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LGBB_022019_web

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Inzwischen, 2019, hat unsere Tochter Latein in<br />

der 11. Klasse abgewählt, sie wird deshalb – trotz<br />

all der vorangegangen Mühen, trotz aller Arbeit,<br />

trotz der vielen Stunden am Küchentisch – die<br />

Schule am Ende ohne ein Latinum verlassen. Da<br />

ist nichts mehr zu machen, da half auch kein gutes<br />

Zureden. Sie hatte übrigens auch einen Titelvorschlag<br />

für den heutigen Vortrag, der lautete:<br />

„Deine Mudda liebt Latein“.<br />

Sie sehen also, ich rede hier auch aus Erfahrung.<br />

Und das Gute ist, ich bin weiterhin optimistisch,<br />

denn wir haben noch einen im Rennen: unseren<br />

Sohn. Ohne jetzt zu persönlich werden zu wollen,<br />

aber bei ihm wurde mein Wunsch erhört. Er hat<br />

seit diesem Schuljahr eine neue, sehr junge Lateinlehrerin,<br />

sie wurde – soweit ich weiß – hier<br />

an der Humboldt-Universität ausgebildet. Es ist<br />

ein Unterschied wie Tag und Nacht. Sie geht ganz<br />

anders heran an die Sprachvermittlung, man<br />

kann sagen, der Unterricht macht meinem Sohn<br />

deutlich mehr Spaß. Es muss immer noch viel gelernt<br />

werden, so ist und bleibt das nun mal, aber<br />

es klappt jetzt besser. Als neulich Elternsprechtag<br />

war, habe ich der neuen Lehrerin nur einen Auftrag<br />

mit auf den Weg gegeben: Es wäre schön,<br />

wenn unser Sohn am Ende sein Latinum hat, also<br />

nicht abwählt. Einer kam durch. Das ist unsere<br />

Hoffnung.<br />

Dieser Sohn also geht jetzt in die achte Klasse –<br />

und vor kurzem brachte er sein Vera 8 Testheft in<br />

Deutsch mit nach Hause. Und damit komme ich<br />

nun endlich zum Kern meines Vortrages. Vermutlich<br />

sind hier alle vertraut mit der Vergleichsarbeit,<br />

die sich ja in „Orthographie“ und „Lesen“<br />

unterteilt. Ich blätterte sie fl üchtig durch, um zu<br />

sehen, wie er sich geschlagen hatte und traf zu<br />

meinem Erstaunen auf lauter Anfangsaufgaben,<br />

die eine altsprachliche Grundlage hatten.<br />

„Aus welcher Sprache stammen folgende Wörter?“<br />

stand dort, gefragt war nach „Arche“ und<br />

„Arena“ (beide aus dem Lateinischen) und nach<br />

... »unter den Augen<br />

der Brüder Humboldt« ...<br />

66 JAHRGANG LXIII · <strong>LGBB</strong> 02 / 2019<br />

„Arithmetik“ (aus dem Griechischen). Danach<br />

mussten die Schüler die lateinische Bezeichnung<br />

für Silber („Argentum“) hinschreiben, das Wort<br />

„Arithmogriph“ korrekt schreiben, sagen, auf<br />

welcher Silbe „Areopag“ richtig betont wird und<br />

erklären, was es heißt, wenn man ein Geschehen<br />

„mit Argusaugen“ beobachtet.<br />

Kein Wunder, dachte ich noch, dass die Berliner<br />

Vera 8-Ergebnisse inzwischen von der Senatsbildungsverwaltung<br />

unter Verschluss gehalten<br />

werden – bei ihrer letzten Veröffentlichung 2016<br />

hatte sich ja herausgestellt, dass 35 Prozent der<br />

geprüften Schüler dieser Stadt noch nicht mal die<br />

Mindeststandards in Deutsch erfüllten. Aber im<br />

Ernst, welcher Achtklässler in Berlin sollte diese<br />

Aufgaben packen? Auch ich würde bei der korrekten<br />

Schreibweise von „Arithmogriph“ eher<br />

raten müssen als sie sicher zu wissen. So hoch<br />

sollte das Niveau bei Vera 8 sein? Ich konnte es<br />

nicht glauben.<br />

<strong>LGBB</strong> 02 / 2019 · JAHRGANG LXIII<br />

Daraufhin schaute ich genauer hin und merkte,<br />

dies waren Fragen aus dem Themenkomplex<br />

„Nachschlagen“. Und sah daraufhin den im Testheft<br />

abgedruckten Auszug aus dem Duden, zwei<br />

Seiten des Wörterbuchs – von „Ärar“ (offenbar<br />

auch aus dem Lateinischen; Staatsvermögen;<br />

österreichisch für Fiskus) bis „Arius" (alexandrinischer<br />

Presbyter). Die Schüler mussten also gar<br />

nicht diese Ausdrücke kennen. Sie mussten das<br />

in der Aufgabe nachgefragte Wort im Dudenblatt<br />

fi nden, die Angaben dort richtig ablesen (Arche,<br />

die - Plural: Archen (lat.) schiffsähnlicher Kasten;<br />

Arche Noah) und so die Frage beantworten.<br />

Da wurde mir klar, dass die Deutsch-Anfangsaufgaben<br />

aus Vera 8 eher schlichter Natur war, in<br />

gewisser Weise fast mechanisch. Finden, lesen,<br />

einordnen, beantworten. Bei Wortherkunft entweder<br />

das Kästchen „italienisch“, „lateinisch“,<br />

„französisch“ oder „griechisch“ ankreuzen. Eine<br />

Qualifi kation, wie ausgedacht für das Einsortie-<br />

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