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STAND<br />

PUNKTE<br />

PUNKTE<br />

anliegen“ machen und würden dabei an der „breiten<br />

Masse“ vorbei verhandeln. Tatsächlich machen aber<br />

alle Menschen Identitätspolitik. Es fällt nur bei den einen<br />

weniger auf als bei den anderen. Bei den einen weniger, weil<br />

es als normal wahrgenommen wird und als Status quo gilt.<br />

Die Politik, die jene machen, die an der Macht sind, dient<br />

aber genauso ihren jeweiligen Identitätsinteressen, wird aber<br />

als Norm angesehen. Und alles andere eben als Abweichung,<br />

das als Randphänomen kleingeredet wird. Komischerweise<br />

wird das, was die bisherigen Hegemonien verhandeln, nie<br />

als Partikularinteresse einer kleinen, mächtigen Gruppe<br />

betrachtet und ihnen wird zugestanden, dass sie als quasi<br />

neutrale Instanz Politik für alle machen könnten. Auch<br />

wenn sich diese als sehr exklusiv herausgestellt hat. Bei den<br />

anderen fällt die identitätspolitische Dimension mehr auf,<br />

weil neue Stimmen zu hören erst einmal ungewohnt ist. Es<br />

wird von den bisherigen Herren der öffentlichen Meinung<br />

als Bruch oder gar als Bedrohung wahrgenommen, wenn<br />

jene, über die man bisher so schön ungestört sprechen und<br />

entscheiden konnte, jetzt plötzlich zurückreden und mitmischen<br />

wollen. Allerdings wird die Idee, dass Randgruppen,<br />

die Unterdrückung erfahren, vielleicht zugänglichere Politik<br />

für alle machen könnten, nicht in Erwägung gezogen.<br />

So, was hat nun das alles mit Europa zu tun?<br />

In den EU-Institutionen bestimmen vor allem weiße Menschen<br />

und vor allem Männer über Politik, die sich auf 500<br />

Millionen Menschen in ganz Europa auswirkt, ohne die außenpolitischen<br />

Auswirkungen. In den Institutionen herrscht<br />

der Anspruch, dass die Menschen da draußen die enorme<br />

Wichtigkeit des europäischen Projekts verstehen und wertschätzen<br />

sollen und es herrscht fassungsloses Unverständnis<br />

darüber, wenn das nicht passiert.<br />

Seit ich nicht mehr im Europaparlament arbeite<br />

und wieder mehr mit Menschen außerhalb der Institutionen<br />

in Kontakt komme, merke ich, dass jungen Menschen, die<br />

eigentlich sehr interessiert an der politischen Gestaltung<br />

ihres Lebens sind, oft die Einbeziehung in europäische<br />

Politik fehlt. Sie fühlen sich oft nicht angemessen repräsentiert,<br />

haben nicht das Gefühl, dass Politik wirklich für sie<br />

gemacht wird. Eventuell hängt das auch damit zusammen,<br />

dass sie sich nicht damit identifizieren können, wenn „weiße<br />

Männer in grauen Anzügen von Gipfeln herab predigen”.<br />

Europäische EntscheidungsträgerInnen sprechen immer<br />

davon, „glühende EuropäerInnen“ zu sein, die ein Feuer<br />

entfachen wollen für die Idee Europa. Vielleicht müssen sie<br />

dafür von den Gipfeln steigen und das Feuer auch tatsächlich<br />

unter die Menschen bringen.<br />

SARA HASSAN, JAHRGANG 1992, HAT DREI JAHRE LANG IM EU-<br />

PARLAMENT GEARBEITET. HEUTE IST SIE ALS FREIE JOURNALISTIN<br />

UND AUTORIN TÄTIG UND PRODUZIERT EINEN PODCAST.<br />

Konstante Veränderung<br />

Gedanken zum Thema „Identität im Lichte der 4. industriellen<br />

Revolution“ am Beispiel österreichischer Erfolgsunternehmen<br />

Ob der Wiener Ingenieur<br />

Gottfried Gruber, der im<br />

Jahr 1946 sein Geschäft mit<br />

dem Verkauf von einfachen<br />

Messschiebern und Spaltlehren<br />

startete, wohl wusste, wie sein<br />

Unternehmen knapp 75 Jahre<br />

später ablaufen würde? Vermutlich<br />

nicht. Er konnte nicht<br />

ahnen, dass „Digitalisierung“<br />

und „Automatisierung“<br />

einmal das Tagesgeschäft seiner Firma prägen würden.<br />

Zwar führt GGW Gruber auch heute noch Messschieber<br />

und Spaltlehren im Sortiment, diese sind aber nun kabellos<br />

vernetzt und genügen den Ansprüchen einer digitalisierten<br />

Fertigung; Stichwort IoT.<br />

VON RUDOLF J. MELZER<br />

Ähnlich ging es wohl auch Firmengründern wie<br />

Rudolf Bauer 1930, dessen Unternehmen heute als Bauer<br />

Group Weltmarktführer im Bereich Beregnungstechnologie<br />

ist. Oder Franz Steiner, der 1888 damit begann, gewalkte<br />

Wollstoffe zu produzieren. Heute werden die Stoffe von<br />

conomy 22<br />

Steiner1888 von Modegrößen wie Kenzo, Prada, Yves Saint<br />

Laurent, Burberry oder Louis Vuitton verarbeitet.<br />

Doch wie viel der Gründer-DNA steckt noch in<br />

Firmen wie diesen und was haben sie gemeinsam?<br />

Wie viel Gruber steckt noch in GGW Gruber, wie<br />

viel Bauer noch in der Bauer Group oder wie viel Steiner<br />

noch in Steiner1888? Vielleicht mehr, als man auf den<br />

ersten Blick ahnen möchte. Es ist die Bereitschaft, alte<br />

Lösungen für neue Probleme anzupassen und einen Teil der<br />

gesetzten Persönlichkeit zugunsten eines Stücks Zukunft zu<br />

verändern. Oder anders ausgedrückt: Es ist das nach wie vor<br />

aufrechte und aufrichtige Bekenntnis zum Wandel, das es<br />

diesen Unternehmen ermöglicht hat zu wachsen und auch<br />

im digitalen Zeitalter erfolgreich zu sein. Gerade in Tagen<br />

wie diesen scheint das gut 2.500 Jahre alte Zitat von Heraklit<br />

noch immer sehr viel Aktualität zu beinhalten: „Die einzige<br />

Konstante im Leben ist die Veränderung.“<br />

RUDOLF J. MELZER IST<br />

GRÜNDER UND PRÄSIDENT DES INTERNATIONALEN FORUMS FÜR<br />

WIRTSCHAFTSKOMMUNIKATION, IFWK<br />

PHOTO: ANATOL KOTTE

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