Ostsee wird Abwasser- Sondergebiet
Ostsee wird Abwasser- Sondergebiet
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Irene GRONEGGER<br />
<strong>Ostsee</strong> <strong>wird</strong> <strong>Abwasser</strong>-<br />
<strong>Sondergebiet</strong><br />
Für Schiffsabwässer sollen strengere<br />
Vorschriften gelten, die Anforderungen an<br />
Entsorungsanlagen in Häfen steigen.<br />
Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation<br />
beschloss im Herbst 2010 in<br />
der Sitzung ihres Umweltkomitees, die Belastung<br />
der <strong>Ostsee</strong> durch die Schifffahrt zu<br />
vermindern: Kreuzfahrtschiffe und Fähren<br />
sollen in Zukunft keine unzureichend gereinigten<br />
Abwässer mehr in die <strong>Ostsee</strong> einleiten<br />
dürfen. Nun laufen die Vorbereitungen, die<br />
<strong>Ostsee</strong> als <strong>Abwasser</strong>-<strong>Sondergebiet</strong> auszuweisen,<br />
das heißt, dass dort strengere Vorschriften<br />
gelten werden als auf anderen Meeren.<br />
Grenzwerte für<br />
Schiffsabwässer<br />
Dies war im Jahr 2009 von den Vertragsstaaten<br />
der Helsinki-Kommission (Helcom) bei<br />
der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation<br />
(IMO) beantragt worden. Die Helcom<br />
ist ein Zusammenschluss von <strong>Ostsee</strong>-Anrainerstaaten,<br />
der sich für den Schutz der<br />
Meeresumwelt einsetzt. Die Helcom hatte<br />
vorgeschlagen, die Grenzwerte für Stickstoff<br />
auf 20 mg/l und für Phosphor auf 1 mg/l zu<br />
begrenzen. Das heißt, die Schiffskläranlagen<br />
müssten den Stickstoff- und Phosphorgehalt<br />
ihrer Abwässer um etwa 70 bzw. 80 Prozent<br />
reduzieren, dies entspricht etwa den Standards<br />
der Kläranlagen an Land. Konkrete<br />
Grenzwerte sind allerdings noch nicht beschlossen,<br />
sondern werden erst noch vorbereitet<br />
und voraussichtlich nächstes Jahr<br />
durch die IMO festgelegt. Dann soll auch<br />
das <strong>Abwasser</strong>-<strong>Sondergebiet</strong> ausgewiesen wer -<br />
den.<br />
Für 2013 ist vorgesehen, dass die Regelung<br />
ostseeweit für Schiffsneubauten in Kraft<br />
tritt. Ab 2018 soll sie auf alle Passagierschiffe<br />
ausgedehnt werden, wenn geeignete<br />
Entsorgungsanlagen in den Häfen verfügbar<br />
sind. Dafür werden Hafenbetreiber und Kom -<br />
munen landseitige Leitungsnetze und Pumpkapazitäten<br />
schaffen oder erweitern müssen.<br />
Außerdem steht an, erstmals Grenzwerte für<br />
Nitrat- und Phosphoreinleitungen aus Schiffs -<br />
kläranlagen festzulegen. Derzeit geben Schif -<br />
fe noch nicht hinreichend geklärtes Grauwasser<br />
ins Meer ab.<br />
Neue Anforderungen<br />
für Häfen<br />
Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie<br />
(BSH) hat im vergangenen Jahr<br />
den Bestand der Auffangeinrichtungen in<br />
den deutschen Häfen abgefragt. Dabei wur -<br />
de klar, dass diese noch nicht in ausreichender<br />
Zahl vorhanden sind. Auch die Bauweise<br />
und technischen Lösungen sind nicht in<br />
allen <strong>Ostsee</strong>staaten bekannt. In manchen<br />
Häfen kann <strong>Abwasser</strong> nur in Tankschiffe<br />
und Tanklastwagen gepumpt werden, die<br />
dann nach und nach in die Kanalisation entleert<br />
werden.<br />
In Sankt Petersburg, Stockholm und Helsinki<br />
