<strong>Perspektiven</strong> <strong>und</strong> Empfehlungen des KFN 6 7
Roadmap Das Komitee für die Forschung mit Neutronen, KFN, hat im September 2003 eine „Roadmap für den zeitlich gestaffelten Betrieb der Neutronenquellen in Deutschland“ vorgelegt [1]. Dabei wurden - ausgehend von den nationalen <strong>und</strong> internationalen Gegebenheiten <strong>und</strong> absehbaren Entwicklungen - Vorstellungen entwickelt <strong>und</strong> Prioritäten dargestellt, um der Forschung mit Neutronen in Deutschland mittel- <strong>und</strong> langfristig eine Perspektive aufzuzeigen. Dazu wurden konkrete Empfehlungen über Ausbau <strong>und</strong> Weiterbetrieb der für deutsche Nutzergruppen wichtigen Forschungsneutronenquellen abgegeben. Die Einbindung in die internationale <strong>und</strong> insbesondere die europäische Neutronenlandschaft ist von wesentlicher Bedeutung. Da Entscheidungen zum Betrieb der nationalen Neutronenquellen auch signifikante Auswirkungen im europäischen Umfeld haben, ist eine gesamteuropäische Strategie wünschenswert. Ausgangslage International wird anerkannt, dass die Forschung mit Neutronen als lebendige <strong>und</strong> sich ständig erneuernde Wissenschaftsdisziplin von großer Bedeutung <strong>und</strong> für ein sehr breites Spektrum von unterschiedlichen Forschungsgebieten unabdingbar ist [2, 3]. Zurzeit nimmt Europa auf dem Gebiet der Forschung mit Neutronen die Spitzenstellung ein. Das Institut Laue-Langevin, ILL, in Grenoble ist mit seinem Hochfl ussreaktor die derzeit weltweit beste Einrichtung. Die neue deutsche Forschungsneutronenquelle FRM-II weist vergleichbare Intensitäten der Neutronenstrahlen auf. Wesentliche politische Entscheidungen zur Entwicklung der Forschungsinfrastruktur wurden getroffen, die die Wettbewerbsfähigkeit mittelfristig sichern. Für deutsche Nutzer sind dabei von besonderer Bedeutung: das Millenniumprogramm des ILL, die volle Nutzung der Möglichkeiten des FRM-II, die Repräsentanz der Zentren der Helmholtz-Gemeinschaft, HGF, am FRM-II, der Ausbau des Berliner Neutronenstreuzentrums, BENSC, (zweite Neutronenleiterhalle) <strong>und</strong> die Beteiligung an der Instrumentierung der neuen amerikanischen Spallationsquelle, SNS. In den OECD-Studien von 1998 [4] <strong>und</strong> 2001 [3] wurde empfohlen, in den drei Weltregionen Asiatisch-Pazifischer Raum, Europa <strong>und</strong> Nordamerika je eine Spallationsquelle der nächsten Generation zu errichten. Diese Empfehlung wird mit der SNS in Oak Ridge, USA, <strong>und</strong> der JSNS in Tokai, Japan, in zwei der Regionen in Form von Megawattquellen umgesetzt. Für die SNS existieren Ausbaupläne für eine zweite Targetstation <strong>und</strong> zur Leistungserhöhung. Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Basis für die Forschung mit Neutronen in Deutschland Institut Laue-Langevin ILL Durch den gezielten Ausbau von Instrumentierung <strong>und</strong> Infrastruktur ist es dem ILL gelungen, seine internationale Spitzenstellung weiter zu festigen. Das Millenniumprogramm hat das Potential, die Effi zienz der Instrumente am ILL im Mittel um einen Faktor 15 zu steigern. Ein Faktor 5 wurde bereits erreicht. Es ist von höchster Bedeutung, dass dieser Prozess konsequent weiterverfolgt wird, um auch in den kommenden Jahren die europäische Führung in der Welt zu halten. Der derzeit gültige Staatsvertrag des ILL muss 2013 um weitere 10 Jahre verlängert werden. Das KFN ist der Meinung, dass das ILL als einzige wahrhaft europäische Quelle in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Projektierung der europäischen Multi-MW-Spallationsquelle spielen sollte. Forschungsneutronenquelle FRM-II Die neue Forschungsneutronenquelle FRM-II in Garching hat erfolgreich ihre nukleare Inbetriebnahme abgeschlossen. Der Aufbau der modern konzipierten <strong>und</strong> zum Teil einzigartigen Instrumente unter Beteiligung von zahlreichen Universitäten aus ganz Deutschland, Max-Planck-Instituten <strong>und</strong> den Helmholtz-Zentren FZJ, GKSS <strong>und</strong> HMI ist weit fortgeschritten. Es werden Neutronenfl üsse <strong>und</strong> Strahlqualitäten vergleichbar mit denen des ILL gemessen. Einige der Instrumente des FRM-II haben das Potential, weltweit führend zu sein. Die langfristige Sicherung eines effektiven <strong>und</strong> hochqualifizierten Experimentier- <strong>und</strong> Nutzerbetriebes sowie der kontinuierliche Ausbau von Infrastruktur <strong>und</strong> Instrumentierung sind unabdingbar. Das KFN geht davon aus, dass der FRM-II in naher Zukunft als die nationale Neutronenquelle eine führende Rolle für die deutschen