Status und Perspektiven - SNI-Portal
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Polarisationsanalyse<br />
Die Erforschung <strong>und</strong> Entwicklung von neuen Supraleitern,<br />
molekularen Magneten, Spintronik-Materialien<br />
oder magnetischen Nanostrukturen stellt eine der<br />
großen Herausforderungen der modernen Festkörperforschung<br />
dar. Um detaillierte Einblicke in die festkörperphysikalischen<br />
Mechanismen zu erhalten, die diesen<br />
Materialien zugr<strong>und</strong>e liegen, muss man Informationen<br />
über die atomaren magnetischen Momente <strong>und</strong><br />
ihre Fluktuationen erhalten. Zur Bestimmung solcher<br />
Vektorgrößen eignet sich die Streuung polarisierter<br />
Neutronen in hervorragender Weise. Über die Neutronenpolarisation<br />
kann man wichtige Richtungs- <strong>und</strong><br />
Phaseninformationen erhalten, die verloren gehen, wenn<br />
in einem konventionellen Experiment nur die Intensität<br />
der gestreuten Neutronen gemessen wird. Die Änderung<br />
der Richtung des Neutronenspins bei der Streuung an<br />
atomaren magnetischen Dipolen hängt empfi ndlich von<br />
ihrer relativen Orientierung ab <strong>und</strong> kann mit so genannten<br />
Neutronenpolarimetern hochpräzise gemessen<br />
werden. Aber auch im Bereich der weichen Materie <strong>und</strong><br />
der Biologie spielt die Trennung von kohärenter <strong>und</strong><br />
inkohärenter Streuung mit Hilfe von Neutronenpolarisationsanalyse<br />
eine zunehmend wichtige Rolle.<br />
Polarisierte Neutronen sind<br />
preisverdächtig!<br />
In der Vergangenheit wurden Experimente zur Polarisationsanalyse<br />
als schwierig, nur von Spezialisten<br />
interpretierbar <strong>und</strong> “fl usshungrig“ angesehen. In jüngster<br />
Zeit wurden entscheidende Fortschritte bei der Instrumentierung<br />
für, aber auch bei der Interpretation von<br />
Experimenten mit polarisierten Neutronen erzielt. Diese<br />
zunehmende Bedeutung polarisierter Neutronen wird<br />
allein schon durch die Verleihung des renommiertesten<br />
F. Mezei (1999) J. Brown (2001)<br />
Abb. 7.3. Die beiden ersten Preisträger des renommierten<br />
Walter Hälg-Preises, F. Mezei <strong>und</strong> J. Brown, die den<br />
Preis der Europäischen Neutronenstreugesellschaft für<br />
ihre Arbeiten mit polarisierten Neutronen erhalten haben.<br />
Preises in der Forschung mit Neutronen deutlich, des<br />
Walter Hälg-Preises. Die zwei ersten Preisträger haben<br />
den Preis der Europäischen Neutronenstreugesellschaft<br />
für Forschungsergebnisse erhalten, die mit polarisierten<br />
Neutronen erzielt wurden: Ferenc Mezei, HMI, im Jahre<br />
1999 für die Erfi ndung der Neutronenspektroskopie<br />
mit der höchsten Auflösung – der Spinecho-Spektroskopie<br />
– <strong>und</strong> Jane Brown, ILL, im Jahre 2001 für ihre<br />
Untersuchungen komplexer magnetischer Strukturen<br />
<strong>und</strong> Spindichten mit Hilfe der Beugung polarisierter<br />
Neutronen <strong>und</strong> der vektoriellen Polarisationsanalyse.<br />
Neuartige Komponenten für die<br />
Polarisationsanalyse<br />
Die Entwicklung von neuen Methoden <strong>und</strong> Einrichtungen<br />
für die Neutronenpolarisationsanalyse hat durch<br />
weltweite Zusammenarbeit innerhalb des von der EU<br />
geförderten Netzwerks „PNT“ – Techniken für Polarisierte<br />
Neutronen – enormen Aufschwung gewonnen.<br />
Als Beispiele für fortschrittliche Komponenten, die erst<br />
in den letzten Jahren entwickelt wurden, seien genannt:<br />
• Hocheffi ziente Neutronenpolarisationsfi lter, die auch<br />
für kurzwellige Neutronen eine effi ziente Polarisation<br />
des Strahls zulassen <strong>und</strong> die an jede Streugeometrie<br />
angepasst werden können, um Polarisationsanalyse<br />
über einen großen Raumwinkel zu ermöglichen<br />
(s. Abb. 7.4).<br />
• Das Nullfeldpolarimeter „CRYOPAD“, das volle Vektorpolarisationsanalyse<br />
für Diffraktions- <strong>und</strong> Spektroskopieexperimente<br />
zulässt (s. Abb. 7.5). Bei der<br />
Vektorpolarisationsanalyse wird der Neutronenspin<br />
vor der Streuung in einer beliebigen Raumrichtung<br />
