04.10.2019 Aufrufe

Wohnungsfrage / dérive - Zeitschrift für Stadtforschung, Heft 77 (4/2019)

Ausschlaggebend für das Auftauchen der Wohnungsfrage Mitte des 19. Jahrhundert waren die elenden Wohnverhältnisse der ArbeiterInnenklasse. Wohnraum war in den stark wachsenden Städten zur Ware geworden. Heute berührt die Wohnungsfrage Fragen der Ökonomie und Politik, der Ökologie und Nachhaltigkeit, der Architektur und Soziologie gleichermaßen. Der Schwerpunkt von dérive 77 wirft Schlaglichter auf einzelne dieser Aspekte: die Selbstorganisation von MieterInnen in den USA, Wohnbau-Genossenschaften in Zürich, Wohnungsfrage von rechts (Afd, FPÖ), der Wohnrechtskonvent für ein neues österreichisches Wohnrecht, Wohn- und Obdachlosigkeit, Wiener SiedlerInnenbewegung. Für den Magazinteil hat Andreas Zeese einen Artikel über den Phorusplatz, einen vergessenen Wiener Stadtraum verfasst. Ein weiterer Beitrag informiert über den Status Quo der Kampagne SOS Nordbahnhalle. Das Kunstinsert Für die Vögel stammt von Claudia Märzendorfer. Hier kann das Heft bestellt werden: https://shop.derive.at/products/wohnungsfrage.

Ausschlaggebend für das Auftauchen der Wohnungsfrage Mitte des 19. Jahrhundert waren die elenden Wohnverhältnisse der ArbeiterInnenklasse. Wohnraum war in den stark wachsenden Städten zur Ware geworden. Heute berührt die Wohnungsfrage Fragen der Ökonomie und Politik, der Ökologie und Nachhaltigkeit, der Architektur und Soziologie gleichermaßen. Der Schwerpunkt von dérive 77 wirft Schlaglichter auf einzelne dieser Aspekte: die Selbstorganisation von MieterInnen in den USA, Wohnbau-Genossenschaften in Zürich, Wohnungsfrage von rechts (Afd, FPÖ), der Wohnrechtskonvent für ein neues österreichisches Wohnrecht, Wohn- und Obdachlosigkeit, Wiener SiedlerInnenbewegung. Für den Magazinteil hat Andreas Zeese einen Artikel über den Phorusplatz, einen vergessenen Wiener Stadtraum verfasst. Ein weiterer Beitrag informiert über den Status Quo der Kampagne SOS Nordbahnhalle. Das Kunstinsert Für die Vögel stammt von Claudia Märzendorfer. Hier kann das Heft bestellt werden: https://shop.derive.at/products/wohnungsfrage.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ANDREAS ZEESE<br />

Der vergessene<br />

Stadtraum<br />

Magazin<br />

Wie der Wiener Phorusplatz<br />

entstand – und wieder verschwand<br />

Ein Beitrag zur Geschichte des öffentlichen Raums in Wien<br />

Die Besetzung der Phorushalle am 20./21. Oktober 1979.<br />

Blick aus der Phorusgasse in Richtung Westen.<br />

Foto — KURIER / Herbert Kluger.<br />

Aus: Kurier, 22.10.1979, S. 1.<br />

Plötzlich war er da, »Der Skandal vom Phorusplatz«<br />

(Arena 1979, S. 1). Als am 20. Oktober<br />

1979 – vor genau 40 Jahren – junge AktivistInnen<br />

aus dem Umfeld der Burggarten-Bewegung fast<br />

einen Tag lang die ehemalige Phorushalle besetzten,<br />

richtete sich die Aufmerksamkeit von Medien,<br />

Politik und Öffentlichkeit ein letztes Mal auf einen<br />

Stadtraum, der heute weitgehend vergessen ist.<br />

Der kurze Showdown endete letztlich mit dem<br />

Abzug der BesetzerInnen und einem »offensiven«<br />

Polizeieinsatz. Bereits wenige Tage danach begann<br />

der Abriss der Halle, an deren Stelle man ab<br />

1981 ein Seniorenheim errichtete.<br />

Es sind Episoden wie diese, die jüngere BewohnerInnen Wiens<br />

überraschen dürften. Wer heute an dem 1985 fertiggestellten<br />

Pensionistenheim an der Ziegelofengasse zwischen Mittersteig<br />

und Leibenfrostgasse vorbeikommt, wird kaum einen Hinweis<br />

auf die Vergangenheit des Ortes finden. Dabei ist die Geschichte<br />

des Phorusplatzes zugleich eine besondere und eine gewöhnliche.<br />

Sie zeigt die Entstehung, Existenz und Eliminierung<br />

eines öffentlichen Raums, der ein Jahrhundert lang bestand.<br />

Und sie verdeutlicht, wie sehr die Stadt einem konstanten<br />

Transformationsprozess unterworfen ist, der funktionalen Erfordernissen<br />

und strategischen Überlegungen gehorcht.<br />

Vorspiel<br />

Es war ein folgenreicher Beschluss, den der Wiener Gemeinderat<br />

Ende Juni 1856 fasste. Am 28. Juni teilte die Tageszeitung<br />

Die Presse lapidar mit, die Kommune Wien wolle<br />

»den in der Nähe der Matzleinsdorfer Linie gelegenen und bei<br />

3000 Quadratklafter fassenden Phorus (Holzverkleinerungs-Anstalt<br />

und Holzlager) [...] um den Preis von 60.000<br />

fl. EW zu Gemeindezwecken« erwerben (o. A. 1856).<br />

Der Phorus – das war ein stadtbekanntes, mehr als<br />

einen Hektar großes Werk- und Lagerstätten-Areal, das sich<br />

zwischen der Wiedner Hauptstraße und dem Mittersteig im<br />

4. Bezirk befand und mit Baracken und kleineren Gebäuden<br />

überbaut war. Das Grundstück hatte sich zuvor im Besitz des<br />

gleichnamigen Unternehmens Phorus befunden, das 1821 als<br />

Verein »zur Errichtung einer Brennholz-Verkleinerungs-Anstalt«<br />

gegründet worden war (o. A. 1822) und bis zu seinem<br />

Konkurs 1855/56 die Brennholz-Versorgung der Wiener Stadtbevölkerung<br />

fast monopolisiert hatte. 1<br />

Der Ankauf des Areals durch die neue Groß-Gemeinde<br />

Wien erfolgte zu einem neuralgischen Zeitpunkt: Schon 1850<br />

waren die Vorstädte eingemeindet worden – der seit langem erhoffte<br />

Startschuss <strong>für</strong> die Stadterweiterung im Bereich des<br />

Öffentlicher Raum, Stadtgeschichte, Besetzung, Markthalle,<br />

Wieden, Platzüberbauung, Privatisierung, Phorushalle<br />

46<br />

<strong>dérive</strong> N o <strong>77</strong> — WOHNUNGSFRAGE

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!