Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
sen dem Leser die kritische Rekonstruktion eines<br />
solchen Lebens vorführt: nämlich direkt aus den<br />
Quellen. Mit der Spannung des munteren Drauflosschwadronierens<br />
kann ein solches Buch natürlich<br />
nicht dienen. An ihre Stelle tritt aber eine<br />
andere Spannung, die der eines Detektivromans<br />
ähnelt. Man sieht dem Historiker beim Ermitteln<br />
zu. ... Besser, interessanter und faszinierender<br />
lässt sich eine solche Biografi e nicht schreiben.<br />
Der Gewinn, den man aus ihr zieht, einschließlich<br />
der schlüssigen Bebilderung und der umfassenden<br />
Quellenverweise in mehreren Tausend<br />
Anmerkungen, ist staunenswert. Seriosität kann<br />
glücklich machen. Schön, dass es Verlage wie C.<br />
H. Beck gibt, die an solchem Glück ein breiteres<br />
Publikum partizipieren lassen.« (Jens Jessen in<br />
der ZEIT, 13.12.2018)<br />
»Für die Antike und noch für den roi philosophe<br />
von Sanssouci lag in diesem Akt der Selbstüberwindung<br />
die eigentliche Leistung Marc Aurels.<br />
Demandt konstatiert dagegen kühl, der Kaiser sei<br />
›eilig, aber verspätet‹ vor das belagerte Aquileia<br />
gezogen, woraufhin die Germanen mit ihrer Beute<br />
den Rückzug angetreten hätten. Auch bei der<br />
Schilderung der Kriegszüge und des Sterbelagers<br />
in Wien hält er rhetorisch den Ball fl ach, und die<br />
Beschreibung des Caballus, der Reiterstatue Marc<br />
Aurels auf dem Kapitol, überlässt er dem schwärmenden<br />
Hippolyte Taine. Dafür erzählt Demandt<br />
die Anekdote von Hitlers Rombesuch, bei dem<br />
Heinrich Hoffmann das Standbild so fotografi erte,<br />
dass der Reiter die Rechte zum 'deutschen Gruß'<br />
zu recken schien. An anderer Stelle kommentiert<br />
er die Abschaffung des Asylschutzes vor Kaiserbildern<br />
durch Antoninus Pius, den Vorgänger des<br />
Marcus, für den heutigen Leser: ›Der Missbrauch<br />
des Asylrechts ist so alt wie dieses selbst.‹ Solche<br />
Seitenhiebe ins Parkett sind über das Buch verstreut<br />
wie Lichtpunkte in einem Gemälde. (Andreas<br />
Kilb in der FAZ, 31.8.2018).<br />
Alexander Demandt nimmt seine Leser mit auf<br />
eine Zeitreise ins Innere einer Hochkultur, in die<br />
Ära ihrer größten Blüte: »Das Römische Reich,<br />
dessen Herrschaft Marc Aurel am 7. März 161 n.<br />
Chr. übernahm, war das größte und dauerhafteste<br />
Staatswesen, das Europa bis dahin gesehen<br />
hatte. Es umfasste Territorien – ganz oder teilweise<br />
– von dreißig modernen Staaten« (S 13).<br />
Es ist ein Vergnügen zu sehen, wie der Autor<br />
nach mehreren Forschungsaufenthalten, zahlreichen<br />
Seminarveranstaltungen und unter Mithilfe<br />
eines Heeres von Doktoranden noch einmal alle<br />
Register seines Könnens, Wissens und Schreibens<br />
zieht. Seinen Stoff gliedert er in zehn Großkapitel,<br />
die jeweils wieder in bis zu 25 Abschnitte unterteilt<br />
sind: I. Das Imperium Romanum – II. Schriftquellen<br />
und Denkmäler – III. Jugend und Familie<br />
- IV. Die Parther und die Pest – V. Der erste Germanenkrieg<br />
– VI. Cassius und der zweite Germanenkrieg<br />
– VII. Recht und Verwaltung – VIII. Die<br />
Christenprozesse – IX. Lebensphilosophie – X.<br />
Tod und Nachleben. Auch der umfangreiche Anhang<br />
(439–592) hat seine Struktur: A. Chronik –<br />
B. Karten – C. Stammtafel – D. Bildnachweis –<br />
E. Abkürzungen – F. Literatur – G. Register.<br />
Als Lehrkraft mit vollem Deputat kann man solch<br />
ein detailstrotzendes Buch nicht in einem Gang<br />
von vorne bis hinten lesen, aber man sollte damit<br />
unbedingt anfangen, egal an welcher Stelle,<br />
schon wegen der vielen interessanten Details<br />
(»Um den innerstädtischen Verkehr zu entlasten,<br />
verordnete Marcus Fußgängerzonen«; S. 298),<br />
der Querverbindungen, der Bezüge in die Gegenwart<br />
(»Ein Dauerproblem der Städte war – schon<br />
damals! – ihr Haushalt. Um die Verschuldung<br />
zu hemmen, hatte Trajan curatores als kaiserliche<br />
Finanzaufseher bestellt. Solche gab es auch<br />
unter Marc Aurel«; S. 299) und den zahlreichen<br />
unterrichtsrelevanten Aspekte; an Themen gibt es<br />
viele, z.B. der Abschnitt über Sklaven und Freigelassene<br />
(S. 38ff., 284ff.), den Caballus auf dem<br />
Kapitol und im Mittelalter (Pfl ichtlektüre für die<br />
nächste Romreise; S. 68 ff.), die Fachlehrer und<br />
Philosophielehrer der Stoa (117 ff.), den Redner<br />
Aelius Aristides (S. 164 ff.), das Parthermonu-<br />
Porträt des jungen Marcus Aurelius. Römisch. Kapitolinische Museen, ca. 140<br />
https://commons.wikimedia.org/wiki/Marcus_Aurelius_Antoninus_Augustus?uselang=de#/media/File:<br />
Young_Marcus_Aurelius_Musei_Capitolini_MC279.jpg<br />
132 JAHRGANG LXIII · <strong>LGBB</strong> 02 / 2019<br />
<strong>LGBB</strong> 02 / 2019 · JAHRGANG LXIII<br />
133