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INTERVIEW

NA, GUT

GESCHLAFEN?

Schlafmediziner Prof.

Winfried Randerath

erklärt, was guten Schlaf

ausmacht und warum

uns Zugfahren manchmal

so schön schläfrig macht.

Was kann uns die Schlafmedizin

über Schlafprobleme verraten?

Als ich 1990 als Assistenzarzt in die

Schlafmedizin eingestiegen bin, war

sie noch eine sehr junge Disziplin.

Wir wussten noch nicht viel über

die einzelnen Phasen, hatten keine

Erklärungen für atem- und bewegungsbezogene

Störungen oder

Probleme beim Ein- oder Durchschlafen.

Das Thema hat sich aber

seitdem rasant entwickelt. Eine

Schlafstörung kann einerseits psychische

Ursachen haben, aber auch

auf organische Erkrankungen hinweisen.

Diesen Faktoren gehen wir

im Labor nach.

Was genau untersuchen Sie im

Schlaflabor?

Bevor der Patient ins Labor kommt,

hat er meist schon einige Untersuchungen

beim Hausarzt hinter sich

und wurde von einem Schlafmedizi-

ner zu seinen Schlafgewohnheiten

befragt. Auch wurden bereits Schlafhindernisse

analysiert, zum Beispiel

mit einem Tagebuch, oder eine häusliche

Messung mit einem tragbaren

Gerät durchgeführt. Im Labor überwachen

wir in der Nacht zahlreiche

Körperfunktionen wie Hirnströme,

Augenbewegungen, Muskel aktivität,

Atmung und Herzfrequenz. Es ist

spannend und aufschlussreich zu

sehen, was in den einzelnen Schlafphasen

passiert und wie der Patient

zwischen Wachen und Schlafen

pendelt.

Was macht die einzelnen Phasen

aus?

Vom leichten zum tiefen Schlaf entspannt

sich unser Körper immer

mehr, die Hirnaktivität wird immer

ruhiger, die Augenbewegungen

hören auf. Im REM-Schlaf sind die

Muskeln zwar ganz entspannt, die

Augen bewegen sich jedoch lebhaft

(Rapid Eye Movement) und die Hirnaktivität

ist ähnlich hoch wie im

Wachzustand. Im gesunden Schlaf

durchlaufen wir die vier Phasen

etwa drei- bis viermal pro Nacht

(Schlafarchitektur). Dabei sind wir

durchaus zwischendurch mal wach.

Wie aussagekräftig sind Apps

und Fitnessarmbänder für die

Analyse des eigenen Schlafs?

Bei einem Test habe ich das einmal

ausprobiert und festgestellt, dass sie

zwar gut zwischen Ruhe und Aktivität

unterscheiden können, aber nicht

ausreichend zwischen den einzelnen

Schlafstadien. Insofern sind sie kein

Ersatz für eine Untersuchung im

Labor, geschweige denn für die

eigene Wahrnehmung. Ausgeschlafen

zu sein bedeutet nicht, Zeiten

abzuarbeiten und Leistungsdaten

zu erfassen, sondern sich tagsüber

fit und erholt zu fühlen.

Wie viele Stunden brauchen

wir durchschnittlich, um ausgeschlafen

zu sein?

Das ist individuell unterschiedlich.

In Deutschland liegt die durchschnittliche

Schlafdauer im Alter

von 25 bis 60 Jahren bei etwas

mehr als sieben Stunden pro Nacht.

Was spannend ist: Das Bedürfnis

und die Rhythmen ändern sich im

Lauf des Lebens. Kleinkinder brauchen

täglich bis zu zwölf Stunden

Schlaf. Jugendliche haben während

der Pubertät einen ganz anderen

Rhythmus. Sie schlafen abends später

ein und wollen morgens länger

liegen bleiben. Senioren brauchen

nachts weniger Schlaf, legen dafür

aber tagsüber auch mal ein Mittagsschläfchen

ein.

Wie wirkt sich Schichtarbeit auf

einen gesunden Schlafrhythmus

aus?

Unser biologischer Rhythmus, unsere

innere Uhr, der Stoffwechsel

und die Funktion vieler Organe sind

auf eine Abstimmung zwischen Tag

und Nacht sowie Hell und Dunkel

ein gestellt. Dem dauerhaft entgegenzuleben,

beispielsweise mit Schichtarbeit,

kann sich ungünstig auf

Schlafqualität, Wohlbefinden und

Folgeerkrankungen auswirken. Die

Rhythmen spielen auch eine Rolle

bei Zeitzonenverschiebungen bei

Reisen in entfernte Länder (Jetlag)

oder dem Wechsel zwischen Sommer-

und Winterzeit. Aus medizinischer

Sicht ist es besser, wenn wir

nach der Sonne leben, also nicht

unsere Zeit verstellen.

Welche Faktoren können den

Schlaf oder das Einschlafen

verbessern? Bahnfahren macht

zum Beispiel manchmal ganz

schön müde …

Auf jeden Fall sollte die Umgebung

stimmen. Wichtig sind Ruhe und

Dunkelheit. Auch sollte die Temperatur

etwas kühler sein als in anderen

Zimmern. Wenn es mit dem

Einschlafen nicht klappt, empfehle

ich, aufzustehen und etwas ganz

anderes, Entspannendes, zu machen.

Man kann es nicht erzwingen.

Gerne wird gesagt, dass das monotone

Geräusch des Zuges und die

ruhige Atmosphäre im Abteil eine

Erinnerung daran auslösen, wie wir

früher in den Schlaf gewiegt wurden.

Wenn ich aber sowieso gerade ein

Defizit habe, bietet mir die Bahnfahrt

vielleicht einfach auch nur

eine gute Gelegenheit, fehlenden

Schlaf nachzuholen.

Welche Rolle nimmt guter Schlaf

in unserer heutigen Gesellschaft

ein?

Ich sehe es sehr kritisch, dass unsere

Gesellschaft uns signalisiert,

dass wir auch ohne oder mit sehr

Im Schlaflabor werden

zahlreiche Körperfunktionen

untersucht, etwa

Hirnströme, Muskelaktivität,

Atmung und

Herzfrequenz.

„Ausgeschlafen zu

sein bedeutet, sich

tagsüber fit und

erholt zu fühlen.“

wenig Schlaf gut leben können.

Zum Beispiel, wenn Politiker nach

nächtelangen Diskussionen morgens

Entscheidungen verkünden. Jede

Entscheidung, die wir unter Schlafmangel

getroffen haben, sollten

wir auch noch einmal ausgeschlafen

überdenken. Auch unsere ständige

Erreichbarkeit ist ein Problem. Da

brauchen wir ein Umdenken. Gesund

leben ist von vier Faktoren abhängig:

Sport und körperliche Aktivität,

ausgewogene Ernährung, sich nicht

schädigen (Rauchen, Alkohol) und –

nicht zuletzt – erholsamer Schlaf.

ZUR PERSON

Prof. Winfried Randerath ist Facharzt für Lungen- und

Bronchialheilkunde, Schlafmedizin und Allergologie.

Er arbeitet in der Lungenfachklinik des Krankenhauses

Bethanien in Solingen und gehört zur Universität

zu Köln. Seit 2009 ist er erster Vorsitzender der Nordrhein-Westfälischen

Gesellschaft für Schlafmedizin.

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