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Die "Rückkehr” des Vaters<br />

und seine Beziehung zum<br />

Leben, das geboren wird.<br />

Interview mit Antonello Vanni, Professor und Fachmann für Bioethik, ZENIT.org<br />

In unserer Gesellschaft verzeichnen wir<br />

eine zunehmendes Sich Entfernen, ja<br />

manchmal gar eine völlige Abwesenheit<br />

der Eltern von ihren eigenen Kindern. So<br />

entsteht das Bedürfnis einer tiefen Sensibilisierung<br />

für die unantastbare Bedeutung<br />

der Beziehung zwischen dem Vater<br />

und dem Leben, das empfangen wurde.<br />

Antonello Vanni ist Professor für Bioethik<br />

an der katholischen Universität Mailand.<br />

In seinem auf italienisch erschienenem<br />

Buch "Der Vater und die Geburt des<br />

Lebens" (Il padre e la vita nascente, hrsg.<br />

v. Francesco Nastro, 2004), analysiert er<br />

unter anderem das oben genannte Thema.<br />

Im Licht der Enzyklika "Evangelium<br />

Vitae” von Johannes Paul II. und anderer<br />

Dokumente des katholischen Lehramtes,<br />

hinterfragt die Veröffentlichung jegliche<br />

Abwertung der Vaterfigur. Schon im Jahre<br />

2001 hatte eine Gruppe italienischer<br />

Intellektueller mit der gleichen Zielsetzung<br />

ein "Dokument für den Vater” herausgegeben.<br />

"Wenn das, was die Sterblichen wollen,<br />

Wirklichkeit würde, wäre das erste, was<br />

ich ersehne, die Rückkehr des Vaters", so<br />

Telemach, der Sohn des Odysseus in der<br />

‚Odyssee’. In welchem<br />

Ausmaß spürt man<br />

heute die Notwendigkeit<br />

der<br />

Rückkehr des<br />

Vaters?<br />

Vanni: Die<br />

Rückkehr<br />

des Vaters<br />

wird stets<br />

da gefordert,<br />

wo man sich mit zunehmendem<br />

Bewusstsein, auch auf wissenschaftlicher<br />

Ebene, den Schaden vor Augen geführt<br />

hat, den die Abwesenheit des Vaters in<br />

den letzten Jahrzehnten angerichtet hat.<br />

Es ist sehr wichtig, sich die Stelle der<br />

Odyssee genau vor Augen zu führen.<br />

Diese Erzählung enthält nicht nur die<br />

Sehnsucht nach der Rückkehr des Vaters,<br />

sondern auch konkrete Hinweise über die<br />

Art, wie er zurückgelotst werden soll.<br />

Telemach, der für einen Waisen gehalten<br />

wird, weiß sich aus göttlicher Güte heraus<br />

angespornt, etwas zu unternehmen.<br />

Er geht los, um seinen Vater zu suchen.<br />

Er begibt sich auf eine Reise, auf der er<br />

unter anderem Nestor und Menelaus, die<br />

Besitzer einer alten Weisheit, findet. Sie<br />

bringen ihm den unantastbaren Wert der<br />

Familienbande bei. Sie schenken ihm,<br />

gleich einem Samen, den es zu kultivieren<br />

gilt, die Erinnerung an den Vater.<br />

Das bedeutet, dass die Forderung<br />

nach der Rückkehr des Vaters<br />

zumindest dreier Begleiterscheinungen<br />

Aktion, der eigenen Sensibilität<br />

und den eigenen<br />

Fähigkeiten folgend<br />

tätig zu<br />

bedarf:<br />

werden; einer erzieherischen, sozialen<br />

und politischen Aufmerksamkeit, die den<br />

Vater näher zu den Kindern rückt; und die<br />

Notwendigkeit einer angemessenen<br />

pädagogischen Anleitung für eine gesunde<br />

Entwicklung der maskulinen Identität<br />

und ihre Reifung. Eine Aufgabe, die über<br />

Jahrtausende Nestor und Menelaus im<br />

Hinblick auf die Heranwachsenden durch<br />

Initiationsriten geleistet haben. Riten, die<br />

heute untergegangen sind, weil die meisten,<br />

die den Jugendlichen heute gesellschaftliche<br />

Werte beibringen sollten, es<br />

vorziehen, ein hedonistisches Leben zu<br />

führen. Sie bleiben ‘ewige Jugendliche’,<br />

ohne Verantwortung oder Leidenschaft<br />

für das Wohl neuer Generationen. Und<br />

schließlich ist es nötig, den unantastbaren<br />

Wert der Familien auszusäen: Vaterschaft,<br />

Mutterschaft und eheliches<br />

Leben. Nur so wird es möglich sein, solide<br />

Wurzeln für die Familie zu entwickeln,<br />

die das väterliche Gefühl für den Wert<br />

des Lebens wachsam sein lassen.<br />

Haben sie persönlich Erfahrungen<br />

gesammelt, die eine Sehnsucht zur Rükk<br />

kehr des Vaters zeigen?<br />

Vanni: Als Erzieher kann ich besonders<br />

auf die persönliche Verwirrung angesichts<br />

der Entzweiung von Familien und<br />

der Distanz des Vaters, der manchmal<br />

schlichtweg nicht bekannt ist, verweisen:<br />

Viele Kinder erzählen,<br />

dass ihr Vater es lieber habe,<br />

Sport im Fernsehen zu<br />

sehen als sich für ihr<br />

Schulleben zu interessieren.<br />

Andere heben<br />

die eisige Stille während<br />

des Abendessens<br />

hervor, das sie oft nur<br />

mit der Mutter und den<br />

anderen Geschwistern<br />

einnehmen.<br />

Alle diese Kinder sprechen<br />

liebevoll von ihrem<br />

Vater und drücken die Notwendigkeit<br />

nach Beachtung<br />

und Dialog aus, doch das<br />

ergibt sich selten.<br />

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