.<br />

20-29<br />

14 %<br />

>69<br />

1 %<br />

30-39<br />

40 %<br />

60-69<br />

10 %<br />

50-59<br />

14 %<br />

Abb. 5.2. Altersstruktur der deutschen Neutronennutzergemeinde.<br />

40-49<br />

21 %<br />

Zugang zu den Quellen<br />

Die Forschung an Großgeräten wie an Neutronenquellen<br />

benötigt Vorschlags- <strong>und</strong> Auswahlverfahren, um die<br />

vorhandene Messzeit an unterschiedlichen Experimenten<br />

nach wissenschaftlicher Qualität zu verteilen. Die<br />

Messzeitanträge („Proposals“) werden in Expertengremien<br />

begutachtet. Auf der Basis der Gutachten wird die<br />

verfügbare Messzeit an die Nutzer verteilt. Das bedeutet<br />

u. U. relativ lange Vorlaufzeiten, die insbesondere<br />

bei Diplom- <strong>und</strong> Doktorarbeiten frühzeitig berücksichtigt<br />

werden müssen. Für industrielle Nutzer gibt es in<br />

der Regel gesonderte Programme, die einen schnelleren<br />

Zugang ermöglichen. Im Einzelnen gibt es folgende<br />

Nutzungsmodalitäten an deutschen Neutronenquellen<br />

<strong>und</strong> am ILL:<br />

• Am Hahn-Meitner-Institut, am FRM-II <strong>und</strong> am<br />

ILL können zweimal pro Jahr Proposals eingereicht<br />

werden. Am HMI können nach Begutachtung für<br />

Doktorarbeiten spezielle langfristigere Messzeitkontingente<br />

zur Verfügung gestellt werden.<br />

66 Zugang <strong>und</strong> Förderung<br />

67


• Proposals für Experimente in Jülich <strong>und</strong> Geesthacht<br />

können kontinuierlich eingereicht werden. Mit dem<br />

Umzug der FZJ-Instrumente an den FRM-II wird<br />

die Messzeitvergabe an diesen Instrumenten auf ein<br />

halbjähriges Verfahren umgestellt. Für Proposals aus<br />

dem EU-Ausland gibt es in Jülich drei Termine im<br />

Jahr, in Geesthacht können auch diese kontinuierlich<br />

eingereicht werden.<br />

• An allen Zentren wird weniger als 40 % der Messzeit<br />

intern genutzt.<br />

• Die BMBF-Verb<strong>und</strong>instrumente stehen zu 60 - 70 %<br />

allen auswärtigen Nutzern zur Verfügung.<br />

KFN im Internet<br />

Der Internetauftritt des KFN gibt neuen <strong>und</strong><br />

potentiellen Nutzern Orientierungshilfen<br />

(www.neutronenforschung.de). Diese bestehen in einem<br />

Überblick über die Anwendungsfelder der Forschung<br />

mit Neutronen, die Instrumentierung <strong>und</strong> die verschiedenen<br />

Nutzerprogramme, an nationalen <strong>und</strong> internationalen<br />

Quellen. Gemeinsam mit dem NMI3-Programm<br />

der EU wird ein webbasiertes Formular erarbeitet, um<br />

Nutzern gezielt die für ihre Problemstellung am besten<br />

geeigneten Instrumente vorzuschlagen.<br />

Forschungsförderung<br />

Die Forschungsinfrastuktur wird an den Zentren durch<br />

institutionelle Förderung von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern der<br />

Forschergemeinde zur Verfügung gestellt. Seit dem<br />

6. Rahmenprogramm der EU tritt die Europäische Union<br />

als zusätzlicher Förderer von Forschungsinfrastruktur<br />

in Erscheinung.<br />

Die Nutzung der Großforschungseinrichtungen durch<br />

Hochschulgruppen benötigt eine spezifi sche Projektförderung,<br />

weil an den Universitäten hierfür kaum Mittel<br />

zur Verfügung stehen. Für Beteiligung am Aufbau von<br />

Instrumenten, dem Betrieb <strong>und</strong> der Nutzung, sowie für<br />

die Durchführung wissenschaftlicher Projekte existieren<br />

folgende Fördermöglichkeiten, über welche der<br />

KFN-Internetauftritt weitere Informationen bereitstellt.<br />

• Für die Instrumentierung <strong>und</strong> Methodenentwicklung:<br />

Hierfür hat sich in Deutschland über<br />

die Jahre ein hervorragendes, weltweit einmaliges<br />

Förderinstrument herausgebildet, die BMBF-Verb<strong>und</strong>forschung,<br />

siehe unten. Die Methodenentwicklung<br />

wird in zunehmendem Maße auf internationaler<br />

Ebene durch Netzwerke koordiniert. Hierfür stellt die<br />

EU im derzeitigen 6. Rahmenprogramm das Instrument<br />

der „Integrated Infrastructure Initiatives“ zur<br />

Verfügung. Deutschland ist im Bereich der Neutronen<br />

an verschiedenen Programmen, zum Teil an führender<br />

Stelle, beteiligt.<br />

• Für die Durchführung der Experimente: Reise- <strong>und</strong><br />

Aufenthaltskosten können von den HGF-Zentren für<br />

deutsche Nutzer übernommen werden. Eine entsprechende<br />

Regelung gibt es für den FRM-II bisher nicht.<br />

Nutzer aus europäischen Ländern werden über das<br />

EU-Access Programm gefördert. Experimente im<br />

Rahmen von wissenschaftlichen Projekten können<br />

durch die DFG fi nanziert werden.<br />

• Für die wissenschaftlichen Projekte: Es existiert eine<br />

klare Abgrenzung zwischen BMBF-Verb<strong>und</strong>forschung<br />

<strong>und</strong> DFG-Förderung: wissenschaftliche Projekte,<br />

die nicht direkt mit Methodenentwicklung zu<br />

tun haben, können nur noch durch die DFG fi nanziert<br />

werden. Dieses Instrument ist von großer Bedeutung<br />

für die Ausbildung <strong>und</strong> Qualifi kation des wissenschaftlichen<br />

Nachwuchses (Doktoranden). In Zukunft<br />

steht zu erwarten, dass es auch auf europäischer<br />

Ebene über das „European Research Council“, ERC,<br />

analoge Programme geben wird. Bereits heute gibt es<br />

EU-Netzwerke „Networks of Excellence“, bei denen<br />

die Methode der Neutronenstreuung eine wichtige<br />

Rolle spielt. Die HGF hat verschiedene Instrumente<br />

(„virtuelle Institute“, Nachwuchsgruppen) entwickelt,<br />

um die Zusammenarbeit zwischen Zentren <strong>und</strong> Hochschulgruppen<br />

zu fördern.<br />

Verb<strong>und</strong>forschung<br />

Die BMBF-Verb<strong>und</strong>forschung ermöglicht es universitären<br />

<strong>und</strong> in beschränktem Umfang auch außeruniversitären<br />

Gruppen, Methoden an Großgeräten zu entwickeln,<br />

Instrumente aufzubauen, in Betrieb zu nehmen <strong>und</strong> zu<br />

nutzen.<br />

Die Verb<strong>und</strong>förderung war seit jeher ein hocheffi zientes<br />

Förderinstrument für die Forschung an Großgeräten im<br />

Allgemeinen, mit dem bei Einsatz von relativ bescheidenen<br />

Mitteln Hervorragendes erreicht wurde. Sie hat<br />

bewirkt, dass Deutschland eine international herausragende<br />

Stellung auf den entsprechenden Gebieten errungen<br />

hat <strong>und</strong> sich an Universitäten Kompetenzzentren<br />

herausgebildet haben.<br />

In der Bekanntmachung der Richtlinien für die Verb<strong>und</strong>forschung<br />

im Bereich „Erforschung kondensierter<br />

Materie mit Großgeräten“ vom 3. April 2003 defi niert<br />

das BMBF den Zweck dieser Fördermaßnahme: „Das<br />

forschungspolitische Ziel der Maßnahme besteht darin,<br />

die im internationalen Vergleich hervorragende Position<br />

der Wissenschaft bei der Erforschung der kondensierten<br />

Materie in Deutschland <strong>und</strong> der entsprechenden Großgeräte<br />

zu festigen <strong>und</strong> den Bildungs- <strong>und</strong> Forschungsstandort<br />

Deutschland nachhaltig zu stärken.“<br />

Die Verb<strong>und</strong>forschung ist ein wirkungsvolles <strong>und</strong><br />

erfolgreiches Mittel zur Erreichung dieses Ziels, indem<br />

sie den Ausbau der Instrumentierung an den Großgeräten<br />

- <strong>und</strong> damit die Festigung ihrer Position im internationalen<br />

Vergleich - <strong>und</strong> die Förderung von Bildung<br />

<strong>und</strong> Forschung in ausgewogener Weise miteinander<br />

verknüpft. Universitätsgruppen, die für die Heranbildung<br />

des wissenschaftlichen Nachwuchses in erster<br />

Linie verantwortlich sind, werden durch die Förderung<br />

bestimmter Forschungsthemen oder neuer methodischer<br />

Ansätze, die zu ihrer Verwirklichung große Anlagen<br />

benötigen, an die Nutzung der Großgeräte herangeführt.<br />

Damit steigen die Effektivität der Forschung<br />

<strong>und</strong> zugleich die „Rentabilität“ der Investitionen in die<br />

Großgeräte. Diese Förderung ist effi zient, weil dabei die<br />

Eigeninteressen der Verb<strong>und</strong>partner – Großforschungszentren<br />

<strong>und</strong> Universitätsgruppen – vernünftig austariert<br />

sind. Aus Sicht des KFN muss diese Fördermaßnahme<br />

vorrangig <strong>und</strong> nachhaltig weitergeführt werden, insbesondere<br />

mit dem Ziel, Universitätsgruppen eine längerfristige<br />

Perspektive bei der Nutzung von Großgeräten<br />

zu bieten.<br />

68 Zugang <strong>und</strong> Förderung<br />

69


Quellen für<br />

Neutronenstrahlung:<br />

Forschungsreaktoren<br />

Einleitung <strong>und</strong> Überblick<br />

Den Neutronennutzern in Deutschland steht mit dem<br />

Institut Laue-Langevin in Grenoble die weltweit<br />

stärkste kontinuierliche Neutronenquelle zur Verfügung.<br />

Daneben existiert in Europa ein ganzes Netzwerk von<br />

Mittelfl ussquellen (s. Abb. 6.1), die in Zukunft von der<br />

modernsten kontinuierlichen Quelle, dem FRM-II, angeführt<br />

werden. Dieser wird an manchen Experimenten<br />

Flüsse vergleichbar mit denen des ILL aufweisen.<br />

Neutronenlandschaft<br />

Laut Nutzerumfrage des KFN vom Frühjahr 2004 werden<br />

von deutschen Nutzern die meisten Experimente<br />

am Hochfl ussreaktor des ILL durchgeführt. Darauf folgen<br />

die drei deutschen Mittelfl ussreaktoren des FZJ, des<br />

HMI <strong>und</strong> der GKSS, die zusammen die Hauptlast der<br />

Experimente tragen. Mit der beschlossenen Stilllegung<br />

des FRJ-2 <strong>und</strong> voraussichtlich des FRG-1 zu Beginn des<br />

nächsten Jahrzehnts muss in Zukunft der neue Reaktor<br />

in Garching, FRM-II, die Funktion als wichtigste nationale<br />

Neutronenquelle übernehmen <strong>und</strong> neben dem HMI<br />

die Hauptlast der Nutzerbetreuung tragen. Neben diesen<br />

nationalen Quellen konzentrieren sich die Experimente<br />

deutscher Nutzer auf die folgenden europäischen Quellen:<br />

LLB, SINQ, ISIS <strong>und</strong> Dubna. An diesen Quellen<br />

existiert zum Teil komplementäre Instrumentierung<br />

bzw. Expertise der Instrumentverantwortlichen. Neutronennutzer<br />

arbeiten für gewöhnlich in größeren internationalen<br />

Kollaborationen <strong>und</strong> suchen sich die besten<br />

Bedingungen für die jeweilige Fragestellung.<br />

Arbeitsteilung<br />

Zwischen den Hochfl ussquellen <strong>und</strong> den Mittelfl ussquellen<br />

hat sich in Europa eine sehr gute Arbeitsteilung<br />

etabliert: da die Forschung mit Neutronen im allgemeinen<br />

fl usslimitiert ist, lassen sich viele Experimente am<br />

besten an den Hochfl ussquellen durchführen. Allerdings<br />

gibt es an den Mittelfl ussquellen Instrumente<br />

<strong>und</strong> Probenumgebungen, die im weltweiten Vergleich<br />

für ganz bestimmte Anwendungen führend oder auch<br />

einmalig sind, etwa die neue fokussierende Kleinwinkelanlage<br />

KWS-3 in Jülich oder das kombinierte<br />

Flugzeit- <strong>und</strong> Spinecho-Instrument SPAN am HMI. Die<br />

Instrumente an Hochfl ussquellen sind besonders stark<br />

nachgefragt, was zu sehr kurzen <strong>und</strong> damit fehlerintoleranten<br />

