NEUMANN Februar | März 2019
Das Magazin für Kultur & Lifestyle
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Konzert<br />
KULTUR<br />
PRÄSENTIERT „Minimal Electro Folk“ von der Universalgelehrten Sophie Hunger<br />
„Ich bin kein Jammerlappen“<br />
Die Schweizerin Sophie Hunger pendelt zwischen Berlin und Paris, zwischen Jazz<br />
und Pop, zwischen Kontrolle und Kontrollverlust. Ihr neues Album „Molecules“ wurde<br />
vor allem vom elektronischen Herz der deutschen Hauptstadt geprägt. Am Valentinstag<br />
stellt sie es im Wizemann vor.<br />
Wie kam es zum Künstlernamen Sophie Hunger?<br />
Ich heiße mit bürgerlichem Namen Emilie Jeanne-Sophie<br />
Welti. Emilie war eine Großmutter, die<br />
sich das Leben genommen hat, das fand ich als<br />
Kind eher befremdlich. Jeanne hieß meine andere<br />
Großmutter, also war nur noch Sophie frei. Und<br />
Hunger, der Mädchenname meiner Mutter, ist für<br />
eine Künstlerin ein Geschenk. Zudem störte mich<br />
schon als kleines Mädchen, dass ich so hieß wie<br />
mein Vater. Wieso konnte ich nicht so heißen wie<br />
meine Mutter? Ich fand das unfair. In gewisser Weise<br />
wollte ich das Gleichgewicht wieder herstellen.<br />
Sind Sie Emilie Welti? Oder eher Sophie Hunger?<br />
Ich bin nur noch Sophie. Nicht mal meine Eltern<br />
nenne mich noch Emilie. Aber gut, die haben noch<br />
mal einen ganz anderen Namen für mich. (lächelt)<br />
Selbst in meinem Pass steht Sophie, sodass mich allerhöchstens<br />
ganz alte Schulkameraden noch Emilie<br />
nennen würden. Wäre sicherlich seltsam.<br />
verlost<br />
2 x 2 Freikarten<br />
→ Seite 66<br />
Ihr Vater war Diplomat, Sie sind in ihrer Kindheit<br />
häufig umgezogen, waren in vielen Ländern zuhause.<br />
Ist da zu viel reingelesen, wenn man Ihre<br />
Vielseitigkeit zwischen Jazz und Pop, zwischen<br />
Musik und Literatur, zwischen Englisch und<br />
Französisch auf Ihr Aufwachsen zurückführt?<br />
Schön, dass Sie das als Vielseitigkeit beschreiben.<br />
Man könnte auch sagen, ich sei zerstreut und könne<br />
mich nicht festlegen. Ich habe keinen Bezug zu einem<br />
Heimatbegriff, keine Wurzeln. Das fing bestimmt in<br />
meiner Kindheit an und kann nicht einfach so nachgeholt<br />
werden. Dass ich dann einen ebenso rastlosen<br />
Beruf gewählt habe, ist sicher kein Zufall. Da gibt es<br />
ein Muster. In einem normalen Schreibtischjob wäre<br />
ich wahrscheinlich nicht allzu solide…<br />
Ihr neues Album entstand in Berlin. War demnach<br />
zu erwarten, dass es elektronischer wird?<br />
War es. Die Clubszene in Berlin ist wirklich dominierend<br />
und es ist nahezu unmöglich, davon nicht<br />
beeinflusst zu werden. Natürlich mache ich keinen<br />
Techno, doch die elektronische Musik hat in letzter<br />
Zeit schon Spuren bei mir hinterlassen.<br />
Ihr letztes Album entstand in Kalifor nien. Wo<br />
sind die Unterschiede zu Berlin?<br />
Ich habe diesmal sehr isoliert und minimalistisch<br />
an den Songs gearbeitet. Eine sehr reduzierte Arbeitsweise,<br />
wohingegen es mir in Kalifornien um<br />
die Weite, um das Reisen ging. Als Gegenbewegung<br />
war es diesmal eine Reduktion auf das Kleinste.<br />
Was macht Berlin mit Ihnen? Immerhin hat die<br />
Stadt schon viele Künstler verschluckt, man denke<br />
da nur an Nick Cave oder David Bowie.<br />
Berlin ist ein ständiger Kampf. Man kommt nie<br />
wirklich an, man ist nie wirklich sicher vor all seinen<br />
Schwächen und Abgründen. Ich muss immer<br />
auf eine Balance zwischen Kontrolle und Freiheit<br />
achten, sonst werde auch ich verschlungen.<br />
Gutes Stichwort: Kontrolle oder Kontrollverlust –<br />
was ist wichtiger für Ihre Kreativität?<br />
Bei mir hat es eher damit zu tun, ob ich aktiviert<br />
bin. Wenn ich auf Tour bin und jeden Abend spiele,<br />
bin ich extrem aktiviert, dann kommen mir ständig<br />
Ideen. Bei längeren Pausen roste ich regelrecht ein.<br />
Wahrscheinlich gut, dass es bei Ihnen in den letzten<br />
Jahren relativ wenige Pausen gab. Filmmusik<br />
schreiben Sie ja auch noch...<br />
Das sind eher Auftragsarbeiten, die zwar eine eigene<br />
Handschrift erkennen lassen, aber eben kein<br />
durch und durch ein eigenes Werk. In diesem Prozess<br />
kann ich viel lernen, doch ich suche diese Projekte<br />
sehr vorsichtig aus. Ich möchte nicht zu viel<br />
musikalische Freiheit aufgeben. Und das geht bei<br />
bestimmten Regisseuren eher schief. (lacht)<br />
Darf ich ehrlich sein: Von Ihnen sind in den letzten<br />
Jahren viele Aussagen wie „ich bin immer<br />
schlecht gelaunt“ aufgetaucht. Irgendwie kommen<br />
Sie mir aber gar nicht so vor...<br />
Ich weiß nicht, ob man das alles immer so ernst<br />
nehmen sollte. (grinst) Vielleicht bin ich eher pessimistisch,<br />
aber da muss man wahrscheinlich die<br />
Menschen in meinem Umfeld fragen. Und hey, zumindest<br />
bin ich kein Jammerlappen!<br />
jono<br />
SOPHIE HUNGER Molecules<br />
14.02.<strong>2019</strong> | 20 Uhr | Im Wizemann | Stuttgart |<br />
sophiehunger.com<br />
Foto: Marikel Lahana<br />
<strong>Februar</strong> | <strong>März</strong> <strong>2019</strong>