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THEATER<br />

„Hier kriegt mich keiner mehr weg“<br />

Knut Schakinnis feiert 40-jähriges Bühnenjubiläum<br />

Knut Schakinnis vor dem Theaterschiff sowie als Mackie Messer und auf einem Bewerbungsfoto für die Schauspielschule. Fotos: C. Kuhaupt, Privat (2)<br />

62<br />

Eigentlich hatte Knut Schakinnis nie<br />

geplant, auch nur irgendetwas mit<br />

Theater zu machen. Bis er als junger<br />

Mann erstmals ein Schauspielhaus besuchte.<br />

Heute gehören sechs Häuser – auch<br />

wenn zwei davon Schiffe sind – zu seinem<br />

Theaterverbund, und er feiert sein 40-jähriges<br />

Bühnenjubiläum.<br />

„Ich komme aus einer Arbeiterfamilie<br />

im Westerwald. Meine Eltern hatten mit<br />

Kultur und Theater eher wenig bis gar nix<br />

am Hut“, sagt Schakinnis, wenn er an seine<br />

Jugend zurückdenkt. Nach der Schule zog<br />

er in eine Wohngemeinschaft in Frankfurt<br />

und hatte „einen guten Job“ in der Industrie.<br />

Als eines Abends ein Mitbewohner ihm davon<br />

erzählte, dass am Schauspiel Frankfurt<br />

Kleindarsteller gesucht werden, entschloss<br />

er sich, dort vorzusprechen. „Warum ich das<br />

gemacht habe, weiß ich bis heute nicht“,<br />

so Schakinnis. Er wurde genommen, hatte<br />

seine erste kleine Rolle in „Die Ratten“<br />

von Hauptmann – und bei den Proben ein<br />

einschneidendes Erlebnis: „In einer Szene<br />

musste ich mich hinlegen. Ich streichelte<br />

den Boden und sagte zu mir selbst: „Hier<br />

kriegt mich keiner mehr weg.“<br />

Am nächsten Morgen gab er seine<br />

Schlüssel in der Firma mit den Worten „Ich<br />

komme nicht mehr wieder!“ ab. Die Theaterleidenschaft<br />

hatte ihn gepackt – im Alter<br />

von 23 Jahren. Als am Schauspielhaus kurzfristig<br />

eine Besetzung für die Dreigroschenoper<br />

ausfiel, sprang Schakinnis ein und forderte<br />

anschließend vom Intendanten Peter<br />

Palitzsch: „Geben sie mir was zu spielen.“<br />

Zwei Jahre blieb Schakinnis in Frankfurt,<br />

anschließend machte er eine Schauspielausbildung<br />

in Hamburg. Von dort ging es<br />

weiter nach Lübeck, „in die Provinz“, wie<br />

Schakinnis mit einem Lachen sagt. „Zu<br />

meiner ersten Probe dort bin ich natürlich,<br />

wie immer, gut vorbereitet angekommen<br />

und konnte den Text auswendig. Als ich<br />

sah, dass aber die ganzen anderen Kollegen<br />

mit ihren Büchern auf der Bühne standen<br />

bin ich heimlich zu meiner Tasche und habe<br />

mein Textbuch auch herausgeholt …“<br />

In Lübeck noch festes Ensemblemitglied,<br />

entschied sich Schakinnis nach zwei<br />

Jahren, es als Freiberufler zu versuchen. Es<br />

gab erste Berührungspunkte mit dem Unterhaltungs-<br />

und Boulevardtheater. Nach<br />

dem Besuch von „Cats“ in Wien entschloss<br />

sich der Schauspieler ob seiner großen Begeisterung<br />

für das Stück, zusätzlich eine<br />

Musicalausbildung zu machen. „So lernte<br />

ich auch noch Tanz und Gesang, was ganz<br />

erheblich für meine heutige Tätigkeit ist.“<br />

Vorher immer vorbeigefahren<br />

Nach Bremen kam Schakinnis der Liebe<br />

wegen. Und er verliebte sich sogleich auch<br />

in die Stadt. „Vorher bin ich immer an Bremen<br />

vorbeigefahren.“ Seit 22 Jahren lebt er<br />

jetzt mittlerweile an der Weser. „Ich habe<br />

im ganzen Land Theater gespielt. München<br />

ist toll, Hamburg ist fantastisch, aber eine<br />

Lebensqualität wie in Bremen habe ich<br />

sonst nirgends gefunden.“<br />

In Bremen angekommen, spielte er<br />

zunächst noch unter Klaus Pierwoß im<br />

Schauspielhaus einige kleinere Rollen,<br />

dann entstand eine spezielle Idee: In Heilbronn<br />

hatte er zuvor ein Theaterschiff, welches<br />

ein Freund betrieb, kennengelernt. Als<br />

die zweite Tochter unterwegs war, reifte<br />

der Entschluss, auch künstlerisch sesshaft<br />

zu werden. Und was lag in Bremen näher,<br />

als ein Theaterschiff auf der Weser? Zumal<br />

man vonseiten der Stadt damals sehr<br />

erpicht darauf war, die Schlachte auch mit<br />

Kultur zu beleben. Er fand ein Schiff, das er<br />

umbauen ließ, ein Anleger wurde gebaut<br />

und im Herbst 2002 eröffnete das Theaterschiff<br />

Bremen mit zwei Sälen, die seitdem<br />

knapp 300 Zuschauern Platz bieten.<br />

Mit den Jahren übernahm er auch noch die<br />

Komödie Bielefeld, die Komödie Kassel,<br />

das Packhaustheater im Schnoor, die Alte<br />

Molkerei Worpswede sowie das Theaterschiff<br />

Lübeck. Alle Bühnen werden vornehmlich<br />

mit Boulevardstücken bespielt.<br />

„Durch die vielen Spielstätten können wir<br />

Produktionskosten sparen. Zudem können<br />

die Schauspieler auch langfristiger planen,<br />

wenn sie beispielsweise ein Stück auch<br />

noch auf einer anderen Bühne spielen. Das<br />

Geschäftsmodell mit den insgesamt acht<br />

Bühnen in sechs Häusern hat sich bewährt.<br />

„Wir bekommen keine Subventionen. Das<br />

heißt aber auch, dass man sich keine zwei<br />

oder drei Flops hintereinander leisten darf.<br />

Wenn eine Produktion erfolgreich ist, können<br />

wir sie auf Tournee schicken und so das<br />

Risiko minimieren.“<br />

Auf der Bühne steht Schakinnis nur<br />

noch selten. Jetzt, zu seinem 40 Bühnenjubiläum<br />

wird es aus gegebenem Anlass eine<br />

Wiederaufnahme von „Typisch Mann“ mit<br />

ihm in der Hauptrolle geben. Anschließend<br />

will sich der 63-Jährige zunehmend aus<br />

der Geschäftsführung zurückziehen und<br />

die Verantwortung weitergeben. Stattdessen<br />

würde er gerne wieder mehr selbst auf<br />

der Bühne stehen. Wird es dann auch ein<br />

50-jähriges Bühnenjubiläum geben? „Das<br />

ist geplant. Aber ganz sicher dann nicht<br />

noch einmal mit ,Typisch Mann‘!“ (MÄR)<br />

„Typisch Mann“ vom 5. bis 14. April auf dem<br />

Theaterschiff Bremen.

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