Messzeiten führt. Daher sind an diesen<br />

Quellen sowohl die Möglichkeit der Ausbildung des<br />

Nachwuchses als auch die Möglichkeit zur Methodenentwicklung<br />

sehr stark eingeschränkt. Diese Aufgaben<br />

erfüllen in hervorragender Weise die Mittelfl ussquellen<br />

- zusätzlich zur Bereitstellung von Neutronenstrahlung<br />

für ein breites Spektrum von Experimenten. Daneben<br />

1200<br />

FRG-1<br />

GKSS<br />

BENSC<br />

HMI<br />

FRJ-2<br />

FZJ<br />

ISIS<br />

Rutherford<br />

LLB<br />

Paris<br />

IRI<br />

Delft<br />

600<br />

10<br />

30<br />

160<br />

300<br />

800<br />

70<br />

20<br />

80<br />

FRM-II<br />

TUM<br />

FLNP<br />

Dubna<br />

NPL-NRI<br />

Rez/Prag<br />

ILL<br />

Grenoble<br />

150<br />

130<br />

SINQ<br />

PSI<br />

BNC<br />

Budapest<br />

Abb. 6.1. Anzahl der Neutronennutzer (vertikale Balken) gemäß der ENSA-Umfrage von 1998 <strong>und</strong> wichtigste Neutronenquellen<br />

in Europa.<br />

70<br />

Neutronenquellen<br />

71


Andere europäische<br />

Zentren<br />

358<br />

Mittelfluss<br />

(FZJ, HMI, GKSS)<br />

919<br />

Außereuropäische Zentren<br />

57<br />

Abb. 6.2. Verteilung der Experimente an den<br />

verschiedenen Neutronenquellen.<br />

Hochfluss<br />

(ILL)<br />

554<br />

sind sie sehr wichtig für orientierende Messungen zur<br />

Optimierung der Messstrategie <strong>und</strong> Messungen mit<br />

aufwendigen Probenumgebungen, sowie in-situ Probenpräparation<br />

etc. In Europa wird ca. 60 % der Forschung<br />

mit Neutronen an Mittelfl ussquellen durchgeführt [6].<br />

Dort werden viele herausragende wissenschaftliche<br />

Ergebnisse erzielt.<br />

Mittelflussquellen<br />

Wissenschaftliche Arbeiten, wie Diplom- oder Doktorarbeiten,<br />

lassen sich nur durchführen, wenn eine<br />

gewisse kontinuierliche Versorgung an Messzeit gewährleistet<br />

wird. Die Spitzenquellen können aufgr<strong>und</strong><br />

der hohen Anfrage diese Aufgabe nur sehr beschränkt<br />

erfüllen. Die Messzeiten an den Mittelfl ussquellen sind<br />

im Allgemeinen etwas länger <strong>und</strong> erlauben ein Nachmessen,<br />

ein sehr wichtiger Aspekt für die Nachwuchsausbildung.<br />

Sehr viele methodische Entwicklungen sind<br />

an den Mittelfl ussquellen gelaufen, bevor sie auf die<br />

Hochfl ussquellen übertragen wurden. Beispiele hierfür<br />

sind die Entwicklung der Kleinwinkelstreuung <strong>und</strong><br />

der hochaufl ösenden Rückstreuspektroskopie in Jülich,<br />

der magnetischen Streuung bei extrem hohen Feldern<br />

am HMI oder von Geschwindigkeitsselektoren für die<br />

Kleinwinkelstreuung bei GKSS, die in der Folge dann<br />

vom ILL in Grenoble übernommen wurden.<br />

Während die Mittelfl ussquellen ursprünglich eher einen<br />

regionalen Einzugsbereich hatten, hat sich dieses Bild<br />

inzwischen drastisch gewandelt, insbesondere nachdem<br />

sehr wichtige ältere Quellen, wie der Reaktor in RISØ,<br />

in Studsvik <strong>und</strong> 2006 der Reaktor in Jülich, abgeschaltet<br />

wurden bzw. werden. Die Bedeutung der Forschung<br />

mit Neutronen wird inzwischen auch in den europäischen<br />

Ländern ohne eigene leistungsfähige Quelle<br />

erkannt, wie Portugal, Spanien, Italien, Polen, etc. Im<br />

Rahmen des EU Access Programms bewerben sich<br />

Nutzer aus diesen Ländern zunehmend um Messzeit<br />

an den Mittelfl ussquellen. Diese Internationalisierung<br />

führt zu einem Zufl uss von neuen Ideen zu den deutschen<br />

Quellen <strong>und</strong> zum Aufbau von internationalen<br />

Kollaborationen, die von den jeweiligen Großgeräten<br />

ausgehen. Dieser Aspekt ist extrem wichtig für die<br />

Lebendigkeit der Erforschung kondensierter Materie in<br />

Deutschland.<br />

HMI<br />

Der Forschungsreaktor BER II des HMI, der 1973 in<br />

Betrieb gegangen war, wurde 1985 still gelegt <strong>und</strong> in<br />

den folgenden sechs Jahren vollständig erneuert. Seit<br />

1992 steht nun ein moderner Mittelfl ussreaktor (Neutronenfl<br />

ussdichte: 1,2 ∙ 10 14 n cm -2 s -1 ) mit thermischen<br />

Strahlrohren, kalter Quelle <strong>und</strong> bis vor kurzem einer,<br />

jetzt zwei Neutronenleiterhallen der nationalen <strong>und</strong><br />

internationalen Neutronenstreugemeinde zur Verfügung.<br />

Zur Instrumentierung am neuen Reaktor <strong>und</strong> zur<br />

Organisation des Nutzerbetriebes wurde das Berliner<br />

Neutronenstreuzentrum BENSC am HMI eingerichtet.<br />

BENSC verfügt über ein nahezu komplettes Spektrum<br />

an Neutronenstreuinstrumenten. 14 Geräte werden<br />

im regulären Gästebetrieb angeboten, wobei 70 % der<br />

Messzeit an externe Nutzer über ein international besetztes<br />

Auswahlgremium vergeben wird. Weitere sechs<br />

Geräte stehen externen Nutzern auf spezielle Anfrage<br />

zur Verfügung. Hinzu kommen Messplätze für die<br />

Neutronenaktivierungsanalyse <strong>und</strong> mehrere Bestrahlungsplätze.<br />

Eine Station für Neutronentomographie ist<br />

zurzeit im Aufbau. Mit dieser Ausstattung <strong>und</strong> seiner<br />

Spezialisierung auf Hochfeldprobenumgebung entwickelte<br />

sich BENSC zu einem international beachteten<br />

Neutronenstreuzentrum mit dominant hohem Anteil an<br />

ausländischen Messgästen.<br />

Methoden- <strong>und</strong> Geräteentwicklung<br />

Eine besondere Stärke von BENSC liegt in der Entwicklung<br />

<strong>und</strong> Bereitstellung von extremer Probenumgebung<br />

für höchste Magnetfelder (bis zu 17 T) <strong>und</strong> tiefste<br />

Temperaturen (routinemäßig bis herab zu 30 mK).<br />

Weitere Stärken liegen in der Entwicklung innovativer<br />

neutronenoptischer Systeme für Strahlextraktion,<br />

Strahlführung <strong>und</strong> Neutronenpolarisation sowie in<br />

der Entwicklung neuer Instrumentkonzepte für kontinuierliche<br />

<strong>und</strong> gepulste Quellen. Beispiele dafür sind<br />

das neuartige Multispektral-Extraktionssystem für die<br />

zweite Neutronenleiterhalle, das gleichzeitig thermische<br />

<strong>und</strong> kalte Neutronen in einen Leiter einkoppelt, sowie<br />

die Weiterentwicklung der Spinecho-Methode (Weitwinkel-Spinechogerät<br />

SPAN) <strong>und</strong> der TOF-Technik<br />

für kontinuierliche Quellen („TOF-Monochromator“,<br />

Multiplexing-Choppersysteme). Insbesondere für die<br />

Instrumentoptimierung an gepulsten Quellen wurde die<br />

Simulationssoftware VITESSE entwickelt.<br />

Forschungsschwerpunkte<br />

Schwerpunkte der Forschung bei BENSC liegen auf<br />

dem Gebiet des Magnetismus <strong>und</strong> der Materialwissenschaften<br />

sowie in zunehmendem Maße auf dem Gebiet<br />

der weichen Materie, für das zur Zeit eine zusätzliche<br />

Abteilung eingerichtet wird. Durch komplementäre Nutzung<br />

der Synchrotronstrahlung an eigenen Beamlines<br />

bei der Berliner Synchrotronanlage BESSY werden diese<br />

Forschungsrichtungen weiter gestärkt. Zusätzlich beteiligt<br />

sich das HMI am FRM-II mit einem Instrument<br />

für industrienahe Eigenspannungs- <strong>und</strong> Texturanalyse<br />

(STRESSPEC). Nutzung der vorhandenen Anlagen<br />

durch die Industrie wird besonders unterstützt.<br />

Die Zukunft<br />

Für künftige Aufgaben als zweites nationales Zentrum<br />

neben dem FRM-II rüstete sich das HMI durch den<br />

Bau einer zweiten Leiterhalle. Damit kann die führende<br />

Stellung von BENSC auf dem Gebiet der Hochfeldexperimente<br />

weiter ausgebaut werden: Ein 25 T Kryomagnet<br />

in Kombination mit einem neuen Flugzeitdiffraktometer<br />

(EXED) ermöglicht Neutronenstreuung bei höchsten<br />

Magnetfeldern. EXED wird durch das neu entwickelte<br />

Multispektral-Extraktionssystem mit einem Neutronenstrahl<br />

hoher Intensität <strong>und</strong> besonders breitem Wellenlängenband<br />

versorgt. Es eröffnet bisher unerreichte<br />

Möglichkeiten in der hochaufl ösenden Neutronendiffraktion.<br />

Von der Strahlqualität eines ballistischen<br />

Leiters wird das weltweit einzigartige Weitwinkel-Spinechogerät<br />

(SPAN) profi tieren. Die Instrumentierung in<br />

der neuen Halle wird komplettiert durch eine neuartige<br />

hochaufl ösende Kleinwinkelstreuanlage (VSANS).<br />

72 HMI<br />

73


GKSS<br />

Das GKSS Forschungszentrum betreibt seit 1958 den<br />

Forschungsreaktor FRG-1. Im Rahmen laufender Modernisierungen<br />

wurde eine kalte Quelle für langwellige<br />

Neutronen sowie eine Leiterhalle gebaut, der nukleare<br />

Brennstoff von hoch- auf niedrig angereichertes Uran<br />

umgestellt <strong>und</strong> der Neutronenfl uss auf 1,4 ∙ 10 14 n/cm 2<br />

erhöht. Mit 250 Betriebstagen im langjährigen Jahresdurchschnitt<br />

bietet der FRG-1 eine besonders hohe<br />

Verfügbarkeit. R<strong>und</strong> 60 % der Strahlzeit wird externen<br />

Nutzern zur Verfügung gestellt. Strahlzeit kann jederzeit<br />

beantragt werden, um nach externer Begutachtung<br />

einen möglichst schnellen Zugang zu gewährleisten.<br />

Instrumente<br />

Es werden 10 Instrumente betrieben, von denen etwa<br />

die Hälfte für die ingenieurwissenschaftliche Materialforschung<br />

optimiert ist. Damit bietet GKSS externen<br />

Nutzern komplementär zur Schwerpunktbildung anderer<br />

Zentren ein besonders umfassendes <strong>und</strong> anwendungsnahes<br />

Angebot an:<br />

• Eigenspannungs- <strong>und</strong> Texturmessungen an Werkstoffen<br />

<strong>und</strong> Schweißnähten, z. B. für neue Fertigungsverfahren<br />

für den Airbus A 380 oder an leichteren<br />

Bauteilen aus Mg für den Fahrzeugbau.<br />

• Kleinwinkelstreuung, z. B. zur Untersuchung von<br />

festigkeitssteigernden Ausscheidungen in Hochleistungsstählen<br />

oder neuartigen Leichtbauwerkstoffen<br />

für Flugzeugturbinen<br />

• Neutronenradiographie <strong>und</strong> Tomographie, z. B. zur<br />

Qualitätssicherung von Teilen der Ariane-V Rakete<br />

im Rahmen von Industrieaufträgen.<br />

Darüber hinaus stehen Refl ektometer zur Untersuchung<br />

von magnetischen <strong>und</strong> biologischen Nanostrukturen,<br />

z. B. von magnetischen Speichermedien mit höherer<br />

Speicherdichte oder von biologischen Membranen im<br />

Hinblick auf die Wirksamkeit neuartiger Antibiotika,<br />

zur Verfügung. Eine zweite Kleinwinkelstreuanlage<br />

wird vornehmlich für die Untersuchung weicher Materie,<br />

wie z. B. Kolloidgemischen oder Formgedächtnispolymeren<br />

für die regenerative Medizin, angeboten.<br />

Industrielle Nutzung<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Anwendungsnähe seiner Instrumentierung<br />

sowie der Eigenforschung bei GKSS hat der<br />

FRG-1 einen besonders hohen Anteil industrieller Nutzung<br />

<strong>und</strong> Kollaborationen.<br />

Methodenentwicklung<br />

GKSS hat wesentliche Beiträge zur Weiterentwicklung<br />

von Methoden der Neutronenforschung geleistet. So<br />

wurde für die Untersuchung von biologischen Makromolekülen<br />

ein neues Verfahren zur Strukturaufklärung<br />

mittels Kernspinpolarisation entwickelt, Kleinwinkelstreuung<br />

mit polarisierten Neutronen erstmals<br />

eingeführt <strong>und</strong> die heute weltweit in den meisten<br />

Kleinwinkelstreuanlagen eingesetzten Geschwindig<br />

keitsselektoren zur Neutronenmonochromatisierung<br />

entwickelt.<br />

Die Zukunft<br />

Der Betrieb des FRG-1 ist bis Ende 2009 gesichert.<br />

In Vorbereitung auf eine mögliche Abschaltung nach<br />

Ende 2009 plant GKSS ein verstärktes Engagement am<br />

FRM-II <strong>und</strong> evtl. am ILL. GKSS wird daher auch im<br />

kommenden Jahrzehnt Neutroneninstrumentierung in<br />

seinen o. g. Kompetenzfeldern anbieten. Als Nukleus<br />

der GKSS-Außenstelle am FRM-II betreibt GKSS bereits<br />

das innovative Hochfl ussrefl ektometer REFSANS,<br />

das neue Möglichkeiten, u. a. bei der Untersuchung von<br />

Flüssigkeitsgrenzfl ächen, eröffnet.<br />

FZJ<br />

Seit 1962 betreibt das Forschungszentrum Jülich den<br />

Forschungsreaktor FRJ-2, der mit einer Flussdichte von<br />

2,9 ∙ 10 14 n/cm 2 s nach dem FRM-II die leistungsfähigste<br />

deutsche Neutronenquelle ist. In der Reaktorhalle <strong>und</strong><br />

einer externen Leiterhalle für kalte Neutronen befi nden<br />

sich insgesamt 17 Strahlexperimente, die das ganze<br />

Spektrum von Streuinstrumenten abdecken, von der<br />

Diffraktion über Kleinwinkelstreuung <strong>und</strong> Spektroskopie<br />

bis hin zu höchstauflösenden Spinecho- oder<br />

Rückstreuinstrumenten. Alle Instrumente stehen externen<br />

Nutzern über ein Antragsverfahren zur Verfügung.<br />

Etwa 60 % der Experimente werden durch externe<br />

Nutzergruppen durchgeführt, der Rest dient der Eigenforschung.<br />

Methodenentwicklung<br />

Traditionell liegt eine große Stärke des Jülicher Zentrums<br />

bei der Methodenentwicklung. Viele Instrumente,<br />

die heute zum Standardrepertoire an modernen Quellen<br />

gehören, wurden erstmalig in Jülich realisiert, so<br />

etwa die erste Neutronenkleinwinkelstreuanlage, ein<br />

dediziertes Instrument zur Messung diffuser Neutronenstreuung<br />

oder – nachdem das Prinzip am FRM-I<br />

gezeigt wurde – ein Rückstreuspektrometer. Neuere<br />

Entwicklungen betreffen die erste Kleinwinkelanlage<br />

mit fokussierender Optik, Refl ektometrie mit Polarisationsanalyse<br />

für offspekuläre Streuung, vektorielle<br />

Polarisationsanalyse für Flugzeitinstrumente, Phasenraumtransformation<br />

etc. In Jülich gebaute Komponenten,<br />

wie Szintillationsdetektoren oder schnell drehende<br />

magnetgelagerte Chopper, haben weltweite Verbreitung<br />

gef<strong>und</strong>en. Schließlich ebneten Jülicher Arbeiten den<br />

Weg zu den MW-Spallationsquellen, indem hier wesentliche<br />

Fortschritte, etwa beim Targetdesign, erzielt<br />

wurden.<br />

Wissenschaftliche Schwerpunkte<br />

Die wissenschaftliche Kompetenz der Neutronenstreugruppen<br />

in Jülich liegt einerseits auf dem Gebiet<br />

der weichen Materie, mit einem Schwerpunkt bei der<br />

Polymerphysik, andererseits im Bereich des Magnetismus<br />

mit Schwerpunkten im Nanomagnetismus <strong>und</strong> bei<br />

korrelierten Elektronensystemen. Die Neutronenstreuung<br />

ist eine tragende Säule im Methodenspektrum des<br />

Departments „Institut für Festkörperforschung“. Beide<br />

Forschungsschwerpunkte sind eingebettet in das HGF-<br />

Programm „Kondensierte Materie“.<br />

Die Zukunft<br />

Der Forschungsreaktor FRJ-2 soll im Mai 2006 stillgelegt<br />

<strong>und</strong> anschließend rückgebaut werden. Wegen<br />

der gr<strong>und</strong>legenden Bedeutung der Streumethoden in<br />

der Forschung kondensierter Materie beabsichtigt das<br />

Forschungszentrum Jülich, die Neutronenstreuung<br />

zu stärken <strong>und</strong> die in Jülich vorhandene methodische<br />

Kompetenz an anderen Quellen einfl ießen zu lassen. Zu<br />

diesem Zweck wird das „Jülich Centre for Neutron Science“<br />

gegründet, mit Außenstellen am FRM-II, am ILL<br />

<strong>und</strong> an der SNS. In Garching ist der Betrieb von sieben<br />

Streuinstrumenten mit entsprechender Infrastruktur<br />

geplant. Die Jülicher Instrumente ergänzen die Instrumentierung<br />

am FRM-II optimal, indem sie Lücken<br />

schließen im Bereich der Kleinwinkelstreuung, der<br />

höchstaufl ösenden Spektroskopie <strong>und</strong> der Polarisationsanalyse.<br />

