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Status und Perspektiven - SNI-Portal

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Teilchen- <strong>und</strong> Hadronenphysik<br />

mit langsamen Neutronen<br />

Teilchen- <strong>und</strong> Kernphysik mit langsamen Neutronen liefern<br />

wesentliche Beiträge zum Verständnis der materiellen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen unserer Existenz. Die Fragestellungen<br />

reichen dabei von den f<strong>und</strong>amentalen Wechselwirkungen<br />

bis hin zur Entstehung der Elemente im Urknall<br />

<strong>und</strong> in Supernovaexplosionen. Neutronen werden dazu<br />

einerseits als Studienobjekt verwendet, andererseits als<br />

Sonde in Kernreaktionen <strong>und</strong> Streuprozessen.<br />

An den Grenzen des Standardmodells<br />

Hauptziel der Teilchenphysik ist es, alle Kräfte der<br />

Natur aus einem vereinigenden Symmetrieprinzip abzuleiten,<br />

was zur theoretischen Vorhersage neuer Teilchen<br />

führt. In der Hochenergiephysik wird versucht, diese<br />

Teilchen direkt zu erzeugen. In komplementären Präzisionsexperimenten<br />

bei niedriger Energie sucht man<br />

hingegen nach kleinsten Verletzungen gr<strong>und</strong>legender<br />

Symmetrien als experimentelle Signatur neuer Physik.<br />

Exemplarisch für diesen Ansatz in Experimenten mit<br />

langsamen Neutronen zur Teilchenphysik steht die<br />

Suche nach einem nicht verschwindenden elektrischen<br />

Dipolmoment des Neutrons. Die während der letzten<br />

50 Jahre stetig vorangetriebenen Verbesserungen haben<br />

jetzt eine Empfi ndlichkeit von 10 -23 eV auf die Wechselwirkungsenergie<br />

des Neutrons mit externen Feldern<br />

erreicht. Als Frequenz ausgedrückt entspricht dies<br />

wenigen Spinpräzessionen pro Jahr. Diese Suche hat<br />

bislang mehr theoretische Szenarien zur Erweiterung<br />

des Standardmodells ausgeschlossen als jedes andere<br />

Experiment. Die große Bedeutung der Messgröße<br />

besteht darin, dass sie die Symmetrie f<strong>und</strong>amentaler<br />

Wechselwirkungen zwischen Materie <strong>und</strong> Antimaterie<br />

verletzt, die sogenannte CP-Symmetrie. In der Teilchenphysik<br />

mit Beschleunigern konnten derartige Prozesse<br />

für neutrale Kaonen <strong>und</strong> B-Mesonen identifiziert werden.<br />

Die Stärke der darin gef<strong>und</strong>enen CP-Verletzung<br />

genügt jedoch nicht zur Beantwortung der Frage, warum<br />

man im Universum so viel Materie fi ndet <strong>und</strong> nicht<br />

ein Großteil davon kurz nach der Geburt des Universums<br />

mit Antimaterie zerstrahlt ist. Zur Lösung dieses<br />

kosmologischen Rätsels wird eine weitaus größere<br />

CP-Verletzung benötigt als bislang beobachtet.<br />

Zeitumkehr<br />

Über ein gr<strong>und</strong>legendes Theorem der Teilchenphysik<br />

entspricht die CP-Verletzung auch einer Verletzung<br />

der Symmetrie f<strong>und</strong>amentaler Prozesse bezüglich der<br />

Richtung der Zeit, der sogenannten Zeitumkehr- oder<br />

T-Invarianz. Neben dem elektrischen Dipolmoment<br />

bieten langsame Neutronen zur Suche nach derartigen<br />

Prozessen eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten:<br />

untersucht werden zwei T-verletzende Observablen<br />

im Zerfall freier Neutronen sowie Observablen in<br />

Neutronen-induzierten Kernreaktionen <strong>und</strong> in der<br />

Neutronenoptik. Kennzeichnend ist, dass die verschiedenen<br />

Messgrößen unterschiedliche Mechanismen<br />

der T-Verletzung testen. Damit sind sie nicht nur zur<br />

Hochenergiephysik, sondern auch untereinander, komplementär.<br />

Ursprung der Elemente<br />

Während Experimente zur Verletzung der Zeitumkehrinvarianz<br />

auf Eigenschaften f<strong>und</strong>amentaler Wechselwirkungen<br />

noch vor Ablauf der ersten Mikrosek<strong>und</strong>e<br />

nach dem Urknall empfi ndlich sind, können Neutronen<br />

