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LGBB_022019_web

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sen dem Leser die kritische Rekonstruktion eines<br />

solchen Lebens vorführt: nämlich direkt aus den<br />

Quellen. Mit der Spannung des munteren Drauflosschwadronierens<br />

kann ein solches Buch natürlich<br />

nicht dienen. An ihre Stelle tritt aber eine<br />

andere Spannung, die der eines Detektivromans<br />

ähnelt. Man sieht dem Historiker beim Ermitteln<br />

zu. ... Besser, interessanter und faszinierender<br />

lässt sich eine solche Biografi e nicht schreiben.<br />

Der Gewinn, den man aus ihr zieht, einschließlich<br />

der schlüssigen Bebilderung und der umfassenden<br />

Quellenverweise in mehreren Tausend<br />

Anmerkungen, ist staunenswert. Seriosität kann<br />

glücklich machen. Schön, dass es Verlage wie C.<br />

H. Beck gibt, die an solchem Glück ein breiteres<br />

Publikum partizipieren lassen.« (Jens Jessen in<br />

der ZEIT, 13.12.2018)<br />

»Für die Antike und noch für den roi philosophe<br />

von Sanssouci lag in diesem Akt der Selbstüberwindung<br />

die eigentliche Leistung Marc Aurels.<br />

Demandt konstatiert dagegen kühl, der Kaiser sei<br />

›eilig, aber verspätet‹ vor das belagerte Aquileia<br />

gezogen, woraufhin die Germanen mit ihrer Beute<br />

den Rückzug angetreten hätten. Auch bei der<br />

Schilderung der Kriegszüge und des Sterbelagers<br />

in Wien hält er rhetorisch den Ball fl ach, und die<br />

Beschreibung des Caballus, der Reiterstatue Marc<br />

Aurels auf dem Kapitol, überlässt er dem schwärmenden<br />

Hippolyte Taine. Dafür erzählt Demandt<br />

die Anekdote von Hitlers Rombesuch, bei dem<br />

Heinrich Hoffmann das Standbild so fotografi erte,<br />

dass der Reiter die Rechte zum 'deutschen Gruß'<br />

zu recken schien. An anderer Stelle kommentiert<br />

er die Abschaffung des Asylschutzes vor Kaiserbildern<br />

durch Antoninus Pius, den Vorgänger des<br />

Marcus, für den heutigen Leser: ›Der Missbrauch<br />

des Asylrechts ist so alt wie dieses selbst.‹ Solche<br />

Seitenhiebe ins Parkett sind über das Buch verstreut<br />

wie Lichtpunkte in einem Gemälde. (Andreas<br />

Kilb in der FAZ, 31.8.2018).<br />

Alexander Demandt nimmt seine Leser mit auf<br />

eine Zeitreise ins Innere einer Hochkultur, in die<br />

Ära ihrer größten Blüte: »Das Römische Reich,<br />

dessen Herrschaft Marc Aurel am 7. März 161 n.<br />

Chr. übernahm, war das größte und dauerhafteste<br />

Staatswesen, das Europa bis dahin gesehen<br />

hatte. Es umfasste Territorien – ganz oder teilweise<br />

– von dreißig modernen Staaten« (S 13).<br />

Es ist ein Vergnügen zu sehen, wie der Autor<br />

nach mehreren Forschungsaufenthalten, zahlreichen<br />

Seminarveranstaltungen und unter Mithilfe<br />

eines Heeres von Doktoranden noch einmal alle<br />

Register seines Könnens, Wissens und Schreibens<br />

zieht. Seinen Stoff gliedert er in zehn Großkapitel,<br />

die jeweils wieder in bis zu 25 Abschnitte unterteilt<br />

sind: I. Das Imperium Romanum – II. Schriftquellen<br />

und Denkmäler – III. Jugend und Familie<br />

- IV. Die Parther und die Pest – V. Der erste Germanenkrieg<br />

– VI. Cassius und der zweite Germanenkrieg<br />

– VII. Recht und Verwaltung – VIII. Die<br />

Christenprozesse – IX. Lebensphilosophie – X.<br />

Tod und Nachleben. Auch der umfangreiche Anhang<br />

(439–592) hat seine Struktur: A. Chronik –<br />

B. Karten – C. Stammtafel – D. Bildnachweis –<br />

E. Abkürzungen – F. Literatur – G. Register.<br />

Als Lehrkraft mit vollem Deputat kann man solch<br />

ein detailstrotzendes Buch nicht in einem Gang<br />

von vorne bis hinten lesen, aber man sollte damit<br />

unbedingt anfangen, egal an welcher Stelle,<br />

schon wegen der vielen interessanten Details<br />

(»Um den innerstädtischen Verkehr zu entlasten,<br />

verordnete Marcus Fußgängerzonen«; S. 298),<br />

der Querverbindungen, der Bezüge in die Gegenwart<br />

(»Ein Dauerproblem der Städte war – schon<br />

damals! – ihr Haushalt. Um die Verschuldung<br />

zu hemmen, hatte Trajan curatores als kaiserliche<br />

Finanzaufseher bestellt. Solche gab es auch<br />

unter Marc Aurel«; S. 299) und den zahlreichen<br />

unterrichtsrelevanten Aspekte; an Themen gibt es<br />

viele, z.B. der Abschnitt über Sklaven und Freigelassene<br />

(S. 38ff., 284ff.), den Caballus auf dem<br />

Kapitol und im Mittelalter (Pfl ichtlektüre für die<br />

nächste Romreise; S. 68 ff.), die Fachlehrer und<br />

Philosophielehrer der Stoa (117 ff.), den Redner<br />

Aelius Aristides (S. 164 ff.), das Parthermonu-<br />

Porträt des jungen Marcus Aurelius. Römisch. Kapitolinische Museen, ca. 140<br />

https://commons.wikimedia.org/wiki/Marcus_Aurelius_Antoninus_Augustus?uselang=de#/media/File:<br />

Young_Marcus_Aurelius_Musei_Capitolini_MC279.jpg<br />

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<strong>LGBB</strong> 02 / 2019 · JAHRGANG LXIII<br />

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