Auch in Garching wird das FZJ sein bewährtes<br />

Konzept fortführen <strong>und</strong> über die Bereitstellung von<br />

Strahlzeit an den Neutroneninstrumenten hinaus Fachwissen<br />

<strong>und</strong> spezialisierte Laboreinrichtungen in den<br />

Kompetenzfeldern des Instituts für Festkörperforschung<br />

anbieten. An der SNS wird das FZJ ein Spinecho-Spektrometer<br />

der nächsten Generation mit bisher unerreichten<br />

Werten bzgl. Auflösung <strong>und</strong> dynamischem Bereich<br />

bauen. Durch diese Investition in die dortige Infrastruktur<br />

werden deutsche Nutzer zumindest in beschränktem<br />

Rahmen über das FZJ einen Zugang zu dieser Quelle<br />

der nächsten Generation erhalten.<br />

74 GKSS / FZJ<br />

75


FRM-II<br />

Der FRM-II hat ein einziges zylinderförmiges Brennelement<br />

mit ca. 8 kg hochangereichertem Uran <strong>und</strong><br />

gestaffelter Urandichte von 1,5 – 3 g/cm 3 . Mit 20 MW<br />

thermischer Leistung <strong>und</strong> einem ungestörten Fluss<br />

thermischer Neutronen von 8 ∙ 10 14 n/cm 2 s bietet er das<br />

weltweit beste Verhältnis von thermischer Leistung zu<br />

Neutronenfl uss. Die Kühlung des Brennelements erfolgt<br />

durch H 2<br />

O, die Moderation durch einen D 2<br />

O Moderator.<br />

Ein Brennelementzyklus beträgt 52 Tage, max. fünf<br />

Zyklen pro Jahr = 260 Tage können betrieben werden.<br />

Die untermoderierte Kalte D 2<br />

O-Quelle, die 2000 °C<br />

warme Heiße Quelle <strong>und</strong> eine Konverteranlage für<br />

unmoderierte schnelle Neutronen verschieben das<br />

thermische Wellenlängenspektrum ins Optimum der<br />

gewünschten Nutzung. 10 horizontale <strong>und</strong> 2 schräge<br />

Strahlrohre ermöglichen den Austritt der Neutronen<br />

zu den Experimentiereinrichtungen. Aus einem der<br />

schrägen Strahlrohre wird mittels intensiver Gammastrahlung<br />

<strong>und</strong> spontaner Paarbildung ein intensiver<br />

thermischer Positronenstrahl mit einem Fluss von<br />

10 8 - 10 9 p/cm 2 s extrahiert. Die Instrumente sind in der<br />

Experimentierhalle r<strong>und</strong> um den Reaktorkern <strong>und</strong> in<br />

einer Halle mit Neutronenleitern für kalte Neutronen<br />

untergebracht.<br />

Breites Spektrum<br />

Die Strahlrohrinstrumente des FRM-II werden von<br />

externen Expertengruppen betrieben, wobei 2/3 der<br />

Strahlzeit durch ein unabhängiges Gutachtergremium<br />

an allgemeine Nutzer vergeben werden. Für die Probenumgebung<br />

stehen Kryostaten <strong>und</strong> Öfen für Temperaturen<br />

zwischen 50 mK <strong>und</strong> 2000 °C <strong>und</strong> Magnetfelder bis<br />

zu 14,5 Tesla zur Verfügung. Druckapparaturen sind<br />

im Aufbau. Die Nutzung polarisierter Neutronen wird<br />

durch HELIOS, einer leistungsfähigen Anlage zur Polarisation<br />

von 3 He für annähernd alle Instrumente ermöglicht.<br />

Ein industrielles Anwenderzentrum innerhalb des<br />

FRM-II-Geländes fördert die industrielle Nutzung des<br />

FRM-II, es werden sowohl Büro- als auch Laborflächen<br />

zum Umgang mit Radioaktiva zur Verfügung gestellt.<br />

Zukunft<br />

Das Forschungszentrum Jülich wird zum Mai 2006<br />

seine Neutronenquelle schließen, seine leistungsfähigsten<br />

Neutronenstreuinstrumente zum FRM-II transferieren<br />

<strong>und</strong> sich mit einer Außenstelle am Nutzerbetrieb<br />

des FRM-II beteiligen. Mit der später vorgesehenen<br />

Schließung der Geesthachter Neutronenquelle wird<br />

ebenfalls die GKSS den Nutzerbetrieb durch weitere<br />

Instrumente zur Materialforschung unterstützen. Bis<br />

Ende 2006 wird hierzu an der Ostseite des FRM-II eine<br />

weitere Neutronenleiterhalle in Kombination mit Büro<strong>und</strong><br />

Laborräumen errichtet.<br />

ILL<br />

Das Institut Laue-Langevin wurde 1967 gegründet; sein<br />

57 MW-Reaktor, der 1971 kritisch wurde, liefert mit ca.<br />

1,5 ∙ 10 15 n/cm -2 s -1 den weltweit höchsten Fluss thermischer<br />

Neutronen. Eine heiße Quelle, zwei kalte Quellen<br />

mit 12 Neutronenleitern sowie ultrakalte Neutronen<br />

erweitern das Spektrum zu hohen <strong>und</strong> niedrigen Energien<br />

hin deutlich. Die Erneuerung des Reaktortanks in<br />

den 90er Jahren <strong>und</strong> die gegenwärtigen umfassenden<br />

Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit (REFIT-Programm<br />

bis 2006), insbesondere der Erdbebensicherheit,<br />

versprechen eine hohe Zuverlässigkeit des Reaktors für<br />

die kommenden Jahre.<br />

Breites Spektrum<br />

Für die Versorgung mit Neutronen ist ein ausgeklügeltes<br />

System von Neutronenleitern, die Instrumente<br />

in zwei großen Neutronenleiterhallen bedienen, von<br />

zentraler Bedeutung. Derzeit stehen insgesamt 25 vom<br />

ILL betriebene „öffentliche“ Instrumente zur Verfügung,<br />

demnächst möglicherweise 30. Die Nutzung ist<br />

über ein Proposalsystem geregelt. Zirka 750 Nutzerexperimente<br />

werden in den 4½ 50-tägigen Reaktorzyklen<br />

pro Jahr durchgeführt (bis Ende 2006 ausnahmsweise<br />

nur 3 Zyklen). Zusätzlich zu den 25 öffentlichen<br />

Instrumenten stehen 11 von externen Forschergruppen<br />

betriebene Instrumente zur Verfügung.<br />

Eine breit angelegte Modernisierung von Instrumenten<br />

<strong>und</strong> Neutronenleitern - das im Jahr 2000 gestartete<br />

Millenniumprogramm - führt bereits heute zu einem<br />

mittleren Intensitätsgewinn von einem Faktor 5; ein<br />

Faktor 15 wird angestrebt. Dabei sind auch andere<br />

Qualitäten wie Auflösung, dynamischer Bereich, Polarisation<br />

<strong>und</strong> Zuverlässigkeit Gegenstand der Verbesserungen.<br />

Über 10 Millenniumsprojekte sind bereits zum<br />

Vorteil der Nutzer erfolgreich abgeschlossen. Damit<br />

dürfte sich die Attraktivität der Einrichtungen des ILL<br />

auch in Zukunft weiter steigern. Wesentliche Basis<br />

für diese moderne Instrumentierung sind ILL-eigene<br />

Entwicklungen auf dem Gebiet der Detektoren, Monochromatoren,<br />

Neutronenpolarisation, Probenumgebung<br />

<strong>und</strong> Instrumentesteuerung. Auf vielen dieser Gebiete<br />

hat das ILL eine führende Rolle erworben. Die Wissenschaftsdisziplinen<br />

am ILL umfassen die Festkörper<strong>und</strong><br />

Materialforschung, Biologie <strong>und</strong> weiche Materie,<br />

Chemie <strong>und</strong> Ingenieurswesen, Kern- <strong>und</strong> Teilchenphysik.<br />

Auf allen Gebieten liefert das ILL Beiträge von<br />

Weltklasse, die auch für die Forschung mit Neutronen<br />

in Deutschland nicht wegzudenken sind.<br />

Das ILL wird getragen von drei Gesellschafterländern<br />

- von Frankreich, dem Vereinigten Königreich <strong>und</strong><br />

Deutschland - von denen der Hauptanteil der Finanzierung<br />

erbracht wird. Sieben sogenannte „wissenschaftliche<br />

Partner“ ergänzen das internationale Spektrum der<br />

Partnerländer, dessen Erweiterung derzeit aktiv betrieben<br />

wird.<br />

Zukunft<br />

Gegenwärtig läuft der ILL-Vertrag bis zum Jahr<br />

2014. Der internationale Erfolg des ILL, die steigende<br />

Nachfrage nach Neutronen am ILL <strong>und</strong> die vielen<br />

Erneuerungsmaßnahmen sollten der Garant einer<br />

Verlängerung um weitere 10 Jahre sein. Gemeinsam<br />

mit ESRF <strong>und</strong> EMBL ist der Ausbau des gemeinsamen<br />

Geländes zu einem großen multidisziplinären Campus<br />

geplant. Den Nutzern wird mit der „Partnership for<br />

Structural Biology“ <strong>und</strong> der „Facility for Materials<br />

Engineering“ neuartige Unterstützung gegeben. Von<br />

einem Flugzeitinstrument mit viel größerem Detektor<br />

bis hin zur zeitaufgelösten Neutronentomographie sind<br />

neue Instrumente im Bau. Kürzlich wurde eine neue<br />

Dreidimensionale Polarisationsanalyse für inelastische<br />

thermische Instrumente erfolgreich getestet. Diskutiert<br />

wird eine generelle Verstärkung der Aktivitäten<br />

des ILL auf dem Gebiet der kalten <strong>und</strong> ultrakalten<br />

Neutronen.<br />

76 FRM-II / ILL<br />

77


Der Weg<br />

in die Zukunft<br />

Neue Instrumentierung <strong>und</strong><br />

Methodik<br />

Die im Kapitel „Wissenschaftliches Potential der Forschung<br />

mit Neutronen“ aufgeführten Beispiele belegen,<br />

dass Neutronen durch ihre herausragenden Eigenschaften<br />

für viele Bereiche der Gr<strong>und</strong>lagen- <strong>und</strong> angewandten<br />

Forschung von unschätzbarem Wert sind. Leider<br />

sind sie als freie Teilchen extrem rar: Die Teilchendichte<br />

ist selbst in intensiven Neutronenstrahlen geringer<br />

als die Teilchendichte des Restgases in Hochvakuumapparaturen.<br />

Daher sind fast alle Neutronenexperimente<br />

intensitätslimitiert: Das gr<strong>und</strong>sätzliche Potential<br />

der Forschung mit Neutronen ist enorm <strong>und</strong> wird nur<br />

durch die vorhandenen Neutronenfl üsse begrenzt. Mit<br />

Forschungsreaktoren als Neutronenquellen lässt sich<br />

hierbei kein weiterer Fortschritt erzielen. Mit dem<br />

Hochfl ussreaktor des ILL ist bereits die praktisch realisierbare<br />

Grenze der Leistungsdichte im Kern erreicht.<br />

Bei den Quellen kann nur die nächste Generation von<br />

gepulsten Multi-MW-Spallationsquellen Abhilfe schaffen,<br />

bei denen der Spitzenfl uss im Puls einige Größenordnungen<br />

über dem mittleren Fluss der Forschungsreaktoren<br />

liegt. Wegen der Intensitätslimitierung der<br />

Neutronenexperimente waren Neutronenforscher schon<br />

immer extrem fi ndig <strong>und</strong> kreativ, was die Instrumentierung<br />

