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STADT
KEINE RÜCKKEHR.
Viele Gefangene starben
an Hunger und Krankheiten.
EINE KLEINSTADT.
Die hohe Anzahl der Kriegsgefangenen stellte
auch eine logistische Herausforderung dar.
35.000 Gefangene in Marchtrenk
Ein Wasserturm erinnert noch an das Lager aus dem 1. Weltkrieg
Das Lager bestand aus ungefähr
500 Baracken. Es
war wesentlich größer als
das 400 Meter entfernte
Dorf Marchtrenk, das damals
nur 2.400 Einwohner zählte.
Generell erfuhren die Insassen
eine humane Behandlung gemäß
der Haager Landkriegsordnung
von 1907. Für sie veranstaltete
man sogar
Musikaufführungen, Theatervorstellungen
und Gottesdienste;
es gab eine Bibliothek
mit fremdsprachigen Zeitungen
und ein Krankenhaus mit
1.600 Betten. Die Insassen
durften gelegentlich sogar das
Lager verlassen.
Zeitzeugen. Nach Ende
des Krieges verschwanden die
Baracken. Vom einstigen Lager
ist nur noch ein Wasserturm
übrig geblieben. Nur einige
Schritte entfernt befindet sich
ein Kriegerfriedhof.
Warum Marchtrenk? Als
Standort bot Marchtrenk Vorteile:
gute Straßen- und Eisenbahnverbindungen
und einen
Schotterboden, der für die Hygiene
günstig war. Außerdem
musste man dort kein fruchtbares
Ackerland opfern. Zuerst
waren im Lager hauptsächlich
russische und ukrainische Soldaten
untergebracht. Nach dem
Frieden von 1917 mit Russland
kamen vor allem Italiener.
35.000 Insassen bedeuteten
1915 den Höchststand der Besiedelung.
Lagerleben. Jeder Gefangene
hatte eine Strohsack-Matratze,
Polster und Decken. Die
Offiziere bewohnten Zimmer
mit ordentlichen Betten. Die
Gefangenen waren dermaßen
gut mit Bekleidung versorgt,
dass einige von ihnen sogar
einzelne Stücke verkauften. Allerdings
herrschte im Lager,
wie im ganzen Land, Knappheit
an Lebensmitteln. Das war eine
Auswirkung des vom Feind
verhängten Handelsembargos.
Das Frühstück bestand deshalb
nur aus Tee, zu Mittag gab es
Hering, Kraut, Kartoffeln oder
Pökelfleisch, zu Abend Kohlrüben
und Bohnen.
Arbeitseinsatz. Gemeine
Soldaten hatten Zwangsarbeit
zu leisten; nach der Haager
Landkriegsordnung durfte diese
die Kriegsführung nicht fördern.
Sie nahmen diese Beschäftigung
trotz der allerdings
nur geringfügigen Entlohnung
meistens gerne an. Im Lager
gab es spezielle Werkstätten:
Tischlerei, Schmiede, Fleischerei,
Bäckerei, Schneiderei,
Schusterei u.v.m. Einige arbeiteten
auch außerhalb, zum Beispiel
auf Bauernhöfen. Gelegentlich
fanden sie Anschluss
an die Familie oder das Hofgesinde.
Dabei ergaben sich mitunter
auch Liebschaften.
Massensterben. Anfang
1918 herrschte große Hungersnot
im Lager. Über 800 Insassen
starben. Das italienische
Rote Kreuz rettete schließlich
die Überlebenden mit Lieferungen
von Nahrungsmittelpaketen.
Im November 1918 endete
der Krieg. Daraufhin
quittierte die Wachmannschaft
ihren Dienst und ließ alles
mitgehen, was nicht nietund
nagelfest war.
Friedensweg. Es lohnt
sich, den kurzen Marchtrenker
Friedensweg kennenzulernen,
der beim Gemeindeamt beginnt.
Dort erzählen Lehrtafeln
von der Geschichte des Ortes
in beiden Weltkriegen. Es gibt
auch einiges über die vertriebenen
Donauschwaben zu erfahren,
die ab 1945 eine neue Heimat
in OÖ. fanden. Der
Marchtrenker Museumsverein
unter der Leitung von Obmann
Reinhard Gantner hat den
Lehrpfad liebevoll gestaltet. ■
HUMANE BEHANDLUNG.
Die Gefangenen wurden 14 auch medizinisch versorgt.