Status und Perspektiven - SNI-Portal
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Das immer raschere Umsetzen wissenschaftlicher<br />
Erkenntnisse in Verfahren <strong>und</strong> Produkte des täglichen<br />
Lebens prägt unsere Zivilisation <strong>und</strong> ist Motor des<br />
Fortschritts. Dass dabei Neutronen als einzigartige<br />
<strong>und</strong> für viele Fragestellungen unverzichtbare<br />
Sonden zur Untersuchung von Materialien eine<br />
wichtige Rolle spielen, ist nicht überraschend, <strong>und</strong><br />
es ist klar zu sehen, dass ihre Bedeutung mit dem<br />
Vordringen wissenschaftlicher Methoden in immer<br />
mehr Bereiche des täglichen Lebens noch zunehmen<br />
wird. Die Forschung mit Neutronen strahlt schon<br />
jetzt auf viele unterschiedliche Gebiete des täglichen<br />
Lebens aus. Neutronen dienen dabei nicht nur zur<br />
Analyse von Materialeigenschaften, sondern – über<br />
Kernreaktionen – auch zur Materialmodifi kation.<br />
Einige Beispiele aus den Gebieten Kommunikation<br />
<strong>und</strong> Informationstechnologie, Mobilität, Energie <strong>und</strong><br />
Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit sowie kulturelles Erbe sollen diese<br />
Bedeutung der Neutronenforschung belegen.<br />
Kommunikation <strong>und</strong><br />
Informationstechnologie<br />
Überall im täglichen Leben begegnen uns magnetische<br />
Medien zur Datenspeicherung. Die enormen Fortschritte<br />
in Speicherdichte <strong>und</strong> Geschwindigkeit beim<br />
Aufzeichnen <strong>und</strong> Auslesen <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene<br />
Miniaturisierung der Speichermedien wären ohne<br />
intensive Gr<strong>und</strong>lagenforschung nicht möglich gewesen.<br />
Neutronen als kleine „Elementarmagnete“ sind die idealen<br />
Sonden zur Erforschung magnetischer Eigenschaften<br />
von Materialien auf mikroskopischer Skala. Nahezu<br />
alles, was wir heute über Ordnung <strong>und</strong> Dynamik der<br />
magnetischen Momente in Materialien <strong>und</strong> die Änderung<br />
magnetischer Strukturen durch äußere Einfl üsse<br />
sicher wissen, beruht auf Ergebnissen von Neutronenstreuexperimenten.<br />
Spintronik<br />
Welche Entwicklungen in der Informationstechnologie<br />
wurden in der letzten Zeit durch Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />
ermöglicht Die Entdeckung des GMR-Effektes<br />
(Riesenmagnetowiderstand) durch Grünberg et al. <strong>und</strong><br />
Fert et al. im Jahre 1988 hat das Gebiet der Spintronik<br />
begründet. Speicherung, Transport <strong>und</strong> Verarbeitung<br />
von Information unter Ausnutzung der Abhängigkeit<br />
elektrischer Transporteigenschaften vom Elektronenspin<br />
ermöglicht erheblich schnellere, leistungseffi zientere<br />
<strong>und</strong> kleinere Bauelemente. Bei der Entdeckung<br />
dieses Effekts hat die Neutronenstreuung zwar keine<br />
Rolle gespielt. Jedoch war umfangreiche Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />
zur technischen Realisierung der Bauelemente,<br />
die auf diesem Effekt basieren, unabdingbar, <strong>und</strong><br />
hier haben Neutronen entscheidende Beiträge geliefert.<br />
Zur Optimierung von Bauteilen müssen die magnetischen<br />
Eigenschaften unterschiedlichster Materialien<br />
<strong>und</strong> Materialkombinationen im Detail untersucht<br />
<strong>und</strong> verstanden werden. Bei den Paketen aus dünnen<br />
Schichten – typische Bauelemente der Spintronik - sind<br />
es insbesondere auch strukturelle <strong>und</strong> magnetische<br />
Rauigkeiten in den Grenzschichten, die das Verhalten<br />
