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Kulturelles Erbe<br />
Die Bewahrung des kulturellen Erbes hat in den letzten<br />
Jahren einen zunehmenden Stellenwert in Politik <strong>und</strong><br />
Gesellschaft erfahren, vielleicht als Reaktion auf das<br />
weit verbreitete Gefühl, in einer Welt zu leben, die sich<br />
rapide wandelt. Kunstschätze in ihrem gegenwärtigen<br />
Zustand mit wissenschaftlichen Mitteln zu erfassen,<br />
ihre Geschichte zu erforschen, Wege zur Restaurierung<br />
<strong>und</strong> Bewahrung aufzuzeigen, all dies wird von Institutionen<br />
wie der UNESCO oder der europäischen Kommission<br />
immer stärker als wichtige gesellschaftliche<br />
Aufgabe angesehen, zu der auch Forschungseinrichtungen<br />
ihren Beitrag leisten sollen.<br />
Neutronenautoradiographie<br />
Neutronen tragen in mannigfacher Weise zu Bemühungen<br />
um die Bewahrung des kulturellen Erbes bei. Ein<br />
Beispiel ist die Anwendung der Neutronenautoradiographie<br />
zur Untersuchung von Gemälden. Man bestrahlt<br />
Gemälde mit Neutronen, wobei durch Kernreaktionen<br />
einige Atome in den Bildmaterialien, insbesondere<br />
in den Farbpigmenten, radioaktiv werden (im Durchschnitt<br />
nur etwa vier von 10 12 Atomen). Nach Ende der<br />
Bestrahlung wird der Zerfall der radioaktiven Kerne<br />
über die dabei ausgesandte - <strong>und</strong> -Strahlung registriert.<br />
Die räumliche Verteilung der radioaktiven Kerne<br />
wird über die Schwärzung eines empfi ndlichen Filmes<br />
nachgewiesen, der nach der Neutronenbestrahlung auf<br />
das Gemälde aufgelegt wird. Die radioaktiven Kerne<br />
unterscheiden sich durch ihre verschiedenen Zerfallszeiten.<br />
Durch Aufl egen jeweils neuer Filme nach<br />
bestimmten Zeitabständen können so radioaktive Kerne<br />
unterschiedlicher Lebensdauer <strong>und</strong> damit korreliert<br />
unterschiedliche Farbpigmente bevorzugt sichtbar<br />
gemacht werden. Durch Einsatz von -empfindlichen<br />
Detektoren lässt sich zudem die chemische Zusammensetzung<br />
einzelner Farbpigmente ähnlich wie bei der<br />
Neutronenaktivierungsanalyse bestimmen.<br />
Autoradiographie des Berliner Bildes (vergl. Abb. 3.14),<br />
auf der zur Überraschung der Kunsthistoriker zusätzliche<br />
Bäume zu erkennen sind (in Abb. 3.15 braun<br />
hervorgehoben), die offenbar wieder übermalt worden<br />
waren. Bei einer röntgenographischen Untersuchung<br />
des Bildes waren diese Bäume nicht zu sehen. Diese<br />
zusätzlichen Bäume enthalten dieselben Farbpigmente<br />
wie die anderen Bildelemente <strong>und</strong> passen auch in<br />
die Gesamtkomposition des Bildes. Daraus kann man<br />
nur den Schluss ziehen, dass der Maler sein Konzept<br />
während der Ausführung des Gemäldes änderte, um<br />
zu einer anderen künstlerischen Aussage zu kommen.<br />
Werden solche Übermalungen, Pentimenti genannt,<br />
entdeckt, so gilt das bei Kunsthistorikern immer als<br />
gewichtiger Hinweis darauf, dass es sich bei dem Bild<br />
um ein Original handelt. Für einen Kopisten ist eine<br />
Konzeptänderung während der Bildausführung sehr<br />
unwahrscheinlich. Kunsthistoriker gehen deshalb jetzt<br />
davon aus, dass das Gemälde „Armida entführt den<br />
eingeschläferten Rinaldo“ von Nicolas Poussin selbst<br />
gemalt wurde.<br />
Abb. 3.14. Nicolas Poussin, „Armida entführt den<br />
eingeschläferten Rinaldo“, (ca. 1637), Gemäldegalerie<br />
Berlin, 120 x 150 cm 2 , Kat. Nr. 486.<br />
Ursprünglich wurde dieses Bild für das Werk eines Kopisten<br />
gehalten.<br />
Abb. 3.15. Neutronenautoradiographie des Bildes<br />
„Armida entführt den eingeschläferten Rinaldo“<br />
(aus 12 einzelnen Filmen zusammengesetzt).<br />
Deutlich sind zusätzliche Bäume zu erkennen (zur Hervorhebung<br />
braun eingefärbt), die in der endgültigen Ausführung<br />
des Bildes fehlen <strong>und</strong> zum Teil durch eine Säule<br />
ersetzt sind (vergl. Abb. 3.14). Solche als Pentimenti bezeichneten<br />
Übermalungen sind für Kunsthistoriker immer<br />
ein starker Hinweis darauf, dass das Bild ein Original ist,<br />
d. h. nicht von einem Kopisten stammt.<br />
Original oder Fälschung<br />
Ein erhellendes Beispiel dafür, wie die Neutronenautoradiographie<br />
benutzt werden kann, um die Zuordnung<br />
eines Gemäldes zu einem bestimmten Maler zu klären,<br />
ist in den Abb. 3.14 <strong>und</strong> 3.15 dargestellt. Abb. 3.14 zeigt<br />
ein Bild aus der Berliner Gemäldegalerie. Es trägt die<br />
Bezeichnung „Armida entführt den eingeschläferten<br />
Rinaldo“ <strong>und</strong> wurde bisher als Werk eines Kopisten<br />
des französischen Malers Nicolas Poussin (1594-1665)<br />
angesehen. Ein Original Poussins mit ganz ähnlichem<br />
Sujet hängt in der Londoner Dulwich Picture Gallery<br />
(„Armida <strong>und</strong> Rinaldo“). Abb. 3.15 zeigt nun eine<br />
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