können Schiffe derzeit 100 Kubikmeter<br />
<strong>Abwasser</strong> pro Stunde in das Klärsystem<br />
abgeben. Der Hafen Helsinki verzeichnet<br />
die meisten Passagiere im <strong>Ostsee</strong>raum –<br />
über neun Millionen im Jahr. Dort sind alle<br />
Liegeplätze an das <strong>Abwasser</strong>system angeschlossen,<br />
die Entsorgung ist für die Schiffe<br />
kostenlos.<br />
Was unter ausreichenden und geeigneten<br />
Entsorgungskapazitäten im Sinne der IMO<br />
zu verstehen ist, ist nicht eindeutig definiert<br />
und <strong>wird</strong> derzeit von den Akteuren unterschiedlich<br />
eingeschätzt. Dabei spielt natürlich<br />
die Größe und Aufenthaltszeit eines<br />
Gewässerschutz<br />
Gesetze gegen<br />
Meeresverschmutzung<br />
Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation<br />
(Englisch: International Maritime<br />
Organization, IMO) ist eine Sonderorganisation<br />
der Vereinten Nationen. Im Jahr<br />
1973 wurde der Ausschuss für den Schutz<br />
der Meeresumwelt gegründet, um sich<br />
mit den wachsenden Problemen der Mee -<br />
resverschmutzung durch die Schifffahrt<br />
zu befassen. Aus diesem Jahr stammt<br />
auch das Internationale Übereinkommen<br />
zur Verhütung der Meeresverschmutzung<br />
durch Schiffe (Marpol). Die Anlagen I bis<br />
VI des Übereinkommens regeln die verschiedenen<br />
Arten von Verschmutzungen<br />
im Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb.<br />
Hier werden nun Änderungen oder<br />
Ergänzungen nötig, was das <strong>Sondergebiet</strong><br />
und die damit einher gehenden Regelungen<br />
betrifft. Das Marpol ist für Behörden<br />
die Grundlage, um Ordnungswidrigkeiten<br />
zu ahnden.<br />
Schiffs eine große Rolle. Letzten Endes <strong>wird</strong><br />
auch der Wettbewerb zwischen den <strong>Ostsee</strong>-<br />
Häfen die Entsorgungsangebote regeln, so<br />
die Einschätzung der Berufsgenossenschaft<br />
Verkehr, die an den künftigen <strong>Abwasser</strong>-<br />
Grenzwerten mitarbeitet.<br />
Anbindung an die Kläranlagen<br />
In Rostock-Warnemünde soll 2012 nach<br />
Auskunft des Rostocker Hafens und des<br />
kommunalen Entsorgers Eurawasser eine<br />
neue Anlage in Betrieb gehen, die in zehn<br />
Stunden immerhin rund 600 Kubikmeter<br />
HAFEN IN ROSTOCK: Hier soll 2012 eine neue <strong>Abwasser</strong>entsorgungs-Anlage<br />
in Betrieb gehen. Foto: Rostock Port/Nordlicht Bild 1<br />
3/2011 wwt-online.de 45
RECHT & GESETZ Gewässerschutz<br />
MESSFAHRT AUF DER OSTSEE:<br />
Probenahme an Bord des<br />
Forschungsschiffes „Prof. A. Penck“.<br />
Foto: IOW Bild 2<br />
aufnehmen und in das <strong>Abwasser</strong>netz einleiten<br />
<strong>wird</strong>. Aus der Sicht der Eurawasser<br />
begrenzt nicht das <strong>Abwasser</strong>netz die Kapazitäten,<br />
sondern die in manchen Schiffsabwässern<br />
enthaltenen AOX (adsorbierbare<br />
organisch gebundene Halogene), die auf<br />
Schiffen zum Chloren eingesetzt werden.<br />
Die Eurawasser kann nur begrenzte Mengen<br />
an AOX in ihre Kläranlage einleiten, weil<br />
AOX sonst die biologische Klärstufe beeinträchtigen.<br />
Je nachdem wie hoch der AOX-<br />
Gehalt der Abwässer tatsächlich ausfallen<br />