<strong>und</strong> Methodenentwicklung betrifft. Beispiele<br />

für Methodenentwicklung aus der Vergangenheit sind<br />

kalte <strong>und</strong> heiße Quellen, Neutronenleiter, Superspiegel,<br />

ortsauflösende Detektoren, dedizierte Instrumenttypen<br />

wie Kleinwinkelanlagen, Rückstreu- oder Spinecho-<br />

Spektrometer.<br />

Durch derartige methodische Entwicklungen werden<br />

entweder gr<strong>und</strong>sätzlich neue Informationen zugänglich<br />

(z. B. langsamere Dynamik durch höchste Energieauflösung<br />

bei der Rückstreu- oder Spinecho-Spektroskopie),<br />

oder es werden enorme Effi zienzsteigerungen<br />

bestehender Instrumente erzielt (z. B. Erhöhung des<br />

simultan erfassten Raumwinkels durch großfl ächige<br />

ortsaufl ösende Detektoren). Einige der sich aktuell<br />

abzeichnenden Entwicklungen, die Durchbrüche für<br />

die Forschung erwarten lassen, werden im Folgenden<br />

ausgeführt, bevor auf die <strong>Perspektiven</strong> durch neue<br />

Neutronenquellen eingegangen wird. Wie schon in der<br />

Vergangenheit sind Wissenschaftler aus Deutschland an<br />

vorderster Front in dieser Methodenentwicklung tätig.<br />

Detektoren<br />

Die Leistungsfähigkeit von Neutronenstreugeräten<br />

kann durch Erhöhung des Neutronenfl usses an der<br />

Probe, z. B. durch Einsatz besserer Monochromatorsysteme,<br />

<strong>und</strong> / oder durch bessere Detektorsysteme<br />

erhöht werden. Insbesondere führt die Vergrößerung<br />

der Detektorfl äche zu einer gewaltigen Effi zienzsteigerung.<br />

Diese Strategie wird hauptsächlich beim Ausbau<br />

bestehender oder in Planung befi ndlicher neuer Geräte<br />

sowohl an Spallations- als auch an Reaktorquellen<br />

verfolgt. So wurde etwa MAPS bei ISIS mit 16 m²<br />

positionsempfi ndlichen Zählrohren ausgestattet. Ein<br />

Beispiel für ähnliche Bemühungen an Geräten von<br />

Reaktorquellen ist das IN5 am ILL mit ebenfalls 16 m²<br />

Detektionsfl äche. IN5 ist nur ein Beispiel für besondere<br />

Anstrengungen zur Effi zienzsteigerung, die das ILL im<br />

Rahmen des Millenniumprogramms unternimmt. Dieses<br />

Programm soll dazu führen, dass über alle Geräte<br />

gemittelt eine Effi zienzsteigerung um einen Faktor 15<br />

erreicht wird, der zu einem großen Teil aus einer Verbesserung<br />

der Detektorsysteme resultiert.<br />

DETNI<br />

Für Radiographie- <strong>und</strong> Tomographieexperimente an<br />

künftigen Spallationsneutronenquellen werden im Rahmen<br />

der Integrated Infrastructure Initiative for Neutron<br />

Scattering and Muon Spectroscopy (NMI3) der EU in<br />

der Joint Research Activity DETNI drei verschiedene<br />

Detektortypen <strong>und</strong> Ausleseelektronik für Zählraten von<br />

bis zu 10 8 n/s pro Detektor mit höchster Ortsauflösung<br />

(50 - 100 µm FWHM) entwickelt. Die Detektoren werden<br />

in der Lage sein, über Flugzeitinformation große<br />

Wellenlängenbereiche simultan zu erfassen <strong>und</strong> somit<br />

Experimente noch effi zienter <strong>und</strong> aussagekräftiger zu<br />

machen.<br />

Image-Plate<br />

Die Möglichkeit, Daten quasi online auszulesen, macht<br />

positionsempfi ndliche Gaszähler zu den idealen Detektoren<br />

für kinetische Untersuchungen. Dies wird ein<br />

großer Vorteil gegenüber einer anderen Detektor-Entwicklungslinie<br />

bleiben, die zur Bestimmung großer, insbesondere<br />

biologischer, Strukturen an Reaktorquellen<br />

immer wichtiger wird: die Image-Plate Systeme. Ein<br />

frühes Beispiel für ein Gerät mit einem solchen Detektor<br />

in Verbindung mit der Quasi-Laue Methode ist<br />

das LADI des ILL, ein neueres Beispiel das VIVALDI,<br />

ebenfalls ILL. Mit diesen neuen Geräten wird auch<br />

die Proteinkristallographie mit Neutronen einen neuen<br />

Aufschwung erleben.<br />

78 Neue Instrumentierung 79


Gößere Detektorfläche<br />

Mit großfl ächigen positionsempfi ndlichen Detektoren<br />

für zeitaufgelöste Messungen steht ein kostengünstiger<br />

Weg zur Verfügung, Neutronenstreuexperimente, insbesondere<br />

an existierenden Quellen, um ein Vielfaches<br />

effi zienter zu machen. Voraussetzung ist, dass entsprechende<br />

Programme die Entwicklung der Detektoren<br />

<strong>und</strong> den Ausbau der Experimente unterstützen. Das<br />

Millenniumprogramm des ILL ist ein gutes <strong>und</strong> erfolgreiches<br />

Beispiel hierfür.<br />

Extreme Probenumgebung<br />

Ein großer Vorzug der Neutronen besteht in ihrem<br />

hohen Durchdringungsvermögen für viele, insbesondere<br />

metallische, Konstruktionsmaterialien. So werden<br />

Neutronenstrahlen des Wellenlängenbereichs, der<br />

typischerweise für Streuexperimente verwendet wird,<br />

beim Durchgang durch Aluminium von 1 mm Materialdicke<br />

nur um ca. 1 % geschwächt. Diese Eigenschaft<br />

der Neutronen erleichtert die Konstruktion komplexer<br />

<strong>und</strong> extremer Probenumgebungen enorm <strong>und</strong> stellt<br />

einen entscheidenden Vorteil der Neutronen gegenüber<br />

anderen Strahlenarten, wie z. B. Röntgenstrahlung, dar.<br />

Kryostaten für tiefste Temperaturen (im Extremfall bis<br />

herab zu einigen 100 pK), Kryomagnete für höchste<br />

Magnetfelder (bis zu 17 T stationär), Öfen für höchste<br />

Temperaturen (bis zu 2500 °C) <strong>und</strong> Apparaturen für<br />

höchste Drücke (bis zu 30 GPa) stehen nicht nur wenigen<br />

Spezialisten, sondern einer breiten Nutzergemeinde<br />

zur Verfügung.<br />

Höchste Magnetfelder,<br />

tiefste Temperaturen<br />

Um magnetische Phänomene zu studieren, werden<br />

Neutronenstreuexperimente in der Regel als Funktion<br />

der Temperatur <strong>und</strong> eines äußeren Magnetfeldes<br />

durchgeführt. Die höchsten Magnetfelder, die derzeit<br />

im stationären Betrieb für Neutronenstreuexperimente<br />

möglich sind, erreichen eine Stärke von 15 T für einen<br />

Temperaturbereich von 50 mK - 300 K. Bei Verzicht<br />

auf die tiefsten Temperaturen lässt sich das Magnetfeld<br />

durch besondere Dysprosium-Polschuhe bis auf 17,5 T<br />

erhöhen (Temperaturbereich 1,5 K - 300 K). Solche<br />

mit supraleitenden Spulen gebauten Kryomagnete sind<br />

seit einigen Jahren bei BENSC (HMI) im Routinebetrieb,<br />

seit kurzem auch am ILL <strong>und</strong> am FRM-II.<br />

Abb. 7.1 zeigt schematisch den Aufbau eines solchen<br />

Kryomagneten. Zur Kombination mit tiefen Temperaturen<br />

im mK-Bereich werden kompakt gebaute Einsätze<br />

benutzt, die nach dem 3 He/ 4 He-Entmischerprinzip arbeiten.<br />

Um zu noch höheren Magnetfeldern zu kommen,<br />

plant das HMI gegenwärtig in Zusammenarbeit<br />

mit dem FZK den Bau eines neuen 25 T-Kryomagneten,<br />

der durch Verwendung von supraleitenden Spulen aus<br />

Hoch-T c<br />

-Materialien verwirklicht werden soll.<br />

Höchste Temperaturen<br />

Als Standardprobenumgebung für hohe Temperaturen<br />

haben sich evakuierbare Öfen mit zylinderförmigen<br />

Metallfolien als Heizelement <strong>und</strong> Hitzeschilden herausgebildet.<br />

Mit solchen Öfen lassen sich Temperaturen bis<br />

maximal 2000 °C erreichen.<br />

Für noch höhere Temperaturen muss auf Spezialöfen<br />

zurückgegriffen werden, die von einzelnen Gruppen<br />

konstruiert wurden <strong>und</strong> nicht zum Standardrepertoire<br />

eines Zentrums gehören. Solche Entwicklungen sind<br />

z. B. Spiegelöfen, Öfen mit Elektronenstrahlheizung<br />

oder Öfen, bei denen die Probe durch ein Levitationssystem<br />

frei schwebend gehalten <strong>und</strong> induktiv oder<br />

durch Laser aufgeheizt wird. Abb. 7.2 zeigt einen<br />

Spiegelofen, der am Institut für Mineralogie der Universität<br />

München konstruiert wurde. Derartige Öfen<br />

erlauben Neutronenstreuexperimente bei Temperaturen<br />

über 2000 °C. Ein Vorteil der Spiegel- <strong>und</strong> Levitationsöfen<br />

ist, dass außer der Probe kein weiteres Material im<br />

Strahl sein muss. Im Falle des Levitationsofens kommt<br />

hinzu, dass die Probe absolut berührungsfrei im Strahl<br />

gehalten wird. Das ist vor allem für die Untersuchung<br />

von Schmelzen von großer Bedeutung. Es muss ein<br />

Bestreben der Zentren sein, diese zurzeit noch sehr spezialisierte<br />

Art von Hochtemperatureinrichtungen dem<br />

allgemeinen Nutzerbetrieb zur Verfügung zu stellen<br />

<strong>und</strong> weiterzuentwickeln.<br />

Höchste Drücke<br />

Standardprobenumgebung für Druckexperimente sind<br />

an vielen Zentren Zylinderzellen mit Wolframcarbid-<br />

Stempeln <strong>und</strong> Klemmringen zum Aufrechterhalten des<br />

mechanisch erzeugten Drucks, mit denen Drücke bis zu<br />

1,5 GPa erreicht werden können.<br />

Für Neutronenstreuexperimente bei höchsten Drücken<br />

wurde die „Paris-Edinburgh“-Zelle entwickelt. Es handelt<br />

sich dabei um den klassischen Typ einer Druckzelle<br />

mit einander gegenüberliegenden Druckstempeln. Der<br />

normale Arbeitsbereich dieser Zelle liegt zwischen 2<br />

<strong>und</strong> 20 GPa im Temperaturintervall von 100 bis 300 K.<br />

Bei Verwendung von gesinterten Diamantstempeln statt<br />

Wolframcarbid-Stempeln sind in diesem Temperaturbereich<br />

sogar Drücke bis 30 GPa möglich. Die Probe<br />

kann mit Hilfe eines Mikroofens bis 1200 K aufgeheizt<br />

werden. Der maximal mögliche Druck bei dieser<br />

Temperatur beträgt noch 7 GPa. Erkauft werden diese<br />

hohen Drücke allerdings durch ein sehr kleines Probenvolumen.<br />

Mit gesinterten Diamantstempeln beträgt die<br />

Probengröße ca. 100 mm 3 bei 25 GPa.<br />

Eine ähnliche Zelle für höchste Drücke wurde vom<br />

Kurchatow Institut in Moskau entwickelt. Sie ist durch<br />

Verwendung spezieller Konstruktionsmaterialien<br />

(Kupfer-Beryllium Bronze) vor allem für magnetische<br />

Untersuchungen geeignet. Mit dieser Zelle wurden die<br />

bisher höchsten Drücke (43 GPa) bei Neutronenstreuexperimenten<br />

erreicht.<br />

Diese extreme Probenumgebung für höchste Drücke<br />

steht nur sehr eingeschränkt dem allgemeinen Nutzerbetrieb<br />

zur Verfügung. Sie muss weiterentwickelt <strong>und</strong><br />

standardisiert werden.<br />

In-situ Experimente<br />

Für in-situ Experimente existieren spezialisierte Probenumgebungen,<br />

etwa Streckapparaturen, Scherzellen,<br />

Bedampfungsanlagen, chemische Reaktionszellen,<br />

Gasbeladungszellen etc. Diese Umgebung wird je nach<br />

wissenschaftlicher Fragestellung ständig weiterentwickelt,<br />

zum Teil in Kombination mit speziellen stroboskopischen<br />

Messverfahren.<br />

o/<br />

20<br />

o/<br />

o/<br />

20<br />

550<br />

20°<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

5°<br />

2°<br />

2°<br />

with mit thickness Dicke<br />

Al-Ringe Al-rings<br />

1,5 mm<br />

1,9 mm<br />

2,0 mm<br />

6 mm<br />

8 mm<br />

10 mm<br />

Abb. 7.1. Schematische Darstellung des vertikalen<br />

Hochfeld-Kryomagneten von BENSC. Die obere Hälfte<br />

der Abbildung zeigt den Sitz der Probe im Zentrum des<br />

Spulensystems zusammen mit den relevanten Abmessungen<br />

<strong>und</strong> Öffnungswinkeln; die untere Hälfte der Abbildung<br />

zeigt die Al-Ringe, die als Abstandshalter zwischen oberer<br />

<strong>und</strong> unterer Spule des „Split-Pair“ Magneten dienen. Die<br />

Gesamtdicke an Al, die der an der Probe gestreute Strahl<br />

durchdringen muss, beträgt 30 mm.<br />

Abb. 7.2.<br />

Spiegelofen<br />

(entwickelt<br />

am Institut für<br />

Mineralogie<br />

der<br />

Universität<br />

München).<br />

80 Extreme Probenumgebung 81


Polarisationsanalyse<br />

Die Erforschung <strong>und</strong> Entwicklung von neuen Supraleitern,<br />

molekularen Magneten, Spintronik-Materialien<br />

oder magnetischen Nanostrukturen stellt eine der<br />

großen Herausforderungen der modernen Festkörperforschung<br />

dar. Um detaillierte Einblicke in die festkörperphysikalischen<br />

Mechanismen zu erhalten, die diesen<br />

Materialien zugr<strong>und</strong>e liegen, muss man Informationen<br />

über die atomaren magnetischen Momente <strong>und</strong><br />

ihre Fluktuationen erhalten. Zur Bestimmung solcher<br />

Vektorgrößen eignet sich die Streuung polarisierter<br />

Neutronen in hervorragender Weise. Über die Neutronenpolarisation<br />

kann man wichtige Richtungs- <strong>und</strong><br />

Phaseninformationen erhalten, die verloren gehen, wenn<br />

in einem konventionellen Experiment nur die Intensität<br />

der gestreuten Neutronen gemessen wird. Die Änderung<br />

der Richtung des Neutronenspins bei der Streuung an<br />

atomaren magnetischen Dipolen hängt empfi ndlich von<br />

ihrer relativen Orientierung ab <strong>und</strong> kann mit so genannten<br />

Neutronenpolarimetern hochpräzise gemessen<br />

werden. Aber auch im Bereich der weichen Materie <strong>und</strong><br />

der Biologie spielt die Trennung von kohärenter <strong>und</strong><br />

inkohärenter Streuung mit Hilfe von Neutronenpolarisationsanalyse<br />

eine zunehmend wichtige Rolle.<br />

Polarisierte Neutronen sind<br />

preisverdächtig!<br />

In der Vergangenheit wurden Experimente zur Polarisationsanalyse<br />

als schwierig, nur von Spezialisten<br />

interpretierbar <strong>und</strong> “fl usshungrig“ angesehen. In jüngster<br />

