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INSIGHT

KOLUMNE

Nachts,

wenn alle

schlafen …

… verlassen sie ihr Bett, wandeln

durch die Wohnung oder gehen

sogar aus dem Haus: Schlafwandler

können Außenstehende – und

selbstverständlich auch sich selbst –

richtig erschrecken. Takt NRW

blickt mit wachen Augen auf das

Phänomen und verrät, wen es am

häufigsten trifft.

Was viele nicht wissen: Somnambulismus,

so der Fachbegriff fürs Schlafwandeln,

ist keine Schlaf-, sondern

eine Aufwachstörung. Dabei erwachen

Betroffene zwar, aber nur partiell. Ein Teil

von ihnen befindet sich weiterhin in einem

Schlafstadium, dem sogenannten langsamwelligen

Tiefschlaf. Er ist sehr erholsam, aber gleichzeitig

sehr tief, weshalb Aufwachen besonders

schwerfällt. In diesem Zwischenzustand verlassen

Schlafwandelnde ihr Bett und tun Dinge, die

sie im Wachen nie vornehmen würden.

„Ich hatte mal eine Patientin, die beim Schlafwandeln

immer auf den Balkon gegangen

ist und ihre Bettwäsche runtergeworfen hat.

Andere entleeren an ungewöhnlichen Orten

ihre Blase oder ziehen sich wahllos Kleidungsstücke

an“, sagt Anka Pecnik. Die 55-Jährige

ist Oberärztin in der Klinik für Kinderheilkunde

des Florence-Nightingale-Krankenhauses der

Kaiserswerther Diakonie in Düsseldorf.

Der Schlaf von Kindern unterscheidet sich stark

von dem Erwachsener. Deshalb gibt es in Düsseldorf-Kaiserswerth

ein Schlaflabor für Erwachsene

und ein spezielles für Kinder und Jugendliche,

das Pecnik leitet. „Im Kleinkind- und Vorschulalter

ist der Anteil an langsamwelligem Tiefschlaf

besonders hoch und der Schlafrhythmus noch in

der Entwicklung. Deswegen schlafwandelt durchschnittlich

jedes fünfte Kind im Alter zwischen

vier und acht Jahren“, erklärt Pecnik. Diese Art von

Tiefschlaf nimmt mit zunehmendem Alter immer

weiter ab, weshalb Jugendliche oder Erwachsene

seltener schlafwandeln.

Im Erwachsenenalter ist Somnambulismus eher

eine Folge von gestörtem Schlaf. „Ursachen für

ein nicht vollständiges Erwachen aus dem Tiefschlaf

außerhalb des Kindesalters können Stress,

Nebenwirkungen von Medikamenten sowie organische

oder neurologische Erkrankungen sein“,

sagt Pecnik. Deswegen gilt für Betroffene mit

neu auftretenden und anhaltenden Episoden:

einen Arzt aufsuchen, der den Ursachen auf den

Grund geht und sie behandelt.

Im direkten Kontakt mit jemandem, der gerade

schlafwandelt, ist vor allem Rücksicht geboten.

„Man sollte die Person auf keinen Fall wecken. Das

versetzt sie unnötig in Panik. Am besten leitet

man sie vorsichtig zurück ins Bett und deckt sie

wieder zu“, sagt die Expertin. Denn: Die größte

Gefahr stellen die Betroffenen für sich selbst

dar. Sie könnten sich beim nächtlichen Umherwandeln

verletzen. Wenn das Umfeld aber ein

wachsames Auge darauf hat, können Betroffene

mit Somnambulismus gut umgehen. Fest steht:

Mit der notwendigen ärztlichen Behandlung

können die nächtlichen Ausflüge bald endgültig

der Vergangenheit angehören.

Etwa jedes

fünfte Kind

schlafwandelt

im Alter

zwischen

vier und acht

Jahren.

Den Ursachen fürs Schlafwandeln

geht Oberärztin

Anka Pecnik im Kinderschlaflabor

auf den Grund.