<strong>wird</strong>, können in Zukunft möglicherweise<br />
auch größere Mengen abgenommen werden.<br />
Von Speicherbecken ist derzeit in Rostock<br />
nicht die Rede. Hinzu kommt, dass nicht alle<br />
Schiffe ihre Abwässer chloren, manche nutzen<br />
zur Desinfektion UV-Strahlung oder Mikrofilter.<br />
Im vergangenen Jahr kamen in Rostock 75<br />
Kreuzfahrtschiffe an, um einen Landausflug<br />
zu machen, weitere 39 Schiffe starteten oder<br />
beendeten hier ihre Kreuzfahrt. Das machte<br />
zusammen über 170.000 Passagiere aus. In<br />
Kiel waren es doppelt so viele, dort hatten<br />
allerdings die Tagesausflüge einen relativ<br />
geringen Anteil. Im Kieler Hafen gibt es<br />
einige Liegeplätze mit einem <strong>Abwasser</strong>anschluss,<br />
der gegen Bezahlung genutzt werden<br />
kann.<br />
Die Lobby protestiert<br />
Die Häfen sind also schon dabei, sich auf<br />
strengere Auflagen einzurichten, doch parallel<br />
<strong>wird</strong> dagegen protestiert: Der Verband<br />
Deutscher Reeder und der Zentralverband<br />
der Deutschen Seehäfen haben sich gemeinsam<br />
an die zuständigen Landesministerien<br />
in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-<br />
Vorpommern gewandt. Sie bitten darum, sich<br />
bei der Bundesregierung dafür einzusetzen,<br />
dass sie sich gegen strenge Grenzwerte ausspricht.<br />
Die Verbände betonen den quantitativ geringen<br />
Anteil der Schifffahrt am gesamten<br />
Nährstoffeintrag und bezweifeln deshalb<br />
den ökologischen Nutzen der neuen Regelung.<br />
Das gemeinsame Positionspapier verweist<br />
außerdem darauf, dass die Nutzung<br />
der vorhandenen Schiffskläranlagen auf den<br />
Routen durch die <strong>Ostsee</strong> unterbrochen werden<br />
müsste oder hohe Kosten für Nachrüstungen<br />
anfielen.<br />
Eutrophierung:<br />
<strong>Ostsee</strong> unter Druck<br />
Umweltorganisationen begrüßen dagegen<br />
die kommende Regelung. „Das Einleitungsverbot<br />
ist ein klares Signal, dass nun die<br />
Hafenstädte in der Pflicht sind, ihre Passagierhäfen<br />
an leistungsfähige Kläranlagen anzuschließen“,<br />
sagt Jochen Lamp vom WWF.<br />
„Wenn die Technologie im Prinzip da ist –<br />
warum soll man dann Schiffen mehr Rechte<br />
einräumen als den Landbewohnern, die ihr<br />
<strong>Abwasser</strong> auch ausreichend klären müssen?<br />
Und die <strong>Ostsee</strong> ist ein sensibles Ökosystem.“<br />
Auch das Leibnitz-Institut für <strong>Ostsee</strong>forschung<br />
Warnemünde (IOW) steht fachlich<br />
hinter dem Helcom-Antrag auf ein <strong>Abwasser</strong>-<strong>Sondergebiet</strong><br />
und verweist darauf,<br />
dass die Kreuzfahrten in der <strong>Ostsee</strong> zunehmen.<br />
Derzeit leiten Schiffe jährlich rund<br />
340 Tonnen Stickstoff und 112 Tonnen<br />
Phosphor in die <strong>Ostsee</strong> ein.<br />
Die Helcom, die die strengeren Vorschriften<br />
beantragt hatte, erstellt regelmäßig Zustands -<br />
einschätzungen der <strong>Ostsee</strong> und formuliert<br />
konkrete ökologische Ziele. Die Eutrophierung<br />
ist nach wie vor ein großes Problem,<br />
auch wenn die Nährstoffeinträge der Flüsse<br />
und Küstenstädte durch Neubauten und<br />
Sanierungen von Kläranlagen regional zurückgegangen<br />
sind. Von den 162 durch die<br />