Zeit wurden entscheidende Fortschritte bei der Instrumentierung<br />

für, aber auch bei der Interpretation von<br />

Experimenten mit polarisierten Neutronen erzielt. Diese<br />

zunehmende Bedeutung polarisierter Neutronen wird<br />

allein schon durch die Verleihung des renommiertesten<br />

F. Mezei (1999) J. Brown (2001)<br />

Abb. 7.3. Die beiden ersten Preisträger des renommierten<br />

Walter Hälg-Preises, F. Mezei <strong>und</strong> J. Brown, die den<br />

Preis der Europäischen Neutronenstreugesellschaft für<br />

ihre Arbeiten mit polarisierten Neutronen erhalten haben.<br />

Preises in der Forschung mit Neutronen deutlich, des<br />

Walter Hälg-Preises. Die zwei ersten Preisträger haben<br />

den Preis der Europäischen Neutronenstreugesellschaft<br />

für Forschungsergebnisse erhalten, die mit polarisierten<br />

Neutronen erzielt wurden: Ferenc Mezei, HMI, im Jahre<br />

1999 für die Erfi ndung der Neutronenspektroskopie<br />

mit der höchsten Auflösung – der Spinecho-Spektroskopie<br />

– <strong>und</strong> Jane Brown, ILL, im Jahre 2001 für ihre<br />

Untersuchungen komplexer magnetischer Strukturen<br />

<strong>und</strong> Spindichten mit Hilfe der Beugung polarisierter<br />

Neutronen <strong>und</strong> der vektoriellen Polarisationsanalyse.<br />

Neuartige Komponenten für die<br />

Polarisationsanalyse<br />

Die Entwicklung von neuen Methoden <strong>und</strong> Einrichtungen<br />

für die Neutronenpolarisationsanalyse hat durch<br />

weltweite Zusammenarbeit innerhalb des von der EU<br />

geförderten Netzwerks „PNT“ – Techniken für Polarisierte<br />

Neutronen – enormen Aufschwung gewonnen.<br />

Als Beispiele für fortschrittliche Komponenten, die erst<br />

in den letzten Jahren entwickelt wurden, seien genannt:<br />

• Hocheffi ziente Neutronenpolarisationsfi lter, die auch<br />

für kurzwellige Neutronen eine effi ziente Polarisation<br />

des Strahls zulassen <strong>und</strong> die an jede Streugeometrie<br />

angepasst werden können, um Polarisationsanalyse<br />

über einen großen Raumwinkel zu ermöglichen<br />

(s. Abb. 7.4).<br />

• Das Nullfeldpolarimeter „CRYOPAD“, das volle Vektorpolarisationsanalyse<br />

für Diffraktions- <strong>und</strong> Spektroskopieexperimente<br />

zulässt (s. Abb. 7.5). Bei der<br />

Vektorpolarisationsanalyse wird der Neutronenspin<br />

vor der Streuung in einer beliebigen Raumrichtung<br />

eingestellt <strong>und</strong> die Richtung des Spins nach der Streuung<br />

bestimmt. Angeregt durch die am ILL entwickel-<br />

Abb. 7.4. Station zur Polarisation von 3 He über das<br />

„Spin Exchange Optical Pumping“ SEOP am FZJ.<br />

Motoren<br />

4K Pulsrohr-<br />

Kryokühler<br />

Stickstoffummantelung<br />

Heliumbad<br />

Ausgang Larmorr<br />

Präzessionsspule<br />

Eingang Larmor-<br />

Präzessionsspule<br />

Eulerwiege<br />

-Metallabschirmung<br />

Abb. 7.5. Aufbau des „CRYOPAD“ zur vektoriellen<br />

Polarisationsanalyse.<br />

te CRYOPAD-Technik ist inzwischen am FZJ eine<br />

neue Methode mit präzedierenden Spins entstanden,<br />

die es erstmals ermöglicht, vektorielle Polarisationsanalyse<br />

für alle zugänglichen Energie- <strong>und</strong> Impulsüberträge<br />

simultan durchzuführen. Damit ist auch der<br />

Weg in die Zukunft aufgezeichnet: Einfachere universell<br />

einsetzbare Polarimeter für die verschiedenen<br />

Neutronenstreutechniken müssen entwickelt werden.<br />

”Larmor-Markierung”<br />

Obwohl die Neutronenstreuung eine inhärent fl usslimitierte<br />

Technik ist, benutzen heutzutage die meisten<br />

Neutronenstreuexperimente Monochromatoren <strong>und</strong><br />

Kollimatoren, um Neutronenstrahlen mit einer engen<br />

Verteilung von Energie <strong>und</strong> Impuls einzustellen. Auf<br />

diese Art <strong>und</strong> Weise lässt sich zwar eine ausreichende<br />

experimentelle Aufl ösung erzielen, aber gleichzeitig<br />

wird der größte Teil des Neutronenstrahls ausgeblendet<br />

<strong>und</strong> ist für das Experiment verloren. Die Kunst<br />

fast jeden Neutronenexperiments besteht daher darin,<br />

die beste Balance zwischen Aufl ösung <strong>und</strong> Intensität<br />

einzustellen. Kann es eine Alternative zu diesem<br />

konventionellen Verfahren geben, bei dem man eine<br />

gute instrumentelle Aufl ösung bei gleichzeitig hoher<br />

Intensität erreicht Neutronenforscher arbeiten zurzeit<br />

weltweit daran, Neutronenstreutechniken zu entwickeln,<br />

bei denen die Energie- <strong>und</strong> Impulsauflösung entkoppelt<br />

ist von der genauen Festlegung beider Größen.<br />

Larmor-Präzession<br />

Tatsächlich zeigt sich auch hier wieder, dass das Neutron<br />

für den Forscher ein Geschenk der Natur ist. Es<br />

trägt eine Eigenschaft in sich, die es dem geschickten<br />

Experimentator erlaubt, die Flugzeit bzw. Flugbahn<br />

eines jeden einzelnen Neutrons zu bestimmen. Dabei<br />

handelt es sich um die „Larmor-Präzession“ des Neutronenspins<br />

in einem äußeren Magnetfeld. Ähnlich wie<br />

ein Kreisel im Schwerefeld der Erde präzediert auch<br />

das Neutron im Magnetfeld mit einer genau bekannten<br />

Frequenz. Jedes Neutron trägt sozusagen seine eigene<br />

Uhr mit sich, wodurch ungewöhnliche Neutronenstreuexperimente<br />

ermöglicht werden, bei denen die geforderte<br />

Energie- <strong>und</strong> Impulsauflösung nicht verlangt, dass<br />

die Strahlen vor <strong>und</strong> nach der Streuung möglichst genau<br />

selektiert werden. Die älteste <strong>und</strong> am besten bekannte<br />

Technik dieser Art ist die höchstauflösende Neutronen-<br />

Spinecho-Methode. Ein neuartiges Instrument, das auf<br />

dieser Methode beruht, wird in Abb. 7.6 gezeigt: Das<br />

Weitwinkel-Spinecho-Spektrometer SPAN am HMI.<br />

Inzwischen zeichnet sich ab, dass Larmor-Präzessionsmethoden<br />

in geschickt ausgelegten Feldern auch genutzt<br />

werden können, um Richtungsänderungen der Neutronen<br />

beim Streuprozess genauer festzulegen. Im Rahmen<br />

des „PNT“-Netzwerks wird an der Entwicklung solcher<br />

Methoden gearbeitet. Vielleicht lassen sich in einigen<br />

Jahren völlig neuartige Instrumente für Spektroskopie,<br />

Beugung <strong>und</strong> Refl ektometrie realisieren, die auf Larmor-Präzessionsmethoden<br />

basieren <strong>und</strong> die die geschilderte<br />

reziproke Abhängigkeit von Aufl ösung <strong>und</strong> Intensität<br />

zumindest teilweise zu durchbrechen gestatten.<br />

Abb. 7.6. Neutronenspinecho-Spektrometer SPAN<br />

am HMI.<br />

82 Polarisationsanalyse<br />

83


Phasenraum: Volumen <strong>und</strong><br />

Transformation<br />

Unabhängig vom Typ der Neutronenquelle - Reaktor<br />

oder Spallationsquelle - werden die für Streuexperimente<br />

genutzten Neutronen aus Moderatoren freigesetzt.<br />

Sie besitzen dann eine isotrope Geschwindigkeitsverteilung<br />

entsprechend der Temperatur des Moderators.<br />

Die Impuls- (Geschwindigkeits-) <strong>und</strong> Ortsverteilung<br />

der Neutronen wird durch ein Volumen im Phasenraum<br />

beschrieben. In jüngster Zeit gibt es vermehrte Anstrengungen,<br />

dieses Phasenraumvolumen zu manipulieren:<br />

Mit Hilfe von optischen Elementen wie Superspiegeln<br />

oder spezialisierten Kristallmonochromatoren sowie<br />

über ein multispektrales Extraktionsverfahren kann<br />

man das nutzbare Phasenraumvolumen vergrößern.<br />

Über Linsensysteme, fokussierende Spiegel oder<br />

bewegte Kristalle lässt sich das Phasenraumvolumen<br />

entsprechend den Anforderungen eines Experimentes<br />

formen. Als Beispiele seien hier nur das multispektrale<br />

Extraktionsverfahren <strong>und</strong> die Phasenraumtransformation<br />

mit bewegten Kristallen kurz erläutert.<br />

Multispektrales Extraktionssystem<br />

Normalerweise nutzen Experimente Neutronenstrahlen<br />

entweder von einem thermischen Moderator oder<br />

einer kalten Quelle. Für Flugzeit-Diffraktometrie oder<br />

–Spektroskopie ist oft ein breiterer Wellenlängenbereich<br />

wünschenswert. Dies kann entweder durch eine untermoderierte<br />

kalte Quelle (realisiert am FRM-II) oder<br />

durch ein multispektrales Extraktionssystem (realisiert<br />

HMI) erreicht werden. Bei letzterem werden Neutronen<br />

über ein spezielles Neutronenspiegelsystem (Superspiegel)<br />

sowohl von einer kalten als auch einer thermischen<br />

Quelle in denselben Neutronenleiter eingekoppelt<br />

(s. Abbildung 7.7). Die rasante Weiterentwicklung der<br />

Superspiegel hat es erst ermöglicht, Strahlen mit einem<br />

breiten Wellenlängenband <strong>und</strong> / oder einer großen Divergenz<br />

effi zient über weite Entfernungen zu transportieren.<br />

Eine Divergenztransformation für das Streuexperiment<br />

kann dann durch fokussierende Spiegel oder<br />

Linsensysteme erreicht werden.<br />

Phasenraumtransformation mit<br />

bewegten Kristallen<br />

Für Streuexperimente ist in der Regel ein gerichteter<br />

monochromatischer Strahl erwünscht, während die<br />

Quelle Strahlen einer hohen Divergenz anbietet. Durch<br />

Bragg-Streuung an einem sich bewegenden Monochromatorkristall<br />

kann das Phasenraumvolumen gezielt<br />

geformt werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten,<br />

eine solche Phasenraumtransformation zu nutzen, um<br />

die Intensität der Neutronen in dem vom Instrument<br />

genutzten Energieband zu verbessern. Das FZJ hat hier<br />

weltweit eine Vorreiterrolle gespielt.<br />

Bei der Methode des parallelen Impulsübertrags wird<br />

das Spektrum thermischer Neutronen in einer kalten<br />

Quelle komprimiert, was zu einer erhöhten Phasenraumdichte<br />

führt. In einem zweiten Schritt wird ein Teil<br />

dieses niederenergetischen Spektrums durch Refl ektion<br />

an einem schnell bewegten Kristall (z. B. auf dem<br />

Umfang eines Rades bei hoher Drehzahl) auf thermische<br />

Energien zurückgeführt. Auf diese Weise wird ein<br />

thermischer Strahl mit engem Energieband <strong>und</strong> kleiner<br />

Divergenz erzeugt.<br />

Bei einer zweiten Methode wird durch Impulsübertrag<br />

senkrecht zum reziproken Gittervektor eines<br />

Mosaikkristalls ein kollimierter Strahl breiter Energieverteilung<br />

in einen monoenergetischen Strahl breiter<br />

Winkelverteilung transformiert. Praktisch ist diese<br />

Methode nur für kalte Neutronen einsetzbar, wobei die<br />

Geschwindigkeit des Deflektorkristalls in der Größenordnung<br />

von 300 m/s liegt. Die Methode wird an zwei<br />

modernen Rückstreuspektrometern eingesetzt <strong>und</strong><br />

liefert einen Intensitätsgewinn von etwa einem Faktor 4.<br />

Im Moment wird die Phasenraumtransformation - nicht<br />

zuletzt wegen der damit verb<strong>und</strong>enen hohen technischen<br />

Schwierigkeiten - noch äußerst spärlich eingesetzt.<br />

Die Herausforderung für die Zukunft besteht<br />

darin, Abwandlungen der beschriebenen Methode der<br />

Phasenraumtransformation konsequenter anzuwenden,<br />

etwa bei kalten Flugzeitspektrometern, bei denen man<br />

höhere Intensitäten ohne Zeitfokussierung erzielen<br />

könnte.<br />

Kalte Quelle<br />

Thermischer Moderator<br />

Neutronen-Superspiegel<br />

Neutronenweiche<br />

Neutronen-Superspiegel<br />

Neutronenleiter<br />

Beispiel für Flugweg thermischer Neutronen<br />

Beispiel für Flugweg kalter Neutronen<br />

Abb. 7.7. Multispektrales Extraktionssystem. Dieses System wurde am HMI zur Versorgung der zweiten<br />

Neutronenleiterhalle mit thermischen <strong>und</strong> kalten Neutronen eingebaut.<br />

Abb. 7.8. Deflektorrad des Jülicher Rückstreuspektrometers am FRM-II vor Montage der Deflektorkristalle. Der<br />

Durchmesser (Abstand Kristallmitte zu Kristallmitte) beträgt 120 cm, die Umfangsgeschwindigkeit 300 m/s in der<br />