Im vergangenen Jahr galten

650.000 Menschen in Deutschland

als wohnungslos, darunter

44.000 in NRW – so die Statistik

der Bundesarbeitsgemeinschaft

(BAG) für Wohnungslose und der

Nordrhein-Westfälischen-Landesregierung.

Diese Menschen haben

keinen Mietvertrag, nächtigen bei

Freunden und Verwandten oder

in sozialen Einrichtungen. Obdachlosigkeit

ist ein Teil der Wohnungslosigkeit:

Die Betroffenen schlafen

auf der Straße, in Parks und auf

öffentlichen Plätzen. Ein hartes

Leben unter schwierigen Bedingungen.

Im Winter kommen tiefe

Temperaturen hinzu, die nicht nur

psychisch zehren, sondern auch

lebensgefährlich sind: Zehn Menschen

sind nach Angaben der BAG

im vergangenen Winter bundesweit

auf den Straßen erfroren. In NRW

mussten vier Obdachlose ihr Leben

lassen: in Köln, Düsseldorf und

Essen.

Der Kältetod, medizinisch Hypothermie

genannt, beginnt in den

Extremitäten: Zehen, Finger und

Ohren schmerzen. Danach fängt

der Körper an zu zittern, damit

die Muskeln Wärme produzieren.

Das geschieht allerdings nur bis

35 Grad Körpertemperatur, denn

spätestens jetzt sind die Energiereserven

aufgebraucht. Sinkt die

Temperatur weiter, geht das auf

die Organe. Unter 29,5 Grad hört

unser Großhirn auf zu arbeiten –

wir werden bewusstlos, der Körper

steif. Das Herz schlägt zwar noch,

aber anstatt der 60 Herzschläge

pro Minute sind es nur noch zwei,

der Puls nicht mehr messbar.

Fakten, die deutlich machen: Gerade

im Winter ist gegenüber Wohnungs-

Anderthalb

(Lese-)Minuten

Meinung

Unsere Kolumnistin

Keshia Kuhnert ist

Chefredakteurin der

Takt und schreibt über

Themen, die uns bewegen.

Heute denkt sie

über Obdachlosigkeit

nach.

„Wir sollten

unser Dach über

dem Kopf mehr

wertschätzen“,

meint Kuhnert.

losen mehr als Menschlichkeit und

warme Worte geboten: In über 25

deutschen Städten gibt es die Bahnhofsmissionen.

Hier können sich

Obdachlose aufwärmen, bekommen

eine Mahlzeit und – mindestens

genauso wichtig: ein offenes Ohr.

Doch die Bahnhofsmissionen sind

keine Option für nachts. In der

Nacht müssen Obdachlose entweder

in Notunterkünfte gehen, die im

Winter maßlos überfüllt sind, oder

auf der Straße schlafen. Deshalb

gibt es in vielen Städten NRWs

bereits Kältehotlines und Kältebusse:

Über die Hotlines können

aufmerksame Passanten Obdachlose

melden, denen es offensichtlich

schlecht geht. Ehrenamtliche

kommen dann mit einem Kleinbus,

verteilen heiße Getränke, Kleidung

und Decken. Doch gerade in Großstädten

ist der Bedarf größer als

die Summe der Hilfsangebote. Deswegen

ist jeder von uns gefragt,

wenn ein Mensch in der Kälte

liegt: hinsehen statt vorbei gehen.

Ist eine Person schutzlos und nicht

mehr ansprechbar, sorgen Sie

dafür, dass sie medizinische Hilfe

bekommt.

Was Sie noch tun können: Schauen

Sie doch mal in Ihrem Keller oder

auf dem Dachboden nach. Sicher

liegen hier ausrangierte Decken

oder Winterkleidung, die andere

gut gebrauchen können. Solche

Sachspenden können Sie bei den

Bahnhofsmissionen, in Notunterkünften

oder direkt beim Hilfsbedürftigen

abgeben. Zwar lässt

es kaum jemanden kalt, wenn man

Obdachlose auf der Straße sieht,

nur ist die Berührungsangst meist

größer als das Bedürfnis zu helfen.

Trauen Sie sich – im Winter rettet

es Leben.

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