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Bremer Sport Herbst 2019

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SPORTMEDIZIN<br />

„Mehrere Stunden Training täglich“<br />

Dr. Götz Dimanski spricht im Interview über die Vorbereitung auf den Marathonlauf<br />

Einmal im Leben einen Marathon absolvieren – dieses Ziel steht auf der persönlichen To-do-Liste<br />

vieler. Wer dieses Vorhaben in die Tat umsetzt, sollte sich im Vorfeld genügend Zeit für das Training<br />

nehmen, um keine Schäden zu riskieren. Das sagt Dr. Götz Dimanski, Ärztlicher Geschäftsführer des<br />

RehaZentrum Bremen, und betont: Nicht jeder sollte sich an diese Distanz wagen.<br />

8<br />

Laufen ist ein Breitensport. Welche Effekte<br />

hat ein Langstreckenlauf auf den Körper?<br />

Dr. Götz Dimanski: Laufen ist eine Dauerbelastung<br />

für den Körper. Dieser standzuhalten,<br />

setzt voraus, dass die leistungsbringenden<br />

Organe an die Belastung angepasst<br />

sind. Wer nicht trainiert ist, dem würde es<br />

ergehen wie Pheidippides im alten Griechenland:<br />

Der Überlieferung nach ist dieser<br />

von Marathon ins etwa 40 Kilometer entfernte<br />

Athen gelaufen, um eine wichtige Botschaft<br />

zu überbringen, und anschließend an<br />

Erschöpfung gestorben.<br />

Heutzutage nehmen sich Freizeitsportler<br />

die Stecke freiwillig vor. Wie gesund ist<br />

diese Distanz?<br />

Die Überlieferung bringt einen wichtigen<br />

Aspekt auf den Punkt: Auch untrainierte<br />

Läufer können die Marathon-Distanz zwar<br />

schaffen, richten am eigenen Körper aber<br />

unter Umständen massiven Schaden an.<br />

Niemand sollte einen Marathon laufen, um<br />

damit zu prahlen. Marathonläufer müssen<br />

bestimmte Voraussetzungen mitbringen,<br />

um keine Schäden davonzutragen. Allein<br />

ein geringes Übergewicht ist eine Kontraindikation.<br />

Schaut man sich unter den erfolgreichen<br />

"Marathonis" um, fällt auf: Sie sind<br />

sehr schlank. Für andere Lauftypen ist diese<br />

Distanz eher schädlich, als der Gesundheit<br />

zuträglich.<br />

Welche Voraussetzungen müssen noch erfüllt<br />

sein?<br />

Trainiert sein müssen das Herz-Kreislauf-System,<br />

die Atmung, Muskulatur,<br />

Energiebereitsstellung und ganz wichtig:<br />

der Bewegungsapparat – Sehnen, Knorpel<br />

und Gelenke inbegriffen. Auch die mentale<br />

Fitness ist wichtig. Auf großen Distanzen<br />

kommt jeder Läufer irgendwann an den<br />

Punkt, an dem ein starker Wille hilft, weiterzumachen.<br />

Trainings-Empfehlungen sind zuhauf im<br />

Internet und in <strong>Sport</strong>magazinen zu finden.<br />

Was raten Sie?<br />

„In einem halben Jahr zum Marathon“ und<br />

ähnliche Erfolgsversprechen sind aus meiner<br />

Sicht gefährlich. Konditionell kann sich ein<br />

Läufer sogar innerhalb weniger Wochen auf<br />

dieses Fitness-Level bringen, aber, und das<br />

steht fest: Sehnen, Knorpel und insbesondere<br />

die darunter liegenden Gelenkknochen<br />

haben eine wesentlich längere Anpassungszeit.<br />

Letztere können ohne eine zeitintensive<br />

Vorbereitung erheblichen Schaden nehmen.<br />

Wie lange dauert die Anpassung?<br />

In jungen Jahren ist die Anpassungsdynamik<br />

schnell, doch selbst dann dauert sie in etwa<br />

drei Jahre. Im Erwachsenenalter liegt der<br />

Zeitraum bei rund fünf Jahren. Es stellt sich<br />

also die Frage: Muss ich das wirklich tun?<br />

Zudem ist der Zeitaufwand hoch. Gute Marathonläufer<br />

absolvieren in der Woche etwa<br />

180 Kilometer und sind optimal trainiert. Das<br />

bedeutet mehrere Stunden Training täglich.<br />

Nehmen wir an, der Läufer hat sich ideal<br />

vorbereitet. Wie wichtig ist das Schuhwerk?<br />

Hier gilt die Regel: Der Schuh muss dem<br />

Fuß bequem sein. Die Industrie verspricht in<br />

ihrer Werbung gelenkschonende Laufschuhe<br />

mit besonders dämpfenden Eigenschaften.<br />

Wichtiger als die Dämpfungsfunktion ist<br />

aber die Beschaffenheit des Untergrunds,<br />

auf dem ich laufe. Wer auf Waldboden für<br />

einen City-Marathon trainiert, wird im<br />

Wettkampf Probleme bekommen, da der Bewegungsapparat<br />

nicht auf den harten Boden<br />

angepasst ist.<br />

Welche Rolle spielt die Temperatur?<br />

Durch Muskelaktivität entsteht Wärme, welcher<br />

der Körper durch Thermoregulation<br />

entgegenwirkt. Die Körpertemperatur kann<br />

während eines Marathonlaufs schon einmal<br />

auf über 39,5 Grad Celsius ansteigen. <strong>Sport</strong>ler,<br />

die viel auf Ausdauer trainieren, haben<br />

ein höheres Blutvolumen und damit eine höhere<br />

Flüssigkeitsreserve. Sie schwitzen viel,<br />

aber der Körper dehydriert nicht. Auch die<br />

Thermoregulation muss demnach trainiert<br />

sein, um einen Hitzschlag zu vermeiden.<br />

Was kann ich meinem Körper nach einem<br />

Langstreckenlauf Gutes tun?<br />

Im direkten Anschluss empfehle ich Schat-<br />

ten und feuchte Handtücher, um den erhitzten<br />

Körper zu kühlen. Danach geht es daran,<br />

sichtbare Wunden, wie zum Beispiel Blasen,<br />

zu versorgen. Anschließend braucht der<br />

Körper Flüssigkeit und Energie, eventuell<br />

auch Massagen. In den Folgetagen empfehle<br />

ich locker-leichte Bewegung für die Gelenke.<br />

Wichtig ist, jede Aktivität drei Schritte<br />

langsamer anzugehen, um dem Körper die<br />

Regeneration zu ermöglichen, die er nach<br />

Höchstleitungen dringend benötigt.<br />

Das Interview führte Kristina Wiede.<br />

Foto: RehaZentrum<br />

Zur Person<br />

Dr. Götz Dimanski erlangte 1989 den<br />

Facharzt für <strong>Sport</strong>medizin. 1991 kam<br />

er von Leipzig nach Bremen, wo er 23<br />

Jahre Werder Bremens Fußballer als<br />

Mannschaftsarzt betreute. Heute führt<br />

er die Geschäfte des RehaZentrum<br />

Bremen und praktiziert dort als Chefarzt<br />

der Abteilung für <strong>Sport</strong>medizin<br />

und Physiotherapie. Seine Tätigkeitsschwerpunkte<br />

liegen im Bereich der<br />

nichtoperativen Diagnostik sowie der<br />

Therapie von Erkrankungen und Verletzungen<br />

des gesamten Bewegungsapparats.<br />

In seiner Freizeit dreht der<br />

frühere Leichtathlet im Bürgerpark<br />

seine Runden auf der Finnbahn.

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