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KOLUMNE<br />
EXPERIMENT MODERNE IM FOCKE MUSEUM<br />
Der „Bremer Dollar“<br />
über Fünfzig Milliarden Mark“ ist auf dem<br />
kleinen, ausgeblichenen Blatt zu lesen. Und weiter:<br />
„Gutschein<br />
„Dieser Gutschein wird in der Stadt Bremen von allen<br />
bremischen Staatskassen in Zahlung genommen / Er verliert<br />
seine Gültigkeit zwei Wochen nach erfolgter Aufkündigung in<br />
den Bremer Tageszeitungen.“ Geld war ein flüchtiges Gut in jenen<br />
Oktobertagen des Jahres 1923. Die Reichsdruckerei in Berlin<br />
arbeitete auf Hochtouren und konnte dennoch den Bedarf<br />
an Banknoten kaum decken. An vielen Orten musste „Notgeld“<br />
ausgegeben werden. Doch die astronomischen Zahlen auf den<br />
Geldscheinen entsprachen kaum noch realen Werten. Seit dem<br />
Frühjahr hatte eine galoppierende Inflation die deutsche Währung<br />
erfasst. Betrug der Preis für eine Straßenbahnfahrkarte im<br />
März schon stolze 200 Mark, so stieg er bis Anfang November<br />
auf 60 Milliarden Mark – um sich bis Mitte des Monats noch<br />
einmal zu versechsfachen. Ähnlich verteuerten sich auch die Lebensmittel:<br />
Ein Pfund Fleisch kostete zu diesem Zeitpunkt 900<br />
Milliarden Mark, ein Glas Bier 52 Milliarden. Die Deutschen<br />
waren ein Volk von Multimillionären geworden – und dennoch<br />
meist bitterarm. Glücklich waren diejenigen, die über Sachgüter<br />
und Produktionsmittel wie Fabrikanlagen und Ländereien verfügten.<br />
Sie konnten ihren Besitz oft noch vermehren, indem sie<br />
Kredite aufnahmen und diese mit dann wertlos gewordenem<br />
Geld zurückzahlten. Für Lohnabhängige war die Lage jedoch<br />
katastrophal; sie konnten ihren Lebensunterhalt kaum noch<br />
bestreiten.<br />
Das Desaster hatte sich seit Langem angebahnt. Bereits<br />
während des Ersten Weltkrieges waren die erhöhten Staatsausgaben<br />
durch immer neue Kredite finanziert worden. Die<br />
politische Entwicklung der Nachkriegszeit tat ein Übriges. Die<br />
immensen Entschädigungssummen, die Deutschland nach seiner<br />
Niederlage zu zahlen<br />
hatte, trieben die Staatsverschuldung<br />
weiter in<br />
die Höhe. Schließlich<br />
waren enorme Geldmengen<br />
in Umlauf, die<br />
durch Sachwerte kaum<br />
noch gedeckt waren. Als<br />
Der Bremer Dollar. <br />
Foto: Focke-Museum<br />
dann im Januar 1923 alliierte<br />
Truppen das Ruhrgebiet<br />
besetzten, um die<br />
Begleichung ausstehender Reparationsleistungen zu erzwingen,<br />
gab es kein Halten mehr: Streiks und Produktionsausfälle heizten<br />
die Inflation weiter an, sodass die deutsche Währung Ende<br />
November faktisch wertlos war.<br />
Dass in Bremen dennoch ein – sehr eingeschränkter – Zahlungsverkehr<br />
mit wertbeständigem Papiergeld aufrechterhalten<br />
werden konnte, war einer Maßnahme der hiesigen Finanzdeputation<br />
zu verdanken. Im Oktober 1923 gab sie „Anteilsscheine“<br />
auf den US-Dollar heraus, die von Devisenbeständen Bremer<br />
Firmen gedeckt waren – den „Bremer Dollar“. Zugriff auf diese<br />
Devisen hatte jedoch nur ein kleiner Kreis der Bevölkerung. Für<br />
die meisten dauerte es bis Ende November, bis sie mit der Einführung<br />
einer neuen Währung, der „Rentenmark“, wieder ein<br />
taugliches Zahlungsmittel in den Händen hielten.<br />
VON JAN WERQUET, KURATOR DER AUSSTELLUNG<br />
AUSSTELLUNGEN<br />
Porträts von Geflüchteten<br />
Museen Böttcherstraße: „Ruprecht von Kaufmann –<br />
Inside the Outside“<br />
Ölporträt ist ein Statussymbol. Diese Symbolkraft<br />
wollte ich nutzen, um einigen der Personen, die sich<br />
„Ein<br />
hinter den anonymen Fernsehbildern von Flüchtlingsströmen<br />
verbargen, ein Gesicht und auch eine Stimme zu geben.“<br />
So erläutert Ruprecht von Kaufmann sein Ausstellungsprojekt<br />
„Inside the Outside“, bei dem es sich um eine Porträtserie von<br />
Geflüchteten handelt. Nachdem die Arbeiten des zeitgenössischen<br />
Künstlers Anfang des Jahres im Headquarter der Vereinten<br />
Nationen in New York ausgestellt wurden, sind sie nun bis<br />
einschließlich 28. April in den Museen Böttcherstraße zu sehen.<br />
Als Ruprecht von Kaufmann mit seiner Porträtserie begann,<br />
waren die Medien von Bildern ankommender Geflüchteter<br />
bestimmt. Fernsehsender zeigten eine anonyme Masse von<br />
Menschen, die mit Booten an den Küsten anlegten oder lange<br />
Fußmärsche über die Balkanroute auf sich nahmen. Einige von<br />
ihnen weinten bei ihrer Ankunft in der „Festung Europa“, andere<br />
trugen ein Lächeln auf den Lippen. Wieder andere waren<br />
versunken in ängstlichen Gedanken, welche Zukunft vor ihnen<br />
liegt. Der Berliner Künstler wollte erfahren, was Menschen dazu<br />
bewegt, ihre Heimat zu verlassen, um für ein Obdach in der Ferne<br />
die Risiken einer Flucht auf sich zunehmen. Zwei Jahre lang<br />
lud der Maler Geflüchtete dazu in sein Atelier ein und portraitierte<br />
sie. So verschieden die Gesichter der Porträtierten sind, so<br />
individuell sind auch ihre Geschichten über ihre Vergangenheit,<br />
ihrer Beweggründe für die Flucht sowie ihre alltäglichen Herausforderungen<br />
im neuen Lebensraum. (SM)<br />
„Ruprecht von Kaufmann – Inside the Outside“ gastiert bis einschließlich<br />
Sonntag, 28. April, in den Museen Böttcherstraße. Nähere<br />
Informationen gibt es unter www.museen-boettcherstrasse.de.<br />
Foto: Stefan Maria Rother / Ruprecht von Kaufmann