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THEATER<br />
„Hier kriegt mich keiner mehr weg“<br />
Knut Schakinnis feiert 40-jähriges Bühnenjubiläum<br />
Knut Schakinnis vor dem Theaterschiff sowie als Mackie Messer und auf einem Bewerbungsfoto für die Schauspielschule. Fotos: C. Kuhaupt, Privat (2)<br />
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Eigentlich hatte Knut Schakinnis nie<br />
geplant, auch nur irgendetwas mit<br />
Theater zu machen. Bis er als junger<br />
Mann erstmals ein Schauspielhaus besuchte.<br />
Heute gehören sechs Häuser – auch<br />
wenn zwei davon Schiffe sind – zu seinem<br />
Theaterverbund, und er feiert sein 40-jähriges<br />
Bühnenjubiläum.<br />
„Ich komme aus einer Arbeiterfamilie<br />
im Westerwald. Meine Eltern hatten mit<br />
Kultur und Theater eher wenig bis gar nix<br />
am Hut“, sagt Schakinnis, wenn er an seine<br />
Jugend zurückdenkt. Nach der Schule zog<br />
er in eine Wohngemeinschaft in Frankfurt<br />
und hatte „einen guten Job“ in der Industrie.<br />
Als eines Abends ein Mitbewohner ihm davon<br />
erzählte, dass am Schauspiel Frankfurt<br />
Kleindarsteller gesucht werden, entschloss<br />
er sich, dort vorzusprechen. „Warum ich das<br />
gemacht habe, weiß ich bis heute nicht“,<br />
so Schakinnis. Er wurde genommen, hatte<br />
seine erste kleine Rolle in „Die Ratten“<br />
von Hauptmann – und bei den Proben ein<br />
einschneidendes Erlebnis: „In einer Szene<br />
musste ich mich hinlegen. Ich streichelte<br />
den Boden und sagte zu mir selbst: „Hier<br />
kriegt mich keiner mehr weg.“<br />
Am nächsten Morgen gab er seine<br />
Schlüssel in der Firma mit den Worten „Ich<br />
komme nicht mehr wieder!“ ab. Die Theaterleidenschaft<br />
hatte ihn gepackt – im Alter<br />
von 23 Jahren. Als am Schauspielhaus kurzfristig<br />
eine Besetzung für die Dreigroschenoper<br />
ausfiel, sprang Schakinnis ein und forderte<br />
anschließend vom Intendanten Peter<br />
Palitzsch: „Geben sie mir was zu spielen.“<br />
Zwei Jahre blieb Schakinnis in Frankfurt,<br />
anschließend machte er eine Schauspielausbildung<br />
in Hamburg. Von dort ging es<br />
weiter nach Lübeck, „in die Provinz“, wie<br />
Schakinnis mit einem Lachen sagt. „Zu<br />
meiner ersten Probe dort bin ich natürlich,<br />
wie immer, gut vorbereitet angekommen<br />
und konnte den Text auswendig. Als ich<br />
sah, dass aber die ganzen anderen Kollegen<br />
mit ihren Büchern auf der Bühne standen<br />
bin ich heimlich zu meiner Tasche und habe<br />
mein Textbuch auch herausgeholt …“<br />
In Lübeck noch festes Ensemblemitglied,<br />
entschied sich Schakinnis nach zwei<br />
Jahren, es als Freiberufler zu versuchen. Es<br />
gab erste Berührungspunkte mit dem Unterhaltungs-<br />
und Boulevardtheater. Nach<br />
dem Besuch von „Cats“ in Wien entschloss<br />
sich der Schauspieler ob seiner großen Begeisterung<br />
für das Stück, zusätzlich eine<br />
Musicalausbildung zu machen. „So lernte<br />
ich auch noch Tanz und Gesang, was ganz<br />
erheblich für meine heutige Tätigkeit ist.“<br />
Vorher immer vorbeigefahren<br />
Nach Bremen kam Schakinnis der Liebe<br />
wegen. Und er verliebte sich sogleich auch<br />
in die Stadt. „Vorher bin ich immer an Bremen<br />
vorbeigefahren.“ Seit 22 Jahren lebt er<br />
jetzt mittlerweile an der Weser. „Ich habe<br />
im ganzen Land Theater gespielt. München<br />
ist toll, Hamburg ist fantastisch, aber eine<br />
Lebensqualität wie in Bremen habe ich<br />
sonst nirgends gefunden.“<br />
In Bremen angekommen, spielte er<br />
zunächst noch unter Klaus Pierwoß im<br />
Schauspielhaus einige kleinere Rollen,<br />
dann entstand eine spezielle Idee: In Heilbronn<br />
hatte er zuvor ein Theaterschiff, welches<br />
ein Freund betrieb, kennengelernt. Als<br />
die zweite Tochter unterwegs war, reifte<br />
der Entschluss, auch künstlerisch sesshaft<br />
zu werden. Und was lag in Bremen näher,<br />
als ein Theaterschiff auf der Weser? Zumal<br />
man vonseiten der Stadt damals sehr<br />
erpicht darauf war, die Schlachte auch mit<br />
Kultur zu beleben. Er fand ein Schiff, das er<br />
umbauen ließ, ein Anleger wurde gebaut<br />
und im Herbst 2002 eröffnete das Theaterschiff<br />
Bremen mit zwei Sälen, die seitdem<br />
knapp 300 Zuschauern Platz bieten.<br />
Mit den Jahren übernahm er auch noch die<br />
Komödie Bielefeld, die Komödie Kassel,<br />
das Packhaustheater im Schnoor, die Alte<br />
Molkerei Worpswede sowie das Theaterschiff<br />
Lübeck. Alle Bühnen werden vornehmlich<br />
mit Boulevardstücken bespielt.<br />
„Durch die vielen Spielstätten können wir<br />
Produktionskosten sparen. Zudem können<br />
die Schauspieler auch langfristiger planen,<br />
wenn sie beispielsweise ein Stück auch<br />
noch auf einer anderen Bühne spielen. Das<br />
Geschäftsmodell mit den insgesamt acht<br />
Bühnen in sechs Häusern hat sich bewährt.<br />
„Wir bekommen keine Subventionen. Das<br />
heißt aber auch, dass man sich keine zwei<br />
oder drei Flops hintereinander leisten darf.<br />
Wenn eine Produktion erfolgreich ist, können<br />
wir sie auf Tournee schicken und so das<br />
Risiko minimieren.“<br />
Auf der Bühne steht Schakinnis nur<br />
noch selten. Jetzt, zu seinem 40 Bühnenjubiläum<br />
wird es aus gegebenem Anlass eine<br />
Wiederaufnahme von „Typisch Mann“ mit<br />
ihm in der Hauptrolle geben. Anschließend<br />
will sich der 63-Jährige zunehmend aus<br />
der Geschäftsführung zurückziehen und<br />
die Verantwortung weitergeben. Stattdessen<br />
würde er gerne wieder mehr selbst auf<br />
der Bühne stehen. Wird es dann auch ein<br />
50-jähriges Bühnenjubiläum geben? „Das<br />
ist geplant. Aber ganz sicher dann nicht<br />
noch einmal mit ,Typisch Mann‘!“ (MÄR)<br />
„Typisch Mann“ vom 5. bis 14. April auf dem<br />
Theaterschiff Bremen.