der Bauelemente stark beeinfl ussen können. Sehr bald<br />
nach seiner Entdeckung wurde der GMR-Effekt zusammen<br />
mit dem Exchange-Bias-Effekt, einem weiteren<br />
an Dünnschichtpaketen zu beobachtenden Effekt, zum<br />
Bau empfi ndlicher Festplattenleseköpfe ausgenutzt.<br />
Durch den Einsatz dieser neuen Leseköpfe ließen sich<br />
die nutzbaren Speicherdichten von Festplatten in kurzer<br />
Zeit um den Faktor 10 steigern.<br />
Magnetische Speicher<br />
Noch am Anfang steht eine Entwicklung hin zu noch<br />
dichteren Magnetspeichern, bei denen die Magnetisierung<br />
des Materials nicht mit einem äußeren Magnetfeld,<br />
sondern mit anderen Mitteln, beeinfl usst wird.<br />
Ergebnisse der Gr<strong>und</strong>lagenforschung mit Neutronen<br />
erlauben erste Einblicke, wie erfolgversprechende<br />
Systeme funktionieren könnten. Eine aussichtsreiche<br />
Materialklasse stellen die ferromagnetischen<br />
Ferroelektrika (Multiferroika) dar, in denen durch ein<br />
äußeres elektrisches Feld reversibel ferromagnetische<br />
Ordnung in einem Kristall an- <strong>und</strong> abgeschaltet werden<br />
kann. Vor kurzem wurde mit Neutronenstreuung am<br />
System HoMnO 3<br />
im Detail der dafür verantwortliche<br />
Mechanismus aufgeklärt.<br />
Silizium<br />
Bei all diesen Entwicklungen auf dem Gebiet der magnetischen<br />
Speichermedien soll nicht vergessen werden,<br />
dass Neutronen auch bei der Herstellung homogen dotierten<br />
Siliziums – eines Gr<strong>und</strong>stoffs für elektronische<br />
Bausteine – eine wichtige Rolle spielen. Dazu werden<br />
Blöcke von einkristallinem Silizium in Reaktoren mit<br />
Neutronen bestrahlt, wobei über eine Kernreaktion etwa<br />
eines von 1 Million Siliziumatomen in ein Phosphoratom<br />
umgewandelt wird. Die große industrielle Bedeutung<br />
dieser als Transmutationsdotierung bezeichneten<br />
Methode ist in der exzellenten Homogenität begründet,<br />
die damit erreicht wird. So werden wesentlich höhere<br />
Leistungsdichten bei Transistoren <strong>und</strong> Thyristoren, wie<br />
sie zum Beispiel in der Bahntechnik eingesetzt werden,<br />
möglich.<br />
CoFe – frei drehbar<br />
Oxid-Barriere<br />
CoFe - festgehalten<br />
<br />
<br />
<br />
Abb. 3.1. Der magnetoelektrische GMR-Effekt. Der<br />
elektrische Widerstand dieses Schichtpakets ändert sich, je<br />
nachdem ob die Magnetisierungsrichtungen in den beiden<br />
ferromagnetischen Schichten parallel oder antiparallel<br />
zueinander ausgerichtet sind. Er ist gering bei paralleler<br />
Orientierung <strong>und</strong> groß bei antiparalleler Orientierung. Ein<br />
magnetisches Signal (Richtung der Magnetisierung) wird so<br />
in ein Stromsignal (elektrischer Widerstand) übersetzt.<br />
Abb. 3.2. Der Exchange-Bias-Effekt. Eine antiferromagnetische<br />
Schicht fixiert die Magnetisierungsrichtung der<br />
angrenzenden ferromagnetischen Schicht. Sogenannte<br />
„Spinvalve“-Bauelemente, bei denen eine zweite ferromagnetische<br />
Schicht durch ein externes Feld gedreht werden<br />
kann, wirken über den Magnetwiderstand als Sensoren.<br />
Abb. 3.3. Schema eines sog. MRAM-Speichers als<br />
Beispiel eines lateral strukturierten magnetischen Schichtsystems.<br />
Abb. 3.4. Neutronenstreuung konnte in HoMnO 3<br />
den<br />
Mechanismus bestimmen, der zu multiferroischem Verhalten<br />
(Kombination von ferroelektrischem <strong>und</strong> ferromagnetischem<br />
Verhalten) führt. Derartige Multiferroika könnten sich als<br />
entscheidend für die Entwicklung magnetischer Speicher<br />
erweisen.<br />
50 Kommunikation<br />
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