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LGBB_022019_web

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Andreas Englisch, Mein Rom.<br />

Die Geheimnisse der Ewigen Stadt.<br />

Verlag C. Bertelsmann, München,<br />

2. Aufl age 2018, 480 Seiten, 16-seitiger<br />

farbiger Bildteil, ISBN: 978-3-570-10359-3,<br />

€ 22,0<br />

Zu Zeiten meiner ersten Rom- und Italienreisen<br />

hatte ich zahlreiche einschlägige<br />

Titel von Reinhard Raffalt (die ich<br />

vorwärts und rückwärts las) im Regal<br />

stehen, dazu die Kunstreiseführer von<br />

Eckart Peterich, die einbändige, später zweibändige<br />

Ausgabe des Guide Bleu, hinzukamen<br />

weitere Titel von Filippo Coarelli, Edmund Bucher,<br />

Wolfgang Helbig, Herbert Alexander Stützer,<br />

Franco Barelli und etliche andere Bücher, dazu<br />

noch Bildbände, Museumsführer und Reiseführer<br />

in Taschenbuchform. Bald hatte ich angesichts<br />

der vollen Regale den Eindruck, es sei genug.<br />

Dann wurde ich aufmerksam auf einen neuen<br />

Titel: »Mein Rom« von Andreas Englisch. Der<br />

Klappentext sprach mich an: »Sie wissen schon<br />

alles über Rom? Wenn Sie Andreas Englisch<br />

kennen, ahnen Sie, dass Sie sich täuschen. Wie<br />

kaum ein anderer versteht es der ausgewiesene<br />

Vatikan-Experte, der seit drei Jahrzehnten in Rom<br />

lebt, dessen mehr als zweitausendjährige Stadtgeschichte<br />

zum Leben zu erwecken. Mit dem jungen<br />

Römer Leo folgt er Gladiatoren in ihre Trainingsarena,<br />

den Spuren genialer Künstler in den<br />

Vatikanischen Museen, erzählt von raffgierigen<br />

und weisen Päpsten, von verborgenen etruskischen<br />

Fresken, Gewinnern und Verlierern der<br />

Stadtgeschichte und vom seltsamen Humor eines<br />

vielleicht gar nicht existierenden Gottes, der doch<br />

das Schicksal Roms bis heute prägt. Dieses Buch<br />

ist kenntnisreich, spannend und amüsant, frech,<br />

verblüffend und unwiderstehlich.« Das machte<br />

mich neugierig und ich besorgte mir »Mein Rom«.<br />

Der Autor ist Journalist mit Akkreditierung im<br />

Vatikan und lizenzierter Fremdenführer in Rom.<br />

Eine nicht ganz einfach zu erlangende Qualifi kation.<br />

Er begibt sich<br />

mit dem Leser auf<br />

eine Sightseeing-<br />

Tour der besonderen<br />

Art: Andreas<br />

Englisch konzipiert<br />

die Stadtführung,<br />

nachdem sein Sohn<br />

Leo durch eine<br />

Prüfung gefallen<br />

ist. Dieser (in Rom<br />

geboren und kurz<br />

vor dem Abitur) will<br />

nämlich unbedingt<br />

die Schule von Fernanda besuchen, welche ihn<br />

zur Prüfung zum Fremdführer vorbereiten soll.<br />

Denn mit diesem Beruf kann man in der ewigen<br />

Stadt sehr viel Geld verdienen und er will damit<br />

sein Studium fi nanzieren. 450 € verdient ein<br />

Fremdenführer im Durchschnitt – am Tag! Kein<br />

Wunder also, dass Englischs Sohn Leonardo gerne<br />

in die Fußstapfen seines Vaters treten möchte,<br />

nur ist er leider ein fauler Knabe. Er liest offensichtlich<br />

keine Bücher, deshalb bittet er schließlich<br />

seinen Vater um Hilfe. Der muss ihm bis zum<br />

Wochenende (zunächst zum Thema St. Peter) all<br />

das einbimsen, was er in den letzten zwei Jahren<br />

gemütlich hätte lernen können. Am besten geht<br />