Nutzergruppen einnehmen wird <strong>und</strong> wesentlich zur Stärkung Europas auf dem Gebiet der Forschung mit Neutronen beiträgt. Repräsentanz der HGF-Zentren am FRM-II Im Juni 2004 wurde ein Vertrag zwischen dem FZJ <strong>und</strong> dem FRM-II/TUM geschlossen, der eine enge Kooperation <strong>und</strong> massive Beteiligung an Instrumentierung, Betrieb <strong>und</strong> Nutzung der Experimentiereinrichtungen am FRM-II vorsieht. Das FZJ plant, insgesamt sieben eigene Geräte am FRM-II zu betreiben <strong>und</strong> die Infrastruktur vor Ort zu verstärken. GKSS hat entschieden, sich über das bereits laufende Engagement hinaus kurzfristig zusätzlich an zwei Instrumenten am FRM-II zu beteiligen <strong>und</strong> plant mittelfristig eine weitere Verstärkung der Aktivitäten. Auch das HMI betreibt ein Instrument am FRM-II. Damit wird das Angebot der verschiedenen Experimentiereinrichtungen an der weltweit modernsten kontinuierlichen Neutronenquelle in herausragender Weise ergänzt <strong>und</strong> erweitert. Das KFN begrüßt diesen Prozess <strong>und</strong> empfi ehlt, ihn konsequent fortzusetzen, um die Kompetenz <strong>und</strong> Erfahrung der Helmholtz-Zentren im Bereich der Methodenentwicklung <strong>und</strong> des Nutzerbetriebs für den FRM-II nutzbar zu machen. BENSC im Netzwerk der Mittelflussquellen Das Netzwerk der europäischen Mittelfluss-Neutronenquellen erfüllt wichtige Aufgaben für • Bereitstellung von Messzeiten für Experimente, die nicht unbedingt auf den höchsten Neutronenfl uss angewiesen sind; • Bereitstellung spezialisierter Messmöglichkeiten, die an den Spitzenquellen nicht angeboten werden; • spezialisierte Betreuung der Nutzer <strong>und</strong> Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses; • Möglichkeiten zur Methodenentwicklung inklusive Erhalt <strong>und</strong> Ausbau des Know-hows für MW- Spallationsquellen; • Aufbau internationaler Kollaborationen; <strong>und</strong> • Erschließung neuer Forschungsgebiete inklusive Knüpfung von Industriekontakten. Im Moment tragen alle Quellen der Helmholtz-Zentren zu dieser europäischen Infrastruktur wesentlich bei. Entscheidungen zur zeitlich gestaffelten Stilllegung der Reaktoren in Jülich <strong>und</strong> Geesthacht sind gefallen oder zu erwarten. Nach ihrer Umsetzung bleibt nur BENSC am HMI als zweites nationales Zentrum im Netzwerk der Mittelfl ussquellen bestehen. Die Spezialisierung auf extreme Probenumgebungen ist als Alleinstellungsmerkmal weiterzuentwickeln. Mindestens bis zum vollen Nutzerbetrieb an der zukünftigen europäischen Multi-MW-Spallationsquelle bleibt BENSC unverzichtbar. Die Vision Multi-MW-Spallationsquelle Langfristig ist der Bau einer Multi-MW- Spallationsquelle als zentrale europäische Quelle der nächsten Generation unerlässlich, wenn Europa in der Forschung mit Neutronen die Spitzenposition in der Welt ausbauen will. Gemäß der Analyse der Neutronenarbeitsgruppe des „European Strategy Forum for Research Infrastructures“ (ESFRI) vom Herbst 2002 [2] sollte in einer ersten Ausbaustufe eine 5 MW-Langpulsquelle (ESFRI-Szenario 2) - komplementär zu den amerikanischen <strong>und</strong> japanischen Projekten - realisiert werden. Hierzu muss auf europäischer Ebene möglichst bald eine positive Entscheidung fallen, da Planung <strong>und</strong> Bau ca. 10 Jahre beanspruchen. Langfristig ist eine solche Multi-MW-Spallationsquelle in Nachfolge des ILL als die europäische Spitzenquelle unabdingbar. Deutscher Beitrag zur Multi-MW-Spallationsquelle Deutschland sollte einen signifi kanten Beitrag zu einer Multi-MW-Spallationsquelle leisten, wo immer sie in Europa gebaut wird. Ein Standort in Deutschland böte große Vorteile, z. B. in der Ausbildung <strong>und</strong> Beschäftigung von Wissenschaftlern, Ingenieuren <strong>und</strong> Technikern, in einem Zuwachs an Attraktivität für die besten internationalen Forscher, sowie durch den Technologietransfer in die Standortregion. Nach Meinung des KFN sollten das FZJ <strong>und</strong> das HMI aufgr<strong>und</strong> ihrer methodischen Kompetenz eine zentrale Rolle bei Auslegung, Konstruktion <strong>und</strong> Bau einer zukünftigen europäischen Multi-MW-Spallationsquelle <strong>und</strong> ihrer Instrumentierung spielen. Zwischenzeitlich wird die Beteiligung am Aufbau der Instrumentierung an der amerikanischen Spallationsquelle SNS empfohlen. Dadurch wird diese moderne Spitzenquelle den deutschen Nutzern zugänglich gemacht <strong>und</strong> Erfahrung in der Entwicklung <strong>und</strong> dem Betrieb von Instrumenten an einer MW- Spallationsquelle gesammelt. 8 Empfehlungen 9