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Gazette Wilmersdorf November 2019

Gazette für Wilmersdorf, Schmargendorf, Grunewald und Halensee

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6 | <strong>Gazette</strong> Charlottenburg <strong>Wilmersdorf</strong> | <strong>November</strong> & <strong>Wilmersdorf</strong> <strong>2019</strong><br />

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) diskutiert<br />

Mietenwahnsinn stoppen, Mietendeckel einführen – wer will bezahlbare Mieten?<br />

Wohnen muss bezahlbar sein. Hierfür wurde der Mietendeckel entworfen. Die Meinungen über ihn gehen auseinander.<br />

In den folgenden Beiträgen nehmen die Fraktionen der BVV zu dem Thema Stellung.<br />

Berlin SPD-Fraktion<br />

Wir alle wollen bezahlbare Mieten. Nur, die Bandbreite<br />

dessen, was jeder für sich als bezahlbar betrachtet, ist weit.<br />

Es ist also kein einheitlicher Richtwert. Die SPD verfolgt mit<br />

dem von ihr erdachten Mietendeckel das Einfrieren der<br />

Mieten für fünf Jahre, zur Entlastung vor immer weiter steigenden<br />

Mieten und zur Entspannung am Wohnungsmarkt.<br />

Mit vielen Gutachten haben wir die Koalitionspartner von<br />

der rechtlichen Umsetzbarkeit der Idee überzeugt. Dies nun<br />

mit immer weiteren Forderungen (z. B. Mietsenkungen) zu<br />

ergänzen, gefährdet das ganze Vorhaben. Hierzu fehlen<br />

Gutachten, die die notwendige Rechtssicherheit bestätigen.<br />

Ein Scheitern würde zu einem finanz- und sozialpolitischen<br />

Fiasko führen. Darum bleibt die SPD bei ihrem Plan<br />

„Bauen, Kaufen, Deckeln“: Den dringend benötigten Bau<br />

und Kauf von (Sozial-)wohnungen voranzutreiben und die<br />

Mieten einzufrieren. Im Bezirk suchen wir im Gespräch mit<br />

Investoren deren Bereitschaft, 30 Prozent der geplanten<br />

Wohnfläche an städtische Wohnungsbaugesellschaften zu<br />

geben oder selbst gebundene Mietpreise anzubieten. Alle<br />

landes- und bezirkseigenen Flächen sollen bei vorhandener<br />

Eignung mit Sozialwohnungen bebaut werden.<br />

Wolfgang Tillinger<br />

CDU-Fraktion<br />

Alle wollen „bezahlbare“ Mieten für alle Menschen in unserer<br />

Stadt, natürlich auch die CDU-Fraktion. Aber nicht<br />

alle sind dafür, dieses Ziel mit einem haarsträubenden<br />

Eingriff in das rechtsstaatliche und wirtschaftliche Gefüge<br />

der Bundesrepublik Deutschland zu erreichen, wie<br />

ihn der sogenannte „Mietendeckel“ vorsieht; zumal er<br />

unseres Erachtens noch nicht einmal dieses Ziel erreichen<br />

würde. Denn am Ende könnten staatlich verordnete<br />

Mietsenkungen zwar für einige Bestandsmieter pauschale<br />

Entlastungen bringen (übrigens exakt gleich, ob sie im<br />

Wohnturm am Heckerdamm oder im Gründerzeit-Altbau<br />

am Ku’damm wohnen); für Menschen, die auf Wohnungssuche<br />

sind, würde sich die Situation aber noch weiter<br />

verschärfen, denn niemand würde und könnte unter<br />

diesen Bedingungen noch neue Wohnungen in Berlin<br />

schaffen. Selbst die Wohnungsbaugenossenschaften und<br />

die landeseigenen Wohnungsgesellschaften haben dies<br />

schon sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Und auch<br />