so was immer noch, wenn man sich direkt an den<br />

Ort des historischen Geschehens begibt.<br />

Andreas Englisch pfl egt als Journalist intensive<br />

Kontakte zu Museumsleuten und erinnert sich an<br />

ein spezielles Phänomen, das Lehrkräften nicht<br />

ganz unbekannt ist: »Ich habe einen Freund, der in<br />

der Museumsverwaltung der Stadt Rom arbeitet.<br />

Er nannte dieses Phänomen GAH, Gehirn-Ausfall-<br />

Hilfe. Sie hatten die GAH für Schüler zufällig entdeckt.<br />

In den Museen werden die ausgestellten<br />

Kunstwerke in der Regel beschriftet. Genannt<br />

werden meist der Künstler, der Titel des Werks<br />

und wann es geschaffen wurde. Die Erfahrungen<br />

hatten gezeigt, dass Schüler sich über Generationen<br />

hartnäckig weigerten, diese Beschriftungen<br />

zu lesen. Verzweifelte Lehrer unternahmen alles<br />

Mögliche, von der Schmeichelei bis zur offenen<br />

Androhung von Sanktionen, um die Schüler dazu<br />

zu bringen. In den Schülerköpfen schien es aber<br />

eine Art automatischer Blockade zu geben. Ein<br />

Zufall führte zur Entdeckung einer GAH. Ein<br />

Computerfreak in der Verwaltung hatte aus Spaß<br />

zwei Bildunterschriften digitalisiert. Die Nutzer<br />

mussten einen Barcode in das Smartphone einlesen,<br />

dann erschien dort die Bildunterschrift. Das<br />

Ergebnis ist das gleiche: Auf dem Handy-Display<br />

erschien der Titel des Werks, der Maler, das Jahr<br />

der Entstehung. Und es geschah etwas, was kein<br />

Mensch für möglich gehalten hatte. Die Schüler<br />

waren geradezu hingerissen von den Bildunterschriften,<br />

aber nur wenn sie vorher den Text mit<br />

dem Barcode in ihr Handy eingescannt hatten –<br />

und sie lasen sie dort tatsächlich« (S. 23–25).<br />

So wandern Vater Andreas und Sohn Leonardo<br />

also durch Rom: Sie steigen auf das Kapitol, erleben<br />

vibrierende Plätze und atemberaubende<br />

Aussichtsterrassen, besuchen den Petersplatz,<br />

den Petersdom, die Sixtinische Kapelle und die<br />

Vatikanischen Museen, Santa Maria Maggiore<br />

und Santa Prassede, besichtigen das Kolosseum,<br />

das Pantheon und das Kapitol. Überall entdecken<br />

sie faszinierende und verblüffende Geschichten<br />

hinter den Denkmälern, sie folgen den Spuren<br />

Gottes, der großen Liebe des Borgia-Papstes und<br />

den Ideen genialer Künstler, tauchen ein in die<br />

Welt kunstbefl issener und raffgieriger Päpste,<br />

öffnen lang verschlossene Gräber und entschlüsseln<br />

Botschaften hinter weltberühmten Fresken<br />

(es gibt zu seiner Auswahl aus den Mirabilia urbis<br />

Romae ein 15-seitiges Register). Nach und nach<br />

gelingt es dem Vater tatsächlich, das Interesse<br />

seines Sohnes für die Geheimnisse hinter den<br />

Mauern seiner Heimatstadt zu wecken, während<br />

umgekehrt Leo(nardo) seinem Vater zeigt, wie<br />

die jungen Römer heute mit den Relikten der Geschichte<br />

leben. Diese Kontrastierung – quasi der<br />

Generationenkonfl ikt zwischen Vater und Sohn –<br />

macht den besonderen Reiz dieses Buches aus.<br />

Der Autor und sein Sohn Leo auf der Piazza Navona, Foto privat, © C. Bertelsmann Verlag<br />

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<strong>LGBB</strong> 02 / 2019 · JAHRGANG LXIII<br />

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