Kristallmitte.<br />

Phasenraum<br />

84 85


MW-Spallationsquellen<br />

Der Neutronenfl uss in Forschungsreaktoren ist durch<br />

die maximal erreichbare Leistungsdichte begrenzt. Er<br />

hat mit dem Hochfl ussreaktor des ILL seine technisch<br />

praktikable Grenze erreicht (s. Abb. 7.9). Neben der<br />

Kernspaltung können Neutronen auch durch den Spallationsprozess<br />

freigesetzt werden (s. Abb. 7.10). Hierbei<br />

wird ein hochenergetischer Protonenstrahl (Energien im<br />

Bereich von 1 GeV) auf ein Schwermetalltarget geschossen.<br />

Pro eingefangenem Proton dampfen aus dem<br />

Kern bis zu 30 Neutronen ab. Spallationsquellen setzen<br />

die für die Forschung so wertvollen Neutronen effi zient<br />

<strong>und</strong> sicher frei. Bei einer gepulsten Spallationsquelle<br />

mit Leistungen im Bereich mehrerer MW werden Spitzenfl<br />

üsse erzielt, die um ein bis zwei Größenordnungen<br />

über dem kontinuierlichen Fluss am ILL liegen. Viele<br />

Instrumenttypen können die Pulsstruktur einer solchen<br />

Quelle effi zient nutzen, so dass nun zum ersten Mal<br />

seit ca. 50 Jahren die Möglichkeit besteht, die Quell-<br />

Spaltung<br />

Proton (p)<br />

Neutron (n)<br />

langsames<br />

Neutron<br />

Spallation<br />

schnelle<br />

Primärteilchen<br />

p<br />

~1 Giga-<br />

Elektronenvolt<br />

235<br />

U<br />

BLEI<br />

<br />

Spaltung des<br />

angeregten Kerns<br />

intranukleare<br />

Kaskade<br />

hoch<br />

angeregter Kern<br />

Kaskadenteilchen<br />

Thermischer Neutronenfluss (n/cm 2 s -1 )<br />

Kettenreaktion<br />

durch moderierte<br />

Neutronen<br />

internukleare<br />

Kaskade<br />

<br />

10 18<br />

10 15<br />

10 12<br />

10 9<br />

NRX<br />

MTR<br />

X-10<br />

CP-2<br />

CP-1<br />

1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020<br />

10 6 Jahr<br />

Verdampfung<br />

NRU<br />

HFIR<br />

HFBR<br />

Tohoku<br />

Linac<br />

Reaktoren<br />

ILL<br />

ESS<br />

SNS<br />

ISIS<br />

IPNS<br />

LANSCE<br />

SINQ-II<br />

KENS<br />

SINQ<br />

Spallation<br />

Abb. 7.9.<br />

Zeitliche Entwicklung des thermischen Neutronenflusses<br />

an existierenden <strong>und</strong> projektierten Quellen. Man sieht<br />

deutlich das Sättigungsverhalten bei den Reaktorquellen,<br />

während an Spallationsquellen höhere Spitzenflüsse<br />

erzielt werden können.<br />

Abb. 7.10.<br />

Bei der Kernspaltung in<br />

Reaktoren (oberes Teilbild)<br />

bricht ein 235 U-Kern nach<br />

Neutronenabsorption in<br />

zwei etwa gleichschwere<br />

Kerne auseinander. Dabei<br />

werden im Mittel zwei bis<br />

drei Neutronen freigesetzt.<br />

Da Neutronen zur Aufrechterhaltung<br />

der Kettenreaktion<br />

benötigt werden, wird<br />

bei diesem Prozess jeweils<br />

nur etwa ein nutzbares<br />

Neutron erzeugt.<br />

Bei der Spallation (unteres<br />

Teilbild) wird ein hochenergetisches<br />

Proton in einem<br />

schweren Kern absorbiert<br />

<strong>und</strong> heizt diesen auf. Der<br />

Kern relaxiert durch Abdampfen<br />

von Teilchen. In<br />

der internuklearen Kaskade<br />

werden ca. 30 Neutronen<br />

freigesetzt.<br />

stärke einer Neutronenquelle signifi kant zu erhöhen.<br />

Dies bringt nicht nur eine quantitative, sondern insbesondere<br />

eine deutliche qualitative, Verbesserung: eine<br />

signifi kante Erhöhung der Quellstärke erlaubt es, völlig<br />

neuartige Experimente durchzuführen [6]. Diese Chance<br />

wurde in den USA <strong>und</strong> in Japan erkannt, wo sich die<br />

„Spallation Neutron Source“ SNS bzw. die „Japanese<br />

Spallation Neutron Source“ JSNS im Bau befi nden. Die<br />

Anlagen sollen in 2006 bzw. 2007 den Betrieb aufnehmen.<br />

Unzweifelhaft werden sie dann wissenschaftliches<br />

Neuland betreten, ähnlich wie dies das ILL <strong>und</strong> die<br />

ESRF nach ihrer Inbetriebnahme geleistet haben.<br />

Europäische Spallationsquelle<br />

Gemäß der Empfehlung des OECD Ministerrats von<br />

1999 sollte in den drei Erdteilen Nordamerika, Europa<br />

<strong>und</strong> Japan (für den Asiatisch-Australischen Raum)<br />

jeweils eine MW-Spallationsquelle realisiert werden.<br />

In Europa, welches mit Abstand die größte Neutronennutzergemeinde<br />

hat, wurde daher der Bau einer „European<br />

Spallation Source ESS“ vorgeschlagen [6]. Im<br />

vollen Ausbau sollte diese Quelle zwei Targetstationen<br />

mit je 5 MW Leistung für je 24 Instrumente besitzen,<br />

ein Kurzpulstarget mit 50 Hz Pulsfrequenz bei 1,4 µs<br />

Pulsdauer <strong>und</strong> ein Langpulstarget mit 16 2/3 Hz bei 2 ms<br />

Pulsdauer.<br />

Spallation bringt mehr Leistung<br />

Abbildung 7.11 zeigt eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit<br />

einer solchen Quelle im Vergleich zu den existierenden<br />

Quellen ILL <strong>und</strong> ISIS <strong>und</strong> dem Ausbauprojekt<br />

ISIS-II [2]. Die existierenden europäischen Spitzenquellen<br />

fallen gegenüber dem SNS-Projekt deutlich<br />

ab. Dieser Abstand wird sich noch vergrößern, wenn<br />

der projektierte Ausbau der SNS auf 4 MW realisiert<br />

wird. Wegen der langen Zeit von mindestens 8 Jahren<br />

zwischen Projektstart <strong>und</strong> Inbetriebnahme einer Quelle<br />

der nächsten Generation muss in Europa möglichst bald<br />

eine Entscheidung zugunsten einer europäischen Spitzenquelle<br />

fallen, wenn Europa nicht auf einem Wissenschaftsgebiet,<br />

auf dem es momentan unangefochten die<br />

Spitzenstellung hält, deutlich hinter USA <strong>und</strong> Japan<br />

zurückfallen will. Mit der Realisierung einer Langpulsquelle<br />

als erstem Schritt könnte die europäische Führung<br />

auf einigen Gebieten der Wissenschaft ausgebaut<br />

werden, insbesondere in den wichtigen Feldern „Weiche<br />

Materie“ <strong>und</strong> „Biologie“. Wegen der Komplementarität<br />

einer Langpulsquelle zu den im Bau befi ndlichen<br />

Kurzpuls-Quellen SNS <strong>und</strong> JSNS steht zu erwarten,<br />

dass Europa dann wieder wissenschaftliches Neuland<br />

betreten kann, ähnlich wie dies, beginnend 2007, an der<br />

SNS geschehen wird.<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Mittlere Quellstärken<br />

Relativ zur SNS<br />

Prioritär<br />

andere<br />

Mittel<br />

ISIS-II ISIS/ILL 1MW SNS LPTS ESS<br />

Abb. 7.11.<br />

Die über verschiedene Instrumenttypen gemittelte Quellstärke<br />

für das Ausbauprojekt ISIS-II, die bestehenden<br />

Quellen ILL <strong>und</strong> ISIS, eine 1 MW-Kurzpulsquelle, die<br />

SNS (normiert auf 1), die Langpulsquelle des ESS-Projekts<br />

<strong>und</strong> die voll ausgebaute ESS. Jeweils gezeigt ist<br />

die Quellstärke für prioritär zu bauende Instrumente, alle<br />

anderen Instrumente <strong>und</strong> den Mittelwert über alle Instrumente.<br />

Bei der Darstellung des SNS Projekts wurde die<br />

projektierte thermische Leistung der Quelle von 1,4 MW<br />

<strong>und</strong> eine voll ausgebaute Instrumentensuite zu Gr<strong>und</strong>e<br />

gelegt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die volle<br />

Quellstärke der SNS erst nach einer Übergangszeit von<br />

mehreren Jahren erreicht werden kann. In dieser Übergangszeit<br />

werden die europäischen Quellen ILL <strong>und</strong><br />

ISIS konkurrenzfähig bleiben.<br />

86 MW-Spallationsquellen 87


SNS<br />

In den Vereinigten Staaten wird zurzeit am Oak Ridge<br />

National Laboratory eine 1,4 MW-Spallations-Neutronenquelle<br />

errichtet (www.sns.gov). Träger des Projektes,<br />

dessen Kosten sich auf 1,4 Milliarden US $ belaufen,<br />

ist das Department of Energy (DOE). Im Juni 2006<br />

wird die Anlage in einer ersten Ausbaustufe mit fünf<br />

Instrumenten fertig gestellt sein <strong>und</strong> den Nutzerbetrieb<br />

für die nationale <strong>und</strong> internationale Neutronenstreu-<br />

Community als die dann weltweit leistungsfähigste<br />

Spallationsquelle aufnehmen.<br />

Kurzpulsquelle bei 60 Hz<br />

Die SNS ist als 60 Hz Kurzpuls-Quelle (0,7 µs Pulslänge)<br />

ausgelegt. Das Flüssig-Quecksilber-Target ist von<br />

drei Moderatoren mit superkritischem Wasserstoff <strong>und</strong><br />

einem Moderator bei Raumtemperatur umgeben. Insgesamt<br />

können 24 Instrumente an der Targetstation untergebracht<br />

werden. Zurzeit sind 17 Instrumente geplant<br />

<strong>und</strong> teilweise im Bau. Fünf dieser Instrumente gehören<br />

zur Erstausstattung, die restlichen werden sukzessive<br />

in den Jahren 2006 bis 2011 in Betrieb genommen.<br />

Einen Überblick über die Anlage im Bau gibt Abb. 7.12.<br />

In Abb. 7.13 sind die 17 bisher geplanten Instrumente<br />

<strong>und</strong> ihre Anordnung an der Targetstation schematisch<br />

dargestellt. Auch Deutschland beteiligt sich mit einem<br />

Spinecho-Gerät.<br />

Weiterer Ausbau geplant<br />

Bereits jetzt bestehen Pläne für einen weiteren Ausbau<br />

der Anlage. So wird der Bau einer zweiten Targetstation<br />

mit Platz für bis zu 22 zusätzliche Instrumente speziell<br />

für die Nutzung langwelliger Neutronen überlegt.<br />

Außerdem soll in einer vom DOE bereits genehmigten<br />

Designstudie die Möglichkeit einer Leistungserhöhung<br />

von 1,4 auf 3 bis 4 MW untersucht werden. Wenn diese<br />

Pläne verwirklicht werden, wird die SNS die stärkste<br />

Neutronenquelle der Welt sein mit Leistungsdaten, die<br />

nahe an jene Daten herankommen, die der ESS-Planung<br />

zu Gr<strong>und</strong>e lagen.<br />

JSNS<br />

Japan hat 2002 in Tokai mit dem Bau von J-PARC<br />

(Japan Proton Accelerator Research Complex), einem<br />

großen Beschleunigerkomplex, begonnen. Das Projekt<br />

wird von KEK (National High-Energy Accelerator<br />

Research Organisation) <strong>und</strong> JAERI (Japan Atomic Energy<br />

Research Institute) gemeinsam durchgeführt. Ziel<br />

von J-PARC ist es, durch Beschuss eines Targets mit<br />

hochenergetischen Protonen Sek<strong>und</strong>ärstrahlen von Teilchen<br />

wie Neutronen, Myonen, Neutrinos, Kaonen <strong>und</strong><br />

Antiprotonen zu erzeugen <strong>und</strong> für die verschiedensten<br />

Experimente zur Verfügung zu stellen. Ein Kernstück<br />

der gesamten Anlage wird die JSNS sein, eine 1 MW-<br />

Spallationsneutronenquelle, die der „Materials and Life<br />

Science Experimental Facility“ von J-PARC als Großgerät<br />

dient. Abb. 7.15 zeigt einen Überblick über den<br />

gesamten Beschleunigerkomplex.<br />

Backscattering<br />

Spectrometer<br />

BL 2<br />

High-Pressure<br />

Diffractometer<br />

BL 3<br />

Magnetism<br />

Reflectometer<br />

BL 4a<br />

Liquids<br />

Reflectometer<br />

BL 4b<br />

Cold Neutron Chopper<br />

Spectrometer<br />

BL 5<br />

Small-Angle Neutron<br />

Scattering Diffractometer<br />

BL 6<br />

Disordered Materials<br />

Diffractometer<br />

BL 1b<br />

Engineering<br />

Diffractometer<br />

[VULCAN] BL 7<br />

BL 1a<br />

BL 9<br />

BL 8b<br />

BL 8a<br />

Wide-Angle Chopper<br />

Spectrometer<br />

[ARCS] BL 18<br />

Vibrational<br />

Spectrometer<br />

[VISION] BL 16b<br />

BL 10<br />

BL 16a<br />

High-Resolution Chopper<br />

Spectrometer<br />

[SEQUOIA] BL 17<br />

Neutron SpinEcho<br />

BL 15<br />

Macromolecular<br />

Diffractometer<br />

BL 11b<br />

Powder<br />

Diffractometer<br />

[POWGEN] BL 11a<br />

Hybrid<br />

Spectrometer<br />

[HYSPEC] BL 14b<br />

BL 14a<br />

F<strong>und</strong>amental<br />

Physics Beam Line<br />

BL 13<br />

Single-Crystal<br />

Diffractometer<br />

BL 12<br />

Kurzpulsquelle bei 25 Hz<br />

Die JSNS ist eine Kurzpulsquelle (0,8 µs Pulslänge) mit<br />

Flüssig-Quecksilber-Target, die mit 25 Hz betrieben<br />

wird. Diese im Vergleich zur SNS (60 Hz) geringere<br />

Puls-Repetitionsrate bei entsprechend höherer Intensität<br />

pro Puls bedeutet eine Optimierung von JSNS zugunsten<br />

von Experimenten mit längerwelligen Neutronen<br />

<strong>und</strong> hochaufl ösenden Instrumenten mit langen Flugwegen.<br />

Drei Moderatoren mit superkritischem Wasserstoff<br />

erlauben die Installation von maximal 23 Instrumenten.<br />

Es wird erwartet, dass Neutronenstreuexperimente an<br />

der JSNS ab Frühjahr 2009 möglich sind. Zu diesem<br />

Zeitpunkt sollen dann 10 Instrumente betriebsbereit<br />

sein. In Abb. 7.14 sind diese Instrumente der Erstausstattung<br />

schematisch dargestellt.<br />

ESS-I<br />

Das ESS Council, in dem alle führenden Neutronenzentren<br />

<strong>und</strong> einige Universitäten vertreten waren, hat<br />

im Dezember 2003 seinen Abschlussbericht vorgelegt<br />

[6]. In der Neutronen-Arbeitsgruppe des „European<br />

Strategy Forums for Research Infrastructures“ ES-<br />

FRI wurden die 4 verschiedenen Optionen für eine<br />

Spallationsquelle der nächsten Generation bewertet [2]:<br />

die voll ausgebaute ESS mit je einer 5 MW-Kurzpuls<strong>und</strong><br />

Langpuls-Targetstation, eine zeitlich gestaffelte<br />

Realisierung beginnend mit einer 5 MW-Langpulsquelle,<br />

eine neue 1 MW-Quelle oder eine Leistungserhöhung<br />

von ISIS auf 1 MW. Nur die ersten beiden Alternativen<br />

würden die führende Stellung Europas in der Forschung<br />

Bio-Molecular Spectrometer<br />

K. Shibata (JAERI)<br />

Small Angle Scat. (High intensity)<br />

J. Suzuki (JAERI)<br />

Reflectometer (Horizontal)<br />

N. Torikai (KEK)<br />

Powder diffractometer<br />

(High Resolution)<br />

T. Kamiyama (KEK)<br />

Chopper Inst. (High Resolution)<br />

S. Itoh (KEK)<br />

Stress Analysis<br />

Diffractometer<br />

A. Moriai (JAERI)<br />

Bio-Molecular<br />

X-tal Diff. (Versatile)<br />

I. Tanaka (Ibaraki Univ.)<br />

Low Energy Chopper Instrument<br />

K. Nakajima (JAERI)<br />

Total Scattering Inst. (Amorphous)<br />

T. Otomo (KEK)<br />

Powder diffractometer (Versatile)<br />

Ishigaki (Muroran I.T.)<br />

mit Neutronen langfristig gewährleisten. Inzwischen<br />

hat ESFRI empfohlen, eine Prioritätenliste (Roadmap)<br />

für den Ausbau der Forschungsinfrastruktur in Europa<br />

zu erstellen. Es ist die Überzeugung des KFN, dass<br />

eine Multi-MW-Spallationsquelle als die europäische<br />

Neutronenquelle der nächsten Generation auf dieser<br />

Prioritätenliste ganz oben stehen muss.<br />

Initiative für die Europäische<br />

Spallationsquelle ESS-I<br />

Am 1. April 2005 wurde eine Initiative für die Europäische<br />

Spallationsquelle ESS-I ins Leben gerufen.<br />

Gründungsmitglieder sind: die Europäische Neutronenstreuvereinigung<br />

ENSA als Nutzervertretung, die führenden<br />

europäischen Neutronenzentren ILL, LLB (für<br />

CEA <strong>und</strong> CNRS) <strong>und</strong> FZJ, <strong>und</strong> die Standortbewerber<br />