auch auf die Frage nach dem Ursprung der chemischen<br />

Elemente wesentliche Beiträge liefern. Auch hierfür<br />

stehen sehr vielfältige Observablen zur Verfügung.<br />

Eine Schlüsselgröße zum Verständnis der relativen<br />

Häufi gkeiten der leichten Elemente nach dem Urknall<br />

ist die Lebensdauer des freien Neutrons, das sich durch<br />

radioaktiven Zerfall in ein Proton, ein Elektron <strong>und</strong> ein<br />

Antineutrino umwandelt. Sie bestimmt die Stärke der<br />

schwachen Prozesse. Nach etwa einer Sek<strong>und</strong>e konnte<br />

in der Ursuppe das thermische Gleichgewicht zwischen<br />

Neutronen <strong>und</strong> Protonen durch schwache Prozesse nicht<br />

mehr aufrecht erhalten werden. Neutronen begannen<br />

frei zu zerfallen, verb<strong>und</strong>en mit einer Nettoerzeugung<br />

von Protonen. Diese kam erst nach etwa drei Minuten<br />

zum Stillstand, als die Temperatur des Universums so<br />

weit abgesunken war, dass das Deuteron nicht länger<br />

durch energiereiche Photonen dissoziiert - <strong>und</strong> damit<br />

zu einem stabilen Atomkern - wurde. Beobachtungen<br />

primordialer Elementhäufi gkeiten <strong>und</strong> Simulationen der<br />

Elemententstehung in der Frühzeit des Universums sind<br />

mittlerweile derart genau, dass genauere Messungen<br />

der Neutronenlebensdauer sowie einiger Reaktionsquerschnitte<br />

benötigt werden.<br />

Schwache Wechselwirkung<br />

Die Bildung von Deuterium <strong>und</strong> schwereren Elementen<br />

im normalen Brennvorgang in Sternen wird durch die<br />

Kopplungskonstanten der schwachen Wechselwirkung<br />

des Nukleons bestimmt, die man mit Hilfe weiterer<br />

Observablen im Neutronzerfall misst. Die Produktion<br />

von Elementen schwerer als Eisen ist durch Fusionsprozesse<br />

nicht möglich, sondern geschieht in Supernovaexplosionen<br />

<strong>und</strong> anderen kosmischen Katastrophen<br />

durch eine Reaktionskette aus sukzessiven Neutroneneinfängen<br />

<strong>und</strong> Betazerfällen. Die relativen Häufi gkeiten<br />

der verschiedenen Elemente hängen dabei auch von<br />

Einfangsquerschnitten <strong>und</strong> Betazerfallszeiten extrem<br />

neutronenreicher Kerne ab, die mittels Kernspektroskopie<br />

von Fragmenten aus der Kernspaltung untersucht<br />

werden können. Diese Studien treffen auf theoretische<br />

Bemühungen, zu einer einheitlichen Beschreibung der<br />

Kernphysik als eine effektive Feldtheorie auf Gr<strong>und</strong>lage<br />

der f<strong>und</strong>amentalen starken Wechselwirkung zu gelangen.<br />

Damit sollen modellunabhängige Vorhersagen der<br />

Eigenschaften auch bislang noch unerforschter exotischer<br />

Kerne ermöglicht werden. Zur weiteren Entwicklung<br />

- <strong>und</strong> zum Test dieser theoretischen Ansätze<br />

- werden auch verbesserte Präzisionsmessungen an<br />

neutroneninduzierten Reaktionen in Systemen weniger<br />

Nukleonen benötigt.<br />

Phasenübergänge des Universums<br />

<strong>und</strong> Messgrößen von Neutronenexperimenten<br />

Temperatur<br />

10 19 GeV<br />

10 -11 GeV<br />

Neue Physik<br />

<br />

Planck<br />

EDM<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

--GUTs--<br />

<br />

Standardmodell<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Inflation<br />

<br />

<br />

Elektroschwacher<br />

Chiraler Übergang <br />

<br />

<br />

Ausfrieren v. Neutron + Proton<br />

Atomkernausfrieren<br />

10 -43 s 10 -35 s 10 -12 s 1 s 10 5 a 10 9 a heute<br />

Zeit<br />

<br />

Atomares Ausfrieren<br />

Galaktisches Ausfrieren<br />

Abb 2.44. Phasenübergänge des Universums über einer Zeitskala beginnend mit dem Urknall. Markiert sind Observablen,<br />

die durch Experimente mit Neutronen gewonnen werden können.<br />

46 Teilchen- <strong>und</strong> Hadronenphysik 47

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