WIRTSCHAFT+MARKT 1/2019
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ANALYSE<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 01.19<br />
7<br />
Die ostdeutsche Wirtschaft gilt im Allgemeinen als<br />
wenig innovativ: Die privaten Aufwendungen<br />
für Forschung und Entwicklung liegen bei nur<br />
0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (während<br />
es in Westdeutschland 2,1 Prozent sind), und auch<br />
beim Personaleinsatz für Forschung und Entwicklung<br />
(FuE), den Patentanmeldungen oder der Zahl von<br />
Unternehmen mit neuartigen Produkten liegen die<br />
ostdeutschen Länder deutlich zurück. Manch einer<br />
sieht hierin den entscheidenden Grund für den fortbestehenden<br />
Rückstand zum Westen. Aber: Wie das<br />
vorliegende Heft zeigt, gibt es auch in Ostdeutschland<br />
viele innovative Unternehmen, die mit neuartigen,<br />
teilweise sogar revolutionären Ideen die Basis<br />
für eine stärker auf technologische Exzellenz setzende<br />
wirtschaftliche Entwicklung bilden können.<br />
Das sind doch gute Nachrichten!<br />
Von Prof. Dr. Joachim Ragnitz<br />
Fotos: Pixabay, ifo<br />
Betrachtet man genauer, womit sich innovative<br />
Unternehmen in Ostdeutschland beschäftigen,<br />
so fällt Zweierlei auf: Es gibt wirklich viele gute<br />
Ideen, aber Innovationen finden häufig in technologischen<br />
Nischen statt, von denen der Normalbürger<br />
wohl zumeist gar nicht weiß, dass<br />
sie existieren. Und viele dieser Innovationen<br />
richten sich auch darauf, die Produktion<br />
effizienter zu gestalten, nicht<br />
aber darauf, die Verbraucher<br />
mit neuen Produkten<br />
zu beglücken – was<br />
nicht so schlimm ist,<br />
was aber mit zu dem<br />
verbreiteten Eindruck<br />
beiträgt, der Osten<br />
„kann es einfach<br />
nicht“. Die Welt auf den<br />
Kopf stellen werden die<br />
meisten dieser Erfindungen<br />
sicherlich nicht, aber das gilt für<br />
fast alle Neuerungen, die sich kluge Köpfe<br />
in Wissenschaft und Forschung ausdenken.<br />
Deutschland ist ja seit jeher stark darin, eher<br />
schrittweise („inkrementelle“) Verbesserungen<br />
bestehender Produkte beziehungsweise<br />
Prozesse zu erzielen, nicht aber darin, wirklich<br />
bahnbrechende Neuerungen hervorzubringen<br />
(und wenn, dann scheitert es oftmals an der<br />
Vermarktung). Das macht aber auch nichts:<br />
Solange auf diese Weise die Wettbewerbsfähigkeit<br />
eines Unternehmens gesichert oder<br />
gar gesteigert werden kann, reicht dies ja auch<br />
völlig aus. Hinzu kommt überdies, dass auch<br />
kleinere Fortschritte, so sie denn öffentlich<br />
gemacht werden, die Basis für weitere Innovationen<br />
anderswo sein können.<br />
Wissenschaftlicher Fortschritt<br />
ist halt ein Prozess, und<br />
er findet zunehmend<br />
arbeitsteilig statt.<br />
Deswegen ist es<br />
auch so wichtig,<br />
dass ostdeutsche<br />
Unternehmen in die<br />
weltweiten Wissensnetzwerke<br />
eingespannt<br />
sind: Dies ermöglicht es,<br />
Wissen, das anderswo im Inoder<br />
Ausland neu entsteht, auch<br />
hier nutzbar zu machen. Dieser Technologietransfer<br />
ist vermutlich weitaus wichtiger als<br />
hohe eigene Forschungsaktivitäten, so dass die<br />
niedrigen FuE-Aufwendungen, wie einleitend<br />
dokumentiert, auch kein Drama sind.<br />
Zum zweiten ist auffällig: Ostdeutsche<br />
innovative Unternehmer sind meistens jung,<br />
und deren neue Geschäftsideen entstehen<br />
Prof. Dr. Joachim<br />
Ragnitz ist<br />
Managing Director<br />
des ifo-Instituts<br />
Dresden.<br />
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