Geld für die Instandhaltung der bestehenden Wohnungen<br />

und Häuser dürfte es dann kaum noch geben und zwar<br />

dauerhaft. Dieser „Mietendeckel“ wäre also alles andere<br />

als gerecht. Er wäre vielmehr der Anfang vom Ende einer<br />

lebenswerten Stadt Berlin!<br />

Christoph Brzezinski<br />

www.gazette-berlin.de<br />

B‘90/Grünen-Fraktion<br />

Mietrecht ist grundsätzlich Bundesrecht. Die seit 15 Jahren<br />

durch die CDU geführte Bundesregierung versagt jedoch<br />

dabei völlig, den „Mietenwahnsinn“ in den deutschen Großstädten<br />

in den Griff zu bekommen. Wie die Mieter selbst<br />

nur zu gut wissen, ist die sog. Mietpreisbremse des Bundes<br />

keinerlei Hilfe. Die Grünen unterstützen daher den aus der<br />

Not geborenen Vorschlag der SPD, das Versagen des Bundes<br />

durch ein Mietendeckel-Gesetz auf Landesebene aufzuwiegen<br />

zu versuchen. Ähnliches gab es bis 1983 in West-Berlin<br />

als reine Deckelung von Mieten, nicht als Absenkung, wie<br />

von Bausenatorin Lompscher geplant. Dabei ist es elementar,<br />

dass ein solches „Landes-Mietrecht“ verfassungskonform ist.<br />

Ein wichtiges Kriterium für die Verfassungskonformität ist<br />

beispielsweise die Verhältnismäßigkeit des Mietendeckel-Gesetzes,<br />

das zu keinen neuen Ungleichgewichten führen darf.<br />

Keinem einzigen Mieter ist geholfen, wenn nach ein paar<br />

Jahren Klagezeit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

dazu führt, dass ein unverhältnismäßiger Berliner<br />

Mietendeckel für unwirksam erklärt wird und dadurch die<br />

Vermieter von den Mietern Nachzahlungen verlangen dürfen,<br />

die in die Zehntausende gehen. Das wäre eine soziale<br />

Katastrophe.<br />

Jenny Wieland<br />

FDP-Fraktion<br />

Gegenfrage: Wer will keine bezahlbaren Mieten? Und wer<br />

definiert das Adjektiv bezahlbar? Ob das verfassungsrechtlich<br />

bedenkliche Mittel des Mietendeckels zum Erfolg führt, ist<br />

fraglich. Wichtiger ist es, der Nachfrage nach Wohnraum mit<br />

ausreichendem Angebot zu begegnen. Hierzu müssen neue<br />

Wohnungen gebaut, brachliegende Grundstücke entwickelt<br />

und der Bodenspekulation die Grundlage entzogen werden.<br />

Durch die Deckelung der Mieten wird keine neue Wohnung<br />

entstehen. Vielmehr werden potentielle Bauherrn verschreckt,<br />

ist doch mit den diskutierten Vorschlägen zu Miethöhen keine<br />

belastbare Kalkulation für Bauvorhaben mehr möglich. Und<br />

wenn es auch nicht in ein linkes Weltbild passt: In Wohnungen<br />

muss investiert werden, damit sie bewohnbar bleiben!<br />

Statt mit einem eilig zusammengeschusterten „Mietendeckel“<br />

sehenden Auges – und dies zu Lasten der Mieterinnen und<br />

Mieter – jahrelange Rechtsunsicherheit bei Mietverhältnissen<br />

zu provozieren und den funktionierenden Mietspiegel<br />

mutwillig zu demontieren, sollte die Berliner Regierung lieber<br />

den bestehenden Rechtsrahmen verlässlich durchsetzen.<br />

Statt populistischer Stimmungsmache sollte der Senat zur<br />

Abwechslung seine Hausaufgaben machen und für eine<br />

funktionierende Verwaltung und arbeitsfähige Gerichte<br />

sorgen, die gegen die zweifelsohne agierenden „schwarzen<br />

Schafe“ vorgehen. All das wäre weit wirkungsvoller, als dem<br />

fragwürdigen Instrument des „Mietendeckels“ nachzujagen.<br />

Johannes Heyne<br />

Alternative<br />

für<br />

Deutschland<br />

AfD-Fraktion<br />

Überraschung in der Politik: die Mieten steigen uferlos<br />

schneller als die Einkommen. Verursacht wurde die Not<br />

aber überwiegend selbst: neoliberale Privatisierungswelle,<br />

einseitige Förderung von Eigentumswohnungen, Verscherbeln<br />

landeseigenen Bestands (Gehag, GSW; Teil-Rückerwerb<br />

kostet jetzt das Zwanzigfache!), Vernachlässigung sozialen<br />

Wohnraums; die Höhepunkte schwarz-roter und rot-roter<br />

Politik. Jetzt noch befeuert mit „wachsender Stadt“, überforderten<br />

Baubehörden, hohen Baunebenkosten, Nullzins und<br />

verfehlter Melange aus Asyl- und Migrationspolitik. Milieuschutz,<br />

Mietpreisbremse, Mikro-Apartments, mobile Bauten:<br />

Sie stopfen das Loch offenbar nicht. Nun soll es ein Mietendeckel<br />

„hart“ richten – der ironischerweise aber unsozial, da<br />

undifferenziert, ist.<br />

Bei (Teil-)Enteignungen sind die Hürden aber hoch. Vertretbar<br />

wäre nur ein temporäres Notfallinstrument unter Selbstverpflichtung<br />

zu Werterhalt und unabdingbar gleichzeitigem<br />

Beheben der Ursache: dem Mangel im Angebot. Im Vorschlag<br />

der Berliner SPD fehlt das und auch belastbare Konzepte<br />

dazu: staatlicher sozialer Wohnungsbau, Eigentumsförderung<br />

durch Förderbanken, Zustrom eindämmen, Nebenkosten<br />

senken, kooperatives Bauen, dauerhafte Sozialwidmung,<br />

Nachbesserung beim Wohngeld etc.<br />

Jan von Ertzdorff-Kupffer<br />

Linksfraktion<br />

Bisher kannten die Mietpreise nur eine Richtung: nach oben.<br />

Mit dem Mietendeckel wird sich das ändern. DIE LINKE will,<br />

dass Berlin für alle bezahlbar ist. Wir kämpfen dafür, dass<br />

Mieten fünf Jahre nicht steigen dürfen und zu hohe Mieten<br />

auf festgelegte Mietobergrenzen abgesenkt werden. Das ist<br />

notwendig, denn viele Kieze in Charlottenburg-<strong>Wilmersdorf</strong><br />

sind selbst für die Mittelschicht nicht mehr leistbar. Und es<br />

ist rechtlich machbar, wie der Berliner Mieterverein und der<br />

Republikanische Anwaltsverein in ihren Stellungnahmen<br />

formulieren. Die SPD im Senat blockiert die Absenkung und<br />

Mietobergrenzen. Sie stellt sich gegen die Mieter*innen in der<br />

Stadt. Die SPD muss sich fragen lassen, auf welcher Seite sie<br />

steht. CDU, FDP, AfD und die Immobilienwirtschaft bekämpfen<br />

bezahlbare Mieten. Sie stehen für eine Stadt der Reichen.<br />

Wenn der Mietendeckel kommt, ist er ein riesiger Erfolg, der<br />

den Mieter*innen im Bezirk eine Atempause verschafft. Aber<br />

das allein reicht nicht aus. Es müssen viel mehr Sozialwohnungen<br />

und preiswerte Wohnungen entstehen – hier steht auch<br />

Stadtrat Schruoffeneger in der Verantwortung. Außerdem<br />

müssen Deutsche Wohnen & Co vergesellschaftet und in<br />

Gemeineigentum überführt werden. Niklas Schenker<br />

ROLF BLOCK<br />

vormals Gerhard Preibisch<br />

KUNST - BAU - GLASEREI<br />

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