aus Yorkshire, Skandinavien, Ungarn <strong>und</strong> Sachsen-Anhalt<br />

/ Sachsen. Die Ziele der Initiative sind:<br />

• als Ansprechpartner für die politischen Entscheidungsträger<br />

zu fungieren;<br />

• die wissenschaftliche Begründung auf Gr<strong>und</strong>lage der<br />

ESS-Studie fortzuschreiben;<br />

• die technische Entwicklung in relevanten Bereichen<br />

(Beschleuniger- <strong>und</strong> Targettechnologie) zu fördern;<br />

• die Verbindung zu den amerikanischen <strong>und</strong> japanischen<br />

Projekten SNS bzw. JSNS zu halten.<br />

Wie in der KFN-Roadmap von 2003 empfohlen, wurde<br />

das ESS-I Projektbüro an der europäischen Neutronenquelle,<br />

dem ILL in Grenoble, eingerichtet. Weitere<br />

Informationen fi nden sich auf dem Europäischen Neutronenportal<br />

www.neutrons-eu.net.<br />

Materials and Life Science<br />

Experimental Facility<br />

Hadron Beam Facility<br />

500 m<br />

Abb. 7.13. Die 17 bisher geplanten Instrumente an der SNS<br />

<strong>und</strong> ihre Anordnung an der Targetstation. Mehr Informationen<br />

unter www.sns.gov.<br />

Abb. 7.14. Die 10 Instrumente der Erstausstattung<br />

von J-PARC. Mehr Informationen<br />

unter jkj.tokai.jaeri.go.jp.<br />

Nuclear<br />

Transmutation<br />

Neutrino to<br />

Kamiokande<br />

Linac<br />

(350m)<br />

3 GeV Synchrotron<br />

(25 Hz, 1MW)<br />

50 GeV Synchrotron<br />

(0.75 MW)<br />

J-PARC = Japan Proton Accelerator Research Complex<br />

Abb. 7.12. Die SNS im Bau.<br />

Abb. 7.15. Überblick über den Beschleunigerkomplex J-PARC.<br />

88 MW-Spallationsquellen 89


Anhang<br />

Referenzen<br />

Informationen zur Forschung mit Neutronen<br />

im Internet:<br />

KFN-Webseite: http://www.neutronenforschung.de<br />

EU Neutron <strong>Portal</strong>: http://neutron.neutron-eu.net<br />

[1] Sechstes Komitee Forschung mit Neutronen:<br />

„Roadmap für den zeitlich gestaffelten Betrieb der<br />

Neutronenquellen in Deutschland“ September 2003<br />

http://www.neutronenforschung.de<br />

[2] The European Strategy Forum for Research Infrastructure:<br />

„Medium to longterm future scenarios for<br />

neutron-based science in Europe“ (2003)<br />

http://neutron.neutron-eu.net/FILES/esfri_report.pdf<br />

[3] OECD Global Science Forum: „Report of the<br />

Workshop on Large Facilities for Studying the Structure<br />

and Dynamics of Matter“ (2001)<br />

http://neutron.neutron-eu.net/FILES/2084157.pdf<br />

[4] D. Richter & T. Springer: „A twenty years forward<br />

look at neutron scattering facilities in the OECD<br />

countries and Russia“ OECD technical report (1998)<br />

http://neutron.neutron-eu.net/FILES/oecd_esf_1998.pdf<br />

[5] „Scientifi c Prospects for Neutron Scattering with<br />

Present and Future Sources“ ESF Framework Studies<br />

into large Research Facilities (1996)<br />

ISBN 2-903148-90-2<br />

http://neutron.neutron-eu.net/FILES/autrans_report.pdf<br />

[6] D. Richter (Ed.): „The ESS Project“ Vol. I-IV<br />

(2003 and update 2004), ISBN 3-89336-299-1,<br />

http:// neutron.neutron-eu.net/n_documentation/n_reports/n_ess_reports_and_more<br />

[7] http://www.physik.uni-kiel.de/kfn/Nutzerumfrage<br />

[8] A. Furrer / R. Cywinski: „Survey of the Neutron<br />

Scattering Community and Facilities in Europe“<br />

ESF report (1998), ISBN 2-912049-00-8<br />

http://neutron.neutron-eu.net/FILES/ensa_survey.pdf<br />

[9] Viertes Komitee Forschung mit Neutronen (1996-<br />

1999): Forschung mit Neutronen in Deutschland - eine<br />

Strategie für die nächsten 15 Jahre (1999)<br />

Glossar<br />

ANSTO<br />

BER-II<br />

bcc<br />

BCS-Theorie<br />

BNC<br />

BMBF<br />

CEA<br />

CMR<br />

CNRS<br />

CP<br />

CRYOPAD<br />

DETNI<br />

DESY<br />

DFG<br />

DNP<br />

DOE<br />

DOPG<br />

EMBL<br />

ENSA<br />

EPR<br />

ERC<br />

ESF<br />

ESFRI<br />

ESRF<br />

ESS-I<br />

EU<br />

FLNP<br />

FRG-1<br />

FRJ-2<br />

FRM-II<br />

FZJ<br />

FZK<br />

Australian national nuclear research<br />

and development organisation (AU)<br />

Forschungsreaktor Berlin<br />

Body centred cubic<br />

(kubisch raumzentriert)<br />

Bardeen-, Cooper-, Schrieffer-Theorie<br />

zur Supraleitung in Metallen<br />

Forschungsreaktor Budapest (HU)<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong><br />

