LEBE_74
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Gesucht sind<br />
echte Väter<br />
von Bettina Kreienbaum<br />
Die Mehrzahl der schwierigen Kinder<br />
sind Jungen – vielleicht auch deshalb,<br />
weil die Väter oft nur den Spaßanteil an<br />
der Erziehung übernehmen.<br />
Hin und wieder erzählen unsere Söhne,<br />
sie fühlten sich in der Schule benachteiligt.<br />
Überraschenderweise machen sie<br />
dies an ihrem Geschlecht fest: Jungen<br />
würden oft pauschal zurechtgewiesen,<br />
wären immer an allem schuld, und es<br />
würde ihnen allgemeines Desinteresse<br />
am Unterricht nachgesagt. Mädchen<br />
würden häufiger persönlich und sanfter<br />
angesprochen; fehlendes Wissen würde<br />
bei ihnen eher entschuldigt oder toleriert.<br />
Anfangs dachten wir uns bei diesen<br />
Bemerkungen nicht viel. Heranwachsende<br />
sind manchmal überempfindlich, was<br />
ungerechte Behandlung angeht. Doch<br />
dann wurde uns klar, dass nicht nur<br />
unsere Söhne Derartiges behaupten,<br />
sondern viele Jungen einen solchen Eindruck<br />
haben.<br />
Aus meiner eigenen Erfahrung als Lehrerin<br />
kann ich das bestätigen: In der Tat<br />
sind Jungen häufig auffälliger als Mädchen.<br />
Sie stören öfter und massiver und<br />
prügeln sich eher herum. Kinder, die<br />
frech und beleidigend werden, sind in<br />
der Regel Jungen. Statistiken belegen<br />
das Bild: Die Mehrzahl der schwierigen<br />
Kinder sind Jungen. In Beratungsstellen,<br />
Sonderschulen und Jugendgefängnissen,<br />
aber auch in Kinderarztpraxen und<br />
in der Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />
sind sie häufiger anzutreffen als Mädchen.<br />
Man sollte<br />
sich also<br />
fragen:<br />
Was<br />
überfordert<br />
sie?<br />
Wovor<br />
haben sie Angst? Oder was fehlt ihnen?<br />
In den letzten Jahren sind eine Reihe von<br />
Büchern zu diesem Thema geschrieben<br />
worden. Ich kann hier nur ein paar<br />
Gedanken anreißen.<br />
In der Zeit von der Geburt bis zum Eintritt<br />
in die weiterführende Schule sind Kinder<br />
in der Regel viel mehr mit Frauen als mit<br />
Männern zusammen. Sowohl im Kindergarten<br />
als auch in der Grundschule sind<br />
männliche Erzieher oder Lehrer – leider –<br />
eher die Ausnahme.<br />
Kinder brauchen jedoch geeignete Identifikationspersonen.<br />
Und das sollten für<br />
Jungen (auch) Männer sein, vor allem<br />
solche, in deren männlichen Selbstverständnis<br />
auch Konfliktfähigkeit, Fürsorglichkeit<br />
und Gesprächsbereitschaft eine<br />
Rolle spielen. Heute ist es selbstverständlich,<br />
dass Väter bei der Geburt ihrer<br />
Kinder dabei sind, dass sie die Kinder füttern,<br />
wickeln, mit ihnen spielen oder<br />
etwas unternehmen. Aber Väter sollten<br />
sich nicht mit dem Spaßanteil der Erziehung<br />
begnügen. Das verlangt natürlich<br />
auch, dass die Mütter bereit sind, den<br />
Vätern einen Teil ihrer „Domäne“ zuzutrauen.<br />
Beobachtungen zeigen, dass Jungen sich<br />
oft schwer tun, Fürsorglichkeit zu zeigen.<br />
Weint ein Mädchen wegen einer schlechten<br />
Note, sind meist Freundinnen tröstend<br />
zur Stelle. Nicht so bei Jungen. Sie<br />
stehen sehr unter dem Druck, „cool“ sein<br />
zu müssen und Gefühle nicht zeigen zu<br />
dürfen. Hier kann eine ähnliche Bezugsperson,<br />
die eigenes Versagen zugeben,<br />
Traurigkeit und Frustration zeigen kann,<br />
auf einen „coolen Kerl“ sehr entlastend<br />
wirken.<br />
Gerade in der Pubertät, wenn das Leben<br />
für Jugendliche ohnehin sehr verwirrend<br />
wird, sollten die Väter ihre Söhne emotional<br />
nicht entlassen, sondern zur Verfügung<br />
stehen, das heißt sich unaufdringlich<br />
interessieren und eine verbindliche<br />
Beziehung anbieten. Dabei geht es nicht<br />
um die Häufigkeit, sondern um die Qualität<br />
der Beziehung, nicht um moralische<br />
Belehrungen, sondern echtes Interesse<br />
am Kind. Schon die Suche nach gemeinsamen<br />
Interessen oder das Entdecken<br />
unterschiedlicher Standpunkte zum gleichen<br />
Thema kann dabei hilfreich sein.<br />
Das können auch viel beschäftigte<br />
Väter wahrnehmen und auch solche,<br />
die mit ihren Kindern vielleicht nicht<br />
zusammenleben können. ■<br />
Für mein Tata<br />
Die Jahrlen sein vrrunnen<br />
oans nochn ondrn.<br />
Oarblattlt<br />
wia Lablen vun Bam.<br />
Hoffnungen, Tram<br />
Liadlen und Freidn<br />
Leidn und Sorgn.<br />
Viel Gschichtn kannt i schreibm<br />
de wos dein Lebm gschriebm hot<br />
vu geschtrn, heit und morgn.<br />
Viele Bildr gmoln<br />
in olle Forbm<br />
und übr Berg und Wölklen<br />
die Sunn, goldig und worm.<br />
I siech di untr die Rebm<br />
odr in Gortn<br />
as Roatgröpfl olm um deine Fiaß<br />
in Fruajohr, Summr, Herbscht<br />
so, als tats nix ondrsch<br />
als lei af di wortn.<br />
I siech di orbatn und schwitzn<br />
zwischndrein a wettrblitzn;<br />
i gschpir di gonz fescht liabm und<br />
trogn<br />
i hear di todln und a lobm<br />
i woaß di groaß und stork wia an<br />
Knott<br />
der Wossr bring und Lebm.<br />
Afn Tisch guat Wein und Brot<br />
und übr Tog und Nocht viel Segn.<br />
I siech in deine Augn a Liacht<br />
und siechs bol miar längscht schlofn<br />
und woaß, des Liacht bis eini in<br />
Himml!<br />
Des tua i glabm und hoffn.<br />
E.R.B.<br />
16 <strong>LEBE</strong><br />
<strong>74</strong>/2005