eingestellt <strong>und</strong> die Richtung des Spins nach der Streuung<br />
bestimmt. Angeregt durch die am ILL entwickel-<br />
Abb. 7.4. Station zur Polarisation von 3 He über das<br />
„Spin Exchange Optical Pumping“ SEOP am FZJ.<br />
Motoren<br />
4K Pulsrohr-<br />
Kryokühler<br />
Stickstoffummantelung<br />
Heliumbad<br />
Ausgang Larmorr<br />
Präzessionsspule<br />
Eingang Larmor-<br />
Präzessionsspule<br />
Eulerwiege<br />
-Metallabschirmung<br />
Abb. 7.5. Aufbau des „CRYOPAD“ zur vektoriellen<br />
Polarisationsanalyse.<br />
te CRYOPAD-Technik ist inzwischen am FZJ eine<br />
neue Methode mit präzedierenden Spins entstanden,<br />
die es erstmals ermöglicht, vektorielle Polarisationsanalyse<br />
für alle zugänglichen Energie- <strong>und</strong> Impulsüberträge<br />
simultan durchzuführen. Damit ist auch der<br />
Weg in die Zukunft aufgezeichnet: Einfachere universell<br />
einsetzbare Polarimeter für die verschiedenen<br />
Neutronenstreutechniken müssen entwickelt werden.<br />
”Larmor-Markierung”<br />
Obwohl die Neutronenstreuung eine inhärent fl usslimitierte<br />
Technik ist, benutzen heutzutage die meisten<br />
Neutronenstreuexperimente Monochromatoren <strong>und</strong><br />
Kollimatoren, um Neutronenstrahlen mit einer engen<br />
Verteilung von Energie <strong>und</strong> Impuls einzustellen. Auf<br />
diese Art <strong>und</strong> Weise lässt sich zwar eine ausreichende<br />
experimentelle Aufl ösung erzielen, aber gleichzeitig<br />
wird der größte Teil des Neutronenstrahls ausgeblendet<br />
<strong>und</strong> ist für das Experiment verloren. Die Kunst<br />
fast jeden Neutronenexperiments besteht daher darin,<br />
die beste Balance zwischen Aufl ösung <strong>und</strong> Intensität<br />
einzustellen. Kann es eine Alternative zu diesem<br />
konventionellen Verfahren geben, bei dem man eine<br />
gute instrumentelle Aufl ösung bei gleichzeitig hoher<br />
Intensität erreicht Neutronenforscher arbeiten zurzeit<br />
weltweit daran, Neutronenstreutechniken zu entwickeln,<br />
bei denen die Energie- <strong>und</strong> Impulsauflösung entkoppelt<br />
ist von der genauen Festlegung beider Größen.<br />
Larmor-Präzession<br />
Tatsächlich zeigt sich auch hier wieder, dass das Neutron<br />
für den Forscher ein Geschenk der Natur ist. Es<br />
trägt eine Eigenschaft in sich, die es dem geschickten<br />
Experimentator erlaubt, die Flugzeit bzw. Flugbahn<br />
eines jeden einzelnen Neutrons zu bestimmen. Dabei<br />
handelt es sich um die „Larmor-Präzession“ des Neutronenspins<br />
in einem äußeren Magnetfeld. Ähnlich wie<br />
ein Kreisel im Schwerefeld der Erde präzediert auch<br />
das Neutron im Magnetfeld mit einer genau bekannten<br />
Frequenz. Jedes Neutron trägt sozusagen seine eigene<br />
Uhr mit sich, wodurch ungewöhnliche Neutronenstreuexperimente<br />
ermöglicht werden, bei denen die geforderte<br />
Energie- <strong>und</strong> Impulsauflösung nicht verlangt, dass<br />
die Strahlen vor <strong>und</strong> nach der Streuung möglichst genau<br />
selektiert werden. Die älteste <strong>und</strong> am besten bekannte<br />
Technik dieser Art ist die höchstauflösende Neutronen-<br />
Spinecho-Methode. Ein neuartiges Instrument, das auf<br />
dieser Methode beruht, wird in Abb. 7.6 gezeigt: Das<br />
Weitwinkel-Spinecho-Spektrometer SPAN am HMI.<br />
Inzwischen zeichnet sich ab, dass Larmor-Präzessionsmethoden<br />
in geschickt ausgelegten Feldern auch genutzt<br />
werden können, um Richtungsänderungen der Neutronen<br />
beim Streuprozess genauer festzulegen. Im Rahmen<br />
des „PNT“-Netzwerks wird an der Entwicklung solcher<br />
Methoden gearbeitet. Vielleicht lassen sich in einigen<br />
Jahren völlig neuartige Instrumente für Spektroskopie,<br />
Beugung <strong>und</strong> Refl ektometrie realisieren, die auf Larmor-Präzessionsmethoden<br />
basieren <strong>und</strong> die die geschilderte<br />
reziproke Abhängigkeit von Aufl ösung <strong>und</strong> Intensität<br />
zumindest teilweise zu durchbrechen gestatten.<br />
Abb. 7.6. Neutronenspinecho-Spektrometer SPAN<br />
am HMI.<br />
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