Forschung<br />

Commissariat à l‘Energie Atomique (F)<br />

Kolossaler Magnetowiderstand<br />

Centre National de la<br />

Recherche Scientifi que (F)<br />

Charge parity<br />

Nullfeldpolarimeter<br />

Detectors for Neutron Instrumentation<br />

Deutsches Elektronen Synchrotron<br />

Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />

Dynamische Kernspinpolarisation<br />

Department of Energy (USA)<br />

Dioleoylphosphatidylglycerol<br />

European Molecular Biology<br />

Laboratory<br />

European Neutron Scattering<br />

Association<br />

Paramagnetische Elektronenresonanz<br />

European Research Council<br />

European Science Fo<strong>und</strong>ation<br />

European Strategy Forum on<br />

Research Infrastructures<br />

European Synchrotron<br />

Radiation Facility (F)<br />

Initiative Europäische<br />

Spallationsquelle<br />

Europäische Union<br />

Frank Laboratory of Neutron Physics<br />

(RU)<br />

Forschungsreaktor Geesthacht<br />

Forschungsreaktor Jülich<br />

Forschungsneutronenquelle<br />

Heinz Maier-Leibnitz, München<br />

Forschungszentrum Jülich<br />

Forschungszentrum Karlsruhe<br />

GKSS<br />

GMR<br />

HFBR<br />

HFIR<br />

HFR<br />

HGF<br />

HMI<br />

HTSC<br />

IBR-II<br />

ICANS<br />

ILL<br />

IPNS<br />

IRI<br />

ISIS<br />

JAERI<br />

J-PARC<br />

JSNS<br />

KEK<br />

KENS<br />

KFN<br />

LANSCE<br />

LLB<br />

NAA<br />

NIST<br />

NMI3<br />

NMR<br />

OECD<br />

Orphée<br />

PNT<br />

PSI<br />

Forschungszentrum Geesthacht<br />

Riesenmagnetowiderstandseffekt<br />

High Flux Beam Reactor<br />

High Flux Isotope Reactor Facility<br />

Hochfl ussreaktor<br />

Helmholtz-Gemeinschaft<br />

Hahn-Meitner-Institut, Berlin<br />

Hochtemperatursupraleiter<br />

Forschungsreaktor Dubna (RU)<br />

International Collaboration for<br />

Advanced Neutron Sources<br />

Institut Laue-Langevin, Grenoble (F)<br />

Intense Pulsed Neutron Source (USA)<br />

Interfacultair Reactor Instituut (NL)<br />

Pulsed Neutron & Muon Source (UK)<br />

Japan Atomic Energy Research<br />

Institution (JP)<br />

Japan Proton Accelerator<br />

Research Complex (JP)<br />

Japanese Spallation Neutron Source<br />

(JP)<br />

National High-Energy<br />

Accelerator Research Organisation (JP)<br />

Neutron Science Laboratory (JP)<br />

Komitee Forschung mit Neutronen<br />

Los Alamos Neutron Scattering<br />

Science Center (USA)<br />

Laboratoire Léon Brillouin (F)<br />

Magnetischer Speicherchip<br />

Megawatt-Spallationsquelle<br />

Neutronenaktivierungsanalyse<br />

National Institute of Standards<br />

and Technology (USA)<br />

Integrated Infrastructure Initiative for<br />

Neutron Scattering and Muon<br />

Spectroscopy<br />

Nuclear magnetic resonance<br />

Organisation for Economic<br />

Co-operation and Development<br />

Reaktor des LLB (F)<br />

Polarized Neutron Techniques<br />

Paul-Scherrer-Institut (Villigen, CH)<br />

MRAM<br />

MW-Spallationsquelle<br />

PTJ<br />

REFIT-<br />

Programm<br />

RISØ<br />

RWTH<br />

SINQ<br />

SNS<br />

T C<br />

TOF<br />

TU<br />

TUM<br />

UNESCO<br />

VDI<br />

VITESSE<br />

VSANS<br />

Projektträger Jülich<br />

Programm zur Erdbebensicherheit (ILL)<br />

Risø National Laboratory (DK)<br />

Rheinisch-Westfälische Technische<br />

Hochschule (Aachen)<br />

Swiss Spallation Neutron Source (CH)<br />

Spallation Neutron Source (USA)<br />

Kritische Temperatur eines<br />

Phasenübergangs<br />

Time-of-Flight (Flugzeit)<br />

Technische Universität<br />

Technische Universität München<br />

United Nations Educational, Scientifi c<br />

and Cultural Organization<br />

Verein Deutscher Ingenieure<br />

Simulationssoftware<br />

Hochaufl . Kleinwinkelstreuanlage<br />

90 Referenzen / Glossar<br />

91


Ergebnisse der Nutzerumfrage<br />

Um eine aktualisierte Strategie für die Forschung mit<br />

Neutronen in Deutschland zu erarbeiten, hat das KFN<br />

im Frühjahr 2004 eine Nutzerumfrage durchgeführt [7].<br />

Dabei wurde - anders als bei der ENSA-Umfrage von<br />

1995 [8] - jeder Nutzer einzeln berücksichtigt. Für eine<br />

korrekte Interpretation der Ergebnisse muss die genaue<br />

Fragestellung bedacht werden [7].<br />

Anzahl der Eintragungen: 377 - dies entspricht bei einer<br />

aktuellen E-Mail Adressenliste mit ca. 900 Eintragungen<br />

einem Rücklauf von über 40 %.<br />

Verteilung auf die Fachgebiete<br />

Es konnten mehrere Fächer ausgewählt werden. Etwa<br />

die Hälfte der Teilnehmer hat nur ein Fach angegeben,<br />

die meisten übrigen 2 oder 3 Fächer. Das Ergebnis zeigt<br />

also an, welche Fachgebiete wichtig sind <strong>und</strong> ist nicht<br />

direkt auf die Personen übertragbar. Gegenüber der<br />

ENSA-Umfrage von 1995 sind keine extremen Verschiebungen<br />

erkennbar.<br />

0-25%: 146<br />

75-100%: 104<br />

25-50%: 64<br />

50-75%: 63<br />

Physik (kondens. Materie): 240<br />

Materialwissenschaften: 128<br />

Chemie: 84<br />

Kristallographie: 64<br />

Physik (andere Bereiche): 39<br />

Ingenieurwissenschaften: 28<br />

Geowissenschaften: 27<br />

Biologie: 22<br />

Andere: 12<br />

Biophysik: 11<br />

Archäologie: 9<br />

Agrarwissenschaften: 2<br />

Medizin / Pharmazie: 2<br />

Zeitlicher Anteil von<br />

Neutronenexperimenten am<br />

Gesamtforschungsprogramm<br />

Viele Nutzer verwenden Neutronen zusätzlich zu anderen<br />

Methoden (s. nächste Frage), aber auch der Anteil<br />

der hauptsächlichen Neutronenforscher ist groß.<br />

Verteilung der Experimente an den<br />

verschiedenen Zentren<br />

Hier war nach der durchschnittlichen Anzahl der<br />

Experimente im Jahr gefragt. Dabei konnten Experimente,<br />

an denen mehrere Wissenschaftler gearbeitet<br />

haben, mehrfach genannt werden, weshalb sich zum<br />

Teil höhere Werte ergeben, als nach der Gesamtzahl<br />

der Experimente pro Jahr zu erwarten ist. Unter der<br />

Annahme, dass nicht einzelne Arbeitsgruppen extrem<br />

überrepräsentiert sind, zeigen sich jedoch auch bei<br />

dieser Fragestellung deutliche Tendenzen: neben dem<br />

Hochfl ussreaktor am ILL sind hauptsächlich die nationalen<br />

Quellen von deutschen Nutzern nachgefragt, was<br />

die Bedeutung der Mittelfl ussquellen unterstreicht.<br />

ILL: 554<br />

FZ Jülich: 467<br />

HMI: 302<br />

GKSS: 150<br />

LLB: 133<br />

SINQ: 113<br />

ISIS: 94<br />

Dubna: 71<br />

Außereurop.: 57<br />

And. Europ: 33<br />

Kjeller: 10<br />

Studsvik: 3<br />

BNC: 1<br />

IRI: 0<br />

Verteilung auf die Einrichtungstypen<br />

Die häufi gste Kombination ist Beschäftigung an einer<br />

Universität <strong>und</strong> einem Neutronenzentrum (10 % der<br />

Teilnehmer).<br />

Universität: 216<br />

Neutronenzentrum: 136<br />

Außeruniv. Einrichtung: 58<br />

Industrie: 17<br />

Ergänzende Nutzung von anderen<br />

Methoden<br />

Die meisten Teilnehmer gaben 2 Methoden an, die<br />

häufigste Kombination ist Synchrotronstrahlung <strong>und</strong><br />

Röntgenstreuung im Labor.<br />

Röntgenstreuung im Labor: 210<br />

Synchrotron: 177<br />

Andere: 112<br />

Lichtstreuung: 64<br />

Optische Spektroskopie: 50<br />

NMR: 44<br />

Rheologie: 10<br />

Mössbauer-Spektroskopie: 6<br />

Probenumgebungen<br />

Der Bedarf an Probenumgebung wird im Wesentlichen<br />

abgedeckt, der Anteil von Rückmeldungen für Probenumgebung<br />

mit besonderen Anforderungen liegt bei ca.<br />

5 % aller Meldungen.<br />

Kryostat: 196<br />

Ofen: 142<br />

Magnet: 116<br />

Eigene Probenumgebung: 91<br />

Druckzelle: 64<br />

Besondere Anforderungen: 35<br />

Instrumente<br />

Kleinwinkelstreuung <strong>und</strong> Pulverdiffraktion werden<br />

häufi g von gelegentlichen Nutzern zusätzlich zu anderen<br />

Methoden verwendet. Der große Anteil der polarisierten<br />

Neutronen ist z. T. damit zu erklären, dass Polarisationsanalyse<br />

als Zusatzoption bei anderen Methoden<br />

verwendet wird. Am häufi gsten ist die Kombination mit<br />

Dreiachsenspektroskopie <strong>und</strong> Refl ektometrie.<br />

Kleinwinkelstreuung: 143<br />

Pulverdiffraktion: 124<br />

Polarisierte Neutronen: 100<br />

Einkristall-Diffraktion: 89<br />

Dreiachsenspektroskopie: 83<br />

Refl ektometrie: 74<br />

Flugzeit (kalt): 73<br />

Diffuse Streuung: 51<br />

Flugzeit (therm.): 48<br />

Spinecho-Spektroskopie: 44<br />

Rückstreuung: 44<br />

Andere: 42<br />

Instr. d. Teilchen- u. Kernphysik: 7<br />

Faserdiffraktion: 7<br />

Genug Messzeit<br />

Die Erläuterungen der Nutzer zeigen, dass „genug<br />

Messzeit“ i. A. auch als „nicht genug Personal“ zu verstehen<br />

ist. Außerdem erwartet auch die Mehrzahl derer,<br />

die „genug Messzeit“ angegeben haben, dass mehr<br />

Messzeit bessere Ergebnisse ermöglichen würde.<br />

Ja: 257<br />

Nein: 108<br />

Keine Angabe: 12<br />

Zusätzliche Messzeit würde bedeuten...<br />

Von denen, die zu wenig Messzeit haben, gaben hier<br />

3/4 eine Erklärung ab, während nur 1/3 der Nutzer mit<br />

genug Messzeit dies kommentierten. Am häufi gsten<br />

wurde von beiden Gruppen eine bessere Qualität der<br />

Ergebnisse genannt. Danach folgt eine Ausweitung der<br />

Themengebiete, schneller zu Ergebnissen zu kommen<br />

<strong>und</strong> unter weniger Zeitdruck zu arbeiten.<br />

Bessere Qualität der Ergebnisse: 93<br />

Ausweitung der Themengebiete: 32<br />

Schneller zu Ergebnissen: 23<br />

Weniger Zeitdruck: 2<br />

Von den Nutzern mit (angeblich) genug Messzeit, die<br />

sich dazu äußerten, gaben 62 % an, dass mehr Messzeit<br />

bessere, andere oder schnellere Ergebnisse bringen<br />

würde, dass sie mit mehr Messzeit im Verhältnis zu<br />

anderen Methoden mehr mit Neutronen arbeiten würden<br />

- oder dass das Problem eigentlich anderswo liegt<br />

(25 %!), nämlich bei zu wenig Personal bzw. Zeit.<br />

Bessere Qualität der Ergebnisse: 43<br />

Zu wenig Personal: 12<br />

Andere Themen: 9<br />

Zu wenig Zeit: 5<br />

Mehr Arbeit mit Neutronen: 5<br />

Schneller zu Ergebnissen: 5<br />

Bedarf an zusätzlicher Infrastruktur<br />

Etwa 1/3 der Teilnehmer hat sich hierzu geäußert. Die<br />

Kommentare sind meist sehr spezifi sch. Das KFN wird<br />

sich bemühen, die Wünsche der Nutzer bei den Planungen<br />

der Zentren einzubringen. Hier eine Übersicht über<br />

die angesprochenen Themen:<br />

Spezielle Neutronen-Instrumente bzw. Komponenten: 23<br />

Probenumgebung: 21<br />

Probenvorbereitung: 16<br />

Andere: 8<br />

Magnetfelder: 7<br />

Personal: 6<br />

Komplementäre Methoden am selben Zentrum: 5<br />

EDV: 5<br />

Höherer Neutronenfl uss: 5<br />

Unterkunft: 3<br />

Kalte Neutronen: 3<br />

Zugang (schneller, ohne Antrag): 3<br />

92 KFN-Nutzerumfrage<br />

93


Fragestellungen<br />

Der Begriff „Phasenübergänge“ repräsentiert vermutlich<br />

nicht nur diejenigen, die die Mechanismen von<br />

Phasenübergängen untersuchen, sondern auch andere<br />

Nutzer, deren Materialien Phasenübergänge aufweisen.<br />

Insgesamt wurden die eher allgemein gehaltenen<br />

Fragestellungen natürlich häufi ger gewählt als speziellere.<br />

Trotzdem zeigen die Ergebnisse Tendenzen, <strong>und</strong><br />

Kombinationen lassen weitere Schlüsse zu: Im Verhältnis<br />

zur jeweiligen Gesamtzahl haben besonders viele<br />

Kristallographen (64 %) <strong>und</strong> Geowissenschaftler (50 %)<br />

„Phasenübergänge“ angegeben. Mehr als die Hälfte<br />

der Nennungen von Supraleitung, Kernphysik, Metallurgie,<br />

Phononen, Strukturbestimmung, ungeordnete<br />

Systeme, Reaktionsmechanismen waren kombiniert<br />

mit Phasenübergängen. Beim Magnetismus gilt dies für<br />

Supraleitung <strong>und</strong> Phononen, bei Strukturbestimmung<br />

für Reaktionsmechanismen.<br />

Phasenübergänge: 133<br />

Magnetismus: 129<br />

Strukturbestimmung: 110<br />

Polymere: 98<br />

Beziehung v. Mikrostruktur zu Materialeigensch.: 93<br />

Oberfl ächen <strong>und</strong> Grenzfl ächen: 90<br />

Instrumentierung: 87<br />

Ungeordnete Systeme: 87<br />

Kolloide: 59<br />

Biologische Systeme: 58<br />

Phononen: 55<br />

Funktionelle Materialien: 48<br />

Molekulare Systeme: 47<br />

Texturbestimmung: 38<br />

Andere: 34<br />

Supraleitung: 33<br />

Eigenspannungsanalyse: 31<br />

Metallurgie: 21<br />

Modellierung: 18<br />

Gesteinseigenschaften: 15<br />

Reaktionsmechanismen: 12<br />

Teilchenphysik: 8<br />

Kernphysik: 3<br />

Bio-Kristallographie: 3<br />

Personenkreis<br />

Diplomanden sind in der Umfrage vermutlich unterrepräsentiert,<br />

da sie nur indirekt von der Nutzerumfrage<br />

erfahren konnten (noch nicht im E-Mail-Verteiler des<br />

KFN!). Betrachtet man die Altersverteilung im Verhältnis<br />

zur Personengruppe, so zeigt sich, dass die meisten<br />

Diplomanden unter 30 sind, Doktoranden zwischen 20<br />

<strong>und</strong> 40, Postdocs zwischen 30 <strong>und</strong> 40 <strong>und</strong> erfahrene<br />

Nutzer zwischen 30 <strong>und</strong> 80. Die meisten Diplomanden<br />

<strong>und</strong> Doktoranden werden an Universitäten ausgebildet,<br />

Postdocs sind an Universitäten <strong>und</strong> Neutronenzentren<br />

gleich stark vertreten. Erfahrene Nutzer sind überall<br />

vertreten, jedoch allein die Hälfte an Universitäten.<br />

30-39: 153<br />

40-49: 79<br />

20-29: 53<br />

50-59: 51<br />

60-69: 36<br />

> 69: 3<br />

Erfahrene Nutzer: 217<br />

Postdocs: 77<br />

Doktoranden: 72<br />

Diplomanden: 6<br />

Alter<br />

Die Altersverteilung spiegelt die Personengruppen<br />

wider. Die Altersgruppe 30 bis 40 dominiert, sie besteht<br />

sowohl aus Doktoranden als auch Postdocs <strong>und</strong> erfahrenen<br />

Nutzern. Das Altersspektrum ist an den Universitäten<br />

am größten <strong>und</strong> in der Industrie am kleinsten.<br />

Frauen sind im Schnitt jünger als Männer, die an der<br />

Umfrage teilgenommen haben. Es ergibt sich eine sehr<br />

ges<strong>und</strong>e Altersverteilung: laut Umfrage sind 55 % der<br />

Nutzer jünger als 40 Jahre. Dieser Wert berücksichtigt<br />

noch nicht, dass Diplomanden sicher unterrepräsentiert<br />

sind (s. o.).<br />

Geschlecht<br />

Die Männerdominanz ist angesichts der Fächerverteilung<br />

(leider) nicht überraschend. An den Universitäten<br />

<strong>und</strong> Neutronenzentren sind mehr Frauen vertreten als<br />

an den außeruniversitären Einrichtungen <strong>und</strong> in der<br />

Industrie, die meisten Frauen sind Doktorandinnen <strong>und</strong><br />

Postdocs.<br />

Männer: 337<br />

Frauen: 38<br />

Keine Angabe: 2<br />

Bildnachweis<br />

Fotos <strong>und</strong> Grafi ken mit fre<strong>und</strong>licher Genehmigung von:<br />

D. Alber, HMI (Abb. 3.11, 3.12)<br />

A ustralian Nuclear Science and Energy Organisation,<br />

ANSTO (S. 61)<br />

J. Baumert, Univ. Kiel (Abb. 3.9 unten)<br />

H. M. Berman et al.: The Protein Data Bank.<br />

Nucleic Acids Research, 28 pp. 235-242 (2000)<br />

(Abb. 2.14 A, B)<br />

G. Bohrmann, IFM-Geomar (Abb. 3.9 rechts) / DFG-<br />

Forschungszentrum Ozeanränder (Abb. 3.9 links)<br />

H. -B. Burgi et al.: Angew.Chem., Int.Ed.Engl., 31,<br />

p. 640, 1992 (Abb. 2.39 oben links)<br />

J. Cambedouzou et al.: Low-frequency excitations of<br />

C 60<br />

chains inserted inside single-walled carbon nanotubes.<br />

PRB 71, 041403 (2005) (Abb. 2.40)<br />

creativ collection (S. 12, 46, 48, 49)<br />

Designer Fond Collection (S. 48, 49)<br />

DISA Vascular (Pty) Ltd, USA (Abb. 3.13)<br />

D. Dubbers, Univ. Heidelberg (Abb. 2.44)<br />

H. Endo, FZJ (Abb. 2.17)<br />

E uropean Neutron Scattering Association (ENSA)<br />

(Abb. 7.3)<br />

R. Feyerherm, HMI (Abb. 2.36)<br />

F orschungszentrum Jülich GmbH (S. 6/7 Mitte, 12, 13,<br />

45 unten, 48 unten, 49 Reifen, 60/61 oben, 64, 65, 75,<br />

Abb. 2.1 links, 2.43, 3.1, 3.2, 7.8, 7.10)<br />

N. Froitzheim, Univ. Bonn (Abb. 2.26)<br />

H. Fueß, Univ. Darmstadt (Abb. 2.41, 2.42)<br />

G KSS-Forschungszentrum Geesthacht GmbH (S. 6<br />

links unten, 60, 74)<br />

G. Gompper, FZJ (Abb. 2.9)<br />

H ahn-Meitner-Institut (HMI, Berlin) (S. 61, 72/73)<br />

Th. Hauß, HMI (Abb. 3.10)<br />

S. Hayden, Univ. Bristol, UK (Abb. 2.28 rechts)<br />

H. Heumann, MPI Martinsried (Abb. 2.13, 2.14)<br />

A. Hewat, ILL (S. 7 Mitte, S. 12: magn. Struktur,<br />

Abb. 2.4, 2.28 links)<br />

In stitut Laue-Langevin (ILL, F) / S. Claisse (S. 6 links<br />

oben), P. Ginter (S. 60/61, 77)<br />

A. Ioffe, FZJ (Abb. 7.4)<br />

ISIS / CCLRC (UK) (S. 61)<br />

Ja pan Atomic Energy Research Institute (JAERI, JP),<br />

K. Kakurai (S. 60/61, Abb. 7.14, 7.15)<br />

W. Kuhs, Univ. Göttingen (Abb. 2.31)<br />

J. Kortus, TU Freiberg (Abb. 2.38 links)<br />

M. Koza, Univ. Dortm<strong>und</strong> (Abb. 2.32)<br />

E. Lelièvre-Berna, ILL (Abb. 7.5)<br />

Th. Lonkai, HMI (Abb. 3.4)<br />

S. Mattauch, FZJ (Abb. 2.7)<br />

F. Mezei, HMI (Abb. 3.5)<br />

I. Mirebeau, LLB, F (Abb. 2.38 Mitte <strong>und</strong> rechts)<br />

MOUNTAIN HIGHmaps, Digital Wisdom (Abb. 6.1)<br />

E. G. Noya, Universidade de Santiago de Compostela<br />

(Abb. 2.39)<br />

O ak Ridge National Laboratory (SNS, USA) (S. 60,<br />

Abb. 7.12, 7.13)<br />

C. Pappas, HMI (S. 6/7, Abb. 7.6)<br />

F. Parak, TUM (S. 7 re., 12: Ladungsdichte, Abb. 2.12)<br />

PhotoAlto Double page (S. 1 oben)<br />

Paul Scherrer Institut (PSI, CH) (S. 12, Motor)<br />

L. Pintschovius, FZ Karlsruhe (Abb. 2.28 Mitte)<br />

T. Rekveldt, TU Delft, NL (S. 78 Hintergr<strong>und</strong>)<br />

M. Rössle, EMBL Hamburg (Abb. 2.13, 2.14)<br />

D. Richter, FZJ (Abb. 2.16, 3.6)<br />

T. Schneider, FZ Karlsruhe (S. 78 Vordergr<strong>und</strong>)<br />

B. Schröder-Smeibidl, HMI (Abb. 3.14, 3.15)<br />

W. Schweika (S. 7 links oben)<br />

P. Smeibidl, HMI (Abb. 2.1 rechts, 7.1)<br />

M. Strobl, HMI (Abb. 3.7)<br />

H. Stuhrmann, GKSS (Abb. 2.15)<br />

Y. Su, FZJ (Abb. 2.29)<br />

H. Tanaka, Research Center for Low Temperature<br />

Physics, Tokyo, JP (Abb. 2.23)<br />

Technische Universität München (S. 6, 60, 70, 76)<br />

A. Tennant, HMI (Abb. 2.22)<br />

W. Treimer, HMI (S. 12: laufender Motor)<br />

J. Vollbrandt, GKSS (Abb. 2.2)<br />

J. Walter, Univ. Bonn (Abb. 2.11)<br />

A. Wiedenmann, HMI (Abb. 2.35)<br />

A. Wischnewski, FZJ (Abb. 2.18)<br />

J. Wosnitza, FZ Rossendorf (Abb. 2.20)<br />

A. Zheludev, ORNL (Abb. 2.37)<br />

Mit finanzieller Unterstützung<br />

von:<br />

94<br />

KFN-Nutzerumfrage / Bildnachweis<br />

95

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