Helcom erfassten „Hotspots“ sind mittlerweile<br />
rund die Hälfte saniert, so das IOW.<br />
Verringerte Einträge wirken sich aber erst<br />
langfristig auf den Nährstoffgehalt der gesamten<br />
<strong>Ostsee</strong> aus, denn es dauert rund 30<br />
Jahre, bis das Wasser der <strong>Ostsee</strong> vollständig<br />
ausgetauscht ist. Und die Stickstoff-Belastung<br />
durch die Gülle aus der Landwirtschaft<br />
in den Küstenländern ist nach wie vor hoch.<br />
Insgesamt gelangen laut IOW rund 640.000<br />
Tonnen Stickstoff über die Entwässerung<br />
vom Festland in die <strong>Ostsee</strong>, weitere 280.000<br />
Tonnen über die Atmosphäre.<br />
<strong>Sondergebiet</strong>e<br />
wegen Abgasen<br />
Auch Schiffsabgase tragen zur Stickstoff-<br />
Belastung bei. Hinzu kommt, dass viele<br />
Schiffe mit Schweröl fahren, das hohe Anteile<br />
an Schadstoffen und Schwefel enthält<br />
und deshalb besonders umweltbelastend ist.<br />
Für Stickoxide und Schwefeloxide hat die<br />
IMO bereits Grenzwerte festgelegt und verschärft.<br />
Außerdem sind Nord- und <strong>Ostsee</strong><br />
als Emissionssondergebiete ausgewiesen, in<br />
denen strengere Grenzwerte für den Schwefelgehalt<br />
von Treibstoff gelten als auf den<br />
übrigen Weltmeeren: Zum 1. Juli 2010 wurde<br />
er von 1,5 auf 1,0 % abgesenkt, ab 2015<br />
werden nur noch 0,1 Prozent Schwefel er-<br />
Behandlung von<br />
Schiffsabwasser<br />
Die Anlage IV des Internationalen Übereinkommens<br />
(2003 in Kraft getreten) regelt<br />
die Verhütung bzw. Einschränkung<br />
von Verschmutzungen des Meeres durch<br />
Schiffsabwasser. Danach ist das Einleiten<br />
von Schiffsabwasser grundsätzlich<br />
verboten. Ausnahmen gelten, wenn das<br />
Schiff über eine Anlage zur Behandlung<br />
oder Aufbereitung von <strong>Abwasser</strong> verfügt,<br />
oder wenn das <strong>Abwasser</strong> aus einem<br />
Sammeltank in einer Entfernung von mehr<br />
als 12 Seemeilen vom nächstgelegenen<br />
Land eingeleitet <strong>wird</strong>. Schiffsabgase sind<br />
schließlich in Anlage VI geregelt.<br />
laubt sein. Während der Liegezeit in den<br />
Häfen der Europäischen Union gilt schon<br />
jetzt eine Obergrenze von 0,1 % Schwefel.<br />
Auch bei den Abgasen bedeuten strengere<br />
Grenzwerte eine Herausforderung für die<br />
Technik an Bord. Entweder müssen Abgase<br />
gereinigt werden, wobei das Waschwasser<br />
ebenfalls aufbereitet oder gesammelt werden<br />
muss, oder die Schiffe müssen mit<br />
schwefelarmem und wesentlich teurerem<br />
Treibstoff betankt werden. Unterschiedliche<br />
Treibstoffe auf einem Schiff einzusetzen ist<br />
bereits üblich, aber die ständigen Umstellungen<br />
je nach Fahrstrecke sind aufwändig und<br />
belasten die Motoren. Langfristig gesehen<br />
könnte Flüssiggas ein passender Energieträger<br />
für die Schifffahrt sein, was auch den<br />
Schadstoff-Ausstoß vermindern würde.<br />
KONTAKT<br />
Helsinki-Kommission<br />
www.helcom.fi<br />
International Maritime Organization<br />
www.imo.org<br />
Bundesamt für Seeschifffahrt<br />
www.bsh.de<br />
Institut für <strong>Ostsee</strong>forschung<br />
www.io-warnemuende.de<br />
WWF International – Baltic Sea<br />
www.panda.org/europe/baltic